Wir schauen The Leftovers - Staffel 1, Folge 5

29.07.2014 - 08:50 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
The Leftovers
HBO
The Leftovers
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Halbzeit in Mapleton. Nach vier Folgen seelischer Tortur durch die Mitglieder der Guilty Remnant schlägt eine kleine Gruppe in der 5. Folge brutal zurück. Die Tat steht sinnbildlich für die Ausweitung des Sicherheitstaats und die Einschränkung der Religionsfreiheit. Der Alptraum der USA wird wahr.

Es war wohl überfällig. Spätestens nach den Einbrüchen und dem Raub persönlichster Photos durch die Mitglieder der Guilty Remnant, musste die Gruppe um Patti (Ann Dowd) mit ernsthaften Konsequenzen rechnen. Wie lange die Tat zurückliegt, wissen wir ebensowenig inwiefern die allgemeine Reaktion der Bewohner aussah. Am Rande der Bürgerversammlung bezüglich der Ausgangssperre wird die Aktion zwar kurz erwähnt, wahrscheinlich mangelte es aber schlicht an Beweisen. Doch der Mord an GR-Mitglied Gladys bleibt in seinem Maße beispiellos. Könnte sich jedoch dahinter mehr verstecken?

Die Episode, aus der Feder von Buchautor Tom Perrotta und Showrunner Damon Lindelof, beginnt nämlich mit einer Einstellung, die man durchaus unterschiedlich interpretieren kann. Lange, intensive Blicke ist der Zuschauer nach fünf Episoden von den in weiß gekleideten Kettenrauchern bereits gewohnt, doch zwischen Patti und Gladys scheint es hier in der Frühe ein stilles Einverständnis über eine schwierige oder womöglich schmerzvolle Tat zu geben, denn es ist ein intensiver Moment. Gladys hat nämlich Tränen in den Augen.

Doch bevor Gladys ihren finalen Moment erlebt, darf sie noch einmal symbolhaft vorführen, weshalb Mapleton über die Entstehung des örtlichen Kultes so verärgert ist. Zusammen mit ihrer Partnerin verfolgt sie auf ihrer täglichen Tour Einwohner, steigt spöttisch über einen gestürzten alten Mann hinweg und belästigt allgemein das Stadtbild mit ihrer Anwesenheit aus Rauch und einem undefinierbaren Weiß. Ihr Mord ist dahingegen geradezu humanisierend. Gladys wird in den Wald gezerrt, an einen Baum gebunden und zu Tode gesteinigt. Regisseurin Mimi Leder (Deep Impact) scheut nicht vor der brutalen Natur des Moments zurück und lässt die Mörder im Dunklen, während der Zuschauer mit jedem Steinwurf mitleidet. Und dann bricht Gladys, in ihren finalen Sekunden legt sie ihr Schweigegelübde ab und fleht um Gnade, die ihr nicht gewährt wird. Sie kümmert sich nicht um mehr um den Kult, sondern nur noch um sich selbst – Patti (Ann Dowd) mag richtig liegen, dass die Familie zerfällt, aber jeder ist sich selbst der Nächste.

Es ist durchaus möglich, dass es sich hier um eine Selbstinszenierung der GR handelt; dass Gladys freiwillig zur Märtyrerin wurde und dann unter Schmerzen zusammenbrach. Doch wie wahrscheinlich ist dies wirklich? Wir kennen Patti bisher nicht gut genug, doch ihre Manipulationen im Folgenden zeigen deutlich, wie raffiniert und geschickt die Anführerin vorgehen kann. Inwieweit der Mord die Sache der GR fördert, ist unklar. Doch die eigenen Reihen schließen sich. Ende der Episode kann Patti nicht nur Meg als volles Mitglied verbuchen, auch Laurie hat ihre Zweifel aus den letzten Folgen hinter sich gelassen und ersetzt Gladys als neue rechte Hand an Pattis Seite. Dies gelingt ihr durch einen raffinierten Kniff: Nachdem Laurie einen Nervenzusammenbruch erleidet, gönnt Patti ihr und sich selbst einen Tag des Ausgleichs im örtlichen Motel (grandios kommuniziert durch die Lyrics aus „Kiss On My List“ von Hall & Oates). Am Morgen ist Patti beim Frühstück (es gibt Reste – ha! – für einen „Neil“, handelt es sich um Pattis Sohn / Mann?) in Kleidung vorzufinden, sie ist kommunikativ und gut gelaunt. Es ist eine komplett neue Seite, die die Anführerin aber geschickt einsetzt. Es ist jedoch nur ein Spiel. Sie gibt vor, dass der Tag für die Beiden sei, wenn es in Wahrheit nur um den Fortbestand von Laurie in der GR geht. Diese ist im ersten Moment ebenso geschockt wie der Zuschauer, mag den Plan aber nicht durchblicken. Indem Patti Gladys’ Leidensweg (toter Sohn im Jemen, womit nun der Krieg dort bestätigt sein dürfte) offenbart wird, gibt die Anführerin klugen Einblick in die emotionale Realität der „schuldigen Überreste“, aber auch Richtung und Handlungsanweisungen vor. Gefühle und Zweifel sind vernichtende Feuer für das eigene Gewissen, weshalb man sie nicht zulassen darf.

Der Plan geht auf. Am Ende der Episode möchte Priester Matt Jamison (Christopher Eccleston) zusammen mit den Überresten seiner christlichen Gemeinde und den Mitgliedern der GR Gladys gedenken, was durch Laurie eindrucksvoll und geradezu beängstigend verneint wird. Max Richters Score ist hier wieder großartig eingesetzt und verleiht seinen durch sporadischen Einsatz jeder wichtigen Szene ein zusätzliches Gewicht.

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