Wir schauen Sherlock - Staffel 3, Folge 3

14.01.2014 - 08:50 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Sherlock
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Im Finale der dritten Staffel findet Sherlock zu alter Stärke zurück. Dadurch werden die beiden vergangenen Füllepisoden auch nicht besser, aber wenigstens können wir uns mit etwas Optimismus in die lange Pause bis zur nächsten Staffel begeben.

Dass sich His Last Vow um die frisch veheirateten John und Mary Watson drehen würde, war schon am Titel dieser letzten Episode von Sherlock Staffel 3 abzulesen. Niemand hätte wohl vorhergesagt, dass Mary den Trauzeugen ins Krankenhaus bringt und Sherlock jemanden kaltblütig erschießen würde. So fehlt es der von Steven Moffat geschriebenen Folge nicht an überraschenden Wendungen. Die erste “klassische” Sherlock-Folge der Staffel kommt zu spät, aber immerhin können wir uns endlich wieder an einem verzwickten Fall erfreuen. Am Ende wird sogar der Bogen zu The Reichenbach Fall geschlagen, als sei sich hier jemand bewusst, zuvor 180 Minuten vertrödelt zu haben. Dadurch wird aber nur offenbar, was in denen fehlte: ein starker Bösewicht. Einer wie Charles Augustus Magnussen. Oder Jim Moriarty.

Der Fall: Dieser Charles Augustus Magnussen (Lars Mikkelsen) ähnelt nicht nur verdächtig Hannibal Lecter. Ein glitschiger Medienmogul (“I have a condition”) nach dem Vorbild von Rupert Murdoch, lässt er seinen Einfluss in der Politik durch Erpressung spielen. Der Napoleon of Blackmail legt sich mit einem MP an (Lindsay Duncan, die ich lieber als echte Sherlock-Bösewichtin gesehen hätte) und die ruft den Consulting Detective zu Hilfe. Beim Versuch, Magnussens Aufmerksamkeit auf einen weniger relevanten Pressure Point als John Watson zu lenken, fällt Sherlock in alte Junkie-Muster zurück, was Molly mit ein paar Ohrfeigen quittiert. Doch je näher Sherlock und Watson dem intellektuellen Terminator Magnussen bei ihren Ermittlungen kommen, desto schneller verschwindet er aus dem Krimi. Als die beiden dank einer pragmatischen Liaison Sherlocks in das Apartment des Bösewichts eindringen, zieht nämlich Mary die volle Aufmerksamkeit auf sich. Die arbeitete einmal als Killerin für die CIA, hat ihrem Mann von ihrer falschen Identität nichts erzählt und fürchtet, dass diese wegen Informationen Magnussens auffliegt. Die kurze Ehekrise wird dank der Erkenntnis, dass auch John Watson ein Psycho ist, der auf Psychos steht und bei Facebook sicher nur Psychos als Freunde addet, überwunden. Zurück geht es zum Fall Magnussen, einem brillanten Geist, Sherlock mit seinem enormen Mind Palace so ebenbürtig, dass nur eine drastische Maßnahme die verzwickte Situation löst: ein Kopfschuss. Sherlock entgeht der Verbannung und dem sicherem Tod dank der Rückkehr eines alten Bekannten: Der totgeglaubte Moriarty steht in .gif-Form wieder auf. Wie oft sein Beitrag wohl bei tumblr gerebloggt wurde?

221b Baker Street: His Last Vow ist endlich wieder eine Folge, die dem groß angekündigten Drama aus The Reichenbach Fall gerecht zu werden versucht. Leider ist es die letzte Folge der Staffel und so wirkt das mit einer extra Portion Streichern unterlegte Pathos zuweilen aufgesetzt. Die Krise von John Watson und seiner tödlichen Angetrauten resoniert, was an den darstellerischen Leistungen liegt und sicher nicht am mangelhaften Aufbau ihrer Beziehung in den ersten beiden Folgen. In die zum Ende hin aufgebauschte Trennung von Sherlock und Watson setzt Autor Moffat selbst wenig Hoffnung, untergräbt er den emotionalen Einschlag von Sherlocks Bestrafung noch im selben Moment: Eigentlich ist alles nicht so schlimm, auch der Mord an einem Mann nicht! Wir freuen uns schließlich schon alle auf die nächste Staffel mit Moriarty, gelle, gelle?

Bei genauerer Betrachtung zeugt das Ende einer durchaus spannenden und unterhaltsamen Folge von der fatalen Lücke, die Moriarty seit The Reichenbach Fall in der Serie hinterlassen hat. Zwar wurde der von Mikkelsen im Übrigen schauderhaft gut gespielte Bösewicht schon in der ersten Folge eingeführt. Im Nachhinein wirkt sein kleiner Auftritt in dem mit Requisiten und nicht kahlen weißen Wänden ausgestatteten Heimkino wie eine undurchdachte Vorversicherung. Es ist ein Alibi-Auftritt, um seine spätere Bedeutung zu rechtfertigen, ohne deren Vorbereitung Zeit zu widmen. Kein Wunder, dass die Serie mit der Selbsttötung ihrer unberechenbaren Bedrohung so schnell ins Komödiantische abdriftete. Da Sherlock sowieso für jedes Problem eine Lösung findet, muss jedes nicht durch einen höllischen Superschurken und/oder ein teuflisches Sherlock-Double begangene Verbrechen mit einem gelangweilten Schulterzucken beantwortet werden. Und mehr als ein aufgepepptes, gelangweiltes Schulterzucken hatten die vergangenen beiden Episoden krimitechnisch nicht zu bieten.

Was nehmen wir also mit aus dieser dritten Sherlock-Staffel? Einen verschenkten Bösewicht und viel Gealber, eine zeitweise Vermenschlichung Sherlocks, die primär den Schock über das Finale anfeuern soll und Anlass zu vielen selbstreferenziellen Gags bot, zuviel für eine Serie, die erst sechs Folgen hinter sich hat. Über allem aber steht die Sehnsucht nach Moriarty, ob im Mind Palace, Flashbacks oder Slashfiction-Traumszenen. Der ärgste Widersacher Sherlocks wird in den letzten Minuten beschworen, aber einmal ganz ernst gefragt: Was soll dessen Rückkehr bringen, wenn nicht das Eingeständnis, trotz der reichhaltigen literarischen Vorlage keine Ideen mehr zu haben? Schlimmer noch: einen Twist zu früh verbraten zu haben?

Sherlockgism der Folge: “My game is never over, John.”

Zitat der Folge: “Facts work for history books. I work in news.”

Alle Recaps zu Sherlock Staffel 3:
Wir schauen Sherlock – Staffel 3, Folge 1 – The Empty Hearse
Wir schauen Sherlock – Staffel 3, Folge 2 – The Sign of Three

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