Tatort - Alle wollen Nick Tschiller killen

09.03.2014 - 20:15 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Tatort - Kopfgeld
NDR
Tatort - Kopfgeld
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Mit Nick Tschillers zweitem Tatort-Einsatz liefern Til Schweiger und Christian Alvart einen passablen Actionkrimi ab, der sich vor allem dadurch auszeichnet, dass er in der deutschen Krimilandschaft der einzige seiner Art ist. Das ist auch gut so.

Der neue Tatort aus Hamburg wird Schweiger-Hasser wohl kaum bekehren. Tatort: Kopfgeld bleibt dem Konzept von Nick Tschillers erstem Einsatz treu. Nur greifen im zweiten Einsatz Feinjustierungen im Wechsel von Action, Drama und Komödie. Kopfgeld ist nicht mehr Ausdruck eines sich sträubenden Stars, der lieber im Kino ballern würde, es aber auf einem alten Krimidampfer tun muss. Ein gesundes Selbstbewusstsein, angefeuert durch Traumquoten, steckt hinter diesem Tatort, in dem Til Schweiger nichts beweisen muss und umso entspannter aufspielt. Unterstützt durch ein kompetentes Ensemble kämpft sich Schweiger durch einen schematischen Actiontatort, dem es an Grips, aber nicht an Thrills fehlt.

Plot: Als Ergänzung zum letzten Bremen-Fall Tatort: Brüder beschäftigt sich, Bushido sei Dank, auch Kopfgeld mit dem organisierten Verbrechen weitverzweigter türkischer und kurdischer Klane. In deren Schusslinie gerät Nick Tschiller, der sie im Alleingang zu Fall bringen will. Ein Kopfgeld wird auf den markigen Cop ausgesetzt, was Tschillers Versuche, sich um seine partyfreudige Teenie-Tochter zu kümmern, ein wenig behindert. Doch der aus dem Gefängnis operierende Astan-Klan hat den Durchsetzungswillen von “Bulle Gnadenlos” unterschätzt, der sich so einfach nicht einschüchtern lässt.

Lokalkolorit: Eine Sozialstudie war von Til Schweiger und Regisseur Christian Alvart nicht zu erwarten gewesen, doch wie auch die nordischen Fälle von Wotan Wilke Möhring besitzt dieser Hamburger Krimi ein vergleichsweise sicheres Gespür für die Milieus, in denen sich sein Kommissar bewegt. Anders als etwa die Bremer, die sich als Außenseiter auf Expedition in “die Straße” wagen, ist Tschiller – und das müssen wir Schweiger trotz seiner begrenzten mimischen Fähigkeiten lassen – dort zu Hause. Das geht soweit, dass Schweiger im Spiel mit einem kleinen Möchtegern-Gangster glaubwürdiger agiert als im Umgang mit Vorgesetzten, Ex-Frauen oder seiner (Film-)Tochter.

Unterhaltung: Auch dieser Hamburger Krimi schafft die Erinnerungen an bessere Zeiten mit Mehmet Kurtulus nicht aus der Welt. Trotzdem scheinen sich Schweiger und Alvart wohler in ihrer Tatort-Haut zu fühlen. Das beginnt bei der leicht selbstironischen Platzierung des Star-Namens über dessen nackten Hintern und zeigt sich in der größeren Rolle, welche diesmal Sprücheklopfer Fahri Yardim eingeräumt wird. Ohne den wäre Nuschel-Vigilant Tschiller unerträglich. Richtig bei sich ist dieser Tatort dann, wenn Waffen und Fäuste sprechen. Ob in der Wohnung auf kleinstem Raum oder den Fluren eines Krankenhauses, als fähiger Actionregisseur zeigt sich Alvart diesmal weniger vernarrt in die prahlenden Plansequenzen, welche den ersten Tschiller-Tatort bevölkert hatten, und eher auf konventionelle Thrills bedacht. Und die bietet sein Tatort.

Tiefgang: Wie schon die letzten Fälle aus Bremen und Wien sucht der neue Hamburger Tatort seine Lösung in der Selbstjustiz. Im Gegensatz zu den nordischen Kollegen skizziert Drehbuchautor Christoph Darnstädt die Auseinandersetzung mit den kriminellen Klanen nicht als Clash von heimischer und “fremder” Kultur. Für solche Feinheiten wird sich in Tatort – Kopfgeld gar nicht interessiert. Das ist nicht notwendigerweise eine bessere Herangehensweise, instrumentalisiert sie doch ebenso gängige Feindbilder, um sich die schwere Arbeit der Charakterisierung zu ersparen. Trotzdem blitzt in Tatort – Kopfgeld immer wieder ein Bewusstsein für das dünne Eis auf, auf dem sich Dirty Tschiller und Konsorten bewegen. Dann agiert Yalcin Gümer (Fahri Yardim) als Stimme der Vernunft, die den destruktiven, teutonischen Machismo von Tschiller und dessen potenziellem zukünftigen Ich Kromer (Ralph Herforth) kommentiert. Im Showdown gibt sich die Selbstreflexion geschlagen. Dazu finden alle Beteiligten diesen Nick Tschiller dann doch zu geil.

Zitat des Sonntags: “Okay, ich bin tot. Gute Idee.”

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