Transformers 4: Ära der Ironie

04.10.2014 - 08:50 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
"Yes, it's Transformers: Bigger, Louder, Longer, although sadly not Better." - Mark Kermode
moviepilot/Paramount
"Yes, it's Transformers: Bigger, Louder, Longer, although sadly not Better." - Mark Kermode
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"Visionär" Michael Bay ähnelt in seinem furchtlosen Schaffen Jean-Luc Godard, das meint jedenfalls ganz ehrlich ironisch unser Kommentar der Woche zu Transformers 4: Ära des Untergangs.

Im Kommentar der Woche versuchen wir uns allwöchentlich vor den Worten eines Users zu verneigen. Ob zu einem Film, einer Serie, einer Person oder einer News – ganz egal. Ob Arthouse, Trash, Weltstar oder dritte Birne von Rechts – wenn ihr einen wunderbaren Kommentar entdeckt, sagt uns einfach Bescheid, eine Nachricht genügt, so wie auch diese Woche.

Kommentar der Woche

Moviepilot-Mitglied Jenny von T zeigt sich tief beeindruckt von Michael Bays neuestem Avantgarde-Werk Transformers 4: Ära des Untergangs - so sehr, 

dass jeder Leser aus kontextuellen Gründen, ihre dem Kommentar zugrundeliegende Bewertung nachschlagen sollte...

Der oftmals geschmähte Michael Bay liefert ein Meisterwerk ab und das verbohrte Feuilleton kann – einmal mehr – nur zusehen, wie der große Auteur des amerikanischen Blockbusters die Scheinchen einstreicht: TRANSFORMERS: AGE OF EXTINCTION ist ein kompromissloses, revolutionäres, gewaltiges Spektakel. Jede Technologie hat ihren Erfinder, einen Verdichter und schließlich jemanden, der sie auseinandernimmt. Letztgenannter Schritt mag sich nicht selten als der undankbarste herausstellen, doch was taugt eine Erfindung, wenn niemand sie auf Herz und Nieren testet und – wo es nötig ist – sie furchtlos in ihre Einzelteile zerlegt, um festzustellen, woraus sie überhaupt besteht und warum so viele ihren Verlockungen verfallen sind? Kurzum: Visionär Michael Bay bewerkstelligt – ähnlich wie Jean-Luc Godard in den 60ern - genau dies für das Kino des 21. Jahrhunderts, und dafür wird er gehasst.

Mit seinem neuen Epos nämlich stellt der gebürtige Kalifornier gängige Sehgewohnheiten auf den Kopf, wo es nur geht. Auf Wiedersehen, Unterhaltungsmedium! Die stattliche Laufzeit von 166 Minuten garantiert wunde Pobacken, doch auch ansonsten zieht der vierte Teil der TRANSFORMERS-Reihe sämtliche Register des Umsturzes: Die Actionszenen sind - aufgrund fehlender Unterscheidbarkeit der involvierten Roboter sowie zahlreicher, anachronistischer Vorgänge innerhalb einzelner Frames - dermaßen unübersichtlich ausgefallen, dass einzig und allein der Titel "Avantgarde" ihnen gerecht wird. 

Die Spitze des Eisbergs jedoch ist noch lange nicht erreicht. Zwar markiert AGE OF EXTINCTION insgesamt fraglos den bislang ernstesten bzw. düstersten Teil der Franchise, die feinen Humorspitzen hingegen treffen umso gezielter ins Schwarze, wenn Bays politische Inkorrektheit (gewagt: das filmische Umgehen einer gesetzmäßigen Vergewaltigung durch die "Romeo and Juliet"-Bestimmung schließt Logiklöcher) den üblichen bigotten Sittenwächtern abermals einen verdienten K.O.-Schlag verpasst. Und damit ist noch immer nicht der finale Federstrich unter das Reifezeugnis des Regisseurs gesetzt: Das anspruchsvolle Drehbuch setzt sich die Krone auf, indem es – und dies war absolut nicht zu erwarten - spirituelle Türen eintritt. Können außerirdische Maschinen eine Seele haben? Sind sie ebenso ambivalent wie wir? Und ist der überheblich handelnde Mensch es wert, für ihn ein Todesopfer zu erbringen? Sollten wir uns bereit machen, unseren Thron im Universum zu Räumen für Mächte, die wir nicht verstehen? Dienen wir dem selben Gott?

Two possibilities exist: Either we are alone in the universe or we are not. Both are equally terrifying.

Wer würde Arthur C. Clarke nach diesem Film widersprechen? Quasi beiläufig dazu gelingt es Bay - möglicherweise sogar mit Konsequenzen für die Evolutionstheorie -, Geschichte umzuschreiben, ja, umzukehren: So zeichnet er das Aussterben der Dinosaurier nicht etwa als Folge von Meteoriteneinschlägen oder denen eines Klimawandels, sondern unsere Schöpfer bewältigten den Vorgang, als sie einst Bomben auf die Erde warfen (hierzu hoffentlich mehr in Teil 5!). Die Wissenschaft horcht auf und alles fällt auf uns zurück, als – leider erst eine viertel Stunde vor Schluss – die spektakulären Dinobots unter Optimus Primes Kommando die Leinwand stürmen, um das Fortbestehen der Menschheit zu sichern. Daneben weiß der komplexe AGE OF EXTINCTION allerdings durchaus auch, ein jüngeres Publikum abzuholen – vornehmlich mit außerordentlicher Coolness. Sonnenbrillenträger, die einfach arrogant geradeaus oder zur Seite schauen, wenn jemand sie anspricht, weisen mit ultra lässigen Sprüchen ("Mein Gesicht ist mein Gerichtsbeschluss!") Stil-Ikonen alter Schule mühelos in die Schranken. 

Fazit: Michael Bay ist seinen Kritikern meilenweit voraus. Wie jedes herausragende Werk wird auch dieses kontrovers rezipiert, sein künstlerischer Wert voraussichtlich erst Dekaden später einhellig anerkannt werden. TRANSFORMERS: AGE OF EXTINCTION hält einer Welt am Abgrund rücksichtslos den Spiegel vor, entflammt unter Bergen aus Schutt und Asche aber ein Fünkchen Hoffnung – dieses durch unbedingten Zusammenhalt zum Lodern zu bringen, ist jetzt unsere Aufgabe.

Den Original-Kommentar findet ihr übrigens hier.

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