Zum 55. Geburtstag von Regisseur Sam Raimi

23.10.2014 - 08:50 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Jugendfreunde: Bruce Campbell und Sam Raimi (1981)
Laser Paradise / Astro
Jugendfreunde: Bruce Campbell und Sam Raimi (1981)
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Im Laufe seiner über 30-jährigen Regiekarriere ist sich Sam Raimi stets treu geblieben, ganz selbstverständlich tanzten die Teufel da mit freundlichen Spinnenmännern. Heute feiert das blutbesudelte Wunderkind seinen 55. Geburtstag.

Diese zermürbende Suche nach einer VHS-Kopie, in ausgewaschenen Farben, voll störender Vertikal- und Horizontalschlieren, immer kurz vor dem drohenden Bandsalat – aber dabei eben wenigstens: Mitsamt soundsovieler delikater, von der Zensur vorenthaltener Sekunden, in der ganzen beabsichtigen Pracht klaffender Wunden und speienden Blutes. Auch ich gehöre jener Generation an, die irgendwann einmal vom sagenumwobenen Tanz der Teufel in Beschlag genommen wurde. Nicht selten stand der Film im Zentrum des allgemeinen Pausenhofgesprächs, war das Objekt jugendlicher Begierde zur ersehnten Grenzüberschreitung. Verrückte 500 bis 1000 DM musste man auf dem Schwarzmarkt blechen, für das dereinst aus dem Verkehr gezogene Originalvideo. Oder eben das Glück haben, jemanden zu kennen, der jemanden kennt: Um eine glorios abgenudelte, über inoffizielle Wege in den Umlauf gebrachte Kopie abzugreifen. Ein Erlebnis ohnegleichen, erst recht im Verbund gleichaltriger Komplizen. Die vielen schweißgebadeten Videoabende, an denen jene tanzenden Teufel uns die Horrorfilmunschuld nahmen, sind mehr als nur ein nostalgisch-wehmütiger Teil früher cinephiler Sozialisation. Sie ließen uns Filme sehen, so wunderbar unbedarft und empfänglich für jede Art von Affekt, dass mir allein der Gedanke daran noch eine schauerliche Freude beschert.

Dämonen zu Boden: Ellen Sandweiss in Tanz der Teufel (1981)


The Evil Dead also, ein Schlüsselwerk erster Berührung mit den verbotenen Wucherungen des abseitigen Films. Und ein Meilenstein des Horrorkinos ohnehin: "The most ferociously original film of the year", schrieb Stephen King 1982 in einem Loblied über den Film, das entscheidend zu seinem Erfolg beigetragen haben soll. Bis hin zum Filmfestival von Cannes stand da ganz plötzlich ein für wenige Hunderttausend US-Dollar produzierter Independenthorrorfilm im Mittelpunkt des Interesses. Ein Film, dessen Laienensemble knöcheltief in allerlei unappetitlich anzuschauendem Körpermatsch agierte, um den dämonischen Kräften des Necronomicon zu trotzen. Ein Film auch, dessen formaler Dilettantismus die vermeintlichen Bedingungen publikumswirksamen Kinos allerblutigste Lügen zu strafen wusste: Originell statt bewährt, einfalls- und experimentierfreudig statt vorbildlich angepaukt, fröhlich sprudelnder Exzess statt verhaltene Genrekinogepflogenheit. Wer auch immer die Strippen dieses endgültigen Splatterfilms (oder mindestens dessen endgültigen Sieges über den Mainstream) zog: Das Kino würde ihm eines Tages zu Füßen liegen.

Entstellung auf Augenhöhe: Liam Neeson in Darkman (1990)


Auf körnig-schönem 16mm und mit freundschaftlich-familiärer Unterstützung gedreht, sollte dieser Tanz der Teufel zur "ultimate experience in grueling horror" werden. Und seinem gerade einmal 22-jährigen Regisseur Sam Raimi, bis dato lediglich verantwortlich für einige wenige Kurzfilme, darunter den Evil-Dead-Prototypen Within the Woods, auch die ganz großen Türen der Industrie öffnen. Heute gilt Samuel Marshall Raimi freilich als einer der wesentlichen Household-Namen Hollywoods, im Rückblick vermittelt seine Regiekarriere eine ziemlich genaue Idee von erfolgreicher Selbstverwirklichung, wie sie beinahe zu schön scheint, um wahr sein zu können. Eine Filmschule hat er dabei zumindest nie von Innen gesehen, hat sich alle Raffinesse im effizienten (Nicht-)Positionieren seiner berühmt-agilen Kamera, seines ungemein kreativ auf notdürftige Spezialeffekte abgestimmten Schnittes, vor allem seiner vor inszenatorischen Ideen kaum zu bändigenden Filmsprache ganz für sich erlernt. Renaissance Pictures heißt die Produktionsfirma, die er 1979 mit seinen Freunden und noch immer ständigen Wegbegleitern Robert G. Tapert und Bruce Campbell gründete. Eine millionenschwere Erfolgsgeschichte, geboren aus Fratzen, Monstern und Dämonen.

Antiheld in Untersicht: Bruce Campbell gegen die Armee der Finsternis (1992)


Die meisten seiner Filme wurden fortan von Renaissance Pictures (co-)produziert, wenngleich sich Sam Raimi zugunsten kommerzieller Zugkraft schnell auch die großen Fische im Hollywoodteich zu angeln wusste. Es wird der künstlerische wie finanzielle Misserfolg seines in Zusammenarbeit mit den Brüdern Joel und Ethan Coen entstandenen Genrebastards Die Killer-Akademie gewesen sein, der Raimi zu kontrollierteren Karriereentscheidungen motivierte (während übrigens die Coen-Brüder mit Arizona Junior einen ihrerseits äußerst raimiesken Film drehten). Für Tanz der Teufel 2 - Jetzt wird noch mehr getanzt, der noch energetischeren Fortsetzung seines durchschlagenden Debütfilms, konnte er als Distributionspartner niemand geringeren als Dino De Laurentiis gewinnen. Der wunderbar eigensinnige, auf einer eigenen Vorlage basierende Superheldenfilm Darkman wurde sogar vom Studiomajor Universal vertrieben, und für Armee der Finsternis, dem nicht minder comichaften Trilogieabschluss seiner tanzenden Teufel, sicherte sich schließlich MGM die internationalen Verleihrechte. Der Splatterfilm, wenn auch gewiss leicht modifiziert, ist unter Saim Raimi nicht nur massenkompatibel, sondern ebenso komödiantisch goutierbar geworden.

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