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Vor 25 Jahren: Polit-Thriller wird zum Politikum

27.07.2017 - 00:01 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
Stone, Costner und die magische Kugel
Hieronymus Hölzig
Stone, Costner und die magische Kugel
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Am 27.7.1992 wurde im US-Senat über einen Gesetzesentwurf zur Aufarbeitung des Mordes an John F. Kennedy abgestimmt. Anlass war nicht mehr und nicht weniger als ein Kinofilm. Oliver Stones "JFK - Tatort Dallas" spaltet noch heute die Gemüter.

Die Geschichte beginnt mit einem Astronauten. John Glenn wurde im Februar 1962 zum ersten Amerikaner , der die Erde per Raumschiff umkreiste, war fortan nationale Ikone und 1983 auch Filmheld, als er in Der Stoff, aus dem die Helden sind von Ed Harris verkörpert wurde. Glenn hatte zudem großen politischen Einfluss. Ab 1974 saß er für den Staat Ohio im US-Senat , hinzu kam 1987 der Vorsitz im Senatsausschuss für Regierungsangelegenheiten. In dieser Funktion legte er am 22. Juli 1992  einen untypischen Gesetzesentwurf vor. Ausgerechnet ein Hollywood-Blockbuster, ein Kevin-Costner-Abenteuer und Popcorn-Vergnügen, ging diesem Akt der Legislative voraus.

Schlachten mit der Presse

Dieser Film sei "ein Skandal", schrieb Die Welt 2013 , als die ARD zum 50. Jahrestag der Ermordung von John F. Kennedy den Polit-Thriller JFK - Tatort Dallas zeigte. Regisseur Oliver Stone präsentiert darin die Geschichte des Staatsanwalts Jim Garrison, der im Frühjahr 1969 einen kontroversen Gerichtsprozess gegen den Geschäftsmann Clay Shaw führte und diesem eine Beteiligung an der Ermordung des Präsidenten anlastete. Die Beweislast war so schmal, dass Shaw am 1. März '69 nach einstündiger Beratung  der Jury freigesprochen wurde, sein Leben war im Anschluss ruiniert. Stones so genannter "Rufmord-Film" von 1991 wurde vor allem in den USA medial attackiert. Der legendäre CBS-Reporter Walter Cronkite , welcher den Tod Kennedys der geschockten Nation verkündet hatte, bezeichnete Tatort Dallas als "Mischmasch aus Erfindungen und paranoiden Wahnvorstellungen". Schon Monate zuvor waren Drehbücher gestohlen , zitiert und verrissen worden. Stone, der nach Platoon und Wall Street Oberwasser hatte, wehrte sich mit dubiosen Aussagen  - Die empörten Journalisten seien "bezahlte CIA-Söldner". Nicht nur Medienvertreter, auch Stone selbst haderte mit seinem Skript. Ein Schlüsselcharakter sollte der Luftwaffenoberst L. Fletcher Prouty  werden. Dieser entpuppte sich als Schreiberling für die antisemitische Liberty Lobby, so ließ Stone die Figur in einen rätselhaften "Mr. X" umschreiben. Doch alle Diskussionen zu JFK drehen sich letztendlich um einen einzelnen entscheidenden Tag.

Kennedy, Oswald und der Warren-Bericht

Im September 1964  veröffentlichte die Untersuchungskommission unter dem Obersten Richter Earl Warren die "offizielle Version"  dessen, was am Mittag des 22. November 1963 in Dallas geschehen war. Der Marineinfanterist Lee Harvey Oswald habe vom fünften Stock eines Schulbuchgebäudes aus innerhalb weniger Sekunden drei Schüsse auf die Wagenkolonne von Präsident Kennedy abgefeuert, diesen dabei tödlich getroffen und den texanischen Gouverneur John Connally verletzt. Gefilmt wurde der Todesschuss von dem Schaulustigen Abraham Zapruder, eine 27-sekündige Aufnahme , die eine der bekanntesten Amateurfilmsequenzen aller Zeiten sein dürfte. Rund 40 Minuten nach dem Attentat wurde auch der Polizist J. D. Tippit erschossen - laut Bericht aus nächster Nähe - ebenfalls durch Oswald. Zwei Tage nach seiner Festnahme wurde dieser von dem Barbesitzer Jack Ruby vor laufender Kamera ermordet. Der Warren-Bericht kam zu dem Schluss, dass Oswald der alleinige Schütze war und es keine weiteren Beteiligten gegeben habe. Das ließ viele Amerikaner unbefriedigt zurück. Da Oswald Kontakte in die Hauptstadt des Jazz hatte, angeblich auch zu dem wirren Army-Piloten David Ferrie , wurde schon kurz nach dem Attentat der Bezirksstaatsanwalt von New Orleans Jim Garrison hellhörig. 1966  begann dieser, die Kreise um Oswald weiter zu ziehen, fand Ungereimtheiten im Warren-Report und wurde eines Tages auf Clay Shaw aufmerksam. Irgendwann in dieser Zeit wich Garrisons anfängliche Skepsis einer Obsession . Ungereimtheiten wurden nicht nur gesehen, wo er sie fand, sondern auch, wo er sie sehen wollte. Bald war ihm jedes Mittel recht.

Konstruktion eines Kreuzfeuers

Im Jahr 1989  nahm sich Oliver Stone zweier Buchveröffentlichungen zum Kennedy-Mord an: On the Trail of the Assassins vom besagten Jim Garrison und Crossfire von Jim Marrs, einem dubiosen "Ufologie"-Autoren . Für die Verfilmung dieser Bücher entschied sich Stone für eine klare Haltung, besetzte Garrison mit einem gutmütigen Kevin Costner, Shaw mit einem schmierigen Tommy Lee Jones und er übernahm die Sichtweisen von Garrison/Marrs, weitgehend ohne sie anzuzweifeln. Sie gehen davon aus, dass Oswald mit Ferrie, Ruby, dem FBI-Mitarbeiter Guy Banister und Shaw in Verbindung  gestanden hätten. Auch fehle ein glaubhaftes Motiv Oswalds - Ein kompromittierendes Foto, das Oswald mit der Waffe aus dem Schulbuchlagerhaus zeigt, sei dagegen gefälscht. Die Frage nach den tatsächlichen Motiven beantwortet Stone mit den Hypothesen von Jim Marrs: Der "militärisch-industrielle Komplex"  stecke dahinter und die Verstrickungen des Attentats reichten bis in die höchsten Etagen der Macht. Garrisons Sichtweise nimmt aber zuallererst einmal an, dass es in den Sekunden des Kennedy-Mordes mehr als drei Schüsse und somit mehr als einen Schützen gegeben habe. "Nach hinten und nach links," beschreibt Kevin Costner wiederholt jenen Moment, als die offiziell dritte - laut Garrison  fünfte - Kugel Kennedys Kopf verheerend traf und sich dieser rückwärts, in Richtung des Schulbuchdepots, bewegt. Gab es also einen Schützen von vorn? Und was war davor, mit dem offiziell zweiten Schuss, der "magischen Kugel" ? Stone verweist dabei auf eine verrückte Theorie, zu der es zeitweilig keine bessere Alternative gab. Danach habe eine einzelne Kugel dem Präsidenten und dem texanischen Gouverneur sieben Verwundungen zugefügt, deren Positionen sich nur durch einen physikalisch rätselhaften Kurvenflug des Projektils erklären ließen.

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