Warum Misfits nur mit Nathan wirklich gut war

08.09.2016 - 08:50 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
Robert Sheehan in MisfitsE4
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Kaum eine Serie schaffte es, mich so sehr zu begeistern und im Nachhinein so zu enttäuschen wie die britische Sci-Fi-Serie Misfits. Mit einer genialen Rezeptur machte die Serie mich von Anfang an süchtig. Angefixt von dem herrlich trockenem Humor, einem brillanten Cast und ebenso gut durchdachten Drehbuch folgte nach zwei Staffeln der kalte Entzug.

Als ich Nathan (Robert Sheehan) zum ersten Mal bei Misfits sah, war es keineswegs Liebe auf den ersten Blick, auch nicht auf den zweiten. Gut, sein irischer Akzent stach gleich angenehm hervor, doch ansonsten war der Lockenkopf ein dreistes Großmaul, das nie wusste, wann genug ist und jeden in seinem Umfeld vor den Kopf stieß. Ich weiß nicht genau, wann die Antipathie in Sympathie umschlug, doch als dies geschehen war, wurde Nathan für mich zum unentbehrlichen Mitglied des Ensembles. Mehr noch, er wurde zum wichtigsten Bestandteil der britischen Sci-Fi-Serie, bei der sich ein paar rotzige Teenager, die Sozialstunden ableisten, plötzlich mit Superkräften bedacht sehen. Robert Sheehan verschmolz so sehr mit der Rolle des Nathan und spielte sie derart überzeugend, dass man sich bildlich vorstellen konnte, wie er den anderen Darstellern mit seiner penetranten Art auf den Zeiger ging, selbst wenn die Kameras nicht mehr liefen. Die Rolle schien ihm auf den Leib geschrieben. Und auch bei Lauren Socha (Kelly), Antonia Thomas (Alicia), Iwan Rheon (Simon) und Nathan Stewart-Jarrett (Curtis) passten die Overalls wie angegossen.

Als dann bekannt wurde, dass Nathan, pardon, Robert Sheehan nach der 2. Staffel aussteigen sollte, ahnte ich Schlimmes. Nicht, dass ich den anderen Vier nicht zutraute, die Show alleine weitertragen zu könnten. Das war es nicht, was mir Angst bereitete, sondern die Tatsache, dass die kreativen Köpfe versuchen würden, Nathans Charakter zu ersetzen. Meine Befürchtung wurde wahr, denn als ich Staffel 3 wegen Simon, Alisha, Kelly und Curtis doch noch eine Chance geben wollte, wurde nicht lange gefackelt und mit Rudy ein neuer Rotzlöffel/Witzbold à la Nathan eingeführt. Doch dieses Mal sprang der Funken nicht über. Rudy war einfach nur nervig, nicht lustig. Und da er sich durch seine ihm verliehene Supermacht zweiteilen konnte, gab es ihn sogar in doppelter Ausführung.

Ab diesem Zeitpunkt fing Misfits an, sich selbst zu verraten. Zwar konnten die Macher nichts dafür, dass Robert Sheehan die Serie verlassen wollte, um an seiner Leinwandkarriere weiterzufeilen, aber sie missachteten auch danach ein ungeschriebenes Seriengesetz, indem sie nach und nach den gesamten Cast austauschten. Am Ende blieb von der ursprünglichen Besetzung niemand mehr übrig. Sicherlich könnte man jetzt streiten, dass andere Serien das auch so handhaben (siehe Erfolgsgarant Game of Thrones) und es bei Misfits mehr auf die orangefarbenen Overalls ankäme, als auf die Stars, die sie füllen, aber ich wehre mich kopfschüttelnd gegen diese Argumente. Sogar bei Game of Thrones gibt es einen Kern-Cast, den die Macher bisher nicht abzuschlachten wagten. Bei Misfits hingegen gewann man alle Darsteller lieb: Simon, weil er als verklemmter Sonderling genauso authentisch war wie als furchtloser Parkourläufer. Alisha, weil sich hinter ihrem Image der oberflächlichen Partymaus eine verletzliche Seite verbarg. Kelly, weil sie sich von keinem etwas sagen ließ und herrlich Konter geben konnte. Und Curtis, weil er einen guten Ausgleich zum vorlauten Nathan und schüchternen Simon bildete sowie Nathan, weil er einfach Nathan war. Man fühlte sich der Truppe verbunden, teilte ihre Geheimnisse und war einfach froh, dass sie trotz ihrer Differenzen am Ende immer zusammenhielten und -blieben. Diese Dynamik änderte sich im Laufe der Zeit. Nach Robert Sheehan verabschiedeten sich im Zuge der dritten Staffel Lauren Socha, Antonia Thomas und Iwan Rheon. Nathan Stewart-Jarrett folgte dann in der vierten Staffel. Am Ende blieb also nur Joseph Gilguns Rudy, dessen Name mich immer an einen bockigen Langhaardackel erinnert. Im Übrigen wäre ein Dackel für mich persönlich tatsächlich die bessere Wahl gewesen.

Ich muss gestehen, dass ich irgendwann während der dritten Staffel ausgestiegen bin und deshalb die einzelnen Auswirkungen der Figuren-Exits und auch die späteren Staffeln nicht bewerten kann. Die Einschaltquoten sprechen gegen meine persönliche Annahme, dass die ganze Welt oder zumindest die Misfits-Gucker nach Nathans Weggang aufgehört haben, die Serie zu schauen, weil sie Rudy genauso doof fanden wie ich. Doch ab Staffel 4 verzeichnete die Serie einen großen Quoteneinbruch , was zumindest die These stützen könnte, dass nicht alle Zuschauer damit einverstanden waren, auch noch Alisha und Simon aus der Serie zu schreiben. Wahrscheinlich wären die Macher besser damit gefahren, jede Staffel einen neuen Cast zu wählen, zwar hätte man dann noch weniger von der Originalbesetzung gehabt, aber es wäre zumindest ein stringentes Prinzip gewesen. So macht sich bei mir nur ein Gedanke breit: Why bother?

Natürlich kann eine Serie ohne ihren heimlichen Helden weiterleben, in manchen Fällen vielleicht sogar besser werden, doch im Falle von Nathan und Misfits ist die Rechnung leider nicht aufgegangen.

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