Wir schauen Homeland - 4. Staffel, 4. Folge

21.10.2014 - 08:50 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
y u so sad quinn?
Showtime
y u so sad quinn?
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Eine Weißwein-freie Homeland-Episode bedeutet: Das Agententreiben steht im Vordergrund und so bekommen wir viel Überwachung, Verfolgung und Einschüchterung in Islamabad zu sehen, während Carrie ihrem Antihelden-Status alle Ehre macht.

Was tun, wenn du merkst, dass du völlig umsonst eine 40-köpfige Hochzeitsgesellschaft dem Erdboden gleichgemacht hast? Im Falle von Homeland und Carrie Mathison (Claire Danes) lautet die Lösung folgendermaßen: Einen unschuldigen Studenten manipulieren, in Sicherheit wiegen, Intimität und Vertrauen vorgaukeln und belügen, belügen, belügen. Als hätte die Badewannenszene aus der zweiten Episode nicht schon genug Zuschauer verstört, übertrifft sich die Serie auch noch in der Platzierung unangenehmer Sexszenen. Wir können nur hoffen, dass der arme Quinn diesmal nicht zuhören muss. Davon abgesehen ist Iron in the Fire eine fesselnde Homeland-Folge. Der Spionage-Anteil überwiegt und das Figuren-Ensemble wird sinnvoll ausgebaut. Ein leichtes Déjà vu-Gefühl lässt sich trotzdem nicht verhehlen.

Homeland - S04E04 (Iron in the Fire)

Reden wir Tacheles: Carrie verführt mit Aayan (Suraj Sharma) nicht zum ersten Mal ein "asset", um es der CIA fügsam zu machen, was zu einigen Diskussionen darüber führen dürfte, inwiefern die Homeland-Autoren die intellektuell so begabte Heldin auf ihren Körper reduzieren. Auf dem Sympathie-Pegel vieler Zuschauer dürfte Carrie nach Ende von Iron in the Fire trotzdem abstürzen, als wären tote Zivilisten und beinahe ertrunkene Ginger-Babies noch nicht genug. Mir persönlich ist es nach vier Staffeln Homeland relativ schnuppe, ob Carrie nun Sympathien erregt oder nicht. Schließlich will ich nicht bei ihr couchsurfen, sondern ihre Handlungen nachvollziehen können, selbst wenn sie irrationalen Motiven folgen. Im Fall von Aayan liegt die Logik der Verführung offen, ist Aayan doch die einzige Brücke zum Terroristen Haissam Haqqani (Mitglied des Haqqani-Netzwerks ?), der bei dem durch Carrie autorisierten Bombenangriff in der ersten Episode gar nicht anwesend war.

Hinzu kommt, dass der ISI oder Teile dieses pakistanischen Geheimdienstes dem vorherigen CIA-Station Chief in Islamabad falsche Informationen gefüttert und/oder seine Ermordung orchestriert haben, um den Tod des Terroristen vorzutäuschen. Die CIA wurde vorgeführt und so greift Carrie zum Äußersten, was ihr Verhalten keinesfalls entschuldigen soll. Obwohl ihr Vorgehen bei Aayan (dem "Eisen im Feuer") an ihre Beziehung zu einem gewissen rothaarigen Familienvater erinnert, gibt es doch einen entscheidenden Unterschied: Carrie ist Aayan in jeder Hinsicht, vor allem aber emotional überlegen. Es ist ein Machtverhältnis, das Carrie in der Schlusssequenz in eine Femme fatale mutieren lässt. Es wird sich also in den nächsten Episoden zeigen, ob das "Gewissen" namens Quinn wirklich etwas taugt. Und ob wir das überhaupt wollen.

Andernorts beobachten wir Saul beim Gespräch mit hochrangigen pakistanischen Geheimdienstkollegen, was ruhig noch etwas mehr Zeit hätte in Anspruch nehmen können. Quinn schleicht beim "freien" ISI-Mitarbeiter Farhad Ghazi herum, den er in der letzten Folge im YouTube-Video erkannt hatte und Fara kriegt bei der Verfolgung von Ayaan endlich etwas gebacken. Schön für sie. Vielleicht könnten ihr gesteigertes Selbstbewusstsein und Quinns moralische Midlife-Crisis Carrie vom dunkle(re)n Pfad des CIA-Daseins abhalten.

Spannender sind die Figuren, die in Iron in the Fire neu eingeführt werden. Zum einen Professor Dennis Boyd (Mark Moses aus Mad Men), der Station Chief Sandy offenbar geheime Dokumente aus der Botschaft zukommen ließ. Auf eine perfide Art köstlich ist in diesem Zusammenhang die Szene, in der Boyd bei der Botschafterin seine Versetzung ankündigt, wobei wir aufgrund des förmlichen Tonfalls gar nicht glauben wollen, dass Ehemann und -frau miteinander reden. Aber geht es Boyd nur ums Geld? Er darf Islamabad jedenfalls nicht verlassen, wenn sein Dokumente-Schmuggel geheim bleiben soll. Dessen versichert sich die mysteriöse Tasneem (Nimrat Kaur aus Lunchbox), deren brutale Manipulationsmethoden jenen psychologischen von Carrie gegenübergestellt werden. Haben wir gerade den Big Boss der 4. Homeland-Staffel getroffen? In jedem Fall wünsche ich ihr eine bessere Storyline als Roya Hammad sie in Staffel 2 bekommen hat.

TIL: Der ISI spielte ja schon in den vergangenen Folgen dieser Homeland-Staffel eine Rolle im Hintergrund. In Iron in the Fire lernen wir seine Vertreter kennen, daher hier ein paar Informationen zum pakistanischen Geheimdienst und seine besondere Beziehung zu den USA: Inter-Services-Intelligence  lautet der vollständige Titel der 1948 gegründeten Institution, die einen außen- und innenpolitischen Flügel besitzt und einer von drei Nachrichtendiensten in Pakistan ist. Der ISI, dem immer ein General der pakistanischen Armee vorsteht, gilt als enorm mächtig, als Staat im Staat, der eine eigene Politik verfolgt. Wie die CIA auch unterstützte der ISI in den 1980ern die Mudschaheddin in Afghanistan im Kampf gegen die Sowjetunion. Danach soll der ISI die Taliban im afghanischen Bürgerkrieg mit Informationen versorgt haben und auch heute noch gibt es Vorwürfe, der ISI unterstütze terroristische Organisationen, um Stellvertreterkriege in Nachbarländern zu führen.

Als Lesestoff über die Verbindungen zwischen ISI und al-Qaida sei beispielsweise dieser Artikel in der New York Times empfohlen: What Pakistan Knew About Bin Laden . In A Secret Deal on Drones, Sealed in Blood  wird der jüngeren Zusammenarbeit von ISI und CIA beim Drohneneinsatz in Pakistan nachgegangen.

TIL2: 80.000 pakistanische Rupien sind zur Zeit 481,34 Britische Pfund wert, also "knapp" 500. Eine beeindruckende Kopfrechnen-Impro auf Seiten Carries, die ja vorgibt, bei einem britischen Magazin zu arbeiten. Im Übrigen sollte Fara immer mit Oxford-Englisch-Akzent sprechen. Nur so als Anregung.

Zitat der Folge:Accountability isn’t in the job description, Carrie.”

Mehr: Wir schauen Homeland - 4. Staffel, Folge 3
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