Star Wars und das Dilemma der neuen Regisseure

21.06.2017 - 12:00 UhrVor 3 Jahren aktualisiert
Star Wars-Regisseure: Gareth Edwards, J.J. Abrams und Rian JohnsonDisney
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Die Verpflichtung von Phil Lord und Chris Miller galt als eine der aufregendsten Entscheidungen der zukünftigen Star Wars-Filme. Doch nun wurde das eingespielte Regieduo kurz vor Ende der Dreharbeiten gefeuert und steht damit nicht alleine da.

Nachdem Disney im Oktober 2012 ganz vier Milliarden Dollar in den Kauf von Lucasfilm investierte, war ein Ausbau des Star Wars-Franchise schnell gesetzte Sache. Neben einer neuen Trilogie sollten sogenannte Anthology-Filme die Sternenkriegssaga um neue Abenteuer erweitern, die sich abseits der Skywalker-Geschichte abspielen. Als besonders knifflig gestaltete sich hierbei, das Vertrauen der Fans zurückzugewinnen, nachdem die von George Lucas inszenierten Prequels rund um die Jahrtausendwende die Gemüter spalteten. Angeführt von Kathleen Kennedy als neuer Lucasfilm-Präsidentin und einem exklusiven Writer's Room wurde im Star Wars-Kanon ordentlich aufgeräumt, um eine sauberer Grundlage für die kommenden Filme zu schaffen, die sich intensiv auf den Nostalgie-Aspekt des Weltraummärchens konzentrierten und trotzdem durch ihre Gesichter vor und hinter der Kamera eine gewisse Frische ausstrahlten.

Während mit J.J. Abrams noch ein verlässlicher Hollywood-Regisseur für die Franchise-Rückkehr engagiert wurde, der sich nicht nur in den Hallen von Lucasfilm zuhause fühlt, sondern auch darüber hinaus diversen Marken wie Star Trek und Mission: Impossible nach längerer Pause neues Leben eingehaucht hat, gestalteten sich spätere Regie-Ankündigungen als eindeutig spannendere Entscheidungen. Wie es Disney zu diesem Zeitpunkt bereits erfolgreich im Marvel Cinematic Universe praktizierte, wurden junge, vielversprechende Filmemacher unter Vertrag genommen, die zuvor mit einer Indie-Produktion aufgefallen waren und nun die Zukunft von Star Wars gestalten sollten. Keine fünf Jahre später wissen wir jedoch, dass die Visionen dieser Zukunft weit auseinandergehen und bereits zu einigen personelle Veränderungen geführt haben, wie vor wenigen Stunden die unehrenhafte Entlassung von Phil Lord und Christopher Miller wieder bewies.

Die (alte) Crew des Han Solo-Films

Das eingespielte Duo hinter dem 21 Jump Street-Reboot und The Lego Movie steht dabei stellvertretend für eine extrem widersprüchliche Entwicklung im Hause Disney und allgemein in Hollywood: Talentierte Regisseure, die durch kleine Erfolge eine eigene Stimme entwickelt haben, werden mit den Argumenten ihrer kreativen Leistungen für ein hochbudgiertes Projekt verpflichtet, ehe sich herausstellt, dass eine eigene Vision gar nicht gewollt ist, kodiert unter dem Begriff der kreative Differenzen. "Einige Insider glauben, dass [Kathleen] Kennedy mit der Verpflichtung junger Indie-Regisseure für Aufsehen sorgen will [...], schlussendlich aber nicht bereit ist, ihnen die Freiheiten zu gewähren, um ihre eigenen kreativen Entscheidungen zu treffen", schreibt die Variety  ihrem Bericht über die aktuellen Geschehnisse an der Star Wars-Front und ruft unglückliche Erinnerungen an Josh Trank und Gareth Edwards wach, die beide nach einem Indie-Hit in Blockbuster-Sphären katapultiert wurden, dort jedoch alleine nicht bestehen konnte.

Während sich Josh Trank neben anderweitiger Eskapaden mit seinem - von 20th Century Fox massiv zusammengestauchten - Fantastic Four-Reboot (zu Unrecht) jeglichen Kredit in Hollywood verspielte und kurz darauf seinen Posten als Regisseur des potentiellen Boba Fett-Films aufgeben musste, gelang es Gareth Edwards zumindest, die ersten Drehtage zu überleben, bevor ein Sturm an Meldungen über die anstehenden Reshoots von Rogue One das Narrativ veränderte und Tony Gilroy die nachträglichen Dreharbeiten übernahm. Wenn nun Ron Howard und Joe Johnston drei Wochen vor Abschluss der Dreharbeiten des Han Solo-Films als Ersatzregisseure gehandelt werden, bestätigt sich diese Tendenz. Als Folge weicht der Ansatz eines "auteur-driven" Star Wars der großen Studiovision, die vorzugsweise einen routinierten Handwerker einstellt, anstelle das Versprechen gegenüber einem Individualisten einzulösen, der sich außerhalb der etablierten Markenidentität bewegt.

Warum Lucasfilm weiterhin auf individuelle Regisseure setzt, wenngleich im Hinterkopf sowieso schon eine sehr genaue Vorstellung des Produkts existiert, ist aus Marketing/Image-Gründen durchaus verständlich, wenn wir die überwiegend euphorischen oder zumindest neugierigen Reaktionen auf die bisherigen Regie-Kandidaten bedenken. Dennoch irritieren die jüngsten Ereignissen. Was hat Kathleen Kennedy von Phil Lord und Chris Miller erwartet, die sich gerade darin einen Namen gemacht haben, undankbare Stoffe in clevere Box Office-Hits zu verwandeln? Dass The Lego Movie nicht bloß wie ein überlanger Werbeclip für einen dänischen Spielzeughersteller wirkt, sondern zum Start eines gänzlich unerwarteten Franchise avancierte, liegt sicherlich nicht an den strengen Vorgaben von Warner Bros., sondern am Vertrauen in die Ideen zweier Filmemacher, die selbst ein uninspiriertes Reboot mit ungeahntem Leben füllen können.

Doch woher kommt das Drang, Star Wars so behutsam wie möglich mit Samthandschuhen anzufassen und auf keinen Fall einen Ausreißer zuzulassen? Auf der einen Seite profitiert Disney ungemein vom Erfolg der genormten MCU-Filme und will im ständigen Wettbewerb eine wertvolle Marke wie Star Wars auf keinen Fall mit Experimenten schwächen. Auf der anderen Seite wirken viele Entscheidungen, die im Hinblick auf zukünftige Entwicklungen des Franchise getroffen werden, wie eine Art Schadensbegrenzung, die unter anderem und irrtümlicherweise aus den Prequels resultiert. Seit dem ersten Schnipsel, der damals über Star Wars: Das Erwachen der Macht an die Öffentlichkeit drang, achtet Lucasfilm extrem vorsichtig auf einen möglichst sorgfältigen Umgang mit der Materie, appelliert an den Geist der Original-Trilogie und versucht, jegliche negative Assoziation mit dem Star Wars-Mythos kontrolliert, schlussendlich aber unelegant ins Jenseits zu verbannen.

So perfekt das neue Star Wars sein soll, so ist das Franchise in seiner aktuellen Größenordnung den Bedingungen einer nicht unbedingt perfekten Filmwirtschaft unterlegen, ganz zu schweigen vom Ansatz des crossmedialen Erzählens, das gleichermaßen Einschränkungen wie Möglichkeiten mit sich bringt. Wenn Star Wars binnen kürzester Zeit mehrere eigenwillige Regisseure verliert, ist es eher ein Symptom der Dinge, die in Hollywood gerade völlig falsch laufen als ein Star Wars-Problem. Trotzdem stimmt der Gedanke mulmig, dass wir im schlimmsten Fall nur noch einen vom Studio und den Produzenten maßgeschneiderten Film bekommen, der uns jegliche Ecken und Kanten schuldig bleibt. Optimistisch stimmt nach dieser Historie tragischer Brüche lediglich Rian Johnson, der sowohl als Regisseur als auch Drehbuchautor ganz alleine die Bürde von Star Wars: Die letzten Jedi gestemmt hat - vorausgesetzt, uns erwartet in den nächsten Wochen keine weitere Hiobsbotschaft.

Was haltet ihr von den Regie-Wechseln innerhalb des Star Wars-Franchises?

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