Wenn Mäuse mutieren - Von Disney zu Pixar und wieder zurück

18.09.2009 - 16:16 Uhr
Disney / Pixar
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Pixar bringt mit Oben! einen neuen CGI-Film ins Kino, 9 steht ebenfalls in den Startlöchern und rechtzeitig zu Weihnachten kommt Disneys Comeback mit Küss den Frosch – höchste Zeit, dass wir mal einen kleinen Blick zurück werfen…

Aus Oswald, the lucky Rabbit, wurde Mickey Mouse. Damit fing alles an, zumindest für Disney. Denn der musste sich eine neue Figur ausdenken, nachdem ihm die alte von seinem damaligen Geschäftspartner quasi geklaut wurde. Für Disney ein Glück, denn die Maus wurde zur erfolgreichsten Popikone des 20. Jahrhunderts.

Wie in den frühen Jahren des Films allgemein, folgte auch im Animationsfilm eine Innovation der nächsten. Und am innovativsten war damals immer Walt Disney. Er brachte die ersten Cartoons mit Ton, die ersten Cartoons in Farbe. Keine Figuren waren beliebter als Disneys Riege. Doch dann wagte er, was sich keiner jemals traute: einen abendfüllenden Zeichentrickfilm. Schneewittchen und die sieben Zwerge wurde bereits im Vorfeld verrissen; es sei idiotisch, so etwas in Angriff zu nehmen, niemand würde so lange für Animation im Kino bleiben. Doch dann kam er in die Kinos – und schlug ein wie eine Bombe. Das Wagnis hatte sich gelohnt. Alle Kritiker verstummten und feierten Disney stattdessen als Held. Sogar ein Ehrenoscar wurde ihm verliehen – ein großer und sieben kleine…

Oswald the lucky Rabbit – der Vorläufer von Mickey Mouse

Der Erfolg beflügelte Disney vielleicht ein wenig zu sehr. Fantasia sollte 1940 noch größer werden, das seriöse Manifest, das Animation als Kulturgut etablieren sollte. Neue Aufnahmeverfahren, renommierte Musiker und ein eigens entwickeltes Soundsystem führten zur Beinahe-Katastrophe. Die Kritiker höhnten, die Kulturschaffenden spotteten und der Zuschauer blieb fern. Disney stand am Rande des Ruins. Nur Dumbo, der fliegende Elefant konnte im Folgejahr 1940 das Debakel verhindern, welches das Ende der Disney-Studios bedeutet hätte. Mit einem äußerst geringen Budget zu Kriegszeiten spielte der kleine Elefant mehr Geld ein als die teuren Produktionen der letzten Jahre. Walt Disney, der große Innovator der Animation, war gerettet.

Im Bereich der abendfüllenden Spielfilme konnte niemand Disney die Krone streitig machen – es versuchte auch keiner. Aber in den 1950ern wurde die Vorherrschaft von Disneys Kurzfilmen von Warner Bros. Cartoons abgelöst. Die Looney Tunes um Bugs Bunny und Daffy Duck wurden zu den Sinnbildern für lustige Animation. Dagegen konnte höchstens noch Goofy in seinen “How to…”-Erziehungsfilmen anstinken.

Aber auch andere Studios versuchten sich an Cartoons und sind bis heute unvergessen. Paramount zum Beispiel schickte die von den Max-Fleischer-Studios produzierten Superman-Kurzfilme ins Rennen. Bis heute erscheinen diese erstaunlich frisch und modern – von der beeindruckend ausgefeilten Animation – die sich teilweise des Rotoskopie-Verfahrens bedienten – ganz zu schweigen!

Kennt man kaum noch: Superman von Paramount

Nicht zu vergessen: Gleichzeitig gab es die Cartoons von Tex Avery und Betty Boop, die niemals auf ein Kinderpublikum zugeschnitten waren. Große Brüste, politische Anspielungen und eindeutige Handlungen sollten Erwachsene anlocken – und machten diese ‘anderen’ Zeichentrickhelden bis heute zu Kultfiguren.

Bei Disney blieb es traditionell: Dornröschen sollte 1959 Disneys großes Vermächtnis werden. Für keinen Film hat er jemals zuvor einen solchen Aufwand betrieben. Maler wurden für die Hintergründe engagiert, der gesamte Film als Realfilm gedreht und abgepaust, um die realistischsten Bewegungen darzustellen. Walt Disney kaufte die Rechte an Tschaikowskys Dornröschen-Ballett und es sollte der erste Animationsfilm im Breitbildformat werden – alles für nichts, der Film floppte an den Kassen. Es gab kaum niedliche Nebenfiguren wie in sonstigen Filmen und auch das süßliche Frauenbild begann, nicht mehr dem Zeitgeist zu entsprechen. Sein letzter großer Erfolg wurde stattdessen das Dschungelbuch Walt Disneys letzter Film.

Der Trailer zu Dornröschen von 1959:

Über das folgende Jahrzehnt gab es nur noch sporadisch abendfüllende Zeichentrickfilme. Der letzte Film dieser Dürreperiode, Taran und der Zauberkessel, brachte Disney keinen ebenfalls keinen durchschlagenden Erfolg. Jahrelang hatte man die Rechte besessen und an Drehbüchern gefeilt und das Ergebnis ist trotzdem recht planlos. Immerhin beinhaltet dieser Film die erste computeranimierte Sequenz in einem Zeichentrickfilm.

Stattdessen hatte andere Arten des Zeichentrickfilms ihr Publikum gefunden. In den 70er Jahren sorgte Ralph Bakshi für Aufsehen. Fritz the Cat wurde durch seine expliziten Darstellungen von Sex zum ersten X-rated Animationsfilm aller Zeiten. Durchaus zu Recht, auch wenn Bakshi heute gerne sagt, dass es mittlerweile in den Simpsons ebenso heftig zuginge wie in seinen Filmen… Später sollte Bakshi sich noch an einer animierten Verfilmung von Der Herr der Ringe versuchen – und scheitern.

Disney brauchte nach dem Taran-Flop viele Jahre um zur alten Form zurückzufinden. Doch dann kam Arielle, die Meerjungfrau… Ganz im klassischen Disney-Stil produziert, wurden Handlung und Musik jedoch für ein modernes Publikum angepasst – und der Erfolg hätte kaum größer sein können. Disney war wieder da, jeder Disney-Film danach wurde erfolgreichster Animationsfilm aller Zeiten, fast 10 Jahre in Folge. Auch die Innovation ging weiter wie in der goldenen Phase 60 Jahre zuvor: der nächste Film, Bernard und Bianca im Känguruhland, nutzte als erster Film überhaupt computergenerierte Coloration und Ausleuchtung. Bis der Der Glöckner von Notre Dame der Erfolgsserie ein jähes Ende setzte. Zu düster, zu sexuell, hieß es – und das, obwohl die tragische Geschichte zu einem Happy End umgeschrieben wurde.

Die Schöne und das Biest hatte es 1991 sogar geschafft, für einen Oscar als Bester Film nominiert zu werden. Damit sich die Academy jedoch nicht noch einmal die Blöße geben musste, einen Zeichentrickfilm zu nominieren, wurde von da an die Kategorie Animation eingeführt.

Als die Konkurrenz schließlich so weit war, auf Disney-Animationsfilme zu reagieren, war der Hype schon wieder vorbei. Der Gigant aus dem All und Der Weg nach El Dorado, perfekt produziert und im Nachhinein durchaus gewürdigt, fanden kein Publikum mehr, während Disney immer mehr versüßlichte und immer weniger gute Drehbücher aufwies, die auch Erwachsene in die Kinos locken konnten.

Doch heimlich still und leise machte sich aus dem Hintergrund ein Außenseiter auf den Weg, die Krone zu übernehmen: Disney’s Stiefkind Pixar brachte ohne großes Tamtam den ersten abendfüllenden CGI-Film Toy Story auf den Markt – und landete einen riesigen Hit. Pixar räumte das Feld von hinten auf – das Stiefkind lief dem großen Vorbild den Rang ab.

Mittlerweile ist Toy Story 3 im Anmarsch:

Und diesmal war die Konkurrenz schneller. Dreamworks stampfte Shrek – Der tollkühne Held aus dem Boden und machte die Demütigung für Disney perfekt. Nicht nur der große Erfolg der Reihe war ein Schlag, auch die Inhalte: in Shrek – Der tollkühne Held wurde alles mit Genuss durch den Kakao gezogen, wofür Disney stand.

Trotzdem war der Markt für 2D-Animation noch immer da, wie der überraschende Erfolg von Anime-Produktionen zeigte, die letztendlich nur deswegen keine größeren Einspielergebnisse hatten, weil ihnen nur zögerlich mehr als Art Haus-Status eingeräumt wurde.

Die Folgen waren verheerend. Disney schloss seine Animationsabteilung und wollte sich fortan nur noch auf Zeichentrickserien für das Fernsehen konzentrieren. Ein Aufschrei ging durch die Fangemeinde, egal wie traurig das Floppen des letzten Films auch war…

3D war der neue Herrscher auf dem Animationsmarkt. Nur ab und an gab es noch Stop-Motion-Filme wie Nightmare Before Christmas, die moderaten Erfolg verbuchen konnten. Auch dieses Genre wird wohl bald von CGI übernommen werden. Neue Filme wie Coraline oder Tim Burton’s Corpse Bride – Hochzeit mit einer Leiche vertrauen zwar noch auf die alte Technik, aber #9 zum Beispiel nimmt sich Stop Motion nur noch als Vorbild.

Jetzt kommt Pixars Oben in die Kinos und es wird sich zeigen, ob dieser Film in Deutschland ein großes Publikum erreichen wird. In den USA ist er schon jetzt erfolgreicher als Wall-E, aber in einem Land, in dem Zeichentrick als Kinderkram belächelt wird, hat es eine Produktion mit geringerem Niedlichkeitsfaktor immer etwas schwerer…

Seht Euch mal den Trailer an und entscheidet selbst – hat Oben eine Chance bei uns?

Und dann ist da noch Disney. Der Gigant hat sich aufgerappelt und sein Animationsstudio wieder eröffnet. Dieses Jahr kommt Küss den Frosch rechtzeitig zu Weihnachten in die Kinos. 2010 folgt Rapunzel – Neu verföhnt, 2011 eine neue Fassung von Die vielen Abenteuer von Winnie Puuh und für 2012 ist King of the Elves angekündigt. Auch die Kurzfilmsparte ist wiederbelebt worden, nachdem es Jahrzehntelang keine neuen Filme gab. 2007 erklärte Goofy das Aufbauen eines Heimkino-Systems… Ihr seht, Disney feuert aus allen Rohren. Ob es was bringt?

Wie man sich zurück an die Spitze kämpft – Goofy’s neuester Cartoon von 2007:

Runde 2 ist eingeläutet…

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