The Monster & Co. - Diese Genrefilme solltet ihr euch vormerken

17.10.2016 - 15:10 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
The MonsterA24
2
14
Gestern ging das Festival des fantastischen Films im spanischen Sitges zu Ende und als kleines Fazit empfehle ich euch die folgenden Thriller, Horror- und Actionfilme aus dem Programm.

Solltet ihr euren Urlaub jemals mit einem Filmfestival kombinieren, dann lege ich euch das katalanische Sitges wärmstens ans blutige, teuflische Herz. Für das Festival des fantastischen Films fiel gestern nach zehn Tagen Horror, Action, Thriller und Malick der Vorhang. Es versammelte einige der interessantesten Genrefilme des Jahres, die sich der Festivalhopper normalerweise in Cannes, Venedig, Toronto oder Locarno einzeln zusammenklauben muss. Weiter unten habe ich euch ein paar Empfehlungen zusammengestellt, die im Festivaltagebuch bisher noch nicht erwähnt wurden.

Von zig Freiwilligen und Mitarbeitern gestemmt und hervorragend organisiert, merkt der Besucher in Sitges wenig von den Mühen und viel von der Liebe zum Film. Star Trek war zum 50. Geburtstag überall, nicht zuletzt dank Adam Nimoy und seiner herzerwärmenden Dokumentation For the Love of Spock. Nimoy präsentierte den Film über seinen Vater Leonard Nimoy persönlich und erkundet darin über Interviews und Erinnerungen die "Naturgewalt" hinter den spitzen Ohren. Die Annäherung an den verstorbenen Spock-Darsteller bietet vor allem im letzten Drittel erhellende Einblicke, wenn der Vulkanier in den Hintergrund tritt und die lange entfremdete Beziehung zwischen Vater und Sohn angesprochen wird. In Deutschland ist die Doku schon bei Google Play und iTunes erhältlich. Vor dem Festivalzentrum, einem Hotelkomplex mit Blick auf den geschniegelten Yachthafen, begegnete einem jeden Tag eine mannshohe Nachbildung von Spocks zum Gruß erhobener Hand. "Lebe lang und in Frieden" - das gelang den wenigsten Figuren im Programm. Die Festival-Atmosphäre fasst das aber ganz gut zusammen.

Sitges, Festival und Stadt, ist schlicht entspannt. Groß genug, um sich 24 Stunden in Filmen zu versenken, aber nicht so groß, dass Andrang und Entfernungen in unnötigem Stress oder unerträglichen Wartezeiten ausarten. Das unterhaltsamste Kinoerlebnis waren die Vorstellungen in der Reihe Midnight X-Treme, die gegen 1 Uhr begannen und zum Marathon von bis zu vier oder fünf Spielfilmen hintereinander einluden. Hier ist das Publikum wacher und dankbarer als zu jeder anderen Tageszeit. Und hier fragen Regisseure in der Schlange vor der Toilette, wie einem der Film gefallen hat.

Über einige der Filme habe ich in den täglichen Festivalberichten geschrieben. Die folgenden Beiträge unterschiedlicher Genres will ich aber keinesfalls unter den Tisch fallen lassen. Prevenge und Operation Mekong beispielsweise gehörten zum besten, was ich in Sitges gesehen habe. Merkt euch also den ein oder anderen Film vor. Von Horror bis Doku ist alles dabei.

Operation Mekong

Operation Mekong

Nach Headshot und Three vervollständigt Operation Mekong aus China das Action-Triumvirat des Festivals. Seit Beast Stalker hat Regisseur Dante Lam einen aufreibenden, pulsierenden Stil perfektioniert und meistert die Gratwanderung zwischen Übersichtlichkeit und Dynamik. Sein Thriller über eine Anti-Drogen-Operation im Goldenen Dreieck zwischen Laos, Thailand und Myanmar bildet da keine Ausnahme. Schlag- und schussfertige Chinesen (Eddie Peng und Zhang Hanyu) legen sich in Operation Mekong mit exzentrischen Drogenbossen an, die auch in Miami Vice oder einem John Woo-Film gut aufgehoben wären (wortkarge Ausnahme: Vithaya Pansringarm aus Only God Forgives).

Operation Mekong - Trailer (English Subs) HD
Abspielen


Leider fehlt in Operation Mekong der melodramatische zersetzende Schmerz eines That Demon Within. Dafür stemmten die Filmemacher mehrere ausgedehnte Action-Sequenzen, in denen sie per Wechsel von Perspektiven, Orten, Choreographien und Waffen virtuos die Spannungskurve dirigieren. Immer wenn beispielsweise der famose Einsatz in einer gesetzlosen Sonderverwaltungszone an sein Ende gekommen scheint, finden Figuren neue Munition, ein neues Fluchtfahrzeug und der Film neue Energie und einen neuen Schauplatz, an dem die Jagd fortgesetzt werden kann. Manche Actionfilme lassen uns über die Schulter ihrer Helden blicken, Dante Lam klatscht uns als Schweißperle auf ihre Stirn.

Tunnel

Tunnel

Schon beim Festival in Cannes zeigte das südkoreanische Kino eine dominierende Präsenz, die nur von den Rumänen streitig gemacht wurde. Mehrere Regie-Generationen waren mit The Handmaiden, The Wailing und Train to Busan vertreten. In Sitges wurde dieser Trend weitergeführt, wo Neue Welle-Veteran Kim Jee-woon (The Age of Shadows) neben Kim Seong-hoon vertreten war, der mit Tunnel seinen dritten Spielfilm gedreht hat. Im Vorgänger A Hard Day legt der Tod eines Obdachlosen den ungeahnten Selbsterhaltungstrieb eines korrupten Polizisten frei. Im Katastrophenfilm Tunnel sind es Baumängel, die den Familienvater Lee (Ha Jung-woo) in seinem Auto unter Schutt und Gestein lebendig begraben. Während Lee seine wenigen Ressourcen (ein Kuchen, zwei Wasserflaschen, ein Smartphone) rationieren muss, beginnt außerhalb des eingestürzten Tunnels eine Rettungsoperation, teils aus Nächstenliebe, teils als Fototermin der zuständigen Ministerin mit der Frau des Opfers (Bae Doona).

Im Gegensatz zu A Hard Day nimmt Tunnel Blockbuster-Maße an, inklusive verrinnender Tränen und anschwellender Streicher. Doch das Gros der Geschichte spielt sich in der klaustrophobischen Dunkelheit ab, wo der kleine Mann gegen Tonnen Gestein und die noch mächtigeren Kräfte von Politik und Wirtschaft bestehen muss. Tunnel bietet effektive Blockbuster-Unterhaltung par excellence, deren filmisches Handwerk auf engstem, aber nie eintönigem Raum die großen Emotionen erst ermöglicht. Wo Kims Sympathie und Kritik liegt, steht von Anfang an fest: Da wird Lee an der Tankstelle von einem schwerhörigen älteren Herrn bedient, der ihm die entscheidenden zwei Wasserflaschen mitgibt und dem Zuschauer die unausgesprochene Frage, warum er in diesem Alter noch schuften muss.

Tower

Tower

Keith Maitland rekreiert in seinem Dokumentarfilm Tower die nominell erste Massenschießerei an einer amerikanischen Schule. An jenem sonnigen Augusttag im Jahr 1966 betrat ein Schütze die Aussichtsplattform der Universität von Texas in Austin und begann wahllos auf Menschen am Boden zu schießen. Dabei verzichtet Maitland auf eine geradlinige Erzählerstimme. Stattdessen setzt sich in Tower mit Hilfe von zeitgenössischen Filmaufnahmen und Animationen ein Mosaik verschiedener Perspektiven von Opfern, Zeugen, Reportern und Polizisten zusammen.

Tower - Trailer (English) HD
Abspielen


Wiederholt gehen die Blicke zum Turm, wo der Täter nur in Form der Rauchwölkchen des Mündungsfeuers auftaucht. Seine Motive und Persönlichkeit werden ausgespart. Maitland interessiert sich für die Überlebenden. Durch das Rotoskopie-Verfahren von Craig Staggs (A Scanner Darkly - Der dunkle Schirm) werden diese Erinnerungen lebendig, spricht die jüngere Claire Wilson darüber, wie sie schwer verletzt und schwanger auf dem heißen Steinboden vor dem Turm lag, während die Kommilitonen aus der Ferne entsetzt zuschauen mussten. Ein bewegender narrativer Bruch eröffnet schließlich den Blick in die Gegenwart.

Die 90 Minuten auf dem Campus leben 50 Jahre später in den Köpfen der Beteiligten weiter. Tower ist ein lohnendes Stilexperiment in einer Zeit, in der Massenschießereien im US-Nachrichtenzyklus zum Alltag verkommen sind.

Prevenge

Prevenge

Man wähle irgendeine tolle britische (Comedy-)Serie aus den letzten Jahren aus und die Chancen stehen nicht schlecht, dass Alice Lowe mitgespielt hat. Das reicht von The Mighty Boosh über Garth Marenghi's Darkplace bis hin zu Black Books oder The IT Crowd. Zuletzt spielte sie einen der Sightseers von Ben Wheatley und schrieb auch am Drehbuch mit. Ihr Spielfilmdebüt als Regisseurin, Prevenge, bewegt sich oberflächlich gesehen auf ähnlichen Pfaden. Der hochschwangeren Ruth (Alice Lowe) wird von ihrem ungeborenen Kind eingeflüstert, sie solle Menschen töten. Ohne größere Planung, aber mit einem handlichen Messer schreitet Ruth zur Tat.

Als schwarze Komödie beginnt Prevenge, der eine Reihe von Charakteren auffährt, in denen sich Ruths Fremdheit gegenüber ihrem neuen Körper und Leben spiegelt. Allen voran der herrlich eklige DJ Dan (Tom Davis), der in seine Perücke reihert und danach mit seinen Lippen auf Ruths Mund herumschmatzt, aber mit einer Schwangeren Sex haben, tja, das ist selbst für ihn "zu viel". Ab einem bestimmten Punkt wollen wir das Blut aus den Kehlen von Ruths Opfern tropfen sehen. Alice Lowe belässt es allerdings nicht bei der schwarzhumorigen Grenzüberschreitung, dem Metzeln um des Metzelns willen. Das Herz pocht bei Revenge am rechten Fleck. Nur ist es das der Mutter oder des Kindes?

I Am Not a Serial Killer

I am not a Serial Killer

John Wayne Cleaver (Max Records aus Wo die wilden Kerle wohnen) bringt alles mit, was ein amerikanischer Serienmörder braucht: ein Diagnose als Soziopath, eine etwas verstörende Kindheit in einer Leichenhalle und ein dreiteiliger Name. Doch wird er in die Fußstapfen von John Wayne Gacy treten oder seine Triebe unter Kontrolle halten? I Am Not a Serial Killer, basierend auf dem gleichnamigen Roman von Dan Wells, verspricht im Titel zumindest Gegenwehr. John hat sich Regeln gesetzt, um normal zu wirken, er weiß, dass er nicht dazugehören wird, aber will wenigstens niemandem schaden. Als ein echter Serienmörder sich in dieser Stadt "im Herzen Amerikas" herumtreibt, wird John verlockt, die Regeln zu brechen.

I Am Not A Serial Killer - Trailer (English) HD
Abspielen


Mit dem Stempel "Soziopath" wird in I Am Not a Serial Killer überraschend sensibel verfahren. Johns Unfähigkeit, Gefühle für andere Menschen aufzubringen, zeigt der Thriller als sehr reales, eben sehr menschliches Problem. Er ist immer noch ein Teenager, der damit klarkommen muss, dass er unter einer psychischen Störung leidet; kein Gimmick für einen High Concept-Thriller. Auf 16 mm gedreht, bringen die körnigen Aufnahmen ein Gespür für die verschlafene Atmosphäre der "Flyover States" mit. Eine Erdung, die vielen anderen Young Adult-Verfilmungen fehlt. Die kommt I Am Not a Serial Killer spätestens im Finale gelegen, wenn der Thriller (und nicht nur der) sich vor aller Augen entfaltet. Was vielen Jugendbuch-Adaptionen auch fehlt: ein großartiger Christopher Lloyd.

The Monster

The Monster

Colossal mit Anne Hathaway personifizierte die Trinkerei und generelle Ziellosigkeit seiner Heldin als Kaiju, das in Seoul sein Unwesen treibt. Autor und Regisseur Bryan Bertino (The Strangers) geht nicht viel subtiler vor, wenn Mutter Kathy (Zoe Kazan) und Tochter Lizzy (Ella Ballentine) sich ein "I hate you" nach dem anderen an den Kopf werfen, bevor sie auf einer Landstraße nebst Monster stranden. Entschlossener als Bertino kann man kaum in die Metaphernkiste eines Horrorfilms greifen. In Rückblenden wird Kathy als trinkende Rabenmutter skizziert, während sich Lizzy unterm Bett versteckt - noch nicht vor dem Monster. Also dem im Wald.

Mit dem Auto bleiben die beiden nachts im Regen stecken. Ein Mechaniker eilt zur Hilfe und wir bekommen zum ersten Mal den wandelnden Schatten zu sehen, der aus dem tiefen Schwarz zwischen den Baumreihen seine Mitternachtssnacks zu erspähen scheint. Der hungrigen Kreatur zum Trotz wird auch in einigen derben Spannungsmomenten zurückgeblendet. Stets wird die gestörte Mutter-Tochter-Beziehung im Mittelpunkt betont. Wenn einem solch eine furchteinflößende Kreatur zur Verfügung steht, darf man sich das Selbstbewusstsein aber auch herausnehmen, an entscheidenden Stellen einfach wegzuschneiden. Kathy und Lizzys Umgangston wirkt gelegentlich eintönig und aufreibend, doch insgesamt gelingt Bertino hier die Verbindung von Beziehungsdrama und Horrortropen homogener als in The Strangers. Vor allem aber legt der Regisseur ein feines Beispiel dafür vor, wie an das 80er-Jahre-Kino angeschlossen werden kann, ohne sich der nostalgischen Imitation zu ergeben.

The Monster - Trailer (English) HD
Abspielen


Das könnte dich auch interessieren

Angebote zum Thema

Kommentare

Aktuelle News