The Sign of Three heißt die zweite Episode der dritten Staffel von Sherlock und obwohl die Pointe hinter dem Titel erst in den Schlussminuten offenbart wird, fällt die Wahl treffender aus, als womöglich gedacht. Drei Autoren (Mark Gatiss, Stephen Thompson, Steven Moffat) werkelten am Drehbuch der Folge und so erinnert das Endprodukt an Episoden dreier Serien, die aus irgendeinem Grund zusammengeschustert wurden. Manchmal fallen die Nachteile kurzer Staffeln mit 90-minütigen Kapiteln eben auf. In The Sign of Three steht jedenfalls der wichtigste Tag im Leben von John Hamish Watson (Martin Freeman) an und Sherlocks (Benedict Cumberbatch) Reaktion auf den Ritus und seine Begleiterscheinungen, scheint die Autoren deutlich mehr zu faszinieren als dessen Job oder Freund.
Der Fall: Mit “How to Write an Unforgettable Best Man Speech” bereitet sich Sherlock seelisch und moralisch auf die Hochzeit seines besten Freundes vor. In Flashbacks springt die Folge danach von der epischen Ehrung des Brautpaares zu den Wochen vor dem großen Tag und wieder zurück. So erweist sich der Meisterdetektiv als überraschend nützlicher Beistand bei der Planung der Sitzordnung des Ereignisses und hilfreiche Datingtipps für die Brautjungfern hat er ebenfalls in petto. Warum Sherlock dennoch eher als Wedding Crasher taugt, wird im Anschluss klar, als er von einem peinlichen Junggesellenabschied schwups zu Tod und Verderben übergeht. Was als nette Anekdotensammlung beginnt (The Poison Giant, The Hollow Client, The Elephant in the Room…), spitzt sich in einem komplizierten Mordversuch zu.
Ein alter Freund von John trägt nämlich die Verantwortung für eine fehlgeschlagene Mission im Afghanistankrieg, bei der die Mitglieder seiner Einheit ums Leben kamen. Nun hat ein Angehöriger Rache geschworen und nach einem Übungsanschlag auf einen Soldaten der Grenadier Guards probiert er sich am perfekten Mord. Als Ersatzfotograf schmuggelt er sich in die Party, doch über den Umweg von Idatedaghost.com kommt ihm Sherlock auf die Schliche.
221b Baker Street: Auch Episode 2 der Staffel rafft sich nur mühsam zur Abhandlung eines Krimiplots auf und wandert im ersten Drittel lieber auf den Pfaden von Steven Moffats bisher bester Serie: Coupling – Wer mit wem?. Zwar fehlt der herrlich derbe Jeff (Richard Coyle) im Sherlock-Ensemble. Genau genommen nimmt der Meisterdetektiv aber selbst die Rolle des exzentrischen Außenseiters in einem bürgerlich gesitteten Freundeskreis ein. Hinsichtlich seiner Eigenschaften diametral entgegengesetzt, aber mit einer ähnlichen Funktion sorgt Dauer-Single Sherlock wie Dauer-Single Jeff dank seiner geringen Aufmerksamkeitsspanne regelmäßig für amüsante Einsprengsel, was zur dynamisch erscheinenden Fragmentierung der Geschichte führt. Hochzeitsvorbereitungen können nämlich eine todlangweilige Angelegenheit sein. Da sich Sherlock nur ungern mit der Nacherzählung eines Verbrechens und seiner Auflösung beschäftigt, aber vor dem Charakterdrama ebenfalls zurückschreckt, ist ein endgültiges Abgleiten in komödiantische Gefilde theoretisch leichter zu ertragen als ein unentschiedener Mix, wie er in Folge 1 der Staffel präsentiert wurde. Rasante Dialoge und skurrile Situationen gehören schließlich von Anfang an zum Konzept.
Trotzdem wirkt The Sign of Three ab dem zweiten und schwächsten Drittel, als hätten die Autoren hier eine Strichliste mit Dingen abgearbeitet, die sie Sherlock Holmes schon immer mal tun sehen wollten. Keine Frage, Benedict Cumberbatch schreitet jeder ihm gestellten Aufgabe mit erhobenem Haupt entgegen. Ob Sherlock betrunken auf einen Teppich kotzt oder die x-te Rede schwingt, als würde er sich für die Hauptrolle in The Wolf of Wall Street bewerben, Cumberbatch spielt auf den Punkt, was von ihm verlangt wird und bewahrt die Folge allein durch seinen Elan vor dem Kollaps. Das muss er auch, denn obwohl hier John Watsons Hochzeit gefeiert wird und obwohl der Fall Watson tangiert (es geht um einen alten Freund), wird in The Sign of Three zur großen Sherlock-Parade gepfiffen. Die ist, dem Titel der Serie zum Trotz, eigentlich nicht obligatorisch. Wir lernen nichts als Floskeln über die noch junge Beziehung von Watson und seiner Angetrauten oder die länger zurückliegende der beiden Veteranen, wobei letztere im Vergleich zur Freundschaft zwischen Detektiv und Doktor durchaus erhellend sein könnte.
Bisweilen kann die Verdrängung Watsons mit der Fixierung auf Sherlocks Innenleben entschuldigt werden (die Serie ist in diesem Punkt nicht konsequent). Es überwiegt aber die Beliebigkeit, wenn es um die Entwicklung ihrer Hauptfigur geht. Viele hübsche Worte schickt Sherlock in die Runde, die in Gestalt von Taten womöglich mehr Eindruck geschunden hätten. Er verdient seinen Freund ja gar nicht, aber eigentlich schon, immerhin verwandelt sich Sherlock von einer Folge zur anderen mirakulös von einem Soziopathen in ein handzahmes Baby. Der geniale Analytiker hopst, wie es die Autoren verlangen, nicht wie es sich aus seinem Charakter organisch ergibt. Er schwingt empathische Reden, spielt mit Augäpfeln, faltet fleißig Servietten, geht in Discos, flirtet mit einer Brautjungfer, reiert in eine fremde Wohnung, verdingt sich als Alleinunterhalter einer Hochzeit und verlässt die Party ganz trüb und melancholisch gestimmt, damit das pathetische Twistgewitter in der nächsten Episode seinen Lauf nehmen kann (His Last Vow!). Wenn das so weiter geht, hopst er bald auch über einen Hai.
Sherlockgism der Folge: “[…] Contrast is, after all, God’s own plan to enhance the beauty of his creation. Or it would be, if God were not a ludicrous fantasy designed to provide a career opportunity for the family idiot.”
Zitat der Folge: “I shouldn’t have tried to be clever.”
Alle Recaps zu Sherlock Staffel 3:
Wir schauen Sherlock – Staffel 3, Folge 1 – The Empty Hearse