Wer bin ich nicht?

15.07.2014 - 08:50 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
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Diese Woche wird die Speakers’ Corner für ein nachdenkliches, leises Plädoyer genutzt: Für Augen, die das Gute sehen wollen, statt sich an all den kleinen Aufregern da draußen festzukrallen…

Wir hockten am dreckigen Tresen der kleinen Kneipe und spielten ein Spiel. “Wer bin ich?”, was ich eigentlich gar nicht mag, weil man immer dieselbe Person ist: Obama, Merkel, Paris Hilton, Justin Bieber. Ja, bei diesem Spiel werden die Leute besonders kreativ. Als wir dann spielten und ich vollends im Dunkeln tappte, überlegte ich mir aus Langeweile, wer ich denn eigentlich nicht sein möchte und welche Person ich den anderen Teilnehmern folglich auf ihre Stirn pappen könnte, weil sie diese Person vielleicht auch nicht sein wollten.

Ich möchte zum Beispiel kein Markus Lanz sein, der aufgrund seiner Gelfrisur als schleimig und schmierig gilt, der Arme. Gelfrisuren ruinieren heutzutage wohl alles, nur nicht bei Leonardo DiCaprio. Ich beneide ihn, den Lanz, nicht darum, dass er Herr Kapitän von Wetten, dass..? geworden ist. Das Flaggschiff musste kentern. Er musste scheitern am Eisberg der Netz-Gemeinde.

Ich mache mir nicht viel aus der Sendung, aber mir fällt auf, dass es immer noch Millionen Deutsche gibt, denen die Show zusagt, die gerne am Samstagabend vor der Glotze sitzen und sich gut unterhalten fühlen. Eine Show für die Familie, denn was kann man heute noch gemeinsam mit Kindern abends gucken? Ich freue mich für meine Großeltern, die mir am Telefon erzählen, dass sie den Auftritt von Robbie Williams toll fanden, und dass sie dort wieder über dieses Neuland Internet geredet haben – Oma und Opa kriegen ja sonst nichts mit. Aber eigentlich tut mir der Markus Lanz leid, weil er ein Angebot offeriert, welches viele annehmen; von denen, die es ausschlagen, erntet er jedoch unaufhaltsam Hass. Warum eigentlich?

Ich möchte auch nicht einer der Menschen sein, deren Namen mit „Schweig“ beginnt. Der Schweiger-Til beispielsweise kann machen, was er will, Späße über sein Nuscheln haben einen längeren Bart als Meister Pei Mei. Dass er eine Handvoll erfolgreiche Filme produziert und gedreht hat, die bei seiner Zielgruppe Anklang finden, ist nur Nebensache. Die Tatsache ist: Der Name Til Schweiger weckt bei vielen Ängste und Assoziationen mit Talentlosigkeit. Vielleicht liegt es ja in der Natur des Menschen, dass immer das verdammt wird, was unerklärlicherweise erfolgreich ist. Ein Film von Til Schweiger ist schlecht, weil er von Til Schweiger ist. Das sei mal dahingestellt, ich zähle nicht zu seiner Zielgruppe. Vielen geht’s damit ähnlich, aber der Schweiger-Hass ist trotzdem da. Warum eigentlich? Der Schweighöfer-Matthias hat übrigens dasselbe Los gezogen.

Ich möchte auch nicht Hans Zimmer sein, einer der erfolgreichsten und bekanntesten Komponisten für Filmmusik. Ihm werfen sie immer vor, alles höre sich gleich an. Ganz Pfiffige posten überall im Web diesen Soundmaker mit einem roten Knopf, der dann, wenn man ihn drückt, einen müden Mono-Ton aus Inception abspielt. Genau genommen honoriert die Online-Gemeinde dabei jedoch das, was sie stört: Den Wiedererkennungswert. Diese Qualität ist – es geht schließlich um Musik – gerade in dieser Branche essentiell. Im Radio erkennen wir Rihanna, um umzuschalten, und wir erkennen die Stimme von James Hetfield, um lauter zu drehen. Mir ist Wiedererkennungswert lieber als jemand, der alles sein kann, aber nichts Einzigartiges.

Musik darf nicht belanglos sein. In anderen kulturellen Bereichen, sei es die Kunst oder die Literatur, jauchzen wir doch auch über markante Charakteristiken. Aber Hans Zimmer darf keinen eigenen Stil haben. Warum eigentlich?

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