Will & Grace - Revival startet (un)politisch ins Smartphone-Zeitalter

30.09.2017 - 08:50 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
Will & GraceNBC
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Gestern lief auf dem US-Sender NBC die erste Folge der 9. Staffel Will & Grace. 11 Jahre vergingen seit der letzten Staffel. Funktioniert die Serie auch heute noch? Wir verraten es euch im Serien-Check.

1998 lief die Pilotfolge einer neuen Sitcom auf dem US-Sender NBC. Alle Beteiligten wussten, dass der Inhalt von Will & Grace die Zuschauer spalten würde und sie ein Risiko eingehen. Will und Grace sind seit dem College beste Freunde. Sie sind - wider Erwarten - kein Paar, denn Will ist, wie auch sein bester Freund Jack, schwul. Komplettiert wurde das neue Sitcom-Quartett durch Karen, Graces modebewusste, alkoholaffine und unterhaltsame Assistentin. Will & Grace entpuppte sich trotz schwuler Protagonisten zu einem riesigen Erfolg und lief über 8 Staffeln. Von vielen Seiten wird die Sitcom auch heute noch als ein Wegbereiter für queere Figuren in Film und Fernsehen gelobt. Anfang dieses Jahres wurde bekanntgegeben, dass Will & Grace (und Karen & Jack) für eine 9. Staffel zurückkehren werden. Aus 10 Folgen wurden 16 und zudem wurde bereits vor der Veröffentlichung der ersten Revival-Episode eine 10. Staffel bestellt. Diese erste Folge seit 11 Jahren lief gestern auf NBC und wir verraten euch in diesem Serien-Check, ob sich das Einschalten lohnt.

Alles nur ein Traum?

Zuschauer, die das Finale 2006 geschaut haben, fragen sich sicher, wie das vermeintliche Ende der Sitcom in die neue Auflage eingearbeitet wird. Die Antwort ist schlicht und einfach: Es wird ignoriert. Will und Grace wohnen wieder zusammen - denn sie sind beide single. Ihre Kinder waren scheinbar nur ein Traum von Karen, die nach wie vor mit Stan verheiratet und stinkreich ist. Von Rosario ist keine Spur (Shelley Morrison bestätigte, dass sie nicht zur Serie zurückkehren wird), Jack ist weiterhin Just Jack - nur nicht in seiner Gegenwart erwähnen! Somit wurden die letzten 11 Jahre kurz und bündig zusammengefasst und das Will & Grace-Revival kann beginnen.

Will & Grace: Karen erwacht aus einem 11-jährigen Traum.

Alles beim Alten, nur frischer und im Apfel-Überzug

Will & Grace melden sich in altbewährter Manier zurück - sie spielen Scharade. Vorbei ist es jedoch mit den Zetteln, wir befinden uns ja schließlich im Smartphone-Zeitalter. Daher wird nun mithilfe eines dieser Geräte der zu erratene Begriff angezeigt. Als Spielpartner präsentieren sich dieses Mal nicht Rob und Ellen, sondern Karen und Jack. So richtig partizipieren die beiden jedoch nicht. Jack browst durch den Online-Dating-Dienst Grindr und Karen träumt nach wie vor, dass Will und Grace Kinder haben und sie selbst mit Jack und Rosario zusammenlebt. Ein Glück, dass das Geräusch ihrer Pillendose sie schließlich aufwecken kann. Ebenfalls überarbeitet wurden die popkulturellen Referenzen, die Will & Grace seit der ersten Folge ausschmücken. Zu Beginn der Serie führten einige davon selbst bei den filmaffinsten Zuschauern zu Kopfkratzen. Das Autorenteam scheint sich zudem gedacht zu haben, dass sie ein neues Publikum begeistern wollen. Daher sind es nun nicht mehr die Baldwin-Brüder, an denen der Sexy-Faktor eines Mannes gemessen wird, sondern die Ryan-Skala. Gosling oder Reynolds? Was ist besser?

Will & Grace: Wo ist der Gwyneth Paltrow-Witz?

Will ist übrigens schwul...!

Was sich hingegen nicht geändert hat, ist der Hinweis, dass es sich bei Hauptfigur Will um einen schwulen Mann handelt. In der 1. Staffel gab es oftmals die lautesten Lacher bei Dialogen, die folgendermaßen aussahen. Grace: "Du bist ein haariger Mann" - Will: "Und haarige Männer mögen mich" (verschmitztes Grinsen). Als Zuschauer hatte ich in diesen Szenen stets das Gefühl, dass wir daran erinnert werden sollen, dass Will schwul ist. Die Lacher danach ließen mich aber eher mit den Augen rollen. Schwulsein als Comedy-Garant, wie originell. Auch in der 1. Episode des Revivals gibt es die Erinnerung an Wills Sexualität. Während Jack durch seinen Grindr-Feed scrollt <,bemerkt er, dass ein schwuler Mann 10 Meter von ihm entfernt sitzt. Er schaut auf Will. Stille dann Lacher. Was so witzig ist? Will ist auch schwul! Glücklicherweise verzichteten die Autoren - zumindest in der 1. Folge - auf die homophoben Witze, die von Will an Jack gerichtet sind. Will ist das, was der erfahrene Schwule als "Straight Acting" oder einfach "Klemmschwester" bezeichnen würde. Jack hingegen ist flamboyant und trägt seine Sexualität sehr offen und frei nach außen und ist so dem konservativen Will oft ein Dorn im Auge. Es folgten in der Geschichte der Serie viele bissige Kommentare. Da diese aber fast immer "lustig" waren, wurde darüber hinweggesehen, wie schwulenfeindlich diese zum Teil waren.

Will & Grace: Platonische Liebe

Politisch und doch so unpolitisch

Durch die 1. Folge der 9. Staffel Will & Grace zieht sich ein spezieller roter Faden, oder besser gesagt, ein orangener. In den letzten 11 Jahren wurden große Schritte in die Richtung der Gleichberechtigung von queeren Menschen getan. Ein Mann versucht diese derzeit rückgängig zu machen. Anfang 2017 trat Donald Trump das Amt des Präsidenten Amerikas an und bewies sich als Feind diverser Minderheiten. Trump kassiert viele Spitzen in dieser überraschend politisch aufgeladenen Episode. Von seinem Umgang mit Frauen über seinen Cheetos-Taint bis hin zu Melania - das Angriffsfeld ist groß und Max Mutchnik und David Kohan (Schöpfer und Autoren dieser Folge) versuchen überall einen Seitenhieb unterzubringen. Ob es dann eine kluge Entscheidung war, Karen Walker zu einer Trump-Wählerin zu machen ist durchaus fraglich. Sie ist vermutlich der Inbegriff der Trump-Wählerschaft: weiß, reich, mächtig und narzisstisch. Nichtsdestotrotz ist sie innerhalb und außerhalb der Serie eine Schwulen-Ikone - dank ihrer "Kein-Blatt-vor-den-Mund"-Devise. Sie daher zu einer Befürworterin des einen Mannes zu machen, der alles in seiner Macht tut, um ihren Fans ihre Rechte abzusprechen, könnte eine falsche Entscheidung gewesen sein.

Will & Grace: "Grab them by the.. boobs?"

Ein flüchtiger Kuss im Weißen Haus

Will & Grace ist eine dieser Serien, die schwule Protagonisten haben, aber letztlich für die breite Masse produziert werden. Diese besteht - zu einem Großteil - aus heterosexuellen Menschen. Im Network-TV will man diese natürlich nicht verprellen und hält sich daher die schwulen Männer gerne recht asexuell. Bei lesbischen Frauen ist das natürlich etwas ganz anderes. Thank you, Male Gaze! Die erfolgreiche Comedy-Serie Modern Family sorgte für Kritik, da das schwule Paar wenig bis keine Zärtlichkeiten austauschte, während das jüngere heterosexuelle Paar gerne die Latten quietschen ließ. Auch in Will & Grace sind sexuelle Andeutungen selten bis gar nicht vorhanden und auch der Austausch von intimen Berührungen wird ausgespart. Dünn gesät sind die Küsse unter Männern in der Sitcom, die sich um schwule Männer dreht. Wenn sie passieren sind sie flüchtig und ähnlich intim, wie die unter Familienmitgliedern (mehr Jon und Daenerys als Jaime und Cersei). Jack wird in der 1. Episode des Revivals von einem sehr butchen Security Guard geküsst und im Anschluss wird angedeutet, dass sie sich hinter geschlossenen Türen - und abseits des Sets - näher gekommen sind.

Will & Grace

Das Revival von Will & Grace bietet kurzweilige Unterhaltung, die stark veraltet wirkt. Für eine Serie, die von queeren Figuren handelt, ist auch die Darbietung dieser nicht mehr zeitgemäß. Für schwule Männer, die sich authentisch präsentiert sehen wollen, sind es längst Serien wie Looking oder Please Like Me, die diesen Wunsch erfüllen. Eine Multi-Cam-Sitcom eines Network-Senders ist selbstverständlich nicht mit HBO zu vergleichen. Man sollte aber meinen, dass in unserer heutigen Zeit etwas mehr drin ist, als entsexualisierte schwule Männer im Free TV-Programm. Will & Grace funktionierte in den 1990ern, als sie einer breiten Masse, die wenig über die LGBTQ+-Community wusste, ein - stereotypes - Bild des schwulen Mannes zeigten und so dennoch diverse Türen öffnete. Seitdem sind einige Produktionen nachgekommen, die wesentlich geschmackvoller mit dem Thema umgehen. Als Guilty Pleasure gelingt es Will & Grace gegebenenfalls die alten Fans erneut vor den Bildschirm zu locken. Um aber mit anderen queer-fokussierten TV-Produktionen mitzuhalten, müssen sich die kreativen Köpfe hinter der Sitcom ein wenig mehr trauen. Es ist schließlich 2017. Die technischen Geräte wurden auf den neuesten Stand gebracht, es wird Zeit dasselbe auf die schwulen Hauptfiguren anzuwenden.

Die 9. Staffel Will & Grace lief am 28.09.2017 auf NBC an.

Wie gefällt euch die 1. Folge des Will & Grace-Revivals?

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