The Nice Guys - Ryan Gosling, Russell Crowe & das perfekte Buddy-Movie

16.05.2016 - 14:00 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
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In The Nice Guys versetzt Shane Black seine Buddy-Movie-Formel in die 70er Jahre und mit den Hauptdarstellern Ryan Gosling und Russell Crowe hat er einen echten Casting-Coup hingelegt.

Ryan Gosling winselt, er prustet, bläht die Backen auf, er quietscht und zuckt. Sein Privatdetektiv Holland March ist gerade über eine Leiche gestolpert. Holland hat ein paar Drinks intus (Party in der Porno-Industrie) und ist vom Balkon gefallen (vorher Befragung von Meerjungfrauen. Es war rutschig). Nun sitzt Holland neben einem Toten mit matschiger Kopfwunde (Porno-Produzent) und wird von der Situation ein kleines bisschen überfordert. Ryan Gosling winselt und prustet nicht sonderlich oft in Filmen wie Drive, The Place Beyond the Pines oder selbst The Big Short. Shane Black, wohl der Fachmann schlechthin für Buddy-Filme, weiß Goslings weitgehende Kino-Comedy-Abstinenz zu schätzen und koppelt ihn in The Nice Guys mit dem ruppigen Russell Crowe. Gestern feierte die in den 70er Jahren spielende Krimikomödie beim Festival Cannes außer Konkurrenz Premiere. Blacks bewährtes Rezept für vergnüglich-brutale Ermittlungen wird in The Nice Guys nur geringfügig modifiziert, mit Crowe und Gosling mag man hinterher trotzdem den ganzen Tag durch die Straßen von Los Angeles kurven, um dann Abends bei einer Party abzustürzen. Nicht unbedingt vom Balkon, aber gerne mit Porno-Stars.

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Obwohl sein letzter Film Iron Man 3 über 1 Milliarde Dollar an den internationalen Kinokassen eingenommen hat, bleiben Buddy-Movies die Assoziation Nummer 1, wenn der Name Shane Black fällt. Seit 1986 ein kleiner Streifen namens Lethal Weapon - Zwei stahlharte Profis über die Leinwände flackerte, verlieh Black einem spezifischen Typus des Actionfilms eine einzigartige Stimme bitonaler Prägung. Ein hitzköpfiger Cop und sein gemütlicher Kollege, Footballspieler und Privatdetektiv, Privatdetektiv und CIA-Agentin, in Shane Blacks erster Regie-Arbeit Kiss, Kiss, Bang, Bang aus dem Jahr 2005 plappern sich schließlich ein Privatdetektiv und ein mickriger Dieb durch das an den Film Noir angelehnte Drehbuch. Über das Comeback seines Hauptdarstellers Robert Downey Jr. führte der Weg dann durch die Tore der Marvel Studios, wo der FSK-16-Garant als Autor und Regisseur eines 200 Millionen Dollar teuren Superheldenfilms für die ganze Familie auf dem Set erschien. Der wohl einzige in der Größe vergleichbare Film in Blacks Vita offizieller Credits war zuvor die Arnold Schwarzenegger-Dekonstruktion Last Action Hero, ein Riesen-Flop, bei dem Black für eine von vielen Drehbuch-Revisionen verantwortlich zeichnete. Mit einem der erfolgreichsten Filme der jüngeren Box Office-Geschichte im Schlepptau macht sich Shane Black als nächstes daran, das Predator-Franchise zu revitalisieren.

Dazwischen wartet eine Rückkehr in die Stadt der Engel. Wenn er Iron Man nicht gerade im ländlichen Tennessee landen lässt, bleibt Los Angeles Shane Blacks Wahlheimat im Film. So auch in The Nice Guys, wo Holland March vom professionellen Schläger (höflicher: Enforcer) Jackson Healy (Russell Crowe) angeheuert wird, um die verschwundene Aktivistin Amelia (Margaret Qualley) zu finden, deren Fall mit der kürzlich verstorbenen Porno-Darstellerin Misty Mountains (Murielle Telio) zusammenhängt. Die Zutaten eines Hardboiled-Krimis der 40er Jahre finden sich in The Nice Guys: Detektive, vermisste Personen, zwielichtige Auftraggeber und ein Milieu, in das sich die Helden als Außenseiter einmischen. Alles angesiedelt in L.A., das dem Noir von Raymond Chandler bis Chinatown eine sonnige Abwandlung gebar. Zwischen den notdürftig durch Highways verbundenen Enklaven manövrieren nun Jackson und Holland, jedoch erst, nachdem der eine dem anderen den Arm gebrochen hat (zumindest teilweise wegen eines Missverständnisses).

The Nice Guys

Während sich das amerikanische Mainstream-Kino mit seinen Remakes und Reboots durch das rosig erinnerte Filmbeet der 80er Jahre pflügt, sehnt sich Black offenbar in die 70er zurück. The Nice Guys ist eine feine Liebeserklärung an das Los Angeles dieser Jahre geworden, das mit einem Auge fürs Detail nachgestellt wird. Ein Schild vor dem ikonischen Comedy Store bewirbt den Auftritt des aufsteigenden Stand-ups Tim Allen. Gedankenverloren schwebt der Blick über zeitgenössische Reklametafeln und vom Rasierer bis zum Cabriolet kann sich die Kamera gar nicht satt sehen an Farben, Formen und Materialien jener Jahre.

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Der aufgeheizte politische Hintergrund weicht in Blacks Drehbuch einem lauwarmen Lüftchen lächerlicher Studenten-Proteste gegen den Smog in der Stadt, und Richard Nixon darf einem kurz vor dem Ertrinken als Engel erscheinen. Wenn Ryan Goslings Detektiv in den abwegigsten Situationen auf Adolf Hitler zu sprechen kommt, haben wir einen von Blacks patentierten Throwaway-Gags vor uns und zugleich das zwinkernde Nachbild der Watergate-Jahre mit ihrer Furcht vor dem Faschismus im Mantel staatlicher Überwachung. Dieser Ansatz hebt The Nice Guys von John Michael McDonaghs Meta-Buddy-Movie War on Everyone ab, das auf der diesjährigen Berlinale gezeigt wurde. Der Actionfilm mit 70er-Jahre-Mode und Smartphones führt die durch Shane Black in Lethal Weapon perfektionierten Figurentypen satirisch auf die Spitze. Da überfahren Familienmensch (Michael Peña) und Einzelgänger (Alexander Skarsgård) Unschuldige oder schlagen Verdächtige zu Blutklumpen. Es ist der bei McDonagh logische nächste Schritt der gewaltvernarrten Buddy-Action.

Vor dem Drehstart von Predators im Herbst hat sich Shane Black mit The Nice Guys hingegen ein klassisches Buddy-Movie als Zeitvertreib auserkoren. Wir haben es hier mit einem Autor zu tun, der sich nicht zu schade ist, sein Erfolgsrezept in zehn klar formulierten Regeln mit dem Rest der Welt zu teilen. Beim Guardian  lassen sich diese nachlesen und quasi 1:1 auf The Nice Guys übertragen: die Notwendigkeit von Höhe- und Tiefpunkten, plötzliche Gewalteinbrüche, auf den Kopf gestellte Konventionen, Situationen der Verlegenheit usw. Hat man einen Shane Black-Film gesehen, hat man alle gesehen - das gilt auch für The Nice Guys. Es ist aber immer eine Freude, wenn Russell Crowe komödiantisch aufdreht (sein förmlich aus dem Film fallender Auftritt in The Man with the Iron Fists bleibt der einzige Grund, sich an The Man with the Iron Fists zu erinnern). Ryan Gosling bildet als menschlicher Crash-Test-Dummy und reifere Version des Helden von Robert Downey Jr. in Kiss Kiss, Bang Bang zudem die ideale Ergänzung des grummeligen Schlägers. Wenn auch etwas weniger Gewinsel und Prusten mehr gewesen wäre. Gegen Angourie Rice als Hollands Tochter und angehende Spürnase Holly kommen allerdings weder Crowe noch Gosling an. The Nice Guys führt Shane Black, der in den 70ern etwa in Hollys Alter war, zurück zu seinen Wurzeln und den Fantasien von einem Los Angeles aus Kino und Groschenromanen. Die zwei Stunden Nostalgie hat er sich verdient.

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