Wir schauen Hannibal - Staffel 3, Folge 7

20.07.2015 - 08:50 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Digestivo
NBC
Digestivo
7
2
Da ist es, das Staffelfinale. Digestivo verkündet die Halbzeit von Staffel 3 mit einem Knall und beendet die gesamte Storyline rund um die Jagd nach Hannibal Lecter und läutet den Auftritt des Roten Drachen ein.

"We are going to have some good, fun times, Dr. Lecter."

Mason Vergers Versprechen an Hannibal zu Beginn von Digestivo könnte genauso gut an den Zuschauer gerichtet sein, denn der darauffolgende, 40-minütige Wahnsinn ist selbst für Hannibal-Verhältnisse dermaßen abgedreht, dass es kaum möglich ist, die richtigen Worte zu finden. Doch das Schönste an dieser Episode voller operativ entfernter Gesichter, Menschenbabys in lebendigen Schweinekörpern, Kannibalenfantasien, Aalen im Rachen ihrer Besitzer, ist, dass die ruhigen Momente immer noch den emotionalen Kern für sich beanspruchen und die ganze Geschichte so herzzerreißend machen, wie sie ist.

Wie bereits letzte Woche vorweggenommen, wird Hannibal (Mads Mikkelsen) bei seinem Plan, Wills (Hugh Dancy) Schädeldecke aufzuschneiden, unterbrochen und Mason (Joe Anderson) ausgeliefert. Jack (Laurence Fishburne) überlebt das Ganze nur, weil Chiyo (Tao Okamoto), die ihr ganzes Leben geopfert hat, um niemanden töten zu müssen, reihenweise Leute tötet. Chiyo wird nach dieser Episode nicht mehr wiederkehren, was sicherlich gut für den Rest der Staffel ist, sie aber umso mehr wie ein erzwungenes Plotelement erscheinen lässt. Was nicht heißt, dass ihre Rolle als Chiyo ex Machina keinen Spaß gemacht hat, doch lediglich als Relikt aus Hannibals Vergangenheit verblasste sie neben all den anderen Figuren. Ihr Abgang ist dafür besonders schön in Szene gesetzt, mit gemächlichen Schritten durch den Mondschein in den verschneiten Wald. Es ist eine extrem melancholische Einstellung, die damit zum einen natürlich ein respektvoller Abschied von dem Charakter ist, zum anderen aber auch Chiyos Trauma, das sie wie alle anderen auch aus der Nähe zu Hannibal davongetragen hat, zum Ausdruck bringt.

Um Chiyo geht es in dieser Episode selbstverständlich nur am Rande, das Zentrum der Aufmerksamkeit liegt auf Masons Farm und allen, die sich gerade auf ihr befinden. Die Dinner-Szene zwischen Mason, Will und Hannibal gehört da zu den Highlights, auch weil sich eine gewisse Befriedigung durch den Umstand, dass Will und Hannibal nun gewissermaßen in einem Team sind, nicht leugnen lässt. Als Will dann Cordell (Glenn Fleshler) ein Stück Fleisch aus der Wange beißt, schaut Hannibal ihn an, mit einem zufriedenen Lächeln und voller Stolz. Überhaupt trumpft Mads Mikkelsen in dieser Szene ganz groß auf: Stets ein zufriedenes Lächeln auf den Lippen, lässt er das Gespräch mit Cordell darüber, wie er ihn denn zubereiten wird, wie ein munteres Austauschen von Kannibalen-Rezepten klingen, bis er anerkennend zu Mason herüberschaut - "You've thought of everything."

Masons zügelloser Wahnsinn bringt noch mehr Leute dazu, sich mit Hannibal zu verbünden. Allen voran Alana (Caroline Dhavernas) und Margot (Katharine Isabelle), die sich gezwungen sehen, Hannibal zu befreien. Für Alana bedeutet dieser Akt einfach eine Rückkehr zu ihrer Menschlichkeit, von der sie sich nach den Geschehnissen in Hannibals Villa anscheinend abgewandt hatte. Doch sie kann Will nicht einfach so sterben lassen und kommt auch mit Margots Hilfe nicht an Masons Schergen vorbei, sodass sie die angekettete Bestie befreien muss, um größeres Übel zu verhindern, mit dem sie niemals hätte leben können. Margot kann das nur recht sein, schließlich ist, so schwierig das auch zu glauben ist, Hannibal im Vergleich zu ihrem Bruder ein sehr viel kleineres Übel in ihrem Leben. "You know you'll have to kill him", legt Hannibal ihr nahe. Sie weigert sich anfangs und möchte eigentlich, dass Hannibal diesen Teil für sie übernimmt, doch der vergisst selbst in dieser Situation nicht, dass er ja auch irgendwo immer noch ihr Psychiater ist: "It would actually be more therapeutic for you to kill him yourself."

Hannibal wird also von Alana befreit, unter der Bedingung, dass er Will rettet. Abgesehen davon, dass das Gespräch zwischen den beiden auch eine sehr schmerzhafte Rekapitulation ihres Verhältnisses zueinander ist ("Could I have ever understood you?" - "No."), ist es auch eine Drohung an Alana, denn Hannibal betont ausdrücklich, dass er seiner Versprechen immer einhält. Dabei hat er sicherlich auch das Versprechen im Kopf, was er Alana damals in Mizumono gegeben hat, nämlich dass er sie töten wird. Diesen Plan verschiebt er jedoch offenbar noch ein Stück nach hinten, denn für den Moment kommt Alana heil davon. Ganz im Gegensatz zu Mason, der nach all den Schwanz-Witzen seinen denkbar passenden Phallus-Tod bekommt, indem ein Aal in seinen Mund eindringt und gänzlich in seinem Körper verschwindet. Aber erst, nachdem Hannibal die erste Serie geworden ist, die die Entfernung eines Gesichts explizit zeigen und sie mit einem Kaiserschnitt zwischenschneiden darf, in dessen Rahmen ein menschliches Baby aus einem lebendigen Schwein geholt wird.

In Digestivo kommen die verstörenden Bilder, die einprägsamen One-Liner und die schier unfassbaren Auswüchse von Masons Boshaftigkeit Schlag auf Schlag und sind dafür mitverantwortlich, dass es sich hier um eine der kurzweiligsten und auch besten Episoden der gesamten Serie handelt. Trotzdem schaffen es Bryan Fuller und sein Team, dass der ganz große Knall, der Showdown zwischen Will und Hannibal, auf den so penibel hingearbeitet wurde, nicht nur aus einem einfühlsamen, herzzerreißenden Dialog besteht, sondern auch die vorangegangenen Gräueltaten emotional hinter sich lässt. "The tea cup is broken. It's never gonna gather itself together again", sagt ein sichtbar angeschlagener Will, der nach seinem Sturz vom Zug, einer halb aufgesägten Schädeldecke und einer fast verlorenen Gesichtshaut nun wirklich die Nase voll hat. Hannibal tut das zu sehr weh, er kann das nicht akzeptieren. "Not even in your mind?", erwidert er halb hoffnungsvoll, halb niedergeschlagen, nur um von Will den endgültigen Korb zu bekommen. Er werde Hannibal weder vermissen noch ihn suchen gehen, wenn er verschwindet. Hinter Hannibals Augen bricht eine Welt zusammen, doch Resignation macht sich bei ihm noch nicht breit. Vielmehr klammert er sich an Will in der Hoffnung, dass er es sich irgendwann einmal anders überlegen werde. Will möchte nicht wissen, wo Hannibal sich aufhält, doch Hannibal zwingt es ihm auf. Er ist der Ex-Freund, der nicht einsieht, aus dem Leben des anderen zu treten, und der sich vom FBI einsperren lässt, nur damit sein ehemaliger Partner weiß, wo er mit ihm sprechen kann, wenn ihm wieder danach ist.

"I wanted you to know exactly where I am. Where you can always find me."

Notizen am Rande:

- Ja, das war ein kleines Schweinchenmobil  im Babybett des kleinen Vergers, der von dem Mutterschwein ausgetragen werden sollte.

- Mason spricht in seinem Monolog über den deutschen Kannibalen natürlich von Armin Meiwes , dem "Kannibalen von Rotenburg".

- In einem Interview  mit TVGuide spricht Bryan Fuller über Digestivo und seine Pläne für Hannibals Zukunft. Demnach hoffe er auf die Ausstrahlung der letzten Episode, da die bisherigen Streaming-Dienste, die Hannibal abgelehnt hatten, diese gar nicht gesehen hätten und es sich vielleicht anders überlegen könnten, sobald sie das nachholen.

- Nächste Woche wird es einen Zeitsprung von drei Jahren geben, sodass wir direkt in die Handlung des Roten Drachen einsteigen. In Anbetracht von Hannibals aktuellem Status sollten wir uns also freuen, zwei Staffeln in Form von einer zu bekommen.

Das könnte dich auch interessieren

Angebote zum Thema

Kommentare

Aktuelle News