Tatort im Knast - Scheinheilig und Hilflos

04.10.2010 - 07:00 Uhr
Angst und Wut und eine Heilige
ARD / BR
Angst und Wut und eine Heilige
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Knastreform auf bayerisch: Die Münchner Kommissare lieferten einen bitteren Blick in den Gefängnisalltag.

Auf Batic und Leitmayr ist Verlass: Die seit 1991 ermittelnden Kriminaler des bayerischen Rundfunks liefern immer solide, oft auch überraschend gute Tatorte ab. Diese Tradition setzte auch der gestrige Tatort: Die Heilige fort, der deprimierende Einblick in den Gefängnisalltag bot. Gleich der Auftakt, eine Geiselnahme im Knast, sorgte für das richtige Tempo und erlaubte die Story danach mit der angemessenen Ruhe zu erzählen, ohne Langeweile aufkommen zu lassen.

Spannung bezog der Krimi nicht nur aus dem wie immer stimmigen Zusammenspiel der beiden Kommissare, sondern auch aus dem ambivalenten Verhältnis des flüchtigen Hassan (eindrucksvoll: Mehdi Nebbou) und seiner idealistischen Fluchthelferin, der JVA-Angestellten Marie (ebenfalls überzeugend Anneke Kim Sarnau). Ohne je ins Klischee des Knackis mit dem goldenen Herzen abzugleiten, erzählten Drehbuchautor Magnus Vattrodt und Regisseur Jobst Oetzmann, eine Geschichte falscher Erwartungen, einer ungleichen Liebesbeziehung und den Folgen von fehlgeleitetem Idealismus. Die titelgebende Heilige, eben jene Marie, stieß hier an die Grenzen ihres Menschenbildes, als sie merkte, dass Hassan nicht ihrer romantisierten Vorstellung entsprach. Knast macht kaputt, Wärter wie Gefangene – aber es gibt keine einfachen Lösungen. Das hier nicht der “eine” Mord, sondern ein komplexes Geflecht mehrerer Morde und Straftaten verhandelt wurde, half ein realistisches und nachvollziehbares Bild des Gefängnislebens zu zeichnen.

Natürlich nutze Hassan Maries Gutgläubigkeit aus, die in ihm nur den “edlen Wilden mit der tragischen Vergangenheit” sehen wollte, der nichts lieber möchte als in seine Heimat zurückzukehren. Umso mehr zerbrach sie, als sich ihr Bild von Hassan an der Realität messen lassen mußte, in der er sowohl Opfer wie Täter ist, der sich brutal an seinen ehemaligen Kumpanen rächt.

Die gelungene Besetzung, bis hin zu Nebenrollen half dabei, den Film zu einem Ensemblestück zu machen, in dem Batic und Leitmayr nicht immer die erste Geige spielen mussten, auch wenn sie die Zuschauer souverän durch die Handlung geleiteten. Dabei durften sie immer wieder auch der eigenen Frustration angesichts der internen Abläufe in der JVA Ausdruck verleihen.

Wenn sich am Ende verschachtelte Handlung auflöste und die Spannung in einem Gewaltakt entlud, als Marie Hassan im handfesten Streit erschoss, bleibt viel Ernüchterung zurück und ein dramatischer Blick auf die scheinbar unlösbaren Probleme, die das System Gefängnis mit sich bringt, an dem nicht nur die Insassen, sondern auch die Angestellten leiden.

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