Vom Sichten des möglichen Berlinale-Gewinners

14.02.2014 - 08:50 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Berlinale-Tagebuch, die Achte
Universal / NFP
Berlinale-Tagebuch, die Achte
0
10
Berlinale-Tag 8 stand ganz im Zeichen der puren Begeisterung. Ich hatte kaum angenommen, dass der vorherige Tag filmisch übertroffen werden kann. Tatsächlich legte der gestrige noch eine Schippe drauf.

Während ihr im gestrigen Text noch meine Gedanken zum möglichen Sieger des Berlinale-Wettbewerbs nachlesen konntet, da ich meine bisherigen Favoriten benannte, war ich schon wieder auf dem Weg ins Kino und startete meinen achten Berlinale-Tag. Dieser begann gestern schon eine halbe Stunde früher als gewohnt, was zumeist ein Anzeichen dafür ist, dass einer der Wettbewerbsfilme Überlänge haben wird. Das Journalisten-Völkchen am frühen Morgen ist schon ein merkwürdiger Haufen. Ich platzierte mich wie gewohnt auf meinem Stammplatz und lauschte dem Gespräch eines sehr überschwänglichen Pressemannes, der jeden mit Darling oder Engel ansprach und begeistert über sein Kocherlebnis plauderte – es gab wohl eine Art Ruccola-Fleisch-Pastete. Gott weiß, wie das aussah. Auf dem Plan stand zuerst der chinesische Beitrag No Man’s Land.

Bevor der Film überhaupt angefangen hatte, gab es aus dem Publikum übereinstimmenden Beifall. Grund waren die Titeleinblendungen der chinesischen Produktions- und Verleihfirmen, die No Man’s Land finanziell unterstützt hatten. Während wir aus dem US-amerikanischen Raum vor allem 20th Century Fox’ Fanfare im Gedächtnis haben, warten die Kontrahenten der Volksrepublik China mit einleitenden Titelsequenzen ihrer Firmen auf, die schon fast eigenständige und aufwändige Trailer darstellen. Mitten in der Wüste Gobi verhilft ein junger schlagfertiger Anwalt einem Falken-Wilderer zu einem Freispruch und will daraufhin nur noch die Einöde verlassen. Dies soll sich aber mit dem Auto des Gangsters schwieriger erweisen, als es sich der Jungspund vorgestellt hat. Schnell wandelt sich der Film zu einem modernen Western mit dem Look von Mad Max, den Ikonografien der klassischen Italowestern und der Erzählweise eines Cormac McCarthy-Romans. Dabei ist der Film aufregend, wendungsreich, ironisch-komisch und entgegen aller Befürchtungen zu keiner Sekunde langweilig. Ein Genre-Film, der bis zur letzten Minute seine Spannung hochhalten kann.

Knapp zwei Stunden dauerte der Film, sodass unser Videodreh ebenfalls früher stattfand. Bei diesem sprachen wir über Aloft, Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand und 5 Zimmer Küche Sarg, den Sebastian und Stefan gesehen hatten. Als ich mich dann mit Sebastian wieder in den Berlinale-Palast begab, wurde mir erst einmal erklärt, warum die Vorführungen heute alle etwas früher anfingen. Grund war der zweite Wettbewerbsbeitrag des Tages: Boyhood, der eine beachtliche Laufzeit von 164 Minuten aufwies. Die Before Sunrise -Reihe von Richard Linklater ist, zu meinem Bedauern, bisher noch an mir vorbeigegangen (wird umgehend nachgeholt, versprochen). Daher konnte ich nur A Scanner Darkly – Der dunkle Schirm als gesehenes Werk aus dessen Filmografie vorweisen. Was mich schon im Vorhinein an Boyhood so faszinierte, war die Entstehung des Werkes, die sich 12 Jahre hinzog, in welchen der Regisseur mit seinen Darstellern – Ethan Hawke, Patricia Arquette, Ellar Coltrane und Lorelei Linklater – immer wieder zusammenkam, um neue Abschnitte zu drehen. Geschichten, die den Protagonisten durch mehrere Lebensabschnitte folgen, hatte ich schon unzählige gesehen. Der Figur, wie eben auch seinem Hauptdarsteller beim Heranwachsen zuzusehen, war dagegen eine ganz neue Erfahrung.

Das könnte dich auch interessieren

Angebote zum Thema

Kommentare

Aktuelle News