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(Über-)Leben und die Präsenz des Todes

24.09.2014 - 17:43 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Der Zombie in The Walking Dead
AMC The Walking Dead
Der Zombie in The Walking Dead
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Ich hab heute meinen Bachelor in Medienkultur bestanden und dachte mir es wäre zu schade, wenn dieser Text einfach auf meiner Festplatte verstauben würde. Es handelt sich dabei um die Beschreibung eines Motivs, welches meiner Meinung nach häufig in postapokalyptischen Narrationen auftaucht.

Der Tod ist stetig anwesend. Als finales und endgültiges Ende sämtlicher Figuren einer Postapokalypse ist er für die letzten Menschen der Erde unausweichlich. Mehr noch, er ist stätig präsent und lauert im Hintergrund einer jeden postapokalyptischen Narration. Der Tod von Millionen, meist auch Milliarden Menschen ist die Voraussetzung einer Postapokalypse. Erschwerte Lebensbedingungen für die wenigen Überlebenden sind die Folge. Der Satz von Jacques Derrida „Leben ist Überleben“ bekommt in der Postapokalypse eine andere Bedeutung. Während Derrida damit das Leben in seiner größtmöglichen Intensität bezeichnet, Überleben, um das Leben vollkommen auszuschöpfen, es zu genießen und noch über den Tod hinaus zu existieren, wird es im Fall der Postapokalypse radikal reduziert. Leben bedeutet hier nur noch nicht zu sterben, nicht vom Tod eingeholt und vernichtet zu werden. Überleben drückt lediglich den Wunsch aus in der zerstörten Welt nicht unterzugehen, nicht mehr als jeden Morgen noch aufzuwachen. Überleben steht für den Kampf mit dem Tod, der alle Figuren einer postapokalyptischen Narration umgibt. Diese Figuren werden oft auch als Überlebende bezeichnet, denn sie sind die Menschen, die das apokalyptische Ereignis mehr oder weniger überstanden haben. Sie sind die letzten Menschen, reduziert auf einen Bruchteil dessen, was vorher auf der Erde lebte. Das Gleichgewicht von Tod und Leben wurde radikal aus der Bahn geworfen. Der Tod steht über dem Leben. Eine weitere mögliche Herleitung für den Begriff Über leben. Der Tod selbst als Überleben? Darauf werde ich später noch einmal zurückkommen.

Ich werde nun anhand der Beispiele zeigen, wie unterschiedlich dieses Spiel mit dem Leben, dem Überleben, und der andauernden Präsenz des Todes genutzt wird und welche Bedeutung das Motiv somit für die Narrationen beiträgt. In allen Beispielen findet sich eine große Fülle an Elementen des Motivs wieder, sodass ich nur auf wenige eingehen kann.

Erstes Beispiel The Road

The Road bietet gleich eine sehr starke Nutzung des Motivs an. Der Kampf zwischen Leben und Tod ist hier in einer fast endgültigen Art und Weise aus dem Gleichgewicht geraten. Leben im biologischen Sinne existiert kaum noch, der Mensch, die Natur und zuletzt der gesamte Planet liegen im Sterben. Die Protagonisten, der Vater und sein Sohn, befinden sich in einem reinen Überlebenskampf. Sie versuchen Gefahren so gut es geht zu vermeiden, halten sich versteckt, suchen Nahrung und sind auf der Reise nach einem besseren Ort. Sie hoffen am Meer einen idyllischen Platz zu finden, den es letzten Endes nicht gibt.

Auf dieser Reise ist der Tod durchgängig sehr präsent. Sei es ein Mord, den sie mit ansehen müssen; Menschen, denen sie begegnen und die keine Kraft mehr besitzen, um noch lange weiter zu leben; wenn der Vater sich gezwungen sieht, selbst Menschen zu töten, um sein Leben und das seines Sohns zu beschützen und zuletzt, wenn der Vater selber stirbt. Zudem beschreibt der Tod immer einen Ausweg aus der Postapokalypse, der Vater zeigt seinem Sohn ein paar Mal, wie er sich mit ihrem Revolver selber töten kann, wenn er sich in Gefahr befinden sollte. Lieber sterben als zu leiden.

Das Motiv ist dementsprechend sehr präsent in den Film integriert, es stellt einen wichtigen Teil der Handlung, der Stimmung und der Grundsituation des Films dar. Es besitzt einen großen Einfluss auf den Raum, auf die Zeit und auf seine Figuren, bestimmt deren Bestreben und Handeln, wie ich nun anhand einer Szene näher erläutern möchte.

Eine besondere Rolle spielt das Motiv für die Figur der Mutter. Diese kommt mit den Umständen der Postapokalypse nach einer langen Zeit nicht mehr zurecht und beschließt eines Nachts ihre Familie zu verlassen und zu sterben.

Das Motiv besitzt einen hohen Einfluss auf den endgültigen Entschluss der Mutter. Sie erträgt es nicht mehr, jeden Tag aufs Neue grade so zu überleben. Sie gibt sich selbst und ihre Familie auf und entscheidet sich für den Tod. So beschließt sie, eines Nachts das Haus und die Familie zu verlassen, ohne schützende Kleidung, ohne eine Waffe und ohne große Abschiedsworte. Sie geht hinein in die Dunkelheit und in die Kälte, in den Tod. Was genau mit ihr geschieht, wie sie letzten Endes stirbt, bleibt nur eine Vermutung. Doch für den Vater und auch den Betrachter ist sie von dem Moment an gestorben, als die Dunkelheit sie umschlingt. Diese undurchsichtige Finsternis wird dadurch zu einer Verbildlichung des Todes, wodurch seine enorme Präsenz für den gesamten Film verstärkt wird. Die Düsternis, die Tristesse bleibt den gesamten Film über bestehen und findet sich oft verstärkt an Orten und Situationen des Todes wieder, z.B. der dunkle Keller, in welchem die Opfer der Kannibalen gehalten werden oder auch das Dunkel der Nacht beim Tod des Vaters. Diese Farbgebung des Films zeigt, wie der Tod durchgehend Bestandteil der Narration ist. Die Kälte und die Dunkelheit bzw. der Tod sind somit Handlungstragend und Auslösend.

Zweites Beispiel Snowpiercer

Im Film Snowpiercer besitzt das Motiv eine andere Wirkung als bei The Road. Anstatt die Grundstimmung und die Gesamtsituation des Films zu beschreiben, ist es ein Mittel, um die Brutalität der Revolution im Zug zu verstärken. Während der Reise durch die einzelnen Waggons kommt es immer wieder zu bestialischen Kämpfen und blutigen Auseinandersetzungen zwischen den Soldaten und den Aufständischen. Die Folge dessen ist, dass nach und nach immer mehr Menschen ihr Leben verlieren. Mit der Revolution kommt es eigentlich zu der Entscheidung aus dem Stadium des Überlebens hinaus zu gelangen, sie soll zur Verbesserung der Lebenssituation führen, sie ist die Chance auf ein positives Leben. Doch Revolution geht immer mit gewaltvollen Kämpfen einher und so kommt es zuletzt zum Tod fast aller Passagiere. Der Kampf um das Überleben, zur Entwicklung eines neuen Lebens, endet im Tod. Es gibt somit keine Erlösung, stattdessen kommt es, wie ich bereits in meiner schriftlichen Arbeit erwähnte, erneut zu einer Apokalypse, als der Zug entgleist. Zu einer Katastrophe globalen Ausmaßes, da der Zug letzten Endes auch nur eine Erde in Miniatur-Format darstellt. Der Kampf um das Leben hat somit nur zum Tod geführt, eine Beschreibung für den Begriff Überleben.

Das Motiv besitzt somit zunächst ebenfalls einen hohen Einfluss auf die Handlung und die Stimmung. Doch als weiterer und wichtigerer Faktor sorgt der Kampf um das Überleben und die Präsenz des Todes für den Aspekt der Attraktion und damit für Unterhaltung. Die Kämpfe bestehen über mehrere Szenen hinweg, sorgen für Spannung und unerwartete Momente, etwa beim Tod eines Protagonisten. Es kommt zur Attraktion der Gewalt und des Todes. Es unterhält und erschrickt gleichermaßen durch die extreme und direkte Darstellung. Eine Szene, die zeigt, wie die Soldaten für eine kurze Zeit eine stattfindende Schlacht unterbrechen, um den Beginn des neuen Jahres zu bejubeln, karikiert diesen Kontrast zwischen Unterhaltung und Gewalt zuletzt noch besonders stark. Der Überlebenskampf der Revolutionäre wird von ihnen nicht ernst genommen, es scheint fast, als würden sie tatsächlich nur zur Unterhaltung des Zuschauers kämpfen.

Drittes Beispiel The Walking Dead und The Last of Us

Zuletzt möchte ich mich parallel auf meine zwei letzten Beispiele beziehen, auf die Serie The Walking Dead und das Videospiel The Last of Us. Neben ähnlicher Verwendung des Motivs, wie zuvor an den Filmen gezeigt, kommt es hier zu einer besonderen Darstellung und Umsetzung. Ich rede von der Figur des Zombies bzw. im Fall von The Last of Us von den Infizierten, die, da die Menschen, die sie zuvor waren, nicht mehr existieren, ebenfalls eine Art Zombie darstellen.

Diese Figuren stellen eine detailreiche Verbildlichung des Motivs des Überlebens und der Präsenz des Todes dar. Sie verdeutlichen wie nichts anderes die aus den Fugen geratene Balance zwischen Leben und Tod in postapokalyptischen Narrationen. Im Prinzip gilt das für alle existierenden Zombie-Filme, Serien und Computerspiele.

Der Zombie ist dabei zwar lediglich nur ein weiteres Element des Motivs, doch besitzt es durch seine Weiterentwicklung eine sehr große Macht auf die Narration. Er überrascht, schafft neue Situation, stellt eine Gefahr für die Protagonisten dar und noch vieles mehr. Im Fall von The Last of Us wird er aufgrund der Interaktivität eines Spiels sogar zur Bedrohung für den Spieler selbst. Der Spieler muss versuchen am Leben zu bleiben und sich gegen Angriffe der Infizierten wehren.

In anderen Kontexten wird der Zombie auch als Untoter oder wandelnde Leiche bezeichnet. Der Begriff untot hält dabei fest, dass sein Zustand weder als lebendig noch als tot betrachtet werden kann. Er wird zu einer dritten Figur zwischen dem Leben und dem Tod. In einer älteren Arbeit habe ich festgestellt, dass der Zombie als der sogenannte „lachende Dritte“ angesehen werden kann. Er ist die Figur, die das Leben und den Tod in ein Ungleichgewicht stürzt, sie gegeneinander ausspielt. Er macht jagt auf das Leben, auf die letzten Überlebenden einer Postapokalypse und will sie in den Tod führen, nur um sie diesem wieder zu entreißen und sich als Werkzeug zu eigen zu machen. Doch weiter gedacht, ist der Zombie auch nichts weiter als ein Werkzeug des wichtigsten aller postapokalyptischen Motive, dem apokalyptischen Ereignis. Als Resultat dessen entwickelt er sich und führt dessen Forderungen für die Handlung durch. Der Zombie stellt somit nur die logische Konsequenz und Weiterentwicklung des Motivs dar, der Kampf ums Überleben und die Präsenz des Todes besitzen starke Gegensätze, können jedoch nicht ohne ihren Gegenpart existieren. Dieses Paradoxon erreicht in der Figur des Zombies seinen Höhepunkt, wodurch das Motiv sich voll und ganz in allen Ebenen der Narrationen entfalten kann.


Meine Darlegungen und Analysen des Motivs und auch der Motive meiner schriftlichen Arbeit, haben gezeigt, dass sie narrationsübergreifend und dementsprechend auch medienübergreifend genutzt werden. Die Resultate sind dabei stets unterschiedlich und verändern die Handlung weitgehend in verschiedene Möglichkeiten und Richtungen. Sie führen zu Konflikten, sie entwickeln sich zu anderen Motiven und sie besitzen einen hohen Einfluss auf die Unterhaltung für den Konsumenten. Auch die einzelnen Besonderheiten der verschiedenen Medien spielt eine Rolle, wie etwa die zeitliche Entwicklung einer Serie oder die Interaktivität eines Computerspiels. Das postapokalyptische Motiv macht sich diese Eigenschaften zu eigen und führt zu unterschiedlichen Ergebnissen. Trotzdem bleibt es in seinem Kern stets gleich, bleibt seiner Tradition treu, wodurch es die Medien und Narrationen ständig in Verbindung zueinander setzt.


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