Von PowerUps, virtuellen Weiten & Spielen im Film

06.12.2011 - 08:50 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Scott Pilgrim macht sich Videospiele zunutze
Universal Pictures
Scott Pilgrim macht sich Videospiele zunutze
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Nicht nur Spiele bedienen sich bei Filmen sondern ab und an bedienen sich Filme auch bei Spielen. Zeit also, sich mit diesem Phänomen mal etwas genauer zu beschäftigen.

Reden wir von Filmen und Videospielen im Kontext, dann muss es nicht immer sein, weil Spiel X zufällig gerade verfilmt wird. Computerspiele sind wie Literatur ein Quelle, aus der auch Filmemacher gerne mal schöpfen. Sie bedienen sich nicht nur gern Optik oder popkulturellen Anleihen, sondern auch des Themas Spiel selbst. Ich habe mir die verschiedenen Arten von Spiel-Filmen einmal genauer angesehen.

Spiele um des Spielens Willen
Aus heutiger Sicht ist die US-Abenteuerkomödie Joy Stick Heroes eine 96-minütige Nintendo-Werbung, die nicht nur den heute verdrängten Power Glove hervorhebt, sondern auch erstmals jenseits von Japan Super Mario Bros 3 vorstellte. In dem Film von 1989 machen sich ein paar Kinder quer durch die USA auf den Weg zu einem Videospielewettbewerb. In dem soll sich der 7-jährige Jimmy, der eine unglaubliche Begabung für diese hat, gegen andere Gamer messen. Die Darstellung von Videospielen wird hier auf jene als treibende Kraft der Handlung beschränkt und könnte eigentlich auch durch einen beliebigen anderen Motivator ersetzt werden. Die Geschichte ist naiv, kindlich und dementsprechend natürlich altersgerecht gehalten, was kritische Ansätze in Grenzen hält. Der Werbecharakter für Nintendo trägt sein Übriges dazu bei. Ganz anders verhält es sich mit WarGames – Kriegsspiele von John Badham. In diesem geht es um einen jungen Mann (Matthew Broderick), der aus Versehen kurz davor ist, den dritten Weltkrieg auszulösen, nachdem er sich in einen Regierungscomputer einhackt und ein nukleares Programm startet, da er es für ein Videospiel hält. Der Film baut auf der Mischung aus Faszination und Furcht vor dem Unbekannten auf, die viele Menschen zu Beginn der 1980er Computern gegenüber empfanden. PCs waren noch nicht weit verbreitet, daher war unbekannt, was diese Maschinen wirklich können und was nicht.

Die Realität und andere Wahnvorstellungen
Während sich die Spiele immer weiter entwickeln, durchlaufen auch thematisch entsprechende Filme eine Evolution. Der Trend, der sich seit einigen Jahren abzeichnet, geht immer weiter in die Richtung virtueller Realitäten, die es unmöglich machen, sie von der Wirklichkeit zu unterscheiden. Virtuelle Welten werden immer häufiger als eine Art der Dystopie gezeigt, wie zuletzt in Gamer von Mark Neveldine und Brian Taylor. In dieser fiktiven Zukunft haben Todeslistenkandidaten die Chance, durch ihre Teilnahme an semi-virtuellen Gladiatorenkämpfen ihre Freiheit zu erkaufen. Sie kämpfen jedoch nicht selbstständig, sondern dienen nur als Avatare für Gamer, die aus sicherer Entfernung das blutige Treiben steuern. Die eigentlich kritischen Untertöne an der Videospieleentwicklung gehen unter in einer Menge an Farben, Explosionen und schnellen Schnitten, wie wir sie von den Crank -Machern gewohnt sind. Realität und Virtualität sind hier nicht zu unterscheiden, da es keine Grenze gibt. Alle Handlungsstränge finden auf einer Ebene statt, die sie durch Gedankenkontrolle und futuristische Technik verbindet.

Weniger auf Optik und mehr auf Substanz setzt David Cronenberg in seinem Film eXistenZ. Visuell kühl und weniger actionlastig erzählt, herrschen in dieser Dystopie die Spieleentwickler. Die verschiedenen Realitätsebenen lassen sich kaum unterschieden, so dass einem Spieler oft nicht bewusst ist, ob er gerade spielt oder nicht. Diese Grenze überschreiten auch die Thriller The 13th Floor von Josef Rusnak und Brainscan von John Flynn. Ersterer geht dabei genau wie eXistenZ so weit, die Frage zu stellen, bei welcher Erzählebene es sich nun um die tatsächliche Realität handelt, und welche nur ein Spiel ist – falls das überhaupt auf eine von ihnen zutrifft. Brainscan hingegen beschäftigt sich mit der Idee, was geschieht, wenn Ereignisse in einem Spiel Konsequenzen in der Wirklichkeit nach sich ziehen, in diesem Fall den Tod. Nach demselben Ansatz funktioniert auch der Horrorslasher Stay Alive von William Brent Bell.

Ebenfalls nicht unerwähnt bleiben darf Steven Lisberger mit seinem Film Tron, der die Idee von virtuellen Gladiatorenkämpfen von einer anderen Seite beleuchtet. Sie finden hier nicht zwischen Menschen statt, sondern in der virtuellen Realität zwischen humanoid wirkenden Programmen, die von Usern gesteuert werden. Anders als bei anderen Filmen, die dieses Thema aufgreifen, stellt sich hier nie die Frage, was real ist, da unsere Realität sich auf einer vollkommen anderen, eigentlich für Menschen unzugänglichen Ebene abspielt. Im Zentrum stehen hier jenseits der Hauptfigur Flynn (Jeff Bridges) nicht die Menschen, sondern die “menschlichen” Programme in ihrer Welt der Bits’n’Bytes, welche einer separaten Realität entspricht.

Zwischen Realität und Pixeln
Nicht nur Handlung und Thematik, sondern auch die Bildsprache von klassischen Spielen, wie Pac-Man oder Super Mario Bros., werden gerne für Filme genutzt. Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt ist ein gutes Beispiel hierfür. Nicht nur bringt Scott (Michael Cera) im Dialog gerne Referenzen an, auch das Kampfsystem und die daraus resultierenden Belohnungen basieren auf Videospielen, von der schrillen, pixeligen Optik dieser ganz zu schweigen. Crank und Crank 2: High Voltage beziehen sich in kurzen Passagen auf entsprechende Vorbilder. Anders als die oben genannten Filme, basiert die Handlung dieser nicht auf dem Thema Gaming, dafür verweisen sie visuell darauf, ebenso wie bei der Erzählstruktur.

Auffällig ist, wenn wir uns die genannten Filme betrachten ist, dass die optische Auseinandersetzung mit Videospielen im Film generell positiv ist, der thematische Ansatz jedoch ausschließlich negativ. Virtuelle Welten werden als Gefahr dargestellt, welche die Realität vergessen lassen oder in einigen Fällen sogar ersetzen sollen. Ein eigentlich interessantes Thema nur so einseitig zu beleuchten, ist verschwendetes Potenzial und schürt noch dazu Klischees, die in den Köpfen vieler Zuschauer existieren. Eine vielschichtigere Beleuchtung würde neue Wege und neue Geschichten bedeuten, die nicht völlig kritikfrei sein müssten, aber immerhin mal etwas anderes zeigen würden, als die böse, böse virtuelle Welt. Bleibt zu hoffen, dass es vielleicht irgendwem in der Filmindustrie auch mal auffällt und wir uns über eine Erweiterung des Sub-Genres freuen können.

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