Gabe666 - Kommentare

Alle Kommentare von Gabe666

  • Und hier nun wie versprochen meine Bestenliste zum Jahresabschluss. Dieses Jahr war für mich mit nicht ganz so hochkarätigen Vertretern wie das Letzte, hatte aber immer noch sehr viele mindestens sehenswerte Werke. Gut, vielleicht bin ich bei einigen auch wieder mal besonders gnädig. Manche von euch werden bei den betreffenden Werken sicher auch wieder mit dem Kopf schütteln, aber das ist doch das Schöne an dieser Seite: dass sie Leute mit sehr unterschiedlichem Filmgeschmack zusammenbringt. Wegen der Community möchte ich Moviepilot nach wie vor nicht missen.
    In diesem Jahr habe ich übrigens auch wieder einige ältere Werke zum ersten Mal auf großer Leinwand bzw. zum ersten Mal überhaupt sehen können. Das waren diesmal:
    - "Scarface" (wird seinem Kultstatus absolut gerecht! Ist aber auch an sich ein toll gemachtes Werk, das man als geradezu Shakespeare'sche Tragödie bezeichnen kann. Und de Palma zeigte hier lange vor "Mission: Impossible", dass er auch Action hervorragend beherrscht. Den finalen Shootout muss man einfach mal gesehen haben!)
    - "Basic Instinct" (hinsichtlich der Handlung und Dialoge geradezu lachhaft trashig, aber sehr atmosphärisch - woran vor allem Jerry Goldsmith' großartiger Score seinen Anteil hat - , toll fotografiert und gespielt.)
    - "Amores Perros" (großartig gespieltes Episodendrama, das einen Sog entwickelt, dem man sich nicht entziehen kann)
    - "Frantz" (bedächtig erzähltes Liebesdrama in historischem Setting mit tollen Schauspielleistungen und originellem Einsatz von Schwarz-Weiß und Farbe)
    - "Nausicaä aus dem Tal der Winde" (erste - naja, fast - Ghibli-Produktion, die schon sämtliche Trademarks Miyazakis vereint; reicht noch nicht an spätere Meisterwerke wie "Chihiros Reise ins Zauberland" und "Prinzessin Mononoke" heran, ist aber auch bereits ein toll gemachter, sehr emotionaler Animefilm)
    - "Lost In Translation" (unaufgeregt erzählt und toll gespielt; eine schöne Hommage an Tokio mit einem großartigen Leinwandpaar)
    - "Body Double" (ziemlich pulpiger Psychothriller mit Giallo- und Slasher-Elementen, der das Genre teilweise auch ironisiert; lief wie "Scarface" im Rahmen einer de-Palma-Retrospektive; nicht gerade eins seiner besten Werke, aber ein gelungenes)
    - "Naomi - Unersättliche Triebe" (wohl wirklich das, was man einen Geheimtipp nennt; toll gefilmtes und gespieltes japanisches Drama aus den 60er Jahren über eine zerstörerische Beziehung)
    Außerdem habe ich auch zwei Stummfilmklassiker mit Livemusik sehen können: die Verfilmung von "Der Glöckner von Notre Dame" aus dem Jahr 1923 mit Lon Chaney Sr. und "Die Liebe Der Jeanne Ney" von Georg Wilhelm Pabst mit Brigitte Helm. Beides Werke, die auch heute noch beeindrucken können.
    Das war's. Ich wünsche schon mal allen hier einen Guten Rutsch ins Neue Jahr! Man liest sich bestimmt mal wieder! :)

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    • Phew! Und mit dieser extrem umfangreichen Liste melde ich mich nach einem Jahr (wenngleich nicht ununterbrochener) Abwesenheit mal wieder zurück auf MP. Leider konnte ich meinen Neujahrsvorsatz, wieder mehr Rezensionen und allgemein Kommentare auf dieser Seite zu schreiben, nicht einhalten. Berufliche und private Gründe sowie ein leider immer noch vorherrschender Mangel an Motivation sind dafür verantwortlich. Ich habe mir jedoch fest vorgenommen, im nächsten Jahr zu versuchen, wieder mehr zu schreiben, wenngleich ich in den ersten Monaten eher nicht dazu kommen werde. Es gibt mich also auf jeden Fall noch, falls manche befürchtet haben sollten, dass ich hier nichts mehr schreiben werde.
      Um meine MP-Abstinenz etwas wiedergutzumachen, gibt es deswegen zum Jahresausklang mal wieder eine Liste von mir. Diesmal zu einem meiner Lieblingsautoren, der auch generell einer (wenn nicht DER) meistgelesenen und -verfilmten Schriftsteller der Welt ist. Daher kann ich euch versichern, dass es eine Heidenarbeit war, diese ganzen Werke, einschließlich sämtlicher Fortsetzungen, Spin-Offs, etc. und anderer Projekte mit Kings Beteiligung zusammenzutragen (allein die "Children Of The Corn"-Filme bringen es mittlerweile auf ganze 11 Streifen!). Und das alles in der richtigen Reihenfolge. Ein paar andere Listen zum "King of Horror" dürfte es hier zwar schon geben, aber ich glaube, an einen derart umfassenden, chronologischen Überblick hat sich bisher noch keiner gewagt. Berichtigt mich bitte, falls ich falsch liegen sollte. :)
      Vor dem Jahresende wird dann auf jeden Fall noch meine Jahres-Bestenliste kommen. Man liest sich! :)

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      • So, hier nun wie versprochen mein Ranking aller Kinofilme, die ich dieses Jahr gesehen habe. Ich denke, dass ich bisher wirklich in keinem anderen Jahr so häufig ins Kino gegangen bin wie in diesem. Irgendwie habe ich nahezu jede freie Minute dazu genutzt, auch wenn ich mich zwischenzeitlich auf Jobsuche befand und es in diesem Jahr auch privat bei mir Probleme gab.
        Meine Kinoliste von 2017 ist zwar länger, allerdings habe ich in dem Jahr auch mitgeholfen, ein Filmfestival zu organisieren und deswegen auch vorab erscheinende Filme, die ich mir auf Online-Screenern angesehen habe, dazugezählt. Was die reinen Kinobesuche betrifft, dürfte 2022 wirklich bisher der Spitzenreiter sein. Denn dazu kommen noch einige Klassiker bzw. immerhin ein paar Jahre alte Filme, die erneut ins Kino gebracht wurden und die ich so erstmals auf der großen Leinwand bzw. in einigen Fällen auch zum ersten Mal überhaupt sehen konnte. Das waren:
        - "In The Mood For Love" (2000): zum ersten Mal gesehen. Ein wunderschöner, poetischer Liebesfilm!
        - "Tiger & Dragon" (2000): kannte ich schon auszugsweise, hab ihn aber erstmals komplett gesehen. Immer noch einer der besten Schwertkampffilme aus Asien!
        - "Die Fabelhafte Welt der Amélie" (2001): zum ersten Mal im Kino gesehen. Ein absolut wunderschönes, skurriles modernes Märchen!
        - "Berberian Sound Studio" (2012): zum ersten Mal gesehen. Schräge, originelle Giallo-Hommage.
        - "Creed: Rocky's Legacy" (2015): zum ersten Mal gesehen. Nicht gerade origineller, aber toll inszenierter Boxerfilm.
        - "Burning" (2018): zum ersten Mal gesehen. Spannender Mysterythriller.
        - "Hausu - House" (1977): zum ersten Mal gesehen. Der mit Abstand durchgeknallteste Film, den ich mir je angeschaut habe! Und das will was heißen, denn ich bin Liebhaber sogenannter Mindfuck-Filme und habe mir in den letzten Jahren sehr viele schräge Werke angeschaut. Bei den diesjährigen Neustarts waren ja auch so einige dabei. Der schießt aber echt den Vogel ab! Hat mir aber gefallen. ^^
        - "Trouble Every Day" (2001): zum ersten Mal gesehen bzw. war er mir vorher sogar komplett unbekannt. Interessantes Horrodrama.
        - "Die Reifeprüfung" (1967): zum ersten Mal gesehen. Heute natürlich nicht mehr so revolutionär wie damals und sogar unangenehm konservativ, aber immer noch eine sehr amüsante Komödie.
        - "The Killing - Die Rechnung ging nicht auf" (1956): zum ersten Mal gesehen. Frühes Meisterwerk von Kubrick. Meisterhaft erzähltes Heist-Movie.
        - "Wege zum Ruhm" (1957): zum ersten Mal gesehen. Wurde in einem Double-Feature mit "The Killing" gezeigt (und es liefen dieses Jahr außerdem noch einige andere Klassiker Kubricks erneut im Kino). Ein richtig starker Antikriegsfilm.
        Außerdem konnte ich einen Dokumentarfilm nicht hinzufügen, weil er hier noch keinen Eintrag hat und noch nicht einmal auf IMDb gelistet ist: die deutsche Doku "Chicks On Boards" (2018), die eigentlich aus mehreren Episoden, welche ursprünglich auf ARTE liefen, zusammengesetzt ist, und Surferinnen aus Ländern rund um den Globus porträtiert, die sich teilweise gegen gesellschaftliche Normen auflehnen müssen, damit sie ihrem Hobby nachgehen können. Sehr interessant und mit wichtiger Thematik. Wurde in einer Reihe um feministisches Kino in einem Programmkino gezeigt.
        Das wär's. Ich finde jedenfalls, dass dieses Jahr filmisch gesehen eines der stärksten der letzten Dekade war. Möglicherweise liegt es daran, dass durch die Pandemie vieles verschoben wurde und jetzt erst starten konnte, sodass praktisch lauter Knaller auf einmal herausgehauen wurden anstatt in größeren Abständen. Oder das ist nur mein subjektives Empfinden. Vielleicht bin ich mal wieder ein besonders gnädiger Bewerter. Aber dieses Jahr sind es wirklich überproportional viele Filme, die ich sehr gut bis absolut herausragend fand. Oder liegt es einfach nur daran, dass ich mir mehr Filme als in den Jahren davor angesehen habe, sodass auch mehr Geheimtipps und besonders gelungene dabei waren? Wie seht ihr das? Geht ihr bei den meisten Filmen aus meiner Liste mit meiner Meinung konform oder weicht ihr eher stark ab? Wie habt ihr dieses Jahr insgesamt wahrgenommen? Würde mich wirklich interessieren.
        Ansonsten bleibt mir nur noch, falls ich bis zum Jahreswechsel nicht online kommen kann, euch ein frohes neues Jahr zu wünschen. Feiert schön! Und man liest sich sicherlich bald wieder! :)

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        • Hallo ihr! :)
          Man hat hier ja leider seit einem Jahr nichts mehr von mir lesen können. Ich bin nicht mehr dazu gekommen, hier Reviews zu verfassen, weil es mir sehr an Zeit, aber auch an Motivation mangelte. In den letzten 12 Monaten ging es bei mir echt drunter und drüber. Daher fehlte mir die Muße.
          Es gibt mich aber auf jeden Fall noch. Und ich hoffe, dass ich nächstes Jahr wieder mehr Zeit und auch Lust bekomme, mich hier wieder häufiger blicken zu lassen. Vermisst habe ich den Austausch mit der Community nämlich schon. Das wären auf jeden Fall meine Neujahrsvorsätze: wieder mehr Filmkritiken zu schreiben. :)
          Sowas gibt es von mir heute zwar noch nicht, aber da es mir immer noch großen Spaß macht, hier Listen zu erstellen, kommen wieder welche von mir. Heute die zu dem großartigen Manga-Autoren und -Zeichner Junji Ito, dessen herrlich surreale, skurrile und zuweilen auch verstörende Werke ich im letzten Jahr durch die tollen Gesamtausgaben des Carlsen-Verlags für mich entdeckt habe (bisher erschienen sind: "Uzumaki", "Gyo", "Shiver", "Tomie", "Sensor" und "Lovesickness", außerdem wird im Februar seine Adaption von "Frankenstein" erscheinen). Mangalesern und Horrofans sind sie auf jeden Fall sehr zu empfehlen! Da es mittlerweile auch viele Verfilmungen seiner Werke gibt, ich schon so einige davon gesehen habe und ich hier bisher keine andere Liste zu ihm ausmachen konnte, gibt es sie hier nun von mir. :)
          Morgen folgt dann wie immer meine Jahres-Bestenliste. Viel Spaß!

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          • Und hier nun, wie angekündigt, meine zweite Liste zum Jahresende. Natürlich wieder zu meinem Ranking der Filme, die ich dieses Jahr im Kino sehen konnte.
            Aus naheliegenden Gründen sind es wieder nicht so viele wie in den Jahren bis 2019, aber ich konnte glücklicherweise jeden Film sehen, den ich sehen wollte und habe es - bis auf einen Fall - hinterher nicht bereut. Insgesamt ist dieses Kinojahr vielleicht ein eher schwächeres (über 8,5 Punkte ist für mich diesmal kein Film gekommen), hatte aber immer noch viele unterhaltsame und mindestens ordentliche Werke zu bieten. Einige von euch werden bei manchen Wertungen zu bestimmten Filmen sicher auch wieder mit dem Kopf schütteln, aber ich bin nun mal ein eher gnädiger Bewerter mit gewissen Vorlieben, der auch zu seiner Meinung steht.
            Ich hoffe jedenfalls, ihr hattet auch ein schönes Kinojahr und wünsche euch schon mal einen guten Rutsch ins neue Jahr, denn morgen werde ich mit meiner Familie feiern und wohl keine Zeit finden, hier online zu kommen.
            Feiert schön! :)

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            • Hallo zusammen!
              In den letzten Monaten habe ich mich hier ja eher rar gemacht, wofür ich mich entschuldigen möchte. Es gab leider recht viele berufliche und private Umwälzungen in meinem Leben, die Vorrang hatten. Und vermutlich werde ich auch in nächster Zeit nicht so schnell dazu kommen, hier wieder regelmäßig Rezensionen zu schreiben.
              Aber damit ihr wisst, dass es mich noch gibt, möchte ich zum Jahresausklang noch zwei Listen veröffentlichen, da es mir immer großen Spaß macht, diese zu erstellen (auch, wenn die aktuelle Listenansicht mir überhaupt nicht mehr gefällt).
              Den Anfang macht diese hier zu einem der einflussreichsten Science-Fiction-Autoren der Welt, der jedoch auch heute noch leider der großen Mehrheit nicht allzu geläufig sein dürfte, obwohl es zahlreiche einflussreiche Verfilmungen seiner Romane und Kurzgeschichten und noch mehr Werke gibt, in denen sein Einfluss spürbar ist. In der Liste beschränke ich mich mal nur auf erstere sowie auf Filme, Serien und Dokumentationen, die mit ihnen in Verbindung stehen oder sich mit Philip K. Dick selbst befassen. Was aber auch nicht gerade wenige sind.
              Es gibt zwar auch schon zwei Listen, die einen Überblick über Filme und Serien, die auf Vorlagen von Dick basieren, bieten, aber meine ist als chronologisch geordnete und mit einigen Werken, die in den anderen beiden nicht enthalten sind, hoffentlich eigenständig genug.
              Viel Spaß beim Lesen jedenfalls! :)

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                Gabe666 03.10.2021, 22:00 Geändert 01.02.2022, 21:54

                "Noch 24 Stunden zu leben" - ist das ein weiterer Ableger der Serie "24"? Falsch, hierbei handelt es sich um einen eigenständigen Actionfilm, der sich mit der Serie nur die Grundidee teilt. Diese amerikanisch-chinesisch-südafrikanische Coproduktion, welche international von der "Power Rangers"-Produktionsfirma Saban Films vertrieben wurde, reiht sich ein in die relativ junge Welle eines zu großen Teilen wieder handgemachten Actionkinos mit schweigsamem Badass-Protagonisten, die durch "John Wick" losgetreten wurde. Wie in selbigem sitzt auch in "24 Hours To Live" mit Brian Smrz (ja, der Nachname wird wirklich so geschrieben!) ein Stunt-Koordinator und Second-Unit-Regisseur auf dem Regiestuhl. Smrz, der u.a. an Krachern wie "Face/Off", "Mission: Impossible 2", "Minority Report" und den "X-Men"-Filmen mitgewirkt und zuvor den Direct-to-DVD-Streifen "Hero Wanted" mit Cuba Gooding Jr. und Ray Liotta inszeniert hatte, zeigt hier, dass er ebenfalls zu den in Sachen Oldschool-Action fähigsten modernen Filmemachern zählt.

                In "24 Hours To Live" gibt es kaum nervige Wackelkamera, unnötige Computeranimationen oder Stakkatoschnitte, stattdessen übersichtliche Schießereien, Verfolgungsjagden, Messerstechereien, Explosionen und Kämpfe Mann-gegen-Mann, die teilweise derart blutig gerieten, dass die deutsche FSK-16-Freigabe als ziemlich großzügig bemessen erscheint. Als Hauptdarsteller konnte man dabei den eher selten im Actiongenre anzutreffenden Ethan Hawke gewinnen, der hier ein wenig aus seinem sonstigen Rollenschema ausbricht.

                Hawke verkörpert den ehemaligen Söldner und Auftragskiller Travis Conrad, der sich nach dem Tod seiner Familie zurückgezogen und dem Alkohol hingegeben hat. Sein alter Partner Jim Morrow kann ihn jedoch für einen letzten Auftrag gewinnen, bei dem die Bezahlung für Travis unwiderstehlich ist: er soll die chinesische Interpol-Agentin Lin ausfindig machen und von ihr den Aufenthaltsort des unter ihrem Schutz stehenden Zeugen Keith in Erfahrung bringen, der gegen den Konzern Red Mountain, Travis' alten Arbeitgeber, aussagen soll. Dies gelingt Travis zwar auch, doch unmittelbar darauf tötet ihn Lin, die wehrhafter und klüger ist, als es den Anschein hat. Mittels eines neuartigen Verfahrens holt ihn eine Ärztin, die für Red Mountain arbeitet, jedoch wieder ins Leben zurück, damit er Jim seine Informationen mitteilen kann. Nachdem Travis das getan hat, eröffnet ihm Jim allerdings, dass er nun keinerlei Verwendung mehr für ihn habe und die Ärztin ihn anschließend endgültig ins Jenseits befördern werde. Travis kann sich zwar befreien, erfährt von der Ärztin aber, dass er so oder so nur noch 24 Stunden zu leben habe. Er begibt sich auf einen gnadenlosen Rachefeldzug gegen seinen ehemaligen Chef und Partner, bei dem ausgerechnet seine Mörderin Lin zu einer wertvollen Verbündeten wird.

                Hawke gibt, wie im Antikriegsfilm "Good Kill", einen verbitterten Veteranen, der sich nach außen hin knallhart gibt, in Wirklichkeit aber von starken Selbstzweifeln geplagt wird. Durch sein zurückhaltendes Schauspiel bleibt die Figur dabei immer glaubhaft, wobei man ihm den zielstrebigen Rächer, in den er sich ab der Hälfte verwandelt, genauso abnimmt. Die restliche Besetzung zeigt ebenfalls für einen Film aus dem Actiongenre überdurchschnittliche Leistungen. Xu Qing, die man zuvor in "Looper" als Ehefrau von Bruce Willis sah, verkörpert als Agentin Lin eine ähnliche Rolle, da diese zwar eine unbeugsame Kämpferin, aber gleichzeitig auch eine fürsorgliche Mutter ist. Qing macht sowohl in den Actionszenen eine gute Figur als auch in den emotionalen Momenten, in denen sie sehr überzeugend agiert. Der talentierte Paul Anderson (u.a. "Peaky Blinders", "The Revenant") als verräterischer ehemaliger Freund und Hauptgegner des Protagonisten stellt hier ebenfalls einen überraschend vielschichtigen Charakter dar, denn sein Jim Morrow verspürt durchaus Gewissensbisse aufgrund seines Handelns und folgt nicht widerspruchslos den Befehlen seines Chefs. Als selbiger, der rücksichtslose Konzernchef Wetzler, wird der vielbeschäftigte Liam Cunningham (dürfte den meisten als Davos Seaworth aus "Game Of Thrones" bekannt sein) eher ziemlich verschwendet. Cunningham tritt zwar mit viel Charisma auf, seine Rolle ist jedoch sehr eindimensional. Einen eher kleinen Part bekam schließlich noch der großartige Rutger Hauer in einer seiner letzten Rollen als Travis' schlitzohriger Schwiegervater. Zwar ist seine Figur eher unbedeutend für die Handlung, aber immerhin kann er zum Schluss nochmal zeigen, dass auch er in seinen späten Jahren als Actionheld noch lange nicht zum alten Eisen gehörte.

                Auch in handwerklicher Hinsicht wurde von den Beteiligten bei "24 Hours To Live" hervorragende Arbeit geleistet. Ben Nott, der zuvor bei zwei anderen Actionstreifen mit Ethan Hawke, nämlich "Daybreakers" und "Predestination", für die Kamera zuständig war, fängt, wie schon erwähnt, die Action wuchtig und immer übersichtlich ein. Zudem gelingen ihm auch einige schöne Aufnahmen der Natur und Städte Südafrikas, wo die Handlung hauptsächlich angesiedelt ist. Cutter Elliot Greenberg (u.a. "Chronicle", "Escape Plan", "Crawl") sorgt für den passenden Rhythmus. Und Komponist Tyler Bates, der auch die Filme der "John Wick"-Reihe vertonte (eine weitere Parallele zu diesen) unterlegt alles mit einem treibenden elektronischen Score, der aber leider nicht allzu lange im Gedächtnis bleibt. Dafür tut es der Abspannsong, bei dem es sich um Marilyn Mansons ungeheuer atmosphärisches Cover des amerikanischen Volkslieds "God's Gonna Cut You Down" handelt, das zuvor schon von Johnny Cash in einer seiner letzten Aufnahmen wieder einem jüngeren Publikum ins Gedächtnis gerufen wurde. Da kriegt man wirklich Gänsehaut.

                Eine Schwachstelle des Films ist dafür das Drehbuch von Zach Dean (u.a. "Cold Blood - Kein Ausweg, keine Gnade"), Ron Mita und Jim McClain ("S.W.A.T. - Die Spezialeinheit"). Zum Einen sind Handlung und Dialoge kaum originell, zum Anderen dauert es nach der ersten Schießerei zu Beginn ziemlich lange, bis der Film in die Gänge kommt, da erst mal in unnötig ausgewalzten Dialogen und langgezogenen Rückblenden die Hintergrundgeschichte vermittelt werden muss. Die Travis an seinem Unterarm implantierte Uhr, welche ihm wie in "In Time" seine ihm noch verbliebene Lebenszeit anzeigt, war ein auch eher unnötiges Science-Fiction-Element.

                [SPOILER!!: Und was richtig nervt, ist das absolut unnötige offene Ende, das unweigerlich auf eine Fortsetzung hinarbeitet. Obwohl zum Schluss eigentlich schon alles auserzählt ist.]

                Immerhin gibt es zwischendurch aber auch ein paar amüsante humorvolle Momente. Beispielsweise wenn Travis und Jim mit den Codewörtern für ihre elektronisch versiegelten Koffer ihre Abneigung für erfolgreiche Footballteams kundtun:
                Travis Conrad: "Die Yankees sind scheiße!"
                Jim Morrow: "Die Red Sox sind scheiße!"
                Oder wenn im Showdown Wetzler seinen Mitarbeitern verkündet, dass der Mann, welcher Travis Conrad ausschaltet, von ihm eine Million Dollar bekommt. Da auch weibliche Söldner in der Szene auftreten, dachte ich mir nur: und was ist mit den Frauen? Und warum sagt keine von denen dazu was? Hätte doch eine ziemlich gute Steilvorlage gegeben. ^^

                Wie dem auch sei, "24 Hours To Live" ist zwar bei weitem kein Meisterwerk in seinem Genre, aber er zeigt brachiale Action und gute Schauspieler in einem unverbrauchten Setting und hält damit gute 90 Minuten bei Laune. Eigentlich schade, dass er in den USA nur einen limitierten Kinorelease erhielt und in den meisten anderen Ländern gleich auf DVD oder über einen Streamingdienst erschien. Verdient gehabt hätte er es schon, bei uns im Kino zu laufen.

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                • 6

                  "Breaking In" ist die fünfte Regiearbeit von James McTeigue ("V Wie Vendetta", "Ninja Assassin"), der seit seinem kommerziellen Flop "The Raven" kaum noch bei größeren Filmen hinter der Kamera zu stehen scheint. Hierbei handelt es sich dementsprechend auch um ein in jeder Hinsicht durchschnittliches B-Movie, das immerhin nicht langweilt.

                  Die Story dieses Home-Invasion-Thrillers ist schnell erzählt: nach dem Tod ihres Vaters fährt die junge Mutter Shaun mit ihren beiden Kindern Jasmine und Glover zu dessen abgelegenem Landhaus, um es zu verkaufen. Allerdings sind dort bereits vier Einbrecher eingedrungen, welche es auf den Inhalt des versteckten Safe abgesehen haben. Shaun kann nach draußen entkommen, aber ihre Kinder werden als Geiseln genommen und sie selbst ausgesperrt. Nun versucht sie verzweifelt, zurückzuschlagen, wobei sie das Überwachungssystem des technisch hochgerüsteten Anwesens gegen die Kriminellen einsetzt.

                  Viel Neues kann man bei dieser Handlung wahrlich nicht erwarten. Zwar wird der klischeehafte Storyverlauf dahingehend variiert, dass es für die Hauptfigur mal nicht darum geht, aus einem Haus raus- sondern in es hineinzugelangen, aber ansonsten werden einem kaum Überraschungen geboten. "Breaking In" weist, was den Handlungsverlauf und die Figurenkonstellation angeht, sogar überdeutliche Überschneidungen mit einem anderen bekannten Vertreter des Home-Invasion-Subgenres auf, nämlich David Finchers "Panic Room". Die Hauptcharaktere sind hier zwar Afroamerikaner, die Mutter hat nicht nur eine Tochter, sondern auch noch einen Sohn und der Handlungsort ist keine Wohnung in der Großstadt, sondern ein ganzes Haus, aber ansonsten ähneln sich die beiden Filme frappierend. Nur ist James McTeigue leider weniger talentiert als Fincher, wenn es um Spannungserzeugung geht.

                  McTeigue, sein Kameramann Toby Oliver (der davor hauptsächlich für Horrorfilme zuständig war, wie "Get Out", "Happy Deathday" und "Insidious: The Last Key") und der eher unbekannte Cutter Joseph Sett Sally (mit dem McTeigue schon bei "Ninja Assassin" zusammen gearbeitet hatte) geben sich zwar redlich Mühe, aber irgendwie will einfach nicht so recht eine wirklich beklemmende Atmosphäre aufkommen, auch wenn zwischendurch ein paar stimmungsvolle Aufnahmen des weitläufigen Ansehens zu sehen sind. Die Musik von Tom Tykwers Stammkomponisten Johnny Klimek ist immerhin angemessen bedrohlich, bleibt nach Sichtung aber kaum im Gedächtnis. Was am Film zudem stört, ist die viel zu aufdringlich präsentierte feministische Botschaft. Fast andauernd muss betont werden, dass Shaun eine Mutter ist, die alles für ihre Kinder tun würde und mit der man sich deswegen besser nicht anlegt. Das wird hier jedoch so penetrant in den Dialogen transportiert, dass es einfach nur plump rüberkommt. Zur Erinnerung: "Panic Room", der ebenfalls eine starke weibliche Hauptfigur hatte, kam noch ohne sowas aus.

                  Immerhin kann man sich bei der Besetzung nicht beschweren. Gabrielle Union (u.a. "Bad Boys II", "Born 2 Die"), die "Breaking In" auch mit produzierte, trägt den Film mit ihrer ausdrucksstarken Leistung. Die knallharte Kämpferin kauft man ihr zu jedem Zeitpunkt ab. Billy Burke, der den meisten als Vater von Bella Swan aus den "Twilight"-Filmen bekannt sein dürfte, aber auch schon zuvor (z.B. in "Drive Angry") Bösewichte verkörperte, verleiht dem überlegt handelnden, gnadenlosen Anführer der Diebesbande viel Charisma. Die während der Dreharbeiten schon über zwanzigjährige Ajiona Alexus (bekannt aus den Serien "Empire" und "Tote Mädchen lügen nicht") überzeugt als rebellischer Teenie Jasmine und bringt auch glaubwürdig deren Panik in den gefährlichen Situationen zum Ausdruck. Ihre Garderobe gefiel mir weitaus weniger, aber sowas ist Geschmackssache. Jungdarsteller Seth Carr, den man zuvor als die junge Version des Bösewichts Killmonger in "Black Panther" sah, kann als nerdiger Sohn Glover ebenfalls überzeugen. Seine deutsche Synchronstimme ist allerdings sehr unpassend.

                  Was die restlichen Darsteller der Einbrechergruppe angeht, so hinterlässt von denen nur Richard Cabral (u.a. "End Of Watch", "The Counselor"), der in jungen Jahren auch im echten Leben kriminell war, einen bleibenden Eindruck. Als unbeherrschter, mordlüsterner Psychopath, von dem die größte Bedrohung für die Familie ausgeht, jagt er einem zeitweise wirklich Angst ein. Levi Meaden, der ansonsten hauptsächlich in TV-Serien auftritt, als einziger der Diebe, der Gewissensbisse verspürt, sowie der außerhalb Australiens völlig unbekannte Mark Furze (dessen Nachname im Deutschen ziemlich unvorteilhaft ist), als glückloser technisch bewanderter Einbrecher, spielen nicht schlecht, aber zeigen auch kaum mehr Leistung als für ihre kleinen Rollen nötig wäre. Christa Miller (die Exfrau von Dr. Cox aus "Scrubs") als nette Maklerin und der erst gegen Ende auftretende Fernsehdarsteller Jason George als Shauns besorgter Ehemann dürfen auch nur als Kanonenfutter herhalten.

                  Insgesamt ist "Breaking In" so ein zwar schön fotografierter, gut gespielter Thriller, von dem aber hinterher nicht viel hängen bleibt. Auch, weil er sich nicht traut, in den Gewaltszenen einigermaßen konsequent und unangenehm zu werden. Die nur in den USA fürs Heimkino veröffentlichte Unrated-Fassung ist in der Hinsicht ebenfalls nur eine geringfügige Verbesserung. In dieser wurden nämlich lediglich aus den Dialogen entfernte F-Wörter wieder eingefügt und ein bisschen wegretuschiertes Blut wieder sichtbar gemacht. "Breaking In" lohnt an sich jedenfalls durchaus für einen Filmabend, wenn man nicht zuviel erwartet. Es gibt viel Schlechteres in dem Genre, aber eben auch weitaus Besseres.

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                    "How To Rob A Bank" ist der erste und leider auch bis heute einzige Film des Regisseurs und Autoren Andrews Jenkins, der mit dieser unterhaltsamen Thrillerkomödie ein beachtliches Talent zur Inszenierung erkennen ließ. Sein Film ist merklich von den Frühwerken Guy Ritchies beeinflusst, denn wie in diesen bestimmen geschliffene Dialoge, ausgefallene visuelle Spielereien und unerwartete Wendungen sein Debüt. Dessen Titel lautet übrigens eigentlich komplett ausgeschrieben "How To Rob A Bank ...and 10 tips to actually get away with it". Und diese zehn Tipps, wie man eine Bank ausraubt, ohne dabei geschnappt zu werden, sind das Leitmotiv des Films, denn sie werden über die gesamte Laufzeit des Films immer mal wieder, passend zur jeweiligen Situation, eingeblendet und kommentieren damit die Handlung. In dieser ist nichts so, wie es anfangs scheint.

                    Zu Beginn lernen wir den Herumtreiber Jason Taylor, genannt Jinx, kennen, der sich zusammen mit der wütenden Jessica, die er mit Klebeband an einen Drehstuhl gefesselt und geknebelt hat, in einem Banksafe befindet. Anfangs scheint es für die Zuschauer so, dass er, den man aufgrund seines heruntergekommenen Äußeren für einen Bankräuber halten kann, sie, deren seriöse Kleidung nahelegt, dass sie eine Bankangestellte ist, als Geisel genommen hat. Wie in ihren Dialogen miteinander und mit dem sich von außerhalb des Safes über ein Handy mitteilenden Simon deutlich wird, ist die Situation aber in Wirklichkeit eine ganz andere: Jason kam eigentlich nur in die Bank, um dort Geld abzuheben, als Simon mit seiner Bande in diese stürmte und alle Anwesenden als Geiseln nahm. Daraufhin flüchtete sich Jason in den Safe, in dem sich jedoch schon Simons Komplizin Jessica befand, die mit ihren Computerkenntnissen für dessen Plan, bei dem es um einen viel größeren Raubzug ging, unabdingbar war. Die Tür des Safes schloss sich automatisch und so sitzt der gelangweilte Lebenskünstler zusammen mit der gewieften Kriminellen, die er überwältigen konnte, auf engstem Raum fest und muss überlegen, wie er mit heiler Haut aus dieser Lage wieder herauskommt. Zwischen ihm, Jessica, Simon, dem verhandelnden Polizisten DeGepse und dem geheimnisvollen Drahtzieher des Raubes Nick, der sich später ebenfalls übers Telefon meldet, entspinnt sich ein Verwirrspiel, bei dem jeder versucht, die eigenen Ziele zu erreichen.

                    „How To Rob A Bank“ ist für ein Debüt jedenfalls erstaunlich gekonnt inszeniert. Trotz der Dialoglastigkeit stellt sich durch die dynamische Montage von Dennis M. Hill („Die Indianer von Cleveland“, „Powder“) und M. Scott Smith („My Name Is Bruce“) und die beachtliche Kameraarbeit von Joe Meade (der ansonsten nur für TV-Serien wie „CSI: Miami“ und „Portlandia“ zuständig war) kaum Leerlauf ein. Ungewöhnliche Einstellungen (wie zu Beginn ein Close-Up auf Jessicas zugeklebten Mund oder eine seitliche Halbtotale, in der sowohl Jason als auch Simon im Bild sind, das mittig durch die Tresorwand geteilt wird), Zeitraffersequenzen, blitzartige gelb gefärbte Rückblenden, Split-Screens und aufwändige Kamerafahrten lassen selbst Szenen, in denen nicht viel passiert, aufregend werden. Besonders beeindruckend ist eine lange Plansequenz im ersten Drittel, die – von Jason und Jessica ausgehend – durch das computeranimierte Innere des Tresors läuft, anschließend eine Fahrt durch die Bank zeigt, in der die Geiselnehmer sich verschanzt haben, um schließlich durch ein Loch in einer Fensterscheibe hinaus auf die Straße zu fliegen, wo sich die Einsatzkräfte der Polizei versammelt haben, und dort zum Stillstand zu kommen. Am Ende dieser Sequenz wird dann auch der Charakter des Officer DeGepse eingeführt.

                    Eebenso erwähnenswert ist eine Rückblende, die als Steadycam-Einstellung ausgeführt ist, bei der die Kamera direkt am Protagonisten sitzt und wobei wir aus seiner Perspektive Zeuge der Ereignisse werden, die zur oben erwähnten Ausgangssituation geführt haben, während er es gleichzeitig aus dem Off seinem Gesprächspartner Nick schildert. Und im Showdown gibt es eine rasend schnelle kreisende Kamerafahrt um Jason und Jessica, die sich gegenüberstehen, einerseits und Simon andererseits, der sich darauf vorbereitet, zu schießen und in die ebenfalls blitzartige Flashbacks geschnitten sind, welche die finale Enthüllung vorwegnehmen. Auch gewöhnliche Dialogszenen sind interessant gestaltet. Exemplarisch sei da der von Jenkins im Making-Of als „Dance“ bezeichnete Wortwechsel zwischen Jason und Jessica genannt, nachdem er ihr die Fesseln abgenommen hat, die beiden sich aber argwöhnisch umkreisen, da nach wie vor keiner dem anderen traut, wobei die Kamera abwechselnd mal seine und mal ihre Perspektive einnimmt. Durch das blaustichige Bild und den subtilen elektronischen Score des preisgekrönten Komponisten Didier Rachou (der sonst vor allem für die musikalische Untermalung der Discovery-Channel-Dokureihe „Deadliest Catch“ zuständig ist), welcher weniger auf Melodien und mehr auf suggestive Töne setzt, erhält das ganze Geschehen dazu noch eine geheimnisvolle Atmosphäre.

                    Vor allem der spielfreudige Cast sorgt jedoch dafür, dass keine Langeweile aufkommt. Nick Stahl („Terminator III“, „Sin City“) als gelassener Tagedieb Jinx, der auch in der brenzligsten Situation noch einen trockenen Spruch auf den Lippen hat und cleverer ist, als seine heruntergekommene Garderobe vermuten lässt, zieht schnell die Sympathien der Zuschauer auf sich. Erika Christensen (u.a. „Flightplan“, „Stephen King's Riding The Bullet“) als gerissene Jessica, die, ihm in Sachen Schlagfertigkeit ebenbürtig ist, verkörpert eine starke, selbstbewusste Frauenfigur, die sich von niemandem einschüchtern lässt und geschickt die Männer um sich herum gegeneinander ausspielen kann. Außerdem sieht sie mit ihrer schwarzen Perücke und ihrer figurbetonenden Kleidung (eine knappe Bluse und eine enganliegende Weste mit langer Knopfleiste) einfach atemberaubend aus. ^^

                    Gavin Rossdale, Frontmann der Rockband Bush, der auch davor schon kleinere Rollen in Filmen hatte (wie „Zoolander“ und „Constantine“) gibt den cholerischen, tablettensüchtigen Simon und hat sichtlich Spaß daran, mal einen richtigen Mistkerl vor der Kamera zu mimen. Mit seinem, im Gegensatz zum Rest seiner Truppe, gepflegten Äußeren erinnert er zudem an Alan Rickman als Hans Gruber in „Stirb Langsam“. Der tolle Terry Crews (u.a. „Idiocracy“, „The Expendables“) als genervter DeGepse und Leo Fitzpatrick („Kids“, „The Wire“) als Simons tumber Gehilfe Roger, der sich den Großteil der Handlung über mit seiner nicht funktionierenden Knarre herumärgert, verleihen ihren kleineren Parts ebenfalls Dreidimensionalität. Und dann ist da noch der unvergessene David Carradine, der das Mastermind Nick verkörpert, allerdings fast den ganzen Film über nur zu hören ist und erst ganz zum Schluss vor die Kamera tritt.

                    Neben den gepfefferten Sprüchen, die sich die Charaktere um die Ohren hauen, besticht Andrews Jenkins' Drehbuch auch durch eine gewisse Sozialkritik. Denn ihm geht es, wie in Jinx' Monologen, in denen dieser seine Weltsicht äußert, eindeutig darum, das kapitalistische Finanzsystem anzuprangern, in dem Banken und große Konzerne die Verbraucher ausnehmen und rücksichtslos immer mehr Geld scheffeln. Wie es schon bei Bertolt Brecht hieß: „Was ist der Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?“ und dieser Gedanke scheint auch Jenkins geleitet zu haben – wenngleich er gegen Ende inkonsequent in seiner Gesellschaftskritik wird. Denn – ACHTUNG SPOILER! - Jason macht zum Schluss einfach gemeinsame Sache mit denen, die ehrlich arbeitenden Menschen das Geld aus der Tasche zogen und sieht daran noch nicht einmal etwas verwerfliches, obwohl er zuvor noch eine Absage an das System formulierte.

                    Was man noch an „How To Rob A Bank“ kritisieren kann, ist, dass trotz der flotten Inszenierung nicht so recht Spannung aufkommen will. In Sachen Nervenkitzel hätte man sich schon etwas mehr bemühen können. Was den Humor betrifft, wird man hingegen vollkommen bedient, denn es gibt immer wieder urkomische Momente. Beispielsweise, wenn DeGepse, der von Simon am Telefon beleidigt wurde, seinem Handy erbost wiederholt den Mittelfinger zeigt. Oder wenn sein Kollege, nachdem Simon in einem Wutausbruch sein Handy an DeGepses Kopf schleuderte, mutmaßt, dass dieser so versucht, mit ihnen zu reden. Oder wenn Jinx Jessicas Handy, dessen Klingelton eine elektronische Version der "Wilhelm-Tell"-Overtüre ist, ständig frech zuklappt, als Simon versucht, ihm darüber Befehle zu geben. Oder wenn ein Bankschließfach als Pissoir missbraucht wird. Amüsant sind auch die Anspielungen auf Duran Durans Hit „Hungry Like The Wolf“, der von den Bankräubern, wie Jessica Jinx erklärt, vor dem Raub im Internet als Code gebraucht wurde, von den beiden Hauptcharakteren zwischendurch aus Langeweile gesungen wird und schließlich während des Abspanns erklingt. Die Anführer der Gaunertruppe verwenden zudem Pseudonyme, welche die Vornamen der Bandmitglieder sind.
                    Mit „All The Money Or The Simple Life Honey“ (das während der erwähnten Plansequenz zu hören ist) und „Boys Better“ von den Dandy Warhols und dem textlich passenden „Cash Machine“ von Hard-Fi, das den Vorspann untermalt, sind noch ein paar coole Alternative-Rocksongs auf dem Soundtrack enthalten.

                    Insgesamt also ein zwar nicht allzu origineller, aber sehr unterhaltsamer Film von einem talentierten Regisseur, der danach leider nichts mehr von sich hören ließ. Diese Anleitung für einen Banküberfall ist zwar kein Meisterwerk, aber ein vergnügliches Werk für einen Filmabend, das auch nach mehreren Sichtungen nicht langweilig wird und sogar gelegentlich zum Nachdenken anregt. Ein richtiger Geheimtipp.

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                      Gabe666 23.09.2021, 23:01 Geändert 23.09.2021, 23:58

                      Melvin Smiley ist ein herzensguter Kerl, der niemandem einen Gefallen abschlagen kann - dumm nur, dass er als Profikiller arbeitet. Seine Partner Cisco, Crunch und Vince nutzen seine Gutmütigkeit schamlos aus, indem sie ihn bei ihren Aufträgen den Großteil der Arbeit machen lassen und hinterher seinen Anteil für sich einstreichen. Zu allem Übel führt Melvin parallel noch zwei Beziehungen: mit der herrischen Chantel, die ihn gnadenlos ausnimmt, und der naiven Pam, die er heiraten möchte und vor der er daher sein Verhältnis mit Chantel und seinen Beruf geheim hält. Da er an chronischen Geldsorgen leidet, macht er bei einer Unternehmung seiner Kollegen mit, die auf eigene Faust die Tochter eines reichen japanischen Elektromagnaten entführen wollen, um Lösegeld zu erpressen. Melvin wird dazu abkommandiert, auf die verängstigte junge Frau aufzupassen. Was weder er noch der Rest der Truppe ahnt, ist, dass es sich bei ihr um die Patentochter von Paris, dem Boss der vier Komplizen, handelt. Dieser lässt sofort zur Jagd auf die dummdreisten Kidnapper blasen. Cisco kann noch rechtzeitig seinen Kopf aus der Schlinge ziehen, indem er seinem tollpatschigen Helfer Gump und Melvin die Schuld in die Schuhe schiebt. Melvin steckt nun bis über beide Ohren im Schlamassel, denn gleichzeitig ist er noch damit beschäftigt, ein Dinner für Pam und seine künftigen Schwiegereltern zu organisieren, die von alldem nichts erfahren dürfen. Die einzige, welche in dieser Situation zu ihm hält, ist ausgerechnet das Entführungsopfer Keiko, für die er langsam Gefühle entwickelt. Ob es den beiden gelingen wird, mit heiler Haut aus der Sache herauszukommen...?

                      "The Big Hit" ist das Hollywood-Debüt des in Hongkong erfolgreichen Schauspielers und Regisseurs Kirk Wong, der Actionfans vor allem durch "Hard To Die" mit Jackie Chan bekannt sein dürfte. Bei seiner ersten amerikanischen Produktion bekam er dabei Schützenhilfe von seinem schon länger in der Traumfabrik arbeitenden Kollegen John Woo, dessen Produzenten Terence Chang und Wesley Snipes (der damals noch in der A-Liga Hollywoods mitspielte). Der Film atmet somit eindeutig den Geist des Hongkongkinos: wuchtige Schießereien mit origineller visueller Inszenierung wie Nachtsicht und Blendeffekten, Zeitlupen, eine entfesselte Kamera und toll choreographierte Kämpfe. Die Action fällt dabei aber kaum blutig aus, denn seinen Schwerpunkt legt "The Big Hit" auf Humor. Und aus diesem Grund dürfte er bis heute polarisieren, denn manche werden sich am überzogenen Klamauk stören, andere hingegen ihre Freude daran haben. Ich persönlich zähle mich zu letzteren und schäme mich dessen auch nicht.

                      Natürlich merkt man dem Film an, dass er auf der Welle postmoderner Gangsterkomödien mitsurft, die durch Tarantinos "Pulp Fiction" losgetreten wurde und noch bis Mitte der 2010er Jahre viele Nachzügler fand. Denn er weist auch alle Merkmale des sog. "Kill and Talk"-Subgenres auf: schräge Charaktere, die in haarsträubende Situationen geraten, überzeichnete Gewalt und andauernde Anspielungen auf bekannte Werke der Popkultur. Aber all das wirkt hier nicht erzwungen, sondern fügt sich perfekt in die Geschichte ein.

                      Der gut aufgelegte Cast trägt dabei auch viel zur Unterhaltung bei. "Marky Mark" Wahlberg, der sich damals noch am Anfang seiner Schauspielkarriere befand, gibt den netten, aber überforderten Helden, der aus Angst vor Zurückweisung zu allem Ja sagt und sich damit immer weiter ins Verderben reitet. Rückblickend eine eher untypische Rolle für ihn, die er aber gut meistert, auch wenn er eher körperlich als mimisch gefordert wird. Völlig gegen den Strich besetzt ist Lou Diamond Phillips, der zumeist eher in ernsten Rollen auftritt, hier als selbstverliebter Cisco mit seinem Overacting aber die Lacher auf seiner Seite hat und sein komödiantisches Talent voll ausschöpfen kann. "Kelly Bundy" Christina Applegate als biedere Pam und Antoine Fuquas Frau Lela Rochon (die im selben Jahr in einem weiteren Actionfilm eines Hongkong-Regisseurs auftrat, nämlich dem von mir zuletzt rezensierten "Knock Off") als hinterhältige Chantel geben die beiden gegensätzlichen Liebschaften Melvins mit viel Spielfreude. Richtig glänzen kann Avery Brooks (Benjamin Sisko aus "Star Trek: Deep Space Nine") als Ehrfurcht einflößender Gangsterboss Paris. Die süße China Chow (wirkte später u.a. in "Spun" von Jonas Åkerlund mit) in ihrer ersten Rolle als hilflose gekidnappte Studentin Keiko, die aber gerissener und schlagfertiger ist, als es den Anschein hat, ist überzeugend und sympathisch und die Liebesgeschichte zwischen ihr und Wahlberg wirkt nie aufgezwungen. Tatsächlich hatten die beiden nach den Dreharbeiten auch im echten Leben eine Beziehung, wobei Chow mittlerweile mit Rockstar Billy Idol liiert ist.

                      Keikos Vater, den glücklosen gescheiterten Filmstar Jiro Nishi, verkörpert Leinwandveteran Sab Shimono (u.a. "Schlacht um Midway", "Gung Ho", "Shadow und der Fluch des Khan") und sorgt wie Phillips und Wahlberg für viele urkomische Momente. Ebenso wie Bokeem Woodbine (u.a. "The Rock", "Dead Presidents", "Ray") als sexsüchtiger Crunch und Elliott Gould als Alkoholikervater von Pam. Weniger Eindruck hinterlassen Lainie Kazan (u.a. "Delta Force", "My Big Fat Greek Wedding") als dessen konservative Ehefrau und der vielbeschäftigte Antonio Sabato Jr. (u.a. "Melrose Place"), als Schönling Vince, aber schauspielerisch sind sie auch nicht schlecht. Kleinere, aber wiederum sehr amüsante Parts haben noch der hauptsächlich in Billigsequels (wie "Eiskalte Engel 2") und TV-Serien mitspielende Robin Dunne als stotternder, unsicherer, aber auch technisch bewanderter Gump und Danny Smith (u.a. "Suck - Biss zum Erfolg") als pingeliger, nerdiger Videothekar, der Melvin wegen eines zu lange ausgeliehenen Films in den Ohren liegt. Allen ist der Spaß anzumerken, den sie beim Dreh hatten.

                      Eigentlicher Star des Films ist für mich jedoch das Drehbuch von Ben Ramsey (der später noch bei den billigen Actionfilmen "Love and a Bullet" und "Blood and Bone" Regie führte und das Skript zum unfreiwilligen Megatrash "Dragonball Evolution" verfasste, für das er sich aber sogar entschuldigte). Denn er zeigt hier ein hervorragendes Gespür für funktionierenden Witz. Sicher ist die Handlung ziemlich unlogisch und nimmt ein paar Wendungen zu viel, aber das ist unwichtig, solange die Gags sitzen. Und das tun sie definitiv! Dazu werden sie nicht willkürlich in die Geschichte eingebaut, sondern mehrmals im Laufe der Handlung erneut aufgegriffen und variiert.

                      Achtung! Jetzt spoilere ich einige der besten Gags des Films, aber ich kann einfach nicht anders, weil sie mir so gut gefallen:

                      Besonders mag ich die Absurdität, die sich ergibt, wenn sich Profis in einem ernsten Geschäft (wie Killer, Agenten, etc.) unglaublich dämlich verhalten. Beispielsweise wenn Cisco von Keiko bei ihrer Entführung verlangt, dass sie einen Erpresserbrief vorliest, der nur dummerweise mit zahlreichen Rechtschreibfehlern gespickt ist:

                      Keiko: „Ich bin entführt worden, im Moment geht es mir noch gut, aber nicht mehr... lunge?! Wenn du nicht die Sonne von... eine Million Dullar...“ (muss lachen)
                      Cisco: „Moment mal, warte mal! Lunge? Die Sonne von eine Million Dullar? Sag mal, was zum...“
                      Keiko: „So steht es da-ha!“
                      Cisco: „Es heißt 'lange' und 'die Summe von einer Million Dollar'! Du weißt genau, wie das heißen muss.“
                      Keiko: „Aber du hast gesagt, ich soll das lesen, was da steht, und genau das hab ich getan.“
                      Cisco: „Sag es so, wie es gemeint ist, ok?!“

                      Als Cisco ihrem Vater am Telefon dann das Tonband mit der endlich richtig aufgenommenen Nachricht abspielen will, erwischt er prompt mehrmals die falsche, weswegen sein Gesprächspartner, der gerade Seppuku begehen will, genervt auflegt. Schließlich kann ihm doch noch die Nachricht übermittelt werden. Jiro Nishi versucht daraufhin, mit seinem Ortungsblocker den Anruf zu orten, Technikfreak Gump besaß aber genug Geistesgegenwart, einen Ortungsblocker-Blocker zu basteln, um das zu verhindern. Was er aber nicht bedachte, war, dass Nishi klug genug war, einen Ortungsblocker-Blocker-Blocker zu bauen, womit er dann doch noch geortet wird. ^^

                      Dann ist da noch der Running Gag um eine Videokassette, die Melvin vergessen hat, rechtzeitig zurückzubringen und der er bis zum Schluss des Films, ehrlich wie er ist, hinterherjagt. Als es dann schließlich zwischen ihm und Cisco zum Showdown in der Videothek kommt, ereignet sich der lustigste Moment des Films: mitten im Kampf, während die beiden Schläge und Tritte austauschen, müssen sie plötzlich stutzen, als ihr Blick auf ein Foto mit dem „Kunden des Monats“ fällt – denn dieses zeigt keinen anderen, als den für seinen enormen Pornokonsum bekannten Crunch. xDDD

                      Auch herrlich sind die erwähnten Anspielungen auf andere bekannte Filme, wie beispielsweise den damals noch nicht so alten „Eine Frage der Ehre":
                      Cisco: „Wieso kannst du nicht diese abgefuckten, geldgierigen, respektlosen Schlampen zum Teufel jagen?!“
                      Melvin: „Die Wahrheit?“
                      Cisco: „Ja, ich will die Wahrheit!“
                      Crunch: „Du kannst die Wahrheit doch garnicht vertragen!“

                      Beim Dinner mit Pams Eltern, das von Cisco und weiteren Killern gestört wird, erwähnt Pams betrunkener Vater "Rain Man" und "Rat mal, wer zum Essen kommt". In der Videothek hängen lauter Plakate zu Trashstreifen des Studios Troma. Und bei der erwähnten Videokassette, die Melvin von Chantel geklaut wurde und die diese sich mit ihrem Freund Sergio, mit dem sie Melvin betrügt, ansieht, handelt es sich um „King Kong Lebt“. Sergio liebt diesen Film, was auch amüsant ist, schließlich gilt John Guillermins Fortsetzung zu seinem „King Kong“-Remake allgemein als eines der schlechtesten Sequels überhaupt.

                      Das kann man natürlich alles albern und nervig finden, ich find's extrem witzig. Zumal „The Big Hit“ handwerklich an sich (sieht man von ein paar schlechten CGI-Explosionen ab) hervorragend inszeniert ist. Kameramann Danny Nowak („Ghostland“) erfasst die Action geschickt mit seiner dynamischen Kamera und die rasante Montage von Pietro Scalia, einem Meister seines Fachs (u.a. „JFK- Tatort Dallas“ und sämtliche Filme von Ridley Scott ab „Die Akte Jane“) lässt keine Langeweile aufkommen. Der flotte elektronische Score von einem anderen Meister, nämlich Graeme Revell (u.a. „From Dusk Till Dawn“), trägt auch viel zur amüsanten Wirkung vieler Szenen bei. Sehr gut ausgesucht ist auch der Soundtrack, mit u.a. Joe Jacksons coolem Rocksong „I'm The Man“ und der schönen Ballade „She's The One“ von World Party (die den meisten in der Version von Robbie Williams bekannt sein dürfte), welche in Schlüsselszenen erklingen.

                      Der Film hätte sogar noch witziger sein können, wenn man die – auf der DVD, aber nicht auf der Blu-Ray enthaltenen – entfernten Szenen noch beibehalten hätte. In denen gibt es weitere lustige Pointen zu Crunchs Pornosucht und man erfährt, dass Sonnyboy Vince in Wahrheit ein Transvestit ist.

                      Insgesamt also ein sehr vergnüglicher Film, bei dem die hohe Altersfreigabe von 18 Jahren völlig unverständlich ist, denn wirklich blutig wird es hier kaum. Die FSK störte sich damals aber wohl vor allem an der beiläufigen Selbstverständlichkeit, mit der von den Protagonisten Leute umgenietet werden. Zugegebenermaßen erreicht der schwarze Humor gelegentlich tatsächlich zynische Ausmaße („Ich meine, ich bin ein Profikiller. Ich bringe Leute für Geld um. Immerhin hatten die Typen es bisher verdient, naja, von ein paar Ausnahmen abgesehen, aber das ist mein Job, verstehst du?“). Andererseits war das in „Pulp Fiction“ auch nicht so viel anders und der ist ab 16! Meiner Meinung nach hätte man „The Big Hit“ schon längst runterstufen sollen.

                      Unterm Strich konnte mich Kirk Wongs Hollywoodausflug (dem danach leider nichts Interessantes mehr folgte) also voll überzeugen. Dass ich mit meiner Wertung nicht noch höher gegangen bin, liegt daran, dass die Actionszenen durchaus noch beeindruckender hätten ausfallen können, ich mir zu ein paar Nebencharakteren ein paar mehr Hintergründe gewünscht hätte und „The Big Hit“ keine so große Dichte an Schenkelklopfern aufweist, wie andere Komödien, die zu meinen Lieblingsfilmen gehören. Nichtsdestotrotz ein Film, der auch nach vielen Sichtungen nicht langweilig wird und genau das Richtige für einen Partyabend mit Freunden ist.

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                        Ein Film, der zu seiner Entstehungszeit völlig an mir vorbeigegangen ist (schließlich war ich damals noch viel zu jung dafür), den ich erst kürzlich durch eine Neuauflage entdeckte und der bei Sichtung dennoch angenehme Nostalgiegefühle an die Zeit der Actionfilme aus den 90er Jahren weckte. Einer der letzten großen Kinofilme mit "The Muscles from Brussels" Jean-Claude Van Damme in der Hauptrolle. Und eine absolut durchgeknallte Verquickung von Hollywood- und Hongkong-Kino. All das ist "Knock Off" aus dem Jahr 1998.

                        Die Handlung ist kurz vor und während der Feierlichkeiten zur Übergabe der Kronkolonie Hongkong an die Volksrepublik China am 1. Juli 1997 angesiedelt. Rückblickend hinterlässt der naive Optimismus, mit dem dieses historische Datum im Film in Szene gesetzt wird, einen bitteren Nachgeschmack, denn wie wir heute wissen, hat sich die Lage für die Zivilbevölkerung Hongkongs, vor allem in Hinblick Menschenrechte, eher zum Schlechteren geändert. Damals herrschte anscheinend noch Leichtgläubigkeit vor. Wie dem auch sei, letztlich dient das alles auch nur als Kulisse für die abgedrehte Geschichte des Films.

                        Hauptfiguren sind die beiden Markenfälscher Marcus Ray und Tommy Hendricks, welche Imitate einer bekannten Jeansmarke in die USA exportieren. Während eines Rikscharennens, an dem beide teilnehmen, wird Marcus Zeuge, wie sein Adoptivbruder Eddie vorgeblich entführt wird, kann dessen Ermordung aber nicht verhindern. Wie sich herausstellt, wurde jedoch nur ein Double getötet. Das Rennen verlieren die beiden natürlich und weil Tommy im Eifer des Gefechts eine Polizistin ausknockte, die er fälschlicherweise für einen Gangster hielt, werden sie auch noch von der Hongkonger Polizei verhaftet, allerdings auch schnell wieder laufen gelassen. Dafür bereitet ihnen die Konzernvertreterin Karen Probleme, welche ihren Fälschungsaktivitäten auf die Schliche kam und verlangt, dass sie den Verantwortlichen ausfindig machen, wenn sie straffrei davonkommen wollen. Marcus hat Eddie im Verdacht, muss jedoch schnell feststellen, dass auch Tommy nicht ganz ehrlich zu ihm ist. Bei diesem handelt es sich nämlich um einen verdeckten CIA-Ermittler, welcher russischen Gangstern auf der Spur ist, die Marcus' Business als Verschleierung für ihre eigenen Machenschaften benutzen. Nun kommen Marcus und Tommy einer Verschwörung auf die Spur, bei der in Mikrochips implantierte Nanobomben, die in die gefälschten Jeans und andere nach Übersee verschiffte Artikel eingebaut wurden, eine maßgebliche Rolle spielen...

                        Das alles ist natürlich Schwachfug hoch 10, aber bei einem derartigen Werk ist die Handlung ohnehin zweitrangig. Dass für das Drehbuch der angesehene Autor Steven E. de Souza zuständig war, der für die Actionhighlights "Nur 48 Stunden", "Phantom-Kommando" und die ersten beiden "Stirb Langsam"-Filme verantwortlich zeichnete, mag dennoch überraschen. Andererseits stammten von ihm auch die Skripte zu den ähnlich sinnfreien "Judge Dredd" und "Street Fighter". Von daher braucht man sich eigentlich auch nicht zu wundern, dass hier vieles jeder Logik entbehrt. Wichtig sind schließlich in erster Linie Action und Spezialeffekte und in beiden Hinsichten wird man voll bedient.

                        Inszeniert wurde "Knock Off" vom in Hongkong extrem einflussreichen Regisseur und Produzenten Tsui Hark, der zuvor bahnbrechende Werke des Wuxia- und Heroic-Bloodshed-Subgenres schuf, entweder in unterstützender Form (u.a. bei John Woos "A Better Tomorrow", dessen Sequel und "The Killer" sowie Ching Siu-Tungs "A Chinese Ghost Story" und dessen Fortsetzungen) oder auf dem Regiestuhl (u.a. bei "Once Upon A Time In China" I + II) - von denen ich übrigens, wie ich zu meiner Schande gestehen muss, noch kein einziges gesehen habe. Mit Van Damme in der Hauptrolle hatte er zuvor "Double Team" inszeniert, wandte sich nach diesem zweiten Werk jedoch enttäuscht von Hollywood ab. Dabei wirkt "Knock Off" allerdings nicht so, als hätten hier viele künstlerische Kompromisse eingegangen werden müssen. Der absolute Wahnwitz in der visuellen Gestaltung von "Knock Off" sucht wirklich seinesgleichen. Eine rastlose Kamera, die aus vielen ungewöhnlichen Einstellungen filmt, bestimmt das Geschehen. Bei dem Rikscharennen zu Beginn gibt es beispielsweise wilde Zooms auf die Schuhsohlen (!) Van Dammes, um anschließend per Computeranimation deren Innenleben zu zeigen, kurz bevor sie platzen. Origineller wurde wohl noch nie sportliches Scheitern in Szene gesetzt. Selbst gewöhnliche Dialogszenen und Innenaufnahmen machen Hark und sein Kameramann Arthur Wong (der auch bei einigen der zuvor erwähnten Filme zuständig war) so zu etwas besonderem, da diese meist aus der Vogelperspektive gefilmt wurden, um ihnen eine majestätischere Anmutung zu geben. Hinzu kommt noch ein rasanter Schnitt (vorgenommen von Marco Mak, mit dem Hark ebenfalls schon häufig zusammenarbeitete), der einem kaum Zeit zum Verschnaufen lässt.

                        Leider macht dies die Actionszenen auch sehr unübersichtlich. Meistens hat man ziemliche Probleme, dem Geschehen zu folgen, da oft erst auf den zweiten Blick erkennbar ist, wer wo was macht. In der zweiten Hälfte scheint sich Hark immerhin etwas gezügelt zu haben und speziell der Showdown, bei dem Van Dammes Marcus Ray zur Rettung seiner zwischenzeitlich in Gefangenschaft geratenen Freunde eilt und auf einem Frachtschiff einen Gegner nach dem anderen mit akrobatischen Einlagen oder Kugeln erledigt, bis ihn später Tommy und die nur scheinbar zierliche Karen unterstützen, macht richtig Laune. Kritisch kann man natürlich auch die visuellen Effekte sehen, denn bei den gigantischen Explosionen der Nanobomben, aus denen grüne Flammen hervorschießen, wurde offensichtlich mit CGI nachgeholfen. Dafür spart "Knock Off" nicht mit Härten. Bei den Shootouts und Prügeleien spritzt schon mal ordentlich Kunstblut rum. Dies brachte "Knock Off" eine Freigabe ab 18 Jahren ein, an der sich bis heute nichts geändert hat, wobei ich meinen würde, dass das blaue Siegel aufgrund des eher humorvollen Grundtons besser zum Film passt.

                        Am Humor hat auch die Besetzung einen großen Anteil. Jean-Claude Van Damme als Marcus Ray spult natürlich nur sein übliches Knallharter-Actionheld-Programm ab, aber das ist hier auch vollkommen ausreichend. Bei einem solchen Film wird schließlich kein ausgefeiltes Mienenspiel verlangt. Dafür zeigt Van Damme vollen Körpereinsatz und machte tatsächlich alle seine Stunts selbst. Wie er hier Schläge, Schüsse und Tritte verteilt, ist eine wahre Freude. Adam Sandlers Kumpel Rob Schneider als sein tollpatschiger Partner Tommy gibt den obligatorischen Comic-Relief-Sidekick. Mit ihm hatten die meisten auf dieser und anderen Filmseiten ziemliche Probleme, ich fand ihn jedoch garnicht so nervig. Sein überdrehtes Schauspiel passt auf jeden Fall in den Film, da dieser sich ohnehin nicht so ernst nimmt. Aber hey, ich hatte auch noch nie Probleme mit Jar Jar Binks (steinigt mich!), anscheinend sind solche Figuren, die für andere Nervbolzen sind, für mich nun mal lustig. Empfindet eben jeder anders. Nur als CIA-Agent ist Schneider überhaupt nicht überzeugend, aber das kann man eigentlich auch vernachlässigen.

                        Schauspielveteran Paul Sorvino (u.a. "Goodfellas", "The Cooler") wird als undurchsichtiger Chef Schneiders zwar ziemlich unterfordert, bringt aber einiges an Charisma in den Film. Lela Rochon, die spätere Ehefrau von Antoine Fuqua, die sonst vor allem in Liebeskomödien wie "Boomerang" und "Warten auf Mr. Right" mitwirkte, wollte sich hier wohl mal im Actiongenre ausprobieren und macht ihren Part gar nicht mal schlecht. Ihre extrovertierte Karen ist anfangs zwar eher unsympathisch, zeigt später aber, dass sie es faustdick hinter den Ohren hat. Allerdings erscheint es dadurch auch unlogisch, dass sie kurz vorm Showdown von den Bösewichten überwältigt und gefesselt wird (das übrigens auf eine ziemlich ausgefallene Weise), wenn sie diese später mühelos umnietet. Andererseits zeigt Rochon mit ihren trockenen Sprüchen in den betreffenden Szenen auch komödiantisches Potenzial ("Könnte ich bitte allein sterben?!").

                        Mit Michael Wong (u.a. "In The Line Of Duty 4", "Legacy Of Rage") als gewissenhafter Polizist, Carman Lee ("The Wicked City") als dessen Partnerin und dem Cantopop-Sänger Wyman Wong als zwielichtigem Eddie sind natürlich auch drei Stars aus Hongkong dabei, wenngleich deren Parts hier nicht allzu groß ausfallen. Schauspielerisch sind diese jedoch gelegentlich überzeugender als ihre westlichen Kollegen.

                        Insgesamt ist "Knock Off" ein überdrehter Hirn-Aus-Actionfilm mit dummen Sprüchen, nur teilweise ernsthaftem Schauspiel und vollkommen sinnloser Handlung. Die hauptsächlich handgemachte Action überzeugt aber, ebenso gefällt die Filmmusik von der vielseitigen Rockband Sparks, auch wenn sie kaum im Gedächtnis bleibt. Tsui Hark hätte sich zwar zwischendurch mal etwas bremsen und die Action übersichtlicher gestalten können, dafür kommt während der gesamten Laufzeit aufgrund des flotten Tempos kaum Langeweile auf. "Knock Off" ist jetzt vielleicht keines der wirklich herausragenden Werke in Van Dammes Filmographie, aber für einen unterhaltsamen Abend taugt er allemal. Und schon allein aufgrund der irrsinnigen Inszenierung und der zwar bescheuerten, aber auch phantasievollen Prämisse ist er einen Blick wert. Filme in dem Stil werden heutzutage wirklich kaum noch gedreht.

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                          Mit "Strangeland" erfüllte sich Dee Snider, Frontmann der legendären Glam-Metal-Band Twisted Sister, 1998 einen lang gehegten Traum: er produzierte seinen eigenen Slasherfilm und übernahm darin selbst die Rolle des Killers. Als Inspiration für die Geschichte diente dabei der auf dem 1984'er Erfolgsalbum "Stay Hungry" enthaltene, eigentlich aus zwei einzelnen Songs zusammengesetzte, Longtrack "Horror-Teria: The Beginning", der die Geschichte eines geistesgestörten Serienmörders erzählt, welcher von einem aufgebrachten Mob gelyncht wird. Selbiges Lied war textlich seinerseits von bekannten Horrorfilmen wie "Der Exorzist" und "Halloween" beeinflusst, wobei sich in "Strangeland" ebenso Referenzen auf diese Werke ausfindig machen lassen. Weitaus offensichtlicher sind jedoch Bezüge auf andere bekannte Filme des Genres, wobei „Strangeland“ an sich eine wahre Fundgrube ist, wenn man Ausschau nach Anleihen aus popkulturellen Einflüssen hält.

                          So ist der Charakter des sadistischen Mörders Captain Howdy (der Name an sich stellt eine Referenz an „Der Exorzist“ dar) ganz eindeutig Freddy Kueger aus den „Nightmare“-Filmen nachempfunden. Sein Fetisch zu extremen Körperveränderungen, seine Folterpraktiken und seine Weltsicht erinnern an die Zenobiten aus den „Hellraiser“-Filmen. Handlung und Ästhetik des Films sind wiederum von den beiden wegweisenden Psychothrillern „Sieben“ und „Das Schweigen der Lämmer“ inspiriert, die mit ihrem Plot um die Hatz auf einen besonders blutrünstigen Mörder und ihre extrem düstere Atmosphäre dem Horror- und Thrillergenre Anfang der 90er Jahre ihren Stempel aufdrückten.

                          Hauptfigur ist auch in „Strangeland“ ein gewissenhafter Ermittler, der sich hier auf die Jagd nach dem Killer begibt, nachdem seine eigene Tochter und deren Freundin in dessen Gewalt gerieten. Captain Howdy, der von der Vorstellung besessen ist, dass man spirituelle Erleuchtung nur durch extremen körperlichen Schmerz erlangen kann, foltert die beiden Mädchen und mehrere andere Jugendliche, die er entführt hat, auf besonders sadistische Weise. Tiana, die Freundin der Polizistentochter Genevieve, überlebt dies nicht. Mike Gage, der Polizist, entdeckt nach langer Suche mehr zufällig den Unterschlupf des Psychopathen, kann ihn schließlich dingfest machen und seine Tochter und die anderen noch lebenden Opfer befreien. Captain Howdy, der mit bürgerlichem Namen Carleton Hendricks heißt, wird vor Gericht wegen Unzurechnungsfähigkeit freigesprochen und nach vier Jahren Therapie aus einer Anstalt entlassen. Obwohl er sich für seine früheren Taten schämt und versucht, wieder ein geachtetes Mitglied der Gesellschaft zu werden, schlägt ihm bei seiner Rückkehr nichts als Hass und Ablehnung entgegen. Als eines Nachts die Tochter des wütenden Aktivisten Jackson Roth nicht nach Hause kommt, vermutet dieser sofort, Hendricks habe sie entführt, bringt ihn mit einigen Freunden in seine Gewalt und hängt ihn an einem Baum auf. Mike Gage sieht dies mit an, schreitet jedoch nicht ein, was er später bereuen wird. Denn Hendricks überlebt diese Lynchaktion. Die Nahtoderfahrung bringt seine dunkle Seite vollends wieder zum Vorschein und als Captain Howdy begibt er sich auf einen gnadenlosen Rachefeldzug, der noch viele weitere Opfer fordern wird...

                          Dee Snider schwebte bei „Strangeland“ laut eigener Aussage vor, eine neue Horror-Ikone zu erschaffen, die sich in den Pantheon um Freddy, Jason, Michael Myers, Leatherface, Chucky, Pinhead, etc. einreihen würde. Nur kann man einen derartigen Kultstatus für eine Filmfigur eben nicht erzwingen. John Carpenter, Wes Craven, Tobe Hooper und die anderen Regisseure hätten es sich bei den ersten Filmen der jeweiligen Reihen mit Sicherheit nicht zu träumen gewagt, dass ihre Kreationen einen derart durchschlagenden Erfolg beim Publikum erzielen würden. Ihre Ambitionen bestanden in den meisten Fällen wohl eher darin, etwas Neues zu schaffen, das das Horrorgenre bereichern würde. Entsprechend frisch und unverbraucht wirken daher auch heute noch viele der alten Streifen. „Strangeland“ hingegen kommt eher verkrampft rüber. Sniders Captain Howdy wurde zu bemüht auf cool getrimmt und ist zu allem Überfluss viel zu geschwätzig, weswegen er bei weitem nicht mit seinen Vorbildern gleichziehen kann. Sicher sind beispielsweise auch Chucky, Freddy und Pinhead Sprücheklopfer gewesen, sparten sich meistens aber auch viele Worte und schritten schnell zur Tat. Captain Howdys ständiges Geschwafel von Erleuchtung während seiner Folterorgien ermüdet dagegen. Zudem begeht Snider auch den großen Fehler, seine Figur schon in deren erstem Leinwandauftritt zu entzaubern. Bei all den anderen Charakteren geschah dies, wenn überhaupt, erst in einer Fortsetzung oder einem Remake.

                          Andererseits liegt in gerade diesem Aspekt auch eine der Stärken des Films. Dadurch, dass er in der Mitte urplötzlich das Genre wechselt und zu einem Drama wird, nimmt er einen originelleren Verlauf als die meisten anderen Slasher und bietet zudem auch einen sozialkritischen Subtext. Denn dem therapierten und entlassenen Mörder wird gar nicht erst die Möglichkeit gegeben, sich zu bewähren und wieder in die Gesellschaft einzugliedern. Leute, die in der Realität die Todesstrafe für Kinderschänder fordern, lassen wie auch die aufgebrachte Meute im Film außer Acht, dass viele der Täter selbst unter ihrer Neigung leiden und versuchen, diese zu unterdrücken. Eine derart extreme Parallele muss man allerdings gar nicht ziehen. Man kann die Ereignisse im Mittelteil von „Strangeland“ auch als generelle Kritik am Umgang mit verurteilten Verbrechern sehen, die es, gerade in den USA, schwer haben, nach einer Entlassung wieder beruflich und gesellschaftlich Fuß zu fassen und dadurch häufig rückfällig werden. Freilich beraubt Dee Snider seinen von ihm kreierten Psychopathen damit gleichzeitig seiner Bedrohlichkeit, wenn er ihn zu einem harmlosen, biederen Durchschnittsmenschen werden lässt.

                          Zumal seine schauspielerische Leistung in den betreffenden Szenen auch nicht gerade überzeugend geriet. Was er im Audiokommentar zum Film auch selbst einräumte und betonte, dass es für ihn extrem schwierig war, einen derart introvertierten Charakter zu spielen. Als durchgeknallter Captain Howdy hingegen spielt er so richtig auf. Obwohl er eben etwas zu viel labert, bringt Snider dank seiner Bühnenerfahrung eine Menge Charisma mit und ist mit seiner knallroten Mähne und seinem an zahlreichen Stellen gepiercten und zur Hälfte tätowierten Körper zumindest in optischer Hinsicht unverwechselbar. Wobei sich der Rest des Casts hinter ihm nicht zu verstecken braucht. Am meisten hervor sticht dabei definitiv Kevin Gage (dessen Filmfigur lustigerweise denselben Nachnamen hat) als Gegner von Captain Howdy und Held des Films. Gage, den Snider für die Rolle engagiert hatte, weil er von seiner Darstellung des gewissenlosen Gangsters Waingro in Michael Manns „Heat“ beeindruckt war, zeigt auch hier eine hervorragende Leistung und ist als verzweifelter Familienvater, kaltschnäuziger Cop und schließlich unnachgiebiger Rächer äußerst überzeugend. Die damals noch unbekannte Linda Cardellini, die ein Jahr später mit der Serie „Freaks & Geeks“ ihren Durchbruch haben und mittlerweile vielen auch durch Nebenrollen in „Brokeback Mountain“, den „Avengers“-Filmen und „Green Book“ bekannt sein dürfte, darf als seine Filmtochter zwar nur das Opfer geben, bringt ihre Panik und Verzweiflung aber glaubwürdig rüber. Positiv hervorzuheben ist auch die 2014 viel zu früh verstorbene Elizabeth Peña (u.a. „Jacob's Ladder“, „Rush Hour“) als Gages Ehefrau und Cardellinis Mutter. Einen besonderen Besetzungscoup leistete man sich noch mit „Freddy Krueger“ Robert Englund, der hier als vorurteilsbeladener, bigotter Spießer Jackson Roth auftritt. Snider besetzte ihn, um sozusagen auch die Staffelübergabe einer Horror-Ikone an die nächste zu vollziehen. Dies schlug zwar, wie erwähnt, fehl, aber Englunds spielfreudige Darstellung als reaktionärer Unsympath liefert definitiv keinen Anlass zur Kritik.

                          In kleineren Rollen sieht man noch den eher unbekannten Brett Harrelson als Gages zynischen Partner Christianson, die wie Cardellini sich damals noch am Anfang ihrer Karriere befindliche Amy Smart (u.a. „Starship Troopers“, „Rat Race“, „Butterfly Effect“, „Mirrors“) als Gages technisch bewanderte Nichte und den häufig in Nebenrollen anzutreffenden Robert LaSardo (u.a. „Hard To Kill“, „Drop Zone“, „Waterworld“) als Fahrer eines Abschlepptrucks, der die Ermittler auf eine wichtige Spur bringt. Für den auch im echten Leben gepiercten und tätowierten LaSardo war es dabei eine Herzensangelegenheit, in der betreffenden Dialogszene das Selbstverständnis der Body-Modification-Szene zu erklären.

                          Und damit wären wir auch beim anderen wichtigen Hauptmotiv des Films angelangt: seiner Thematisierung von Körpermodifikationen, die in der Philosophie des Bösewichts eine große Rolle spielen. Schon 14 Jahre vor der originellen Horrorkomödie „American Mary“ der Soska-Schwestern stellte „Strangeland“ die Body-Modification-Subkultur in den Fokus. Vor allem einem besonders extremen Zweig, der Modern-Primitive-Bewegung, wird sich hier gewidmet, deren Mitglieder ihren Körper durch besonders aufwändige Eingriffe verändern lassen und sich dabei an den Initiationsriten indigener Völker orientieren. Abgewandelte Zitate des Begründers Fakir Musafa wurden Captain Howdy dabei auch direkt in den Mund gelegt.

                          Allerdings nahmen einige Mitglieder der Subkultur auch Anstoß an der Porträtierung ihrer Szene im Film, was wohl vor allem daran lag, dass es eben ein gestörter Psychopath ist, der hier als ihr hauptsächlicher Vertreter fungiert. Andererseits gibt es auch eine ziemlich coole Partyszene, in der zahlreiche Szenemitglieder als Statisten mitwirkten und bei der man definitiv nicht von einer negativen Darstellung reden kann.

                          [SPOILER!!!
                          Was aber tatsächlich noch negativ ins Gewicht fällt, ist die Verherrlichung von Selbstjustiz im Finale, was schon ziemlich enttäuschend ist, da sich vorher eben noch um Differenzierung bemüht wurde. Mike Gages schlechtes Gewissen, als er Zeuge der Lynchaktion wurde, scheint dabei zudem plötzlich wie weggeblasen. Und die damit einhergehende neuerliche Dämonisierung des Schurken macht die Sozialkritik in der Mitte irgendwie auch fast zunichte:

                          Mike Gage: „Was hat sich Gott nur dabei gedacht, als er Carleton Hendricks erschaffen hat?“

                          Christianson: „Wer sagt denn, dass es Gott war?“]

                          Auch in handwerklicher Hinsicht kann „Strangeland“ nur teilweise überzeugen. Mehrere Szenen wurden ziemlich stümperhaft geschnitten, wodurch es zu recht offensichtlichen und peinlichen Filmfehlern kommt. Dafür gelingt es dem wenig bekannten Kameramann Goran Pavicevic (der u.a. zur Second Unit von „Rock Of Ages“ und „Fast & Furious 6“ gehörte) in den effektiv ausgeleuchteten, meist rotstichigen Folterszenen so einige verstörende Bilder auf die Leinwand zu zaubern. Besonders eine Szene, in der ein junger Mann unfreiwillig ein Piercing an seinem besten Stück erhält, bleibt im Gedächtnis. Gorehounds dürften dabei allerdings eher enttäuscht werden. Zwar galt „Strangeland“ zumindest bis zu „Saw“ und „Hostel“ als einer der härtesten Horrorfilme aus der Zeit um die Jahrtausendwende, tatsächlich findet der Großteil der Gewaltexzesse jedoch nur im Off statt. Unangenehm sind sie dadurch, trotz des erwähnten stellenweise nervigen Gequassels von Captain Howdy, aber immer noch. Andeutungen können schließlich weitaus mehr schockieren als explizite Bilder, wie ich schon mehrfach erwähnt habe. Wobei zumindest die – bisher nur in den USA veröffentlichte – Unrated-Fassung ein paar Sekunden mehr an gewalthaltigem Material enthält. Die zusätzlichen Sequenzen bestehen größtenteils jedoch nur aus verlängerten Einstellungen, welche sich so schon in der Kinoversion befanden. Hier in Deutschland wurde letztere übrigens indiziert und ist es leider bis heute.

                          Besonders hervorzuheben ist schließlich noch der Soundtrack, der beim Namen Dee Snider natürlich vor allem Fans der härteren Musik für diesen Film begeistern dürfte. Und tatsächlich wird der geneigte Hörer dröhnender Gitarrenklänge vollauf zufriedengestellt. Zahlreiche Songs bekannter Bands aus dem Alternative-, Nu- und Industrial-Metal-Bereich wie Coal Chamber, Sevendust, Pantera, System Of A Down, Soulfly und Marilyn Manson sind in „Strangeland“ zu hören sowie natürlich Dee Snider solo und Twisted Sister (die sich für diesen Soundtrackbeitrag damals übrigens nach zehnjähriger Pause erstmals wieder zusammenfanden). Außerdem wurden Coverversionen der Twisted-Sister-Songs „Captain Howdy“ und „Street Justice“, aus denen die erwähnte Vorlage „Horror-Teria: The Beginning“ besteht, von den beiden weniger bekannten Bands Crisis und dayinthelife aufgenommen. Zudem steuerten noch zwei Bands der „Big 4“ des Thrash Metal, Anthrax und Megadeth, je ein Lied bei. Der Titel von letzteren, „A Secret Place“ (das vom 1997'er Album „Cryptic Writings“ stammt, das übrigens mein Lieblingsalbum der Band ist), untermalt dabei textlich passend die Szene, in der man die von ihrem Vater vermisste Tochter von Jackson Roth mit ihrem Freund rummachen sieht.

                          In visueller und akustischer Hinsicht sticht „Strangeland“ damit aus den meisten seinerzeit veröffentlichten Thrillern und Horrorfilmen hervor. Als Etablierung einer neuen Ikone dieser Genres scheiterte er aber.

                          [WEITERER SPOILER!!
                          Neben den bereits erwähnten Gründen liegt das auch daran, dass am Ende praktisch gar keine Möglichkeit besteht, den Charakter des Captain Howdy in einer Fortsetzung zu zeigen, es sei denn, diese wäre in eine übernatürliche Richtung gegangen. Wie wollte Snider ihn denn zurückbringen? Als Geist oder als untoten Killer wie Freddy?]

                          „Strangeland“ floppte jedenfalls an den Kinokassen und wurde von der Kritik fast ausschließlich negativ aufgenommen, weswegen sich Pläne für ein Sequel bisher jedes Mal zerschlugen. Immerhin bekam er fast zehn Jahre später ein – heute nur noch zu horrenden Preisen erwerbliches – Prequel in Comic-Form spendiert.

                          Dee Snider und sein Regisseur John Pieplow (der davor nur den trashigen Sci-Fi-Fernsehfilm „Jurassic Women“ inszeniert hatte und nach „Strangeland“ praktisch nichts mehr zustande brachte) gaben sich zwar redlich Mühe, einen unverwechselbaren Slasher mit ikonischem Schurken zu erschaffen, insgesamt wirkt ihr Film aber leider zu kalkuliert, um zu funktionieren. Die plötzliche stilistische und erzählerische Kehrtwende in der Mitte und damit einhergehende Sozialkritik machen ihn aber dennoch zu etwas Besonderem. Interessant ist für einen heutigen Betrachter natürlich auch noch der Bezug auf das damals noch junge Internet und die Gefahren, die durch anonyme Chatrooms ausgehen. Als toll fotografierter, gut gespielter und mit cooler Musik unterlegter Reißer macht „Strangeland“ heute jedenfalls immer noch viel Laune.

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                            Gabe666 26.08.2021, 20:26 Geändert 26.08.2021, 20:38
                            über Kin

                            "Kin" ist das Spielfilmdebüt des australischen Brüderpaars Jonathan und Josh Baker, die hiermit ihren Kurzfilm "Bag Man" aus dem Jahr 2014 zu einer längeren Geschichte ausbauten. Dabei schufen sie einen spannenden Genremix, der zwar keine sonderlich originelle Grundidee vorzuweisen hat, durch seine Inszenierung, den Soundtrack und die hervorragende Besetzung jedoch mitzureißen vermag.

                            Hauptfigur des Films ist der afroamerikanische Teenager Eli, der bei seinem verwitweten Adoptivvater Hal in einem der Randbezirke von Detroit lebt. Eli ist an der Schule ein Außenseiter und verdient sich nebenbei etwas dazu, indem er Metallschrott aus verlassenen Industrieanlagen stiehlt und weiterverkauft. Sein Vater, dem Ehrlichkeit über alles geht, ist darüber nicht sehr erfreut. Viel größere Probleme bereitet diesem jedoch sein leiblicher Sohn Jimmy, der kürzlich aus dem Gefängnis entlassen wurde und dem lokalen Gangsterboss Taylor Geld schuldet. Eli entdeckt derweil auf einem seiner Streifzüge eine außerirdische Laserwaffe und nimmt sie heimlich mit zu sich nach Hause. Als Hal Jimmy und Taylor dabei erwischt, wie diese den Safe seines Arbeitgebers ausräumen, wird er von Taylor kurzerhand erschossen. Im anschließenden Schusswechsel tötet Jimmy daraufhin Taylors Bruder. Gemeinsam mit Eli ergreift er die Flucht, ohne diesem mitzuteilen, was passiert ist. Umgekehrt weiß er nichts vom geheimnisvollen Fund seines Adoptivbruders. Und so sind die beiden bald auf einem Roadtrip durchs Land unterwegs, verfolgt von der Polizei, dem rachsüchtigen Taylor und zwei vermummten außerirdischen Soldaten, welche die Waffe zurück haben wollen.

                            Die Baker-Brüder zeigen hier auf jeden Fall ein beachtliches Talent zur Inszenierung, so dass man kaum glauben mag, dass "Kin" ihr erster Spielfilm ist. Über weite Strecken ist er dabei mehr Drama als Thriller oder Actionfilm, und auch die Science-Fiction-Elemente werden eher verhalten eingesetzt. Tatsächlich spielt vor allem die Beziehung der beiden gegensätzlichen Brüder zueinander eine wichtige Rolle, die nie aufgesetzt wirkt. Allerdings sind auch die Actionszenen gelungen, bei denen es, aufgrund der enormen Durchschlagskraft der Alienwaffe, gehörig rumst. Blutig sind die Schießereien dabei kaum ausgefallen, was aber auch verständlich ist, schließlich richtet sich der Film an ein junges Publikum.

                            Produziert wurde "Kin" unter anderem von Shawn Levy, der sonst vor allem für seichte Komödien (wie "Im Dutzend billiger", "Der Rosarote Panther" mit Steve Martin oder die "Nachts im Museum"-Trilogie) bekannt ist und dessen "Free Guy" aktuell im Kino läuft. Andererseits mag Levys Mitwirkung gar nicht so sehr überraschen, denn er produzierte auch die beliebte Serie "Stranger Things" und wie in dieser ist auch in "Kin" eine deutliche Nostalgie für Science-Fiction- und Teenie-Filme der 80er Jahre auszumachen. Dass die Handlung dabei zu Beginn in Robocops Heimatstadt Detroit angesiedelt ist, dürfte auch kein Zufall sein, wenngleich hier eben Leute aus der gesellschaftlichen Unterschicht im Mittelpunkt stehen.

                            Besonders beeindrucken können die für das relativ niedrige Budget von 30 Mio. Dollar sehr überzeugenden Spezialeffekte. An der in Neonfarben leuchtenden Alientechnologie kann man sich garnicht sattsehen. Und wenn im Showdown die Zeit eingefroren wird, muss man sich richtig die Augen reiben, so echt sieht das aus. Kameramann Larkin Seiple (u.a. "Swiss Army Man"), der auch viele schön anzusehende Kamerafahrten in den Film einbaute, und Mark Day, dem Stammcutter von David Yates, wurde da sicher einiges abverlangt.

                            Vor allem der talentierten Besetzung ist es jedoch zu verdanken, dass "Kin" im Gedächtnis bleibt. Newcomer Myles Truitt (der danach in den Serien "Queen Sugar" und "Black Lightning" mitwirkte und passenderweise auch in der kommenden vierten Staffel von "Stranger Things" auftreten wird) verleiht dem unsicheren Außenseiter Eli durch seine nuancierte Darbietung Dreidimensionalität. Er ist übrigens auch im wirklichen Leben nur wenig älter als seine Rolle, weswegen man hier glücklicherweise nicht einem Erwachsenen zuschauen muss, der versucht, einen Teenager zu verkörpern, was meist wenig überzeugend ist. Jack Reynor, der den meisten aus dem vierten "Transformers"-Film bekannt sein dürfte, zeigt hier, wie auch beispielsweise in Justin Kurzels "Macbeth" oder "Midsommar", dass er durchaus Schauspieltalent besitzt und ist glaubwürdig als glückloser, verzweifelter Jimmy. Als Iren gelingt es ihm übrigens im O-Ton auch gut, einen amerikanischen Akzent zu imitieren. Der mittlerweile auch als Regisseur erfolgreiche James Franco verkörpert hier als Gangsterboss Taylor erstmals einen totalen Fiesling und hat sichtlich Spaß an seiner Rolle. Kleinere Parts haben noch Carrie Coon ("Gone Girl", "Avengers: Infinity War") als gewissenhafte FBI-Agentin, Altstar Dennis Quaid als strenger, aber liebevoller Vater Hal und die coole Zoë Kravitz als Stripperin mit goldenem Herz, die von den beiden Jungs vor ihrem brutalen Chef gerettet wird, sich den beiden anschließt und ihnen im Gegenzug immer mal wieder aus der Patsche hilft. Außerdem hat noch Michael B. Jordan ("Fruitvale Station", "Black Panther"), der sich ebenfalls als Produzent beteiligte, ein ziemlich überraschendes Cameo. Generell sind hier alle nur zu loben.

                            Zum Schluss sei noch auf die extrem atmosphärische Filmmusik von der britischen Postrock-Band Mogwai hingewiesen. Die endlosen Riff-Ebenen und sphärischen Keyboard-Melodien sorgen auf jeden Fall für Gänsehaut und können auch unabhängig vom Film bestehen.

                            Sicher ist hier nicht alles gelungen. Bei den gut 100 Minuten Laufzeit schleicht sich auch so manche Länge ein und das Ende kommt dann trotzdem recht abrupt. Die Enthüllung bezüglich der beiden Aliens kurz vor Schluss dürfte auch polarisieren. Entweder man findet sie überraschend und gewagt oder einfach nur dämlich. Mir persönlich hat sie gefallen, ich kann aber durchaus verstehen, wenn man es gegenteilig sieht. Außerdem stört, dass das Ende auch zu sehr auf eine mögliche Fortsetzung hinarbeitet. Zu der es aber wohl leider nicht kommen wird, weil der Film an den Kinokassen gerade mal ein Drittel seines Budgets wieder einspielte. Man fragt sich zum Schluss zwangsläufig, ob es nicht vielleicht besser gewesen wäre, aus dem Stoff eine Serie zu machen, denn am Ende wird man mit vielen unbeantworteten Fragen zurückgelassen.

                            Nichtsdestotrotz haben die Baker-Brüder hiermit ein aussagekräftiges Statement abgeliefert. "Kin" ist vielleicht nicht der große Wurf, überzeugt aber sowohl als Action- und Science-Fiction-Film wie auch als Roadmovie-Drama. Definitiv mehr als einen Blick wert.

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                              Gabe666 24.08.2021, 23:14 Geändert 26.08.2021, 20:34
                              über Dope

                              Ziemlich dope, dieser Film! Und gleichzeitig handelt auch er davon. ^^

                              Denn "Dope" hat, wie zu Beginn im Stil von "Pulp Fiction" mittels einer Texttafel erklärt wird, mehrere Bedeutungen: zum Einen ist es ein Adjektiv, das in etwa das gleiche heißt wie "cool", "geil", "toll" oder "super", zum Anderen ist es eine Slang-Bezeichnung für Rauschgift. Und der Titel könnte nicht passender gewählt sein, denn in "Dope" geht es um eine Gruppe nerdiger Jugendlicher aus einem Problemviertel, die mehr zufällig ins Drogengeschäft einsteigen.

                              Hauptfigur ist der Highschool-Schüler Malcolm, der bei seiner alleinerziehenden Mutter im Ghetto der kalifornischen Stadt Inglewood nahe Los Angeles aufwächst. Er steht auf 90er-Jahre-Hip-Hop und -Konsolenspiele, spielt mit seinen Freunden Jib und Diggy in einer Punkband und versucht ansonsten den allgegenwärtigen Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Gangs so gut es geht aus dem Weg zu gehen. Dies ändert sich jedoch, als er die attraktive Nakia kennenlernt. Die ist nämlich die Freundin des Drogendealers Dom. Um bei ihr zu landen, versucht sich Malcolm mit Dom gut zu stellen und geht mit Jib und Diggy auf eine von dessen Parties. Dummerweise wird die von der Polizei aufgelöst und Dom dabei festgenommen. Allerdings konnte der zuvor sein Ecstasy in Malcolms Rucksack verstecken. Dieser kann den Abnehmer der Drogen, einen seriös auftretenden Mann mit dem Pseudonym AJ, zwar ausfindig machen, allerdings handelt es sich dabei um denselben Mann, der Malcolms Bewerbung für Harvard beurteilen soll. Und AJ weist sämtliche Verantwortung von sich und verlangt von Malcolm, das Ecstasy zu verkaufen, wenn er seinen Studienplatz an der Eliteuni bekommen will. Gezwungenermaßen zieht Malcolm mit Jib und Diggy einen Online-Drogenversand aus der Taufe, der über Bitcoins abgewickelt wird. Dabei müssen sie jedoch ständig darauf achten, nicht ins Visier von Doms Konkurrenten oder der Polizei zu geraten. Malcolm, der gleichzeitig immer noch versucht, Nakia von sich zu überzeugen, erlebt so die aufregendste Zeit seines Lebens.

                              Rick Famuyiwas vierter Film ist eine eindeutige Hommage an die 90er Jahre. Denn nicht nur die Musik aus diesem Jahrzehnt, sondern auch der Kleidungsstil, die Frisuren und die Popkultur dieser Zeit spielen in "Dope" eine große Rolle. Zusammen mit Jonah Hills drei Jahre später in den Kinos gestartetem "Mid90s" kann man ihn so zur beginnenden 90er-Nostalgie im Mainstreamkino zählen. Zwar sind die 80er Jahre in der Popkultur momentan immer noch sehr präsent - wie die nach wie vor sehr erfolgreiche Serie "Stranger Things" oder "Wonder Woman 1984" zeigen - allerdings scheint sich langsam eine Verschiebung hin zu einer verstärkten Rezeption der folgenden Dekade zu vollziehen. Was wohl auch mit einem Generationswechsel zusammenhängt, der sich, grob geschätzt, im Zeitraum von 20 bis 30 Jahren zu vollziehen scheint. Schließlich bezogen sich die Filme der 80er Jahre ihrerseits sehr stark auf die 50er und 60er. Denn ihre Regisseure wuchsen in diesen beiden Dekaden auf. Soviel zur soziologischen Betrachtungsweise.

                              Jedenfalls zeigen die Protagonisten des Films durch ihren Vintage-Kleidungsstil, ihre Liebe zum 90er-Jahre-Hip-Hop und ihren Sprachgebrauch eine deutliche Liebe zu diesem vergangenen Jahrzehnt, in dem die Welt noch unkomplizierter erschien. Auch in seiner Inszenierung greift Rick Famuyiwa auf bevorzugte stilistische Mittel und Erzähltechniken dieser Ära zurück. Eine gewisse Tarantino-Inspiration ist beispielsweise unverkennbar. Eine Geschichte mit vielen Wendungen (wenn auch bei weitem nicht so verschachtelt erzählt wie in "Pulp Fiction"), Charaktere, die sich ständig popkulturelle Anspielungen um die Ohren hauen und zahlreiche inszenatorische Tricks wie Split-Screens, Zeitlupen oder Rückspuleffekte verweisen deutlich auf die frühen Filme des Meisters des Remix-Kinos und dessen Zeitgenossen wie Kevin Smith oder Guy Ritchie. Auch manche Plot-Points werden dabei übernommen, wie beispielsweise, dass eine weibliche Bekanntschaft des Protagonisten in einem unbeobachteten Moment eine Überdosis von Drogen nimmt, die dieser bei sich hat, und dadurch chaotische Verwicklungen auslöst.

                              Rick Famuyiwa widmet sich dem Ganzen dabei, wie schon in seinen vorherigen Filmen "The Wood", "Brown Sugar" und "Our Family Wedding", aus einer afroamerikanischen Perspektive. Dabei scheinen auch Filme über Jugendliche aus dem Ghetto wie John Singletons "Boyz n the Hood" und "Juice" von Ernest Dickerson Pate gestanden zu haben. "Dope" spielt im selben Milieu, allerdings sind die Hauptfiguren hier nicht gewaltbereite Gangmitglieder, sondern unscheinbare Nerds, die versuchen, einfach nur möglichst unbehelligt ihren Alltag zu meistern. Damit entsprechen sie nicht den typischen Klischees und holen eine sonst eher unterrepräsentierte Subkultur ins Rampenlicht.

                              Der gut aufgelegte, talentierte Cast verleiht den Charakteren dabei Glaubwürdigkeit und Identifikationspotenzial. Der bis dato unbekannte Shameik Moore, der später Hauptrollen in der Serie "The Get Down" und dem Animationsfilm "Spider-Man: A New Universe" übernahm, zeigt als intelligenter, aber unsicherer Malcolm eine sehr facettenreiche Darstellung und zieht sofort die Sympathie der Zuschauer auf sich. Mit seinem Bürstenschnitt und seinen farbenfrohen Outfits ist er dazu auch noch optisch unverwechselbar. Von ihm wird man sicher in den kommenden Jahren noch viel zu sehen bekommen. Der tolle Tony Revolori ("Grand Budapest Hotel") als schüchterner Jib und die vielseitige Kiersey Clemons (bekannt u.a. aus den Serien "Transparent", "Extant" und "Eye Candy" und Filmen wie "Sweetheart" oder "Hearts Beat Loud"), die hier ihr Spielfilmdebüt gab, als androgyne, lesbische Diggy sind ebenso liebenswert. Die erfahrene Kimberly Elise (Denzel Washingtons Leinwandpartnerin in "John Q" und "Der Manchurian Kandidat") verkörpert Malcolms verständnisvolle Mutter, die als Busfahrerin arbeitet, und Roger Guenveur Smith, der häufig mit Spike Lee zusammenarbeitete, gibt den zwielichtigen Geschäftsmann und Drogendealer AJ, welcher Malcolm erpresst. Als Love-Interest des Helden, die schlagfertige Nakia, ist Zoë Kravitz, die zu diesem Zeitpunkt schon ihren Durchbruch mit "X-Men: First Class" und "Die Bestimmung - Divergent" hatte, in einer ihrer coolsten Rollen zu sehen. Deren Freund, der unberechenbare, aber auch kumpelhaft wirkende Dom, wird vom Rapper A$AP Rocky verkörpert und Topmodel Chanel Iman spielt die verführerische, aber durchgeknallte Tochter AJs, die im Drogenrausch das erwähnte Chaos auslöst. Für beide war das ihr erster Filmauftritt und sie meistern diese Parts ganz ordentlich. Iman ist sogar für die witzigste Szene des Films verantwortlich. In einer weiteren amüsanten Rolle tritt Comedian Blake Anderson (bekannt aus der Serie "Workaholics") als technisch bewanderter Hippie und Verschwörungstheoretiker auf, der die drei Helden des Films beim Aufbau ihres Drogenversands unterstützt. Kleinere Parts haben noch der 2016 verstorbene Ricky Harris (u.a. "Poetic Justice", "Heat", "Hard Rain"), LaKeith Stanfield ("Straight Outta Compton", "Get Out") und mit Tyga ein weiterer bekannter Rapper. Außerdem wirkte auch noch kein Geringerer als Forest Whitaker, der den Film auch selbst produzierte, als Erzähler mit, der die Hauptfiguren zu Beginn vorstellt und die Handlung immer wieder ironisch aus dem Off kommentiert.

                              Der Soundtrack des Films verdient natürlich noch eine gesonderte Erwähnung, denn da die Hip-Hop-Musik der 90er Jahre eine große Rolle für die Hauptfigur spielt, ist sie im Film allgegenwärtig. Zu hören sind Lieder von mehreren bekannten Künstlern und Gruppen des Genres wie Public Enemy, Nas, Digital Underground, A Tribe Called Quest, Naughty By Nature und Digable Planets. Die flotten Songs bringen auf jeden Fall Tempo in den Film und machen viel Laune, auch bei Leuten, die für die Musikrichtung weniger übrig haben (wie bei mir zum Beispiel). Zusammengestellt wurde der Soundtrack übrigens von keinem Geringeren als Pharrell Williams, der zusammen mit "Puff Daddy" Sean Combs ebenfalls als Produzent von "Dope" fungierte.

                              Die energiegeladene Inszenierung, unterstützt durch die rastlose Kamera von der talentierten Rachel Morrison ("Cake", "Fruitvale Station", "Black Panther"), einer der wenigen Frauen in dieser Position, und die, wie erwähnt, experimentierfreudige Montage von Lee Haugen ("Die versunkene Stadt Z", "Ad Astra"), der übrigens für seine Arbeit auf dem Sundance-Festival ausgezeichnet wurde, lassen über die gesamte Laufzeit keine Langeweile aufkommen. Eine fetzige Montage im Musikvideo-Stil, bei der man den Hauptcharakter an verschiedenen Orten in seiner Heimatstadt tanzen sieht, sorgt zum Schluss dann noch für beste Laune.

                              "Dope" ist so insgesamt ein unterhaltsamer Coming-of-Age-Film, der als Mischung aus Komödie, Drama und Thriller daherkommt. Mal spannend, mal witzig, mal traurig, aber immer mit dem Herz am rechten Fleck. Und erfrischend hinsichtlich seines Brechens von Rollenklischees. Die Geschichte ist natürlich nicht unbedingt originell und auch gelegentlich unglaubwürdig, aber als Liebeserklärung an ein vergangenes Jahrzehnt (an das ich mich selbst, wenn auch nicht komplett bewusst, sehr gern zurückerinnere) ist "Dope" ein sehr sympathisches Werk, das man sich auch gerne mehrmals ansieht. Absolut dope, eben. :D

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                                Gabe666 22.08.2021, 22:58 Geändert 22.08.2021, 23:08

                                "Good Kill" ist ein unbequemer Film über den amerikanischen Drohnenkrieg im Nahen Osten und Afrika. Inszeniert und geschrieben wurde er vom für sozialkritische Werke bekannten Autorenfilmer Andrew Niccol, dem Autor von "Die Truman Show" und Schöpfer von "Gattaca" und "Lord Of War", der sich hiermit, nach den beiden massentauglichen Produktionen "In Time" und "Seelen" wieder einem persönlicheren Projekt zuwandte. Dabei arbeitete er zum dritten Mal mit Ethan Hawke zusammen. Dieser verkörpert in "Good Kill" den ehemaligen Kampfflieger Tommy Egans, der auf einem Stützpunkt in der Nähe von Las Vegas Flugdrohnen für Attentate oder Überwachungsmissionen steuert.

                                Die Vorteile an dieser Art des Kriegseinsatzes sind für ihn, dass er als Drohnenpilot keinerlei körperlicher Gefahr ausgesetzt ist und nicht allzu weit von seiner Familie entfernt arbeiten muss. Allerdings zehren sein eintöniger Berufsalltag, die Isolation durch seinen abgelegenen Arbeitsplatz (einen engen Container) und vor allem die Folgen der Verwüstung, die er bei seinen Abschüssen anrichtet, immer mehr an Egans Nerven. Erst recht, als er und seine Copiloten nun Aufträge von der CIA erhalten, die weitaus mehr zivile Opfer als zuvor fordern und deren Sinn sich dem Team nicht erschließt. Egan flüchtet sich in Alkoholismus, um seine Gewissensbisse und seine Frustration zu betäuben, riskiert damit jedoch seine Ehe und seinen Beruf.

                                Für die Rolle des verbitterten Piloten konnte man wirklich kaum einen besseren Darsteller als Hawke finden. Sein typisches zurückhaltendes Schauspiel lässt den frustrierten Familienvater, der seine Selbstzweifel hinter einer aufgesetzten Coolness und Abgeklärtheit versteckt, als dreidimensionalen und immer glaubwürdigen Charakter erscheinen. Hawke dominiert den Film, aber die restliche Besetzung braucht sich definitiv nicht hinter ihm zu verstecken. Als Egans verständnislose Ehefrau, die unter seinen Launen und seiner Distanziertheit leidet, ist January Jones ("Unknown Identity", "X-Men: First Class") zu sehen, die nach ihren sonstigen eher überzeichneten Figuren zeigt, dass sie auch in einer realistischen Rolle überzeugen kann. Der erfahrene Charakterdarsteller Bruce Greenwood als Egans Vorgesetzter, Lt. Col. Jack Johns, strahlt Autorität aus und verleiht seiner Figur, die als altgedienter Soldat zwar Befehle ohne zu zögern ausführt, aber ebenfalls von Zweifeln und Resignation geplagt wird, gleichzeitig Menschlichkeit. Der aus den "Percy Jackson"-Filmen bekannte Jake Abel, den Niccol schon in seiner Stephenie-Meyer-Verfilmung "Seelen" besetzt hatte, zeigt als sarkastischer Drohnenkoordinator Joe Zimmer, der Egan zugeteilt ist, dass er auch für Rollen abseits klischeehafter Teenie-Blockbuster geeignet ist. Nur über seine Stimme ist Altstar Peter Coyote präsent, der den undurchsichtigen CIA-Auftraggeber vertont. Und schließlich ist noch die tolle Zoë Kravitz als attraktive Copilotin Vera Suarez dabei, die anfangs noch naiv an ihre Aufträge herangeht, von den Verheerungen bei den Bombardierungen und den fragwürdigen Befehlen jedoch zunehmend angewidert ist und als einzige den Sinn der Einsätze offen in Frage stellt.

                                Neben dem Cast liefert auch die Crew hinter den Kulissen eine hervorragende Arbeit ab. Amir Mokri, ein erfahrener Kameramann, mit dem Niccol schon bei "Lord Of War" zusammenarbeitete, fängt die trostlose Eintönigkeit von Tommy Egans Einsatzort und der umgebenden Wüste in nüchternen, entsättigten Bildern ein. Von besonderer Bedeutung sind die grobkörnigen Drohnenaufnahmen, allesamt Totalen aus der Vogelperspektive, bei denen sich kaum Einzelheiten ausmachen lassen, die das gefilmte Grauen aber auf umso intensivere Weise vermitteln. Die Bombenabwürfe werden nicht hollywoodtypisch mit viel Getöse und Feuerbällen inszeniert, stattdessen gibt es nur einen kühl registrierenden Blick aus der Entfernung. Eine gewaltige Rauch- und Staubwolke erscheint jedes Mal auf dem Bildschirm, dann bietet sich der Blick auf eine rußgeschwärzte Ebene mit lauter herumliegenden Trümmern und abgetrennten Körperteilen. Actionfans werden hier definitiv nicht bedient, stattdessen bekommt man einen Eindruck davon, wie distanziert und unwirklich das Geschehen auf die Drohnenpiloten wirken muss. Da es auf den Aufnahmen zuvor an den jeweiligen Orten meist vor Menschen nur so wimmelte, werden die Männer und Frauen in der Armeebasis allerdings nicht vor Schuldgefühlen bewahrt. Es ist ihnen durchaus bewusst, dass sie zahlreiche Leben auslöschen, sie können dies nur, anders als im direkten Kriegseinsatz, kaum wirklich am eigenen Leib spüren. Und stumpfen dadurch immer mehr ab.

                                Die physische Gewalt wird in diesem Film so kaum explizit bebildert. Gerade dadruch wirkt sie jedoch umso unangenehmer. Besonders deutlich ist dies bei mehreren Szenen, in denen die Piloten bei Routineflügen das Haus einer afghanischen Frau beobachten, die von einem Taliban fortgesetzt vergewaltigt wird. Die unfreiwilligen Voyeure können nichts dagegen unternehmen, da sie keinen Befehl zum Eingreifen erhielten. Es bleibt ihnen nur, mit Zynismus darauf zu reagieren.

                                Joe Zimmer: "Was für ein Mistkerl. Aber leider nicht unser Mistkerl."

                                Zach Staenberg, Stammcutter der Wachowski-Geschwister, mit dem Niccol auch schon bei "Lord Of War" zusammengearbeitet hatte, fügt die Drohnen- und Schauspieleraufnahmen geschickt zu einem funktionierenden Ganzen zusammen. Der unaufdringliche Score des vielbeschäftigten Komponisten Christophe Beck, welcher hauptsächlich auf langgezogene Gitarren- und Keyboardklänge setzt, unterstreicht die bedrückende Stimmung.

                                Es ist Andrew Niccol auf jeden Fall hoch anzurechnen, dass er hier nicht versucht, eine Botschaft mit dem Holzhammer zu transportieren. Zwar ist schon eine eindeutige Kritik an fragwürdigen militärischen und Geheimdienst-Vorgehensweisen auszumachen. Wie beispielsweise, dass nicht nur vermeintliche Terroristen, sondern anschließend auch die zum Ort des Raketeneinschlags eilenden Helfer und später sogar trauernde Gäste bei Beerdigungen der Getöteten bombardiert werden. Während umgekehrt in erwähnte, offen zutage tretende Gewaltausbrüche gegen wehrlose Opfer nicht eingegriffen werden darf, weil diese keine Priorität haben. Die kalte Logik der Befehlshaber, welche sich den Soldaten nicht erschließt, wird hier auch für die Zuschauer als menschenverachtend bloßgelegt. Allerdings lässt einem der Film zum Schluss die Wahl zwischen unterschiedlichen Positionen, ob der Drohneneinsatz als solcher gerechtfertigt ist oder nicht.

                                Die Charaktere Zimmer und Suarez stehen dabei für gegensätzliche Auffassungen. Während Joe Zimmer der Meinung ist, dass die Taliban und andere Extremisten schlichtweg Feinde sind, welche ausgelöscht werden müssen, wozu jedes Mittel erlaubt ist, bringt Vera Suarez den berechtigten Einwand vor, dass die USA durch ihre Bombenabwürfe praktisch selbst das ideale Rekrutierungsorgan für die feindlichen Fanatiker sind, weil durch die zahlreichen Kollateralschäden und das verursachte Leid der Hass der Überlebenden geschürt und damit noch mehr Menschen in die Arme der Islamisten getrieben werden. Tommy Egan positioniert sich zwischen diesen beiden Polen und schwankt unentschieden hin und her. Sein Vorgesetzter Jack Johns stellt sich diese Fragen hingegen schon längst nicht mehr.

                                Jack Johns: "Fragen Sie mich nicht, ob dieser Krieg noch gerecht ist. Wir haben das nicht zu entscheiden. Für uns ist das nur ein Krieg."

                                Freilich stellt "Good Kill" nicht den Sinn des "Kriegs gegen den Terror" an sich in Frage. Und auch wenn die zivilen Oper der Drohneneinsätze betont werden, so stehen doch die psychischen Auswirkungen auf die amerikanischen Piloten im Mittelpunkt. Aber schließlich ist das hier immer noch ein Hollywoodfilm. Eine richtig beißende Kritik am Militär wäre da wohl auch gar nicht möglich gewesen.

                                Was man "Good Kill" noch vorwerfen könnte, ist, dass die Hauptfigur aufgrund ihrer recht hohen Stellung im gesamten Film keine richtigen Konsequenzen für ihr Handeln zu spüren bekommt. Als Tommy Egan beispielsweise betrunken am Steuer seines Wagens angehalten wird, drückt der diensthabende Polizist noch mal ein Auge zu, da er selbst Armeeveteran ist. Mir stellte sich da zwangsläufig die Frage: hätte er das auch gemacht, wenn Tommy schwarz wäre? Oder nicht als Soldat beschäftigt?

                                Auch stört das - ACHTUNG SPOILER! - inkonsequente Ende, bei dem der Protagonist eigenmächtig handelt und dadurch beinahe ein unschuldiges Leben auslöscht - aber eben nur beinahe. So bleibt zum Schluss doch noch ein gutes Gefühl für die Zuschauer zurück. Wesentlich nachhaltiger wäre ein niederschmetterndes Finale gewesen, in dem die Hauptfigur die Folgen ihres Tuns aufgezeigt bekommen hätte.

                                Dennoch: insgesamt ist das hier ein wichtiges Werk über ein brisantes Thema, das durch seine ambivalente Inszenierung zum Nachdenken und Diskutieren einlädt und dazu mit hervorragenden Schauspielleistungen glänzt. Leider floppte es an den Kinokassen. Aber wenn Niccol nur ein paar Leute dazu gebracht hat, sich über den amerikanischen Drohneneinsatz Gedanken zu machen und sich vielleicht sogar dagegen zu engagieren, hat er schon viel erreicht.

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                                  "Bound" ist das beachtliche Regiedebüt der Wachowski-Geschwister Lana und Lily (damals noch Larry und Andy), die sich mit diesem queeren Neo-Noir-Thriller einen Namen in Hollywood machen und dadurch ihr wohl bekanntestes Werk "Matrix" in Angriff nehmen konnten. Dass sie schon bei ihrem niedrig budgetierten Erstling weitgehend freie Hand als Regisseure hatten, mag rückblickend erstaunen, tatsächlich waren sie aber schon zu diesem Zeitpunkt nicht ganz unbekannt. Zuvor hatten sie Comics zu Clive Barkers berühmten surrealen Horrorfilmen "Hellraiser" und "Nightbreed" verfasst und ihr ursprüngliches Skript zu "Assassins - Die Killer" galt in den frühen 90er Jahren als eines der am heißesten gehandelten Drehbücher in Hollywood. Mit Richard Donners Verfilmung, für die es von Brian Helgeland stark umgeschrieben wurde, zeigten sich die beiden allerdings sehr unzufrieden, weshalb sie beschlossen, bei ihrem nächsten Projekt selbst Regie zu führen. Da sich die Geschichte von "Bound" um eine Liebesbeziehung zwischen zwei starken Frauen dreht, was in der damaligen Zeit noch ein völliges Novum im Thrillergenre darstellte, hatten sie jedoch Schwierigkeiten, ihr Projekt an den Mann zu bringen. Jeder Produzent, an den sie sich wandten, verlangte, dass das Geschlecht einer der Heldinnen geändert werden müsse, was für die Wachowskis inakzeptabel war. Der altgediente Dino de Laurentiis, welcher auch "Assassins" produziert hatte, sollte ihnen schließlich ihr Regiedebüt ermöglichen, denn er war nicht nur vom Konzept sehr angetan, sondern vertraute auch in die Fähigkeiten der beiden und sicherte ihnen völlige künstlerische Freiheit zu.

                                  Hauptfiguren in „Bound“ sind die Gangsterbraut Violet und die frisch aus dem Gefängnis entlassene Diebin Corky, welche in benachbarten Appartements in einem Nobelhaus wohnen. Beide sehnen sich danach, aus ihren beengten Lebensverhältnissen zu entkommen. Corky, die als Klempnerin und Streicherin für den kriminellen Hausbesitzer arbeitet, wünscht sich finanzielle Unabhängigkeit. Violet, die sich im Gegensatz zu ihr kaufen kann, was sie will, aber von ihrem Partner Caesar abhängig ist, sehnt sich danach, aus ihrem goldenen Käfig zu entkommen. Nach einer eher zufälligen ersten Begegnung, bei der die beiden Interesse aneinander entwickeln, kommt es bald zu weiteren Treffen, bei denen Corky und Violet immer mehr von sich preisgeben, zunehmend mehr füreinander empfinden und schließlich miteinander schlafen. Als Caesar, der als Geldwäscher für die Mafia arbeitet, für den ansässigen Boss Gino Marzzone kurzfristig über zwei Millionen Dollar aufbewahren soll, entwickeln die beiden Frauen einen Plan, ihm das Geld abzuluchsen und ihn glauben zu lassen, der impulsive Sohn Ginos, Johnnie, wäre dafür verantwortlich. Sie spekulieren darauf, dass Caesar daraufhin die Flucht ergreifen wird. Jedoch unterschätzen sie Caesar, der die Konfrontation mit Johnnie sucht und überraschenderweise diesen, dessen Vater und den ebenfalls anwesenden Leibwächter Ginos ins Jenseits befördert. Nun ist guter Rat teuer...

                                  Als Inspiration für „Bound“ dienten den beiden Wachowskis die Film Noirs Billy Wilders und Frank Millers bahnbrechende „Sin City“-Comics, deren Verfilmung damals noch in den Sternen stand. Und in visueller Hinsicht sind diese Einflüsse unverkennbar. Extreme Licht-Schatten-Kontraste, verkantete Perspektiven, häufige Close-Ups und ungewöhnliche Einstellungen bestimmen die Bildgebung des Films. Die beeindruckende, durchstilisierte optische Gestaltung ist vor allem auch dem Director of Photography Bill Pope zu verdanken, der zuvor mit seiner entfesselten Kamera Sam Raimis „Darkman“ und „Armee der Finsternis“ zu viel Originalität verholfen hatte und anschließend die atemberaubenden Bullet-Time-Sequenzen in der „Matrix“-Trilogie auf die Leinwand bannen sollte. Auch in „Bound“, der im Gegensatz zu diesen Spektakeln eher als Kammerspiel daherkommt, da er größtenteils nur in einem Gebäude spielt, zeigt er sein Gespür für originelle visuelle Spielereien. Besonders hervorzuheben sind hier zwei Sequenzen: die verwackelte Steadycam-Einstellung in der Szene, in der Caesar feststellen muss, dass das Geld verschwunden ist, welche glaubwürdig dessen Bestürzung vermittelt. Und die Sexszene zwischen den beiden Hauptfiguren, welche als elegante Plansequenz realisiert wurde, bei der die Kamera einmal um die Darstellerinnen herumfährt.

                                  Nicht nur in optischer, sondern auch in akustischer Hinsicht ist „Bound“ bemerkenswert. Die unheilvolle Orchestermusik mit dominanten Bläsern und einem simplen, aber Gänsehaut erzeugenden Klavierakkord wurde von Don Davis komponiert, einem Meister seines Fachs, mit dem die Wachowskis ebenfalls bei ihrer „Matrix“-Trilogie erneut zusammenarbeiten sollten. Einige Themen aus „Bound“ wurden dabei wohl auch in veränderten Versionen für selbige Filme übernommen, denn eine gewisse Ähnlichkeit ist an manchen Stellen unverkennbar. Übrigens ist auch die cool gestaltete Titelsequenz mit einer extrem nahen Kamerafahrt um den Schriftzug des Filmtitels, welche an den Vorspann von Tim Burtons „Batman“ erinnert, dank Don Davis entstanden. Von den Wachowskis war sie nämlich ursprünglich nicht geplant gewesen und wurde erst auf Bitten von Davis hinzugefügt, da diesem das eigentlich vorgesehene Intro zu kurz war, um ein dazu passendes Musikthema zu komponieren.

                                  Besonders beim clever ausgetüftelten Drehbuch zeigt sich das Talent der Wachowski-Geschwister, eine originelle und packende Geschichte zu erzählen, unterstützt von der Montage Zach Staenbergs, der ebenfalls auch bei ihren folgenden Projekten (neben den „Matrix“-Filmen auch „Speed Racer“) für sie zuständig war. Nach dem erwähnten Intro beginnt der Film mit einer Kamerafahrt im Halbdunkel durch einen Kleiderschrank, während auf der Tonspur Gesprächsfetzen von später im Film gezeigten Dialogen zu hören sind, bis schließlich die auf dem Boden liegende Corky zu sehen ist, die – passend zum Filmtitel – gefesselt und geknebelt ist und gerade aus der Bewusstlosigkeit erwacht. Der größte Teil der Haupthandlung wird nun als Rückblende gezeigt, in der sie sie rekapituliert, wie sie in diese missliche Lage geraten konnte. In einer besonders interessant gestalteten Parallelmontage wird dabei von der Szene, in der die beiden Frauen ihren Coup austüfteln, zwischen der späteren Ausführung desselben ständig hin- und hergeschnitten. In der von den Themen Vertrauen, Verführung, Täuschung und Verrat geprägten Geschichte ist, zumindest bis kurz vor Zusammenführung der beiden Zeitebenen, für das Publikum nicht ersichtlich, ob Corky möglicherweise von Violet hintergangen wurde.

                                  Corky: „Für mich war Stehlen immer wie Sex. Zwei Leute wollen dasselbe. Sie kommen in einen Raum, reden darüber, machen einen Plan. Es ist wie ein Flirt. Es ist wie... Vorspiel, denn je länger sie darüber reden, desto feuchter werden sie. Der einzige Unterschied ist, ich kann jemanden ficken, den ich nicht kenne. Aber stehlen? Dazu muss ich die Person so gut kennen wie mich selbst.“

                                  Aber auch nach der Auflösung bleibt der Film bis zum Showdown spannend, denn man bekommt danach weitere packend inszenierte Dialog- und Actionszenen geboten. Dass man mit den Charakteren mitfühlen kann und sie bis zum Schluss glaubwürdig bleiben, ist natürlich dem hervorragenden Cast zu verdanken. Denn alle Akteure und Aktricen meistern ihre Rollen mit Bravour. Allen voran das Leinwandpaar Jennifer Tilly und Gina Gershon. Tilly sprach dabei zuerst für die Rolle der Corky vor, da sie sich so von ihren klischeehaften Rollen in vorhergehenden Werken lösen wollte. Letztlich war es aber die damals vor allem aus „Red Heat“ und „Showgirls“ bekannte Gershon, welche den Zuschlag erhalten sollte, nachdem die ursprünglich für Violet vorgesehene Linda Hamilton und Rosanna Arquette, der man diese Rolle danach anbot, abgesagt hatten. Tilly räumte ein, dass Gershon besser für den Part der Corky passte und konnte als mädchenhaft wirkende, aber hinter ihrer harmlosen Erscheinung berechnend manipulativ agierende Violet doch noch eine für ihr damaliges Image ungewöhnliche Figur spielen. Gershon, die sich bei ihrer Darbietung an James Dean und den Leinwandveteranen Marlon Brando und Clint Eastwood in deren jungen Jahren orientiert hatte, liefert daneben als androgyne, draufgängerische Corky eine der besten Leistungen ihrer Karriere ab.

                                  Gina Gershon war es auch, die den bis dato hauptsächlich in kleineren Nebenrollen (u.a. in „Die Goonies“ und „Bad Boys“) aufgetretenen Joe Pantoliano für die Rolle des Caesar empfahl. Als verzweifelter und unberechenbarer Hauptbösewicht des Films zieht er hier alle Register seines Könnens. Pantoliano, dessen Figur nach Humphrey Bogarts Rolle im Westernklassiker „Der Schatz der Sierra Madre“ gestaltet war, bezeichnete seinen Part in „Bound“ später als seine Lieblingsrolle. Von den Wachowskis sollte er in "Matrix" später in der Rolle des zwielichtigen Cypher besetzt werden. Christopher Meloni, heute den meisten durch seine Rolle als Detective Elliot Stabler aus „Law & Order: Special Victims Unit“ bekannt, der seinerseits von Pantoliano empfohlen worden war, ist als narzisstischer und brutaler Johnnie Marzzone ebenfalls geradezu beängstigend überzeugend. Als dessen Vater, der geradezu übersteigert klischeehaft gezeichnete Mafiapate Gino, agiert der altgediente Regisseur und Darsteller Richard C. Sarafian („Fluchtpunkt San Francisco“) in seiner letzten Rolle. Zuvor hatte er ähnliche Figuren in den Mafiafilmen „Bugsy“ von Barry Levinson und „Der Untergang der Cosa Nostra“ dargestellt. Ebenfalls in seinem letzten Leinwandauftritt ist der 2007 verstorbene Charakterdarsteller John P. Ryan (u.a. „Futureworld“, „Die Wiege des Bösen“, „Wenn der Postmann zweimal klingelt“) zu sehen. Er verkörpert den gnadenlosen, sich gegenüber Violet aber mitfühlend gebenden, Mafia-Handlanger Mickey, der im Gegensatz zu Pantolianos und Melonis Figuren eher zurückhaltend auftritt, dabei jedoch am bedrohlichsten wirkt.

                                  Einen Kurzauftritt hat zudem die bisexuelle feministische Journalistin und Autorin Susie Bright, welche von den Wachowskis, die begeisterte Leser ihrer Bücher und Artikel waren, als Beraterin hinzugezogen worden war. Sie choreografierte die Sexszene zwischen Tilly und Gershon und sorgte dafür, dass über den ganzen Film immer wieder homoerotische Andeutungen verteilt wurden. Bright, die eine aufreizend gekleidete Frau spielt, die in einer Lesbenbar von Corky angesprochen wird, konnte außerdem mehrere ihrer Freundinnen dazu gewinnen, in der betreffenden Szene als Statistinnen aufzutreten. Darunter die Komikerin Margaret Smith, die als Polizistin auftritt, welche das Intermezzo der beiden stört.

                                  Der angesprochene homoerotische Subtext macht „Bound“ ebenfalls zu etwas besonderem. Sei es die Symbolik des Wassers als Zeichen für Weiblichkeit, zweideutige Äußerungen in Dialogen oder häufige Close-Ups von Händen als Synonym für das Geschlechtsteil im lesbischen Liebesspiel – abseits der eindeutigen Sexszene sind immer wieder Andeutungen anzutreffen. Die homosexuelle Liebesgeschichte ist dabei aber nicht der Hauptfokus der Geschichte, sondern dient als Unterbau für die raffinierte Thrillerhandlung. Dies macht „Bound“ auch heute noch zu einem der fortschrittlichsten Genrebeiträge, was die Repräsentation sexueller Minderheiten und starker Frauenfiguren betrifft.

                                  Daneben bietet das Debüt der Wachowskis noch eine kaum explizite, dafür ziemlich verstörende Folterszene, bei der Ryans Charakter eine Heckenschere einsetzt, einen energiegeladenen Showdown und einige flotte Soul- und R&B-Songs von den Genregrößen Ray Charles, Aretha Franklin und Tom Jones auf dem Soundtrack. „Bound“ ist so ein fesselnder (^^) postmoderner Thriller, der zu seinem Erscheinen vor allem mit den Frühwerken der Coen-Brüder und Bryan Singers „Die Üblichen Verdächtigen“ verglichen wurde, sich aber auf seine ganz eigene Weise von diesen (ebenfalls meisterhaften) Filmen abhebt. Heute wirkt er noch genauso frisch wie zu seiner Entstehungszeit. Nicht nur für die sehenswert, die wissen wollen, wie die „Matrix“-Schöpfer mal angefangen haben.

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                                    Was für eine Masse an verschwendetem Potenzial!

                                    "She's Just A Shadow" ist der vierte Film des amerikanischen Regisseurs und Produzenten Adam Sherman, der vielleicht für die beiden Jugenddramen "Happiness Runs" (mit u.a. Rutger Hauer und Andie MacDowell) und "Crazy Eyes" bekannt sein könnte. Mit "She's Just A Shadow" wollte er danach anscheinend seinen eigenen Tarantino-Film drehen. Zumindest lassen sich Gemeinsamkeiten zu dessen "Kill Bill"-Phase nicht absprechen: Bilder in grellen Farben, häufige Close-Ups, Schwenks und Kamerafahrten, auf cool getrimmte Dialoge voller Anspielungen und massig herumspritzendes Kunstblut. Vor allem von letzterem bekommt man viel geboten. Ja, "She's Just A Shadow" ist ein sehr brutaler Film. Aber hat er sonst noch etwas zu bieten?

                                    Die Handlung dreht sich um eine Yakuza-Clanchefin in Tokio, die ihre Vormachtstellung im Rotlichtmilieu behaupten will. Ärger machen ihr dabei nicht nur rivalisierende Gangs, sondern auch ein perverser Mörder mit Bondage-Fetisch, der seine jungen weiblichen Opfer auf ausgefallene Art an Bahngleise fesselt. Und nebenbei folgt man noch einem der Zuhälter des Clans, einem Drogensüchtigen, der in zwei Prostituierte verliebt ist und mit dem Gedanken spielt, auszusteigen und eines der Mädchen mitzunehmen.

                                    Was Material für einen spannenden Gangsterthriller geboten hätte, verkommt in den Händen Shermans jedoch zu einem unfassbar zähen und geschwätzigen Drama, dem es an Tempo und - vor allem! - einer erkennbaren Spannungskurve fehlt. Im Grunde werden hier nur einzelne Episoden aneinander gereiht, ohne dass der Plot dabei in Fahrt kommen würde. In endlosen pseudotiefsinnigen Mono- und Dialogen beschreiben die Charaktere ihre Situation und ihre Weltsicht, während sie ihrem Tagewerk nachgehen. Zwischendurch taucht dann mal der Mörder auf und bringt ein paar der Prostituierten um - welche übrigens völlig verblödet sind, denn als sie Handy-Nachrichten von einer ihrer toten Freundinnen bekommen, gehen sie tatsächlich davon aus, dass deren Geist ihnen schreibt und kommen nicht auf die einfache und naheliegendste Erklärung, dass der Mörder das Handy besitzt. Sonderlich intelligent sind die restlichen Mitglieder des Clans allerdings auch nicht: so können sie den Serienkiller recht schnell ausfindig machen, da er im Gebäude direkt gegenüber von ihrem Hauptquartier wohnt - aber anstatt ihn sich gleich zu schnappen und sich an ihm zu rächen, beschließt man, erst mal nichts zu unternehmen, wodurch es ihm ermöglicht wird, noch mehr Opfer in die Finger zu kriegen.

                                    Wobei das Schicksal der Figuren einem egaler nicht sein könnte. Die Charaktere sind uninteressant und unsympathisch. Kaum jemand eignet sich hier wirklich als Identifikationsfigur. Weder die rücksichtslose Clanchefin noch der kaputte Junkie-Zuhälter, die beide die Handlung aus dem Off kommentieren und dabei inhaltslose Sätze wie diesen von sich geben:
                                    "Frauen sind im Grunde nur Schatten. Aber andererseits, ist das nicht jeder?"

                                    Auch die anderen Figuren, auf die sich die Handlung konzentriert, darunter der brutale Partner und Geliebte der Chefin, zwei junge Prostituierte, der afroamerikanische Bodyguard des Clans und der "Schienenmörder", sind einfach zu platt charakterisiert, als dass man sich darum kümmern würde, was mit ihnen passiert. Durch die grottenschlechte deutsche Synchro mit völlig lustlos vortragenden Sprechern kann hier erst recht keiner Eindruck machen.

                                    Immerhin geben sich die Schauspieler einigermaßen Mühe, wobei sie aus dem dürftigen Material, das ihnen das Drehbuch gibt, leider nicht viel machen können. Der Cast setzt sich dabei, obwohl der Film in Tokio spielt, hauptsächlich aus Amerikanern und Briten zusammen. Eine Ausnahme und bekanntester Name in der Besetzung ist Tao Okamoto ("Wolverine: Weg des Kriegers", "Batman v Superman"), die hier ihre erste richtige Hauptrolle spielen durfte und als toughe Clanchefin viel Charisma ausstrahlt. Die Britin Haruka Abe, einigen sicher bekannt aus "47 Ronin" und der Miniserie "Kiss Me First", kann als drogensüchtige Prostituierte auch noch einige Akzente setzen. Der Rest bleibt eher unscheinbar, es versagt aber auch niemand auf ganzer Linie.

                                    Was man "She's Just A Shadow" noch zugute halten kann, ist, dass er toll fotografiert wurde. Elegante Aufnahmen des nächtlichen Tokio und sehr stilisierte Sex-, Party- und Orgienszenen in leuchtenden Primärfarben bieten ordentlich was fürs Auge. Toll anzusehen sind besonders die grellen Kostüme und das ausgefallene Glitzer-Make-Up der Edelhuren. Und es fließt eben auch reichlich Blut, das allerdings weniger in den Mordszenen, die im Halbdunkel aufgenommen wurden, auftaucht, sondern hauptsächlich als Folge von Auseinandersetzungen der Gangster untereinander die Schauplätze besudelt. Gleich zu Beginn des Films gibt es da auch einen drastischen Gewalthöhepunkt bei einer Kneipenschlägerei, der Rest ist unregelmäßig über den Film verteilt. Eine nette Idee war es noch, immer wieder blitzartig auftretende Flash-Forwards einzubauen, in denen Tao Okamoto mit Sturzbächen von Blut übergossen wird und mit blau gefärbten Zähnen in die Kamera grinst. Deren Hintergrund wird erst zum Schluss enthüllt. Ein dummer Einfall hingegen war es, bei einer Schießerei kurz vor dem Showdown einfach wegzuschwenken und stattdessen nur die Blitze vom Mündungsfeuer zu zeigen. Zwar eine ungewöhnliche Inszenierungsmethode, aber sie beraubte den Film eines dringend benötigten visuellen Höhepunkts. Fehlte da einfach das Geld für einen ordentlichen Shootout?

                                    Der Showdown ist jedenfalls absolut einfallslos und unspektakulär geraten. Man ärgert sich zum Schluss einfach, dass so viele vielversprechende Ansätze nicht genutzt werden. Dazu stört noch die galoppierende Unlogik (beispielsweise werden die Prostituierten in der betreffenden Schießereiszene als durchaus wehrhaft gezeichnet, da sie alle mit Waffen umgehen können, weswegen man sich fragt, wieso der Killer sie dann so leicht überwältigen kann) und der spannungslose Inszenierungsstil. Der neben einem netten R&B-Titel hauptsächlich aus elektronischen und Hip-Hop-Liedern bestehende Soundtrack ist immerhin nicht schlecht und passt zu den Bildern, aber man sich hätte auch hier stärkeres Material besorgen können. Tarantino hat's vorgemacht. Es mangelt an flotten und groovigen Titeln, die mal etwas Laune machen.

                                    Es ist letztlich einfach nur verdammt schade. Eigentlich sitzt, was den handwerklichen Aspekt betrifft, alles am richtigen Platz, aber erzählerisch konnte man es nicht passend zusammenfügen. Regisseur und Drehbuchautor Sherman hat sich vor und hinter der Kamera mit Könnern ihres Fachs umgeben und versagte dann darin, diese richtig einzusetzen. Ich hätte dem Film gerne mehr Punkte gegeben, da er teilweise wirklich beeindruckende Bilder bietet, aber durch die schleppende Inszenierung verliert die tolle Optik leider ihre Wirkung. Die fast zwei Stunden Laufzeit ziehen sich wirklich extrem. "She's Just A Shadow" sieht schön aus, das war's dann aber auch.

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                                      "The Skeleton Key" (was die englische Bezeichnung für einen Generalschlüssel ist), der hierzulande als "Der verbotene Schlüssel" im Jahr 2005 im Kino und anschließend auf DVD erschien und erst in jüngerer Vergangenheit unter seinem Originaltitel wiederveröffentlicht wurde, ist ein spannender Gruselfilm mit stimmiger Atmosphäre. Wenngleich er nicht gänzlich überzeugen kann.

                                      Aber der Reihe nach. Regisseur Iain Softley ("K-PAX") inszenierte die Geisterhausgeschichte mit Southern-Gothic-Flair mit erkennbarem Gespür für die Qualitäten des Subgenres. Elegante Kamerafahrten durch schummrig beleuchtete Sets und Aufnahmen der undurchdringlich wirkenden Sümpfe Louisianas lassen schnell eine unheimliche Atmosphäre aufkommen. Effektvoll eingesetzte Schnittechniken wie Zeitraffer und Schwarzweißfilter in Traumszenen und Rückblenden oder Parallelmontagen im letzten Drittel unterstützen die Spannung. Dabei werden wohldosiert einzelne Schocks eingesetzt und die bei den meisten Horrorfilmen nach der Jahrtausendwende in Mode gekommenen inflationär eingesetzten Jumpscares glücklicherweise eher vermieden. Kameramann Dan Mindel (war zuvor u.a. für „Shang-High Noon“ und „Der Staatsfeind Nr. 1“ und später für J.J. Abrams' „Star Trek“- und „Star Wars“-Filme zuständig) und Editor Joe Hutshing (u.a. Oliver Stones „Geboren am 4. Juli“, „The Doors“, „JFK“ und „Savages“) zeigen hier beide, dass sie Meister ihres Fachs sind. Die für Außenaufnahmen eingesetzte Felicity-Plantage in St. James Parish, Louisiana, welche später auch für „12 Years A Slave“ Verwendung fand, gibt eine stimmungsvolle Kulisse ab. Auch die Setdesigner haben mit den fantasievoll eingerichteten, düsteren Innenräumen gute Arbeit geleistet.

                                      Auf das Drehbuch von Ehren Kruger, der zuvor immerhin die Skripte zum meisterhaften Thriller „Arlington Road“ und den Filmen der „Ring“-Reihe schrieb, später aber auch die zu den „Transformers“-Sequels verbrach, trifft das jedoch nur bedingt zu. Die Geschichte an sich um eine junge Krankenschwester, die eine Stelle als Pflegerin für einen gelähmten alten Mann auf einer abgelegenen Plantage annimmt und bald feststellen muss, dass dort einiges nicht mit rechten Dingen zugeht, ist an sich zwar nicht originell, aber immerhin zweckmäßig. Die ansässige Hoodoo- und Voodoo-Folklore wurde geschickt in die Handlung eingebunden und man hat tatsächlich, wie bei Wes Cravens „Die Schlange im Regenbogen“, das Gefühl, dass die Macher sich auch ernsthaft damit beschäftigt haben. Leider dauert es recht lange, bis sich ein wirkliches Gefühl der Bedrohung für die Hauptfigur einstellen will, welche zudem nur wenig Profil verliehen bekam. Hinzu kommt noch ein störender rassistischer Subtext. Zwar sind mit der Freundin der Protagonistin und einer hilfsbereiten Heilerin auch positiv gezeichnete afroamerikanische Charaktere vorhanden.

                                      Und, um kurz zu SPOILERN (!!), die ihre Körper wechselnden Bösewichte werden selbst als Opfer von Lynchjustiz dargestellt. Aber dadurch, dass die betreffenden beiden Figuren bei ihren Auftritten nach der Enthüllung nur als eindimensionale, aalglatte Sadisten gezeichnet werden, verfliegt die Sympathie, die vielleicht für sie vorhanden wäre und die Gefahr für die weiße Hauptfigur geht damit von einem dämonischen schwarzen Hexerpaar aus. Was schon etwas bedenklich ist. Zumal es auch in einer kurzen Szene zu Beginn einen unnötigen kurzen Auftritt eines bedrohlich wirkenden schwarzen Farmers gibt.

                                      Zuletzt wäre noch zu kritisieren, dass Hauptdarstellerin Kate Hudson, die fünf Jahre zuvor durch „Almost Famous“ bekannt wurde und in den Jahren um „The Skeleton Key“ meist in seichten Liebeskomödien auftrat, hier ziemlich blass wirkt, weswegen man nicht wirklich mit ihr mitfiebert. Immerhin kann man sich aber beim restlichen Cast nicht beschweren. Die oscarnominierte Hollywood-Veteranin Gena Rowlands (u.a. „Gloria, die Gangsterbraut“, „Night On Earth“) als vorgeblich warmherzige Plantagenbesitzerin zeigt eine sehr einnehmende Präsenz und stellt ihre Wandlungsfähigkeit unter Beweis. Der 2017 tragischerweise verstorbene großartige John Hurt als ihr bettlägeriger Ehemann bekommt hier zwar nicht viel zu tun, da sein Charakter sich kaum bewegen und nicht mehr sprechen kann, aber allein durch seine Mimik gelingt es ihm, Anteilnahme für seine Figur zu wecken. Die vielseitige Joy Bryant (u.a. „Antwone Fisher“, „Get Rich or Die Tryin'“, „Bobby“) als erwähnte besorgte Freundin kann ebenfalls überzeugen. So sehr, dass man sich fragt, ob es nicht vielleicht besser gewesen wäre, sie und Hudson für die jeweils andere Rolle zu besetzen. Charakterdarsteller Peter Sarsgaard (u.a. „Flightplan“, „Jarhead“) als netter und scheinbar hilfsbereiter Anwalt, der hinter seiner freundlichen Fassade jedoch einen abgründigen Charakter verbirgt, glänzt ebenfalls und zeigt, dass er gerade in solchen Rollen gut eingesetzt ist. Kleinere Auftritte haben noch die durch die erste Staffel von „The Walking Dead“ bekannt gewordene Jeryl Prescott als nur in Rückblenden präsente gelynchte Dienerin und eigentliche Schurkin des Films sowie der ivorische Darsteller Isaac de Bankolé, den man vor allem aus Filmen von Jim Jarmusch kennen dürfte, als erwähnter Farmer.

                                      Insgesamt ist „The Skeleton Key“ vielleicht nicht der große Wurf, aber das gut eingesetzte viktorianische Südstaatensetting und die Hoodoo-Thematik lassen ihn aus dem gewöhnlichen Gruselfilm-Allerlei herausstechen. Einen großen Anteil an der Atmosphäre hat dabei die auf Banjoklänge und schrille Streicher setzende Filmmusik von Ed Shearmur (u.a. „Ritter der Dämonen“, „Eiskalte Engel“, „3 Engel Für Charlie“ 1+2), mit dem Iain Softley schon bei „K-PAX“ zusammengearbeitet hatte. Kurz angespielte Songs der Blues- und Rock 'n' Roll-Legenden Robert Johnson und Elvis Presley fügen sich ebenso gut ein wie ein Auftritt der erfolgreichen Rebirth Brass Band. Vor allem gefallen kann jedoch das unerwartet kommende, fiese Ende, das definitiv noch lange nachhallt. Trotz der Fehlbesetzung bei der Hauptfigur und einer nicht ganz überzeugenden Geschichte kann „The Skeleton Key“ damit durchaus als origineller und sehenswerter Genrebeitrag gelten.

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                                        über Bright

                                        In einer Welt, die nicht nur von Menschen, sondern auch Elfen, Feen und Orks bevölkert wird, werden Letztgenannte von den anderen diskriminiert, da sie einige tausend Jahre zuvor einen "Dunklen Lord" unterstützten, der alle anderen Völker unterwerfen wollte. Im L.A. des 21. Jahrhunderts darf nun aber auch der erste Ork-Polizist, Nick Jakoby, auf Streife gehen. Dessen ihm zugeteilter Partner, Daryl Ward, ist davon wenig angetan, da er eine Abneigung gegen sämtliche nichtmenschlichen Zeitgenossen hat. Zudem misstraut er Jakoby, seit er beim letzten gemeinsamen Einsatz der beiden angeschossen wurde und Jakoby den Verdächtigen, einen jungen Ork, anscheinend entkommen ließ. Als Ward und Jakoby eines Nachts zu einem vermeintlichen Routineeinsatz bei einem Haus in der Nähe der Innenstadt gerufen werden, stechen sie in ein Wespennest: das Gebäude war der Unterschlupf einer radikalen Gruppe, welche vor der Rückkehr des Dunklen Lords warnte und von unbekannten Angreifern massakriert wurde. Die beiden Polizisten nehmen die einzige Überlebende, die verwirrt wirkende junge Elfe Tikka, in Gewahrsam. Diese trägt jedoch einen unfassbar mächtigen Zauberstab bei sich, der seinem Träger Wünsche erfüllt, aber nur von wenigen auserwählten Personen, den sogenannten "Brights", benutzt werden kann. Die Macht des Stabes erregt schnell das Verlangen mehrerer gieriger Gruppierungen und so befindet sich das ungleiche Trio bald auf der Flucht vor korrupten Polizisten, einer skrupellosen Latino-Gang und der terroristischen Elfengruppe der Inferni, die von Tikkas grausamer älterer Schwester Leilah angeführt werden.

                                        "Bright" von "Training Day"-Autor und "Suicide Squad"-Regisseur David Ayer ist ein Paradebeispiel für schlechtes Worldbuilding und schlechtes Storytelling. Die Idee einer Urban-Fantasy-Welt, in der die Rassen aus "Herr der Ringe" und ähnlichen Stoffen in einem modernen Setting miteinander auskommen müssen, ist in filmischer Hinsicht ja tatsächlich sehr originell. Dabei auch sozialkritische Bezüge in die Geschichte einzubauen und auf die - vor allem in Amerika - immer noch alltägliche Diskriminierung von Minderheiten anzuspielen, ist an sich zudem ein löbliches Unterfangen. Und das Ganze als Buddycop-Movie aufzuziehen, hat auch einen gewissen Reiz. Nur hat man es sich bei der Umsetzung leider viel zu einfach gemacht.

                                        Dass Orks hier für Afroamerikaner und Elfen für die versnobte, reiche weiße Oberschicht stehen, ist im Film von Anfang an offensichtlich. Der Vorspann mit den amüsant gestalteten Ork-Graffiti ist noch ganz nett, im weiteren Verlauf wird die Anti-Rassismus-Botschaft des Films aber mit dem Holzhammer auf die Zuschauer eingeprügelt. In so gut wie jedem Dialog muss ausdrücklich darauf hingewiesen werden. Beispielsweise wenn die beiden Partner wider Willen ihre Streife durch das abgeschottete Viertel der reichen Elfen fahren und Ward mit Blick auf einen Ork am Steuer einer Limousine meint:

                                        "Sogar die Chauffeure sind arrogant."

                                        Die kulturellen Bezüge, welche hier auf die verschiedenen Fabelwesen angewandt werden, ergeben teilweise außerdem keinen wirklichen Sinn. Dass die in den meisten Fantasywerken als anmutig und aristokratisch beschriebenen Elfen in "Bright" gewissermaßen die Schickeria verkörpern, mag ja noch passend sein. Wenn die Orks in Kleidung, Gebaren und Umgangssprache hingegen an allseits bekannte Gangsta-Rapper aus Ghettos erinnern, die Musik, die sie spielen und hören, aber Deathmetal ist, geht diese Mischung überhaupt nicht auf (auch wenn es zugegebenermaßen ganz witzig ist, wenn Jakoby Ward gegenüber "Hammer Smashed Face" von Cannibal Corpse als "eines der schönsten Liebeslieder" bezeichnet). Auch verschiedene popkulturelle Anspielungen wollen nicht funktionieren:

                                        Ward (zu einem Ork): "Schwing deinen fetten, wie Shrek aussehenden, Arsch zurück in deine Karre!"

                                        Moment mal - in dieser Filmwelt gibt es auch die Filmreihe "Shrek"? Das ergibt erstens keinen Sinn, weil die Fantasywesen aus diesem Animationsfranchise in der Welt von "Bright" keine Fantasywesen sind (in einem Dialog werden noch weitere Rassen erwähnt und man sieht u.a. in verschiedenen Szenen auch einen Zentauren und einen Drachen im Hintergrund). Und zweitens impliziert es, dass auch das Dreamworks-Studio in der Welt von "Bright" existiert. Bei einer von dessen Produktionen - "Große Haie, Kleine Fische" bzw. "Shark Tale" wirkte Ward-Darsteller Will Smith ebenfalls mit. Sollte man Ward dann nicht auf seine Ähnlichkeit zu dieser Berühmtheit häufiger ansprechen?

                                        Das mag jetzt alles Korinthenkackerei sein und ich ziehe vielleicht ein paar übereilte Schlüsse, aber diese Beispiele illustrieren doch gut, wie wenig Gedanken man sich bei der Ausarbeitung dieser fiktiven Welt gemacht hat. Das Hauptproblem mit dieser ist nämlich, dass sie unserer zu sehr ähnelt. Vermutlich aus Budgetgründen hat man sich die Mühe gespart, eine eigenständige Architektur und Gesellschaft auszudenken und stattdessen einfach die Handlung in Los Angeles angesiedelt und willkürlich Fantasywesen und -elemente wie Zauberstäbe da reingeworfen. Und das will eben einfach nicht zusammenpassen. Geprägt ist diese Gesellschaft ja offensichtlich durch das Christentum, allerdings würden Religionen, die auf bloßem Glauben an Wunder basieren, in sich zusammenbrechen, wenn Magie wirklich existiert und müssten einen anderen Schwerpunkt haben. Die Erwähnung des "Dunklen Lords" legt ja auch einen alternativen Geschichtsverlauf nahe, deswegen erscheint es ebenfalls fehl am Platz, wenn reale historische Begebenheiten wie die Schlacht von Alamo referenziert werden.

                                        Wie schon angesprochen, ist aber nicht nur die Hintergrundgeschichte undurchdacht, sondern auch die Story an sich. Mehrmals wird im Film erwähnt, dass die beiden Polizisten in eine Prophezeiung hineingeraten sind. Was der Inhalt dieser Prophezeiung ist, vom wem sie stammt und warum sie so wichtig ist - wird an keiner Stelle erklärt. Dann gibt es recht früh im Film auch einen Auftritt eines schrägen Typen mit Schwert, der zu der Sekte gehört, die die Wiederkehr des Dunklen Lords verhindern will. Er randaliert in der betreffenden Szene mit nacktem Oberkörper in der Öffentlichkeit, wird dafür verhaftet und erklärt bei seinem Verhör kichernd, was es mit dem magischen Stab auf sich hat, hinter dem alle her sind. Wozu stellt er diesen Blödsinn an, wenn er, als einer von Guten, eigentlich Besseres zu tun hat? Der Handlungsverlauf an sich erscheint dazu ziemlich konstruiert, vor allem, wenn sich im Showdown herausstellt, dass es sich bei Ward natürlich auch um einen der titelgebenden "Brights" handelt. Zudem ist selbiger Charakter ein Unsympath und bleibt das bis zum Schluss.

                                        Was vermutlich auch mit der Besetzung zusammenhängt. Will Smith, der die Rolle vor allem aus dem Grund annahm, weil es ihn reizte, mal einen afroamerikanischen Rassisten darzustellen, scheint zwar viel Spaß bei den Dreharbeiten gehabt zu haben, geht einem mit seinem arroganten, pseudocoolen Gehabe aber einfach nur auf die Nerven. Joel Edgerton (bekannt u.a. aus den "Star Wars"-Episoden II+III, "King Arthur", "Exodus" und "Red Sparrow") als Jakoby, der unter dem Ork-Make-Up kaum zu erkennen ist, macht seinen Part da schon besser. Sein Charakter, der sowohl von seinen Artgenossen, die ihn als Verräter betrachten, als auch von seinen Kollegen verachtet wird, die in ihm nur den Ork sehen, ist die wohl interessanteste Figur des Films, da sie den Zwiespalt verkörpert, in dem sicher viele Polizisten in der realen Welt stecken, die diskriminierten Minderheiten angehören. Wie erwähnt wird das im Film zwar eher plump umgesetzt, Edgerton gelingt es aber, Sympathie für seine Rolle aufzubauen. Abgesehen von einigen Szenen zum Schluss, aber dazu komme ich noch an anderer Stelle.

                                        Lucy Fry (war zuvor in "Vampire Academy" und der Serie zu "Wolf Creek" zu sehen) als scheinbar kindlich-naive, im Gegensatz zu den meisten ihrer Artgenossen leger gekleidete Elfe Tikka weckt mit ihrer überdrehten Leistung Erinnerungen an Milla Jovovich in "Das Fünfte Element" und ist mit ihrem staunenden Herumgetolle irgendwie niedlich. Die originale "Lisbeth Salander" Noomi Rapace als ihre gnadenlose Schwester und Hauptantagonistin des Films kann hier zum ersten Mal hemmungslos ihre dunkle Seite ausleben und gibt eine durchaus bedrohliche Schurkin ab. Édgar Ramírez (u.a. "Domino", "Das Bourne Ultimatum", "Carlos - Der Schakal") als elfischer FBI-Agent Kandomere strahlt ernste Autorität aus und Vietnams Schauspielstar Veronica Ngo in ihrem zweiten Hollywood-Auftritt nach "Star Wars: The Last Jedi" ist ebenso badass als schweigsame Gehilfin von Rapace', wird als Schauspielerin aber eher verschwendet. Brad William Henke (u.a. "The Fan", Space Jam", "World Trade Center") als übel gelaunter Anführer einer Orkgang bringt ebenfalls einiges an Charisma in den Film. In kleineren Parts sind noch Margaret Cho ("Face/Off") als korrupte Vorgesetzte der beiden Helden, Chris Browning ("Todeszug nach Yuma", "Terminator: Die Erlösung") als der erwähnte schwertschwingende Fanatiker und Dawn Olivieri ("Heroes", "American Hustle") als Smith' Ehefrau dabei. Schauspielerisch fällt hier also im Großen und Ganzen, abgesehen vom Hauptdarsteller, kaum jemand negativ auf.

                                        Probleme hat "Bright" eher noch wegen seines Humors. Die zu bemüht auf cool getrimmten Sprüche und Wortgefechte der beiden Hauptfiguren sind nur leidlich amüsant und reizen zumeist nur zu einem müden Lächeln. Und richtiggehend penlich wird es in der Szene kurz vor Schluss, wenn Jakoby und Ward im Krankenhaus liegen und in albernes (vermutlich von Smith und Edgerton improvisiertes) Gequassel verfallen, als sie versuchen, sich vor Kandomere zu rechtfertigen. Wozu in aller Welt war das gut? Witzig war es jedenfalls nicht.

                                        Aber es ist nicht alles an "Bright" misslungen. Kameramann Roman Vasyanov (mit dem Ayer seit "End of Watch" zusammenarbeitet) fängt einige schöne Ansichten des nächtlichen, hell erleuchteten L.A. ein. Die zuweilen recht blutigen Schießereien halten durchaus bei Laune. Und ziemlich originell ist die Sequenz, in der Ward sich für seinen Partner und gegen seine korrupten Vorgesetzten entscheidet und selbige kurzerhand über den Haufen schießt, inszeniert worden. Bei selbiger dreht sich die Kamera nämlich in Zeitlupe um Smith, während dabei, als amüsanter Kontrast, ein schmalziger Popsong zu hören ist. Der Soundtrack an sich macht ebenfalls Spaß und setzt sich sowohl aus Titeln von bekannten R'n'B- und Hiphop-Künstlern wie Snoop Dogg, Machine Gun Kelly, Bebe Rexha und Camila Cabello wie auch - als krasser Gegensatz - aus Metalsongs, die hier von den Orks performt werden, zusammen. Das Ork- und Elfen-Make-Up kann sich außerdem echt sehen lassen (Lucy Fry, Noomi Rapace und Veronica Ngo sehen als Elfen einfach umwerfend aus!) und auch die, meist in Verbindung mit dem leuchtenden Zauberstab, eingesetzten Computereffekte sind größtenteils gelungen.

                                        Wenn man über all die logischen Ungereimtheiten und nicht zu Ende gedachten Anspielungen nicht weiter nachdenkt und "Bright" einfach als Actionkomödie mit vereinzelten Fantasy-Elementen betrachtet, kann man mit dem Film durchaus Spaß haben. Wirklich ärgerlich ist aber das gewaltige verschenkte Potenzial. Die Idee einer Fantasywelt, die sich in technologischer und gesellschaftlicher Hinsicht unserer Gegenwart angenähert hat, ist nämlich sehr reizvoll und bietet viel Stoff für interessante Geschichten. Umso trauriger ist, was man hier daraus gemacht hat. Drehbuchautor Max Landis ("Chronicle", "American Ultra", "Victor Frankenstein"), der sich übrigens in der Post-#MeToo-Zeit durch sein ekelhaftes Verhalten gegenüber Frauen in Hollywood selbst ins Aus befördert hat, zeigte hiermit, dass er nicht viel Talent im Ausarbeiten eines in sich stimmigen Filmuniversums besitzt. Es wäre vielleicht besser gewesen, man hätte sich an einer Adaption des beliebten Rollenspiels "Shadowrun" versucht, das ja eine ähnliche Grundidee aufweist, anstatt am Reißbrett etwas zu entwerfen, das nichts Halbes und nichts Ganzes ist. Bleibt zu hoffen, dass David Ayer bei der geplanten Fortsetzung die größten Fehler ausbügelt und die Möglichkeiten ausnutzt, die in dem Stoff schlummern.

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                                          über Furie

                                          Mit "Furie" (der im Original "Hai Phượng" heißt, nach dem Namen der Hauptfigur) dem aktuell erfolgreichsten Kinofilm aus Vietnam, ist das vietnamesische Starlet Ngô Thanh Vân alias Veronica Ngo 2019 wohl endgültig zur internationalen Berühmtheit geworden. In ihrem Heimatland war sie freilich schon länger ein Zuschauermagnet: als Model und Popsängerin bekannt geworden, brachen auch schon andere aufwendige Filme, in denen sie mitwirkte, wie "The Rebel" und "Once Upon A Time In Vietnam" Zuschauerrekorde. Eine Nebenrolle im chinesischen "Crouching Tiger, Hidden Dragon: Sword of Destiny" und kleinere Parts in den Hollywoodproduktionen "Star Wars: The Last Jedi" und "Bright" erhöhten ihren internationalen Bekanntheitsgrad. Dank dem ganz auf sie zugeschnittenen "Furie", der auch in Amerika im Kino lief, als vietnamesischer Beitrag für den Besten Fremdsprachigen Film bei der Oscarverleihung 2020 ausgewählt wurde und ebenso auf Netflix sehr beliebt ist, dürfte sie jedoch auch für viele Zuschauer aus westlichen Ländern kein unbekannter Name mehr sein.

                                          Dass der Film in Vietnam so erfolgreich lief, mag dabei überraschen, denn er ist weitaus weniger massenkompatibel als so gut wie jede andere Produktion, in der Ngo mitwirkte, auch wenn das mehrheitlich Actionfilme sind. In Sachen Brutalität wird sich hier definitiv nicht zurückgehalten und auch die Thematik ist ernsthaft und düster. Was die Handlung betrifft, drängen sich einem Parallelen zu "Taken" bzw. "96 Hours" auf, denn auch hier geht es um ein Elternteil, das seine Tochter aus den Fängen einer Bande von Menschenhändlern befreien muss und sich von nichts und niemandem aufhalten lässt; wobei es sich hier aber um eine Mutter handelt und das Kind wesentlich jünger ist. Auch wurde "Furie" aufgrund seiner harten, handgemachten Action mit "John Wick" verglichen. Jedoch weist er eine größere Nähe zu Martial-Arts-Spektakeln südostasiatischer Prägung wie "Merantau", "Headshot" oder den "Raid"-Filmen mit Iko Uwais, "Ong Bak" und "Revenge of the Warrior" mit Tony Jaa sowie "BuyBust" mit Anne Curtis auf. Denn auch hier gibt es kompliziert choreographierte, knochenbrechende Fights, die in einem schweißtreibenden Tempo inszeniert wurden. Die knüppelharte Action kann sich echt sehen lassen. Die Kontrahenten, welche hier die vietnamesische Kampfkunst Vovinam vorführen, gehen sowohl mit den blanken Fäusten aufeinander los als auch mit den verschiedensten Utensilien, die sich als Waffen verwenden lassen. Da werden Beile, Hämmer und Messer benutzt, wenn sie zur Hand sind und im Showdown liefert sich die Heldin dann auch noch eine wilde Schießerei mit den Bösewichtern.

                                          Die Handlung um eine ehemalige Zuhälterin aus Saigon, die sich als Schuldeneintreiberin in einem abgelegenen Dorf ihren Lebensunterhalt verdient, um ihre minderjährige Tochter zu ernähren und deren Schulausbildung zu finanzieren, welche dann entführt wird, woraufhin die kampfkunstbegabte Mutter ihr verzweifelt hinterherjagt, ist zwar kaum originell, aber, wie in den anderen genannten Genrevertretern, ohnehin nur Mittel zum Zweck. Dennoch lässt sich sagen, dass hier nicht nur die Action, sondern auch das meiste Drumherum stimmt. Mit der verbitterten gesellschaftlichen Außenseiterin Hai Phượng und ihrer aufbrausenden Tochter Mai, die wegen ihrer Mutter in der Schule gemobbt wird, wurden lebensnahe Charaktere geschrieben, an deren Schicksal man Anteil nimmt und mit denen man bis zum Schluss mitfiebert. Positiv hervorzuheben ist auch, dass sich hier, obwohl ein Großteil des Films im neonbeleuchteten nächtlichen Saigon spielt, nicht auf die Touristenmagnete des Landes fokussiert wurde und sich viel der Lebensweise der gesellschaftlichen Unterschicht gewidmet und selbige dabei auch nicht verurteilt wird, da mehrmals deutlich gemacht wird, dass vielen der Charaktere letztlich nichts anderes übrig bleibt, als kriminell zu werden, wenn sie sich und ihre Familie durchbringen wollen. Das Drama um das zerrüttete Verhältnis der Hauptfigur zu ihrer restlichen Familie ist ebenso glaubwürdig und emotional inszeniert. Was "Furie" so auch von vielen anderen Actionfilmen abhebt, ist seine Menschlichkeit. Denn hier geht es eben nicht nur um simple Rache oder Pflichterfüllung, sondern der Wert von Familie und der Verlust geliebter Menschen wird genauso betont. Zum Ende hält der Film auch noch eine wertvolle Botschaft bereit: dass man stark wird, indem man sich seiner Angst stellt, nicht, indem man sie verdrängt.

                                          Schauspielerisch ist das hier auch - vor allem für dieses Genre - erste Sahne. Veronica Ngo überzeugt trotz ihrer zierlichen Statur als unnachgiebige Kämpferin, die es mit jeder Macht der Welt aufnehmen würde und sich durch Horden von Gegnern kämpft. Der internationale Titel könnte jedenfalls passender nicht gewählt sein, denn Ngo wird hier wirklich zu einer tobenden Furie, mit der man sich nicht anlegen will. Und sie zeigt nicht nur ihre Actionqualitäten, sondern auch ein beachtliches Mienenspiel. Ihre Wut, Verzweiflung und die Liebe zu ihrer Tochter transportiert sie in jeder Szene. Löblich ist auch, dass sie hier - als großer Star, der sie ist - kaum glamourös in Szene gesetzt wird und glaubwürdig als Vertreterin der Unterschicht durchgeht. Die Jungdarstellerin Cát Vy als impulsive Mai ist ebenso hervorragend besetzt, so dass sich zu ihr schnell eine Bindung aufbaut. Auch die restlichen, hierzulande unbekannten Hauptakteure sind nur zu loben. Besonders hervor stechen dabei Phan Thanh Nhiên als aufrechter Polizist, der in den Kampfszenen auch ordentlich austeilt, und Trần Thanh Hoa als die Nemesis der Heldin, eine hassenswerte, muskelbepackte und tätowierte Chefin einer Gruppe von Kinder- und Organhändlern.

                                          Auch handwerklich kann man Regisseur und Drehbuchautor Lê Văn Kiệt kaum etwas vorwerfen. Die Kämpfe sind hervorragend choreographiert, zeigen mehrmals vollen Körperkontakt und werden teils in aufwendigen Plansequenzen eingefangen. Die Kamera liefert zudem schöne Bilder der ländlichen Umgebung Saigons und der Stadt, verschließt aber auch nicht die Augen vor dem Elend in den Randbezirken. Die dynamische Montage hält das Geschehen übersichtlich und sorgt für eine durchgehend hohe Spannung. Dazu trägt auch der rastlose Score mit seinen folkloristischen Elementen bei. Die Abspann-Montage, bei der noch einmal sämtliche wichtigen Darsteller und die besten Szenen (darunter wohl auch einige entfallene, die zuvor nicht gezeigt wurden) zu sehen sind und die mit einem fetzigen Rocksong unterlegt wurde, macht zum Schluss dann noch richtig Laune.

                                          "Furie" ist dabei nahezu vollkommen humorbefreit inszeniert - mit Ausnahme einer Szene, in der sich eine barmherzige Krankenschwester von Hai Phượng als Geisel nehmen lässt, um dieser die Flucht aus einem Krankenhaus zu ermöglichen. Selbige Szene und die betreffende Rolle sind auch das einzige, das wohl wirklich negativ im Gedächtnis bleibt, denn beides will nicht so recht zum Grundton des Films passen. Kritisieren kann man ansonsten vielleicht noch, dass die Action zwar, wie erwähnt, hochwertig in Szene gesetzt ist, allerdings letztlich auch nur wenige Schauwerte bietet, die sich von den genannten anderen Vertretern sonderlich abhebt. Sieht man von dem beeindruckenden Kampf auf und in einem Zug im Showdown ab, hat man das meiste leider schon zu oft gesehen.

                                          Davon abgesehen ist das hier aber wirklich ein herausragender Beitrag zum Actiongenre aus einem Land, das hierzulande immer noch viel zu unterrepräsentiert ist, was seine Filmproduktionen angeht. "Furie" ist äußerst spannend, brutal, realistisch und dazu noch richtig gut gespielt. Ansehen!

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                                          • 7 .5

                                            Mit "Once Upon A Time In Vietnam" verwirklichte der durch "21 Jump Street" bekannt gewordene vietnamesisch-amerikanische Schauspieler Dustin Nguyen 2013 sein Herzensprojekt. Bei dieser bis dato teuersten vietnamesischen Produktion und gleichzeitig dem ersten Fantasy-Film des Landes übernahm er dabei als Regisseur, Drehbuchautor, Produzent und Hauptdarsteller alle wichtigen Posten vor und hinter der Kamera. Eine solche Vierfachbelastung bei einem größeren Filmprojekt kann natürlich leicht dazu führen, dass einem die Zügel aus der Hand gleiten. Und dem Endprodukt haftet durchaus der Eindruck an, dass Nguyen mit seinem Regiedebüt etwas überfordert war, auch wenn es insgesamt überzeugen kann. Aber der Reihe nach.

                                            Die Handlung des Films ist in einem - wie es der internationale Titel schon sagt - zeitlich nicht näher bestimmten Vietnam angesiedelt, das einige Zeit zuvor durch Angriffe mythischer Monster verwüstet wurde. Eine Armee von Kriegermönchen (zu denen sowohl Männer als auch Frauen zählen) mit übernatürlichen Fähigkeiten stellte sich ihnen entgegen. Diese beschützen das Land immer noch, allerdings werden immer mehr Soldaten abtrünnig. Die Deserteure werden von Elitekriegern, die das Land durchstreifen, zur Strecke gebracht. Einer von ihnen ist Dao. Dieser ist des vielen Blutvergießens überdrüssig, steht aber nach wie vor treu zu seinem General. Seine neueste Mission wird für ihn jedoch zur Belastungsprobe. Sie führt ihn in ein abgelegenes Dorf, in dem sich die ehemalige Kriegerin Anh versteckt hält, mit welcher er früher eine romantische Beziehung hatte. Er will sie dazu bringen, wieder in die Armee einzutreten. Anh, die mit dem Bäcker Hien eine Familie gegründet hat, ist darüber jedoch alles andere als erfreut. Verkompliziert wird die Situation noch durch den ansässigen Gangsterboss, der Hiens Betrieb übernehmen will, und den Sohn Anhs, der in der Schule gemobbt wird und bei dem sich plötzlich magische Fähigkeiten zeigen. Was nur bedeuten kann, dass er von einem Kriegermönch gezeugt wurde...

                                            Trailer und Werbetext versprechen bei diesem Film zwar ein bildgewaltiges Martial-Arts-Spektakel, tatsächlich handelt es sich bei "Once Upon A Time In Vietnam" aber mehr um ein Drama. Denn die Beziehungs- und privaten Probleme der Hauptfiguren nehmen hier tatsächlich einen größeren Raum ein als die Actionszenen. Einerseits geht es um Anh, die zwischen Dao und Hien hin- und hergerissen ist, andererseits spielen auch Daos Verbitterung und seine Trink-Eskapaden eine Rolle, ebenso wie die Entfremdung des Sohns von Anh von seinen Eltern. Das ist alles nicht schlecht umgesetzt, was vor allem an den guten Schauspielleistungen liegt, aber irgendwie will dieser erzählerische Schwerpunkt nicht wirklich zum Setting passen. Zu selbigem muss auch erwähnt werden, dass es besser gewesen wäre, ein paar mehr Hintergründe zu erklären. Man erfährt den ganzen Film über nicht, ob es sich bei der gezeigten Welt um eine postapokalyptische Zivilisation handelt oder um eine alternative Realität, in der die Geschichte einen anderen Verlauf nahm. Szenenbild und Kostüme sind eine wilde Mischung aus den verschiedensten Epochen. Gebäude und Kleidung verweisen auf Amerika im 19. Jahrhundert, allerdings fahren die Leute mit Autos und Motorrädern durch die Gegend. Als Waffen werden keinerlei Gewehre oder Pistolen, sondern Schwerter benutzt. Und die körperbetonten Rüstungen der Kriegermönche wirken mittelalterlich, bzw. aus anderen Fantasy-Filmen übernommen, haben aber ebenso futuristische Elemente. Zudem werden auch andere Nationen wie Frankreich oder Amerika erwähnt. Und in einem Stripclub, welchen Dao mehrmals aufsucht, läuft ständig Rockmusik. Hat man diese stilistische Uneinheitlichkeit aber einmal akzeptiert, stört sie nicht weiter. Nur wären eben ein bisschen mehr Erklärungen schon hilfreich gewesen.

                                            Schauspielerisch kann man sich nicht beschweren. Nguyen meistert die Anforderung, einen verbitterten, aber unnachgiebigen Helden zu verkörpern, mit viel Charisma und lässt sich oft genug bad-ass-mäßig in Szene setzen. Als starke Frau an seiner Seite agiert die in Vietnam und Hollywood berühmte Veronica Ngo bzw. Ngô Thanh Vân, welche schon sechs Jahre zuvor in "The Rebel" gemeinsam mit ihm vor der Kamera stand, der zu seiner Zeit ebenfalls der teuerste vietnamesische Film war (und bei dessen Dreharbeiten Nguyen laut ihr schon damals die Idee für sein Regiedebüt mit sich herumtrug). Damals verkörperten sie jedoch noch Gegenspieler, hier sind sie als Verbündete und in Rückblenden auch als Liebespaar zu sehen. Ngo mag in ihrer Rolle eher unterfordert werden, als einerseits liebende Ehefrau und Mutter und andererseits todesmutige Kämpferin überzeugt sie aber auf ganzer Linie. In den Kampfszenen zeigt sie auch hier wieder vollen Körpereinsatz, wenngleich man sich davon etwas mehr gewünscht hätte. Als Bösewicht, der unnachgiebige General der Kriegermönche, tritt der berühmte Stuntman und -koordinator Roger Yuan (u.a. "Shang-High Noon", "Bulletproof Monk", "Batman Begins") auf, der mit Ngo später auch in "Crouching Tiger, Hidden Dragon Sword of Destiny" gemeinsam vor der Kamera stehen sollte und hier einen eher ambivalenten Charakter verkörpert. Denn sein General Long empfindet ebenfalls Gefühle für Anh und wird nicht durchgängig als Tyrann gezeichnet. Die hierzulande unbekannten Thai Hoa als gutmütiger Hien, Hieu Hien als grobschlächtiger und tollpatschiger Gehilfe des Gangsterbosses, Dinh Ngoc Diep als kindliche, stumme Wäscherin in zerrissenen Klamotten, die sich in Dao verliebt, Jungschauspieler Nguyen Hoang Quan als Hung, der impulsive Sohn von Anh, und Phi Thanh Vân als wollüstige Prostituierte machen ihre Sache allesamt ebenfalls gut.

                                            Die Action ist, wie erwähnt, weniger häufig anzutreffen als man meinen würde, kann sich aber in der Regel sehen lassen. Zumindest von den Choreographien der Kämpfe her. Leider meinte Nguyen nämlich, bei vielen Szenen unnötiges und ziemlich schlecht animiertes CGI hinzufügen zu müssen. Die herumfliegenden Gegenstände, Luft- und Energiestöße und Flammen sehen einfach nur grässlich aus; besser kann ich es leider nicht sagen. Dafür ist der Kampf Dustin Nguyen gegen Roger Yuan im Showdown hervorragend gemacht, bietet ziemlich heftige Schläge und Tritte und wirkt kaum gestellt. Auch Veronica Ngos Schwertkampf gegen mehrere Soldaten ist toll choreographiert. Nett sind auch die teils recht offensichtlichen Sergio-Leone-Hommagen. Der Titel des Films lehnt sich schließlich nicht umsonst an "Once Upon A Time In The West" bzw. "Spiel Mir Das Lied Vom Tod", das berühmteste Werk der italienischen Regie-Legende, an. Nguyen und sein Kameramann Wych Kaosayananda (führte auch Regie, u.a. bei "Ballistic: Ecks vs. Sever" und "Tekken 2: Kazuya's Revenge") verwendeten mehrere für diesen charakteristische Elemente wie häufige Close-Ups von Gesichtern oder die typische Einstellung von der Hüfte eines Kontrahenten aus bei einem Mexican Standoff. "Once Upon A Time In Vietnam" ist eben nicht nur, was Setting und Kostüme betrifft, ein Mix aus verschiedenen Stilen, sondern vermischt auch mehrere Genres. Hier treffen Western, Eastern, Endzeitfilm, Drama, Liebesfilm, Komödie und Fantasy aufeinander.

                                            Tatsächlich muss aber gesagt werden, dass der Aspekt, in dem der Film am erfolgreichsten ist, der Humor ist. Die vielen Comic-Reliefs, darunter Hieu Hiens Charakter, sind zwar stark überzeichnet, aber sie reizen bei jedem ihrer Auftritte die Lachmuskeln. Was auch an den einfallsreichen Dialogen liegt. Besonders witzig sind dabei die Auftritte von zwei Bauern, Vater und Sohn, die zu Beginn und am Ende des Films durch die Wüste fahren, dabei den Weg des Protagonisten kreuzen, und sich herrliche Wortgefechte liefern.

                                            Vater: "Meine Eier jucken wie Sau. Das heißt, heute wird's noch regnen."

                                            Sohn: "Was, wenn deine Klöten zwicken, gibt's Regen?"

                                            Vater: "Ja, kannst du die Uhr nach stellen, Söhnchen!"

                                            Sohn: "Pah, wenn das so ist, müsste es dauernd regnen, wenn's nach meinen gehen würde!"

                                            Sehr gelungen ist noch die Filmmusik, welche das Geschehen mit atmosphärischen, von vietnamesischer Folklore beeinflussten, Themen untermalt, auch wenn sie sich gelegentlich etwas zu offensichtlich bei Ennio-Morricone-Kompositionen bedient. Der rockige Abspannsong und die bereits angesprochene Musik in den Stripclubszenen machen dafür richtig Laune. Der gezeichnete Prolog, welcher die Vorgeschichte mit den Angriffen der Monster (die im Film selbst leider nicht auftauchen) und epische Schlachten zeigt, ist außerdem besonders schön gestaltet. Aber vielleicht wäre es besser gewesen, Nguyen hätte sich diesen Part als Haupthandlung seines Films ausgesucht, denn dann wäre das Geschehen mit Sicherheit aufregender geworden.

                                            Insgesamt "Once Upon A Time In Vietnam" zwar nicht der große Wurf, da die Geschichte kaum originell ist, zu viel Zeit mit gut gespielten, aber an sich wenig interessanten Dramaszenen verschwendet wird und die hohe CGI-Lastigkeit der Actionszenen ganz gewaltig stört. Bei der teils eindeutigen Sexualisierung der weiblichen Charaktere und den vielen Szenen, in denen Veronica Ngo, Dinh Ngoc Diep und Phi Thanh Vân Körperkontakt mit Nguyen haben, drängt sich einem zudem der Eindruck auf, dass der Mann sich in seinem ersten Film mit möglichst vielen hübschen Schauspielerinnen umgeben wollte, damit er diese dann aufreizend in Szene setzen und sie betatschen kann. Da das Drehbuch die Charaktere aber durchaus ernst nimmt, die handgemachte Action absolut überzeugt und auch Musik und Kameraarbeit sehr gelungen sind, fällt das nicht allzu sehr ins Gewicht. Schaut man sich das Making-Of an, bei dem deutlich wird, wie viel Herzblut die Beteiligten in dieses Projekt steckten und mit wie vielen Schwierigkeiten sie während der Dreharbeiten zu kämpfen hatten, kommt man nicht umhin, Respekt vor ihnen zu empfinden. "Once Upon A Time In Vietnam" überzeugt so zwar nicht durchgängig, aber er unterhält. Und ist allein schon wegen seiner ausgefallenen Filmwelt sehenswert, die ansonsten nur noch mit der aus "Bunraku", den Fantasy-Szenen aus "Sucker Punch" oder der Stilmixtur aus dem (ansonsten misslungenen) 2018er "Robin Hood" vergleichbar ist.

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                                            • 8

                                              "American Mary" ist der zweite Film der kanadischen Zwillingsschwestern Jen und Sylvia Soska, denen hiermit ihr Durchbruch gelang. Das Drehbuch verfassten sie noch während sie versuchten, ihr - hierzulande immer noch unveröffentlichtes - Debüt "Dead Hooker in a Trunk" zu vermarkten, das sie im Alleingang produziert hatten. Angeregt von Eli Roth, der von ihrem Debüt sehr angetan war und mit dem sie sich schnell anfreundeten, widmeten sie sich in ihrem zweiten Filmprojekt ihrem Interesse für die Body-Modification-Szene und verarbeiteten gleichzeitig persönliche, nicht immer angenehme Erfahrungen, die sie bis dahin im Filmgeschäft gemacht hatten. Auch verstehen die Soska-Schwestern ihren Film als liebevolle Hommage an das europäische Genrekino, wie sie in einem Interview erwähnten. Ebenso lassen sich zudem Parallelen zu gewissen japanischen Werken ziehen. Aber dazu später mehr.

                                              Hauptfigur des Films ist die Medizinstudentin Mary Mason, die sich zwar mit Leib und Seele ihrer Leidenschaft für die Chirurgie verschrieben hat, aber immer wieder Vorlesungen versäumt, womit sie sich bei ihrem Dozenten Dr. Grant (Anspielung auf Sam Neills Rolle in "Jurassic Park"?) unbeliebt macht. Zudem hat sie akute Geldsorgen. Zunächst bewirbt sie sich im Stripclub von Billy Barker (sein Nachname verweist ganz offensichtlich auf "Hellraiser"-Schöpfer Clive Barker) als Tänzerin. Unverhofft bietet sich ihr am selben Abend jedoch eine andere Einkommensquelle. Billy, beeindruckt von ihren medizinischen Kenntnissen, bittet sie darum, einen in seinem Keller - vermutlich von seinem Türsteher - zusammengeschlagenen Kriminellen zu verarzten. Davon bekommt die Stripperin Beatress, die sich durch zahlreiche plastische Eingriffe das Aussehen von Betty Boop hat geben lassen, Wind und engagiert Mary umgehend für einen ähnlichen Job: ihre Freundin Ruby, die sich ihrerseits zu einer menschlichen Puppe hat umoperieren lassen, will ihre Geschlechtsorgane drastisch verkleinert haben lassen. Anfangs angewidert, lässt sich Mary wegen der großzügigen Bezahlung und weil sie von Rubys Aufrichtigkeit überzeugt ist, dann doch darauf ein. Dr. Grant, dem ihre neue finanzielle Unabhängigkeit nicht verborgen geblieben ist und der fälschlicherweise annimmt, sie würde sich prostituieren, lädt sie zu einer Privatfeier für Chirurgen ein. Dort wird sie von ihm unter Drogen gesetzt und vergewaltigt. Anstatt zusammenzubrechen, entwickelt Mary eine eiserne Entschlossenheit und nimmt grausam Rache: sie lässt Dr. Grant von Billy und Lance entführen und benutzt ihn anschließend als Versuchskaninchen für ihre neuen Operationsmethoden. Denn sie hat nun vor, so ganz groß ins Geschäft der Körpertransformationen einzusteigen.

                                              Wie der im selben Jahr angelaufene "Excision" handelt auch "American Mary" von einer psychisch instabilen jungen Frau, deren Interesse der Chirurgie gilt. Freilich ist die Hauptfigur hier keine Teenagerin mehr und studiert tatsächlich Medizin. Beide Filme sind jedoch eindeutig auf eine charismatische Hauptdarstellerin zugeschnitten worden. Und Katharine Isabelle, der die Soska-Schwestern diese Rolle tatsächlich direkt auf den Leib schrieben, zeigt hier eine Leistung, die sich mit der von AnnaLynne McCord in Richard Bates Jrs. Coming-of-Age-Horrordrama messen lassen kann. Sie entwickelt sich von einer anfangs unsicheren jungen Frau zur gnadenlosen Rächerin, die auch hinsichtlich ihres Berufsethos bald sämtliche Skrupel über Bord wirft und zeigt dabei die ganze Bandbreite ihres Könnens. Von Angst über Trauer, Wut und Belustigung interpretiert sie sämtliche Emotionen mit beeindruckender Intensität und das trotz einer zumeist zurückgenommenen Mimik. Ihrem Gesicht sind auch in eher ruhigen Szenen viele widerstreitende Gefühle anzusehen. Für einen Horrorfilm ist das wirklich ganz große Schauspielkunst. Nach "Ginger Snaps" hat Isabelle ihrer Filmographie damit eine weitere ikonische Rolle hinzugefügt.

                                              Der eher unbekannte restliche Cast braucht sich hinter ihr dabei nicht zu verstecken, denn alle Akteure füllen ihre Rollen mit Leben. Der zumeist in TV-Serien auftretende Antonio Cupo als arroganter, aber ehrlicher Clubbesitzer Billy Barker, David Lovgren als schmieriger Dr. Grant, die zuvor hauptsächlich als Burlesque-Tänzerin tätige Tristan Risk als kindliche Beatress, John Emmet Tracy als gewissenhafter Ermittler mit dem sprechenden Namen Dolor (lateinisch für "Schmerz") und der als Stuntman (u.a. in "Pathfinder") aufgetretene Twan Holliday als grobschlächtiger Rausschmeißer Lance verleihen alle ihren jeweiligen Charakteren genug Profil, sodass sie nicht als bloße Klischees wahrgenommen werden und glaubhaft erscheinen. Letzterer kann seiner, für die Handlung eigentlich nicht wichtigen, Nebenfigur in einem überraschenden Monolog sogar eine tragische Hintergrundgeschichte geben, wobei er zudem eines der memorabelsten Statements raushaut, das für die Protagonistin von Wert sein soll:

                                              "Don't you ever devalue what you do, Mary. You make sure they deserve it, and don't waste a minute of your time thinking about them when you're done."

                                              Darüber hinaus haben auch die Soska-Zwillinge selbst Nebenrollen übernommen und treten als zwei besonders extravagante Kundinnen von Mary auf, die an sich äußerst extreme Eingriffe vorgenommen haben wollen. Ihre Auftritte als schräge Gothic-Diven sind mit die coolsten Szenen des Films. Übrigens übernahmen auch die Eltern der Schwestern, Marius und Agnes Soska, welche eine Hypothek auf ihr Haus aufnahmen, damit der Film finanziert werden konnte, Cameo-Auftritte im Film: er als zwielichtiger Chirurg, sie als Polizistin. Marius Soska, der in der Szene vor die Kamera tritt, in der seine Töchter operiert werden sollen, hat auch eine der originellsten - und pietätlosesten - Dialogzeilen bekommen:

                                              "Ich fühle mich wie ein Doktor Mengele."

                                              Übrigens sagt er das auch im O-Ton auf deutsch. Durch die deutsche Synchronisation ändert sich dabei der Kontext dieses herrlich politisch inkorrekten Spruchs: im Original fragt Mary darauf "What?" weil sie ihn schlicht nicht versteht, in der deutschen Fassung hingegen scheint sie perplex aufgrund seiner Äußerung zu sein.

                                              Wie man merkt, setzt der Film sehr auf schwarzen Humor. Ihn als Horrorkomödie zu bezeichnen, trifft es aber nicht ganz. Vor allem ist "American Mary" eine Charakterstudie; er zeigt das Psychogramm einer jungen Frau, die ein Trauma überwindet, indem sie ihrer dunklen Seite nachgibt und sich selbst einen Status in einem abseitigen Geschäftszweig aufbaut, wobei sie sämtliche moralischen Bedenken über Bord wirft. Und gerade dadurch lernt, sich in einem von Machismo und Dominanzgebaren dominierten Umfeld zu behaupten. Gleichzeitig ist das Werk der Soskas so auch ein Kommentar zum Machtmissbrauch von Personen in hohen Positionen (meist Männern), der mittlerweile durch #MeToo wieder ins Bewusstsein der Öffentlichkeit geraten ist. Hier sind es Chirurgen, die als respektlos und übergriffig gegenüber jungen Frauen gezeichnet werden, tatsächlich lässt sich die im Film gezeigte Milieuporträtierung jedoch auf jede beliebige Branche anwenden. So kann man "American Mary" auch als implizite Anklage an Machtstrukturen im Filmgeschäft lesen, in dem sich die Soska-Schwestern ja selbst bewegen und in dem vor allem der Weinstein-Skandal gezeigt hat, wie leicht sich jemand fast unangreifbar machen kann, der alle in seinem Umfeld nur ausnutzt und herabsetzt. Tatsächlich sollen laut den beiden regieführenden Schwestern einige real existierende schmierige Personen in der Filmindustrie, die ihnen zunächst seriös erschienen, als Vorlagen für die besonders unsympathischen Charaktere des Films gedient haben.

                                              "American Mary" bewegt sich so teilweise im Rape-and-Revenge-Subgenre, da Marys Vergeltung an ihrem Peiniger einen nicht unwesentlichen Teil der Handlung einnimmt, aber auch das ist nur eine Facette des Films. Denn er versteht sich genauso als Milieustudie. Zu Beginn wird man in die Welt der Chirurgie eingeführt, wo sich die Ärzte untereinander neckisch als "Schlitzer" bezeichnen. Wenn Mary später ihre neue Berufung entdeckt, bietet einem der Film einen Einblick in eine Subkultur, die nur selten in den Mainstreammedien porträtiert wird: der Body-Modification-Szene, in der exzentrische Persönlichkeiten nicht unbedingt legale Eingriffe an ihrem Körper vornehmen lassen, um ein unverwechselbares Äußeres zu erlangen. Für Authentizität sorgt dabei, dass echte Szenemitglieder im Film auftreten. Und zwar in einer flotten Montage, in der die Protagonistin verschiedene Kunden in ihrem zum Studio umgebauten Apartment empfängt und für ihre Website fotografiert. Die betreffenden, teils etwas gruselig aussehenden, Personen mussten für ihren Auftritt tatsächlich nicht geschminkt werden.

                                              Im Gegensatz zu Tristan Risk und der eher unbekannten Paula Lindberg (hatte Auftritte in "Supernatural" und "Fringe"), die als puppenhafte Beatress und Ruby auftreten. "American Mary" sticht dabei auch hervor, indem er diese hinsichtlich ihres schrägen Äußeren geradezu comichaft überzeichneten Figuren nicht der Lächerlichkeit preisgibt, sondern ernst nimmt und sie auch nachvollziehbare Gründe für ihre extremen Körpertransformationen schildern lässt. Am Ende des Films wird man zwar wohl nach wie vor kein Verständnis für derart extreme Eingriffe haben, aber zumindest nicht mehr auf Leute herab blicken, die so etwas mit sich machen lassen.

                                              Was die Inszenierung der Gewaltausbrüche im Film betrifft, so lässt sich sagen, dass diese, anders als es die 18er-Freigabe erwarten lässt, eher zurückhaltend ausgefallen ist. Dafür aber umso effektiver. Wie von mir schon häufiger in Reviews erwähnt, wirkt Gewalt im Film gerade dann verstörend, wenn eben nicht auf die blutigen Einzelheiten draufgehalten, sondern das grausige Geschehen nur angedeutet wird. Und die Soskas zeigen sich in der Disziplin als Meisterinnen. Dies wird besonders deutlich in der sehr unangenehmen Vergewaltigungsszene, bei der die Kamera allein auf Marys Gesicht fokussiert ist. Katharine Isabelle bringt dabei glaubwürdig zum Ausdruck, dass sie nicht fassen kann, was gerade mit ihr passiert. Ebenso ist die Szene zu nennen, in der Mary ihren Vergewaltiger bewegungsunfähig gemacht und mit einem medizinischen Mundöffner geknebelt hat und ihm darlegt, was sie mit seinem Körper alles anstellen wird. Wofür ganz offensichtlich Takashi Miikes "Audition" Pate stand. Selbiges Werk zeigte ja ebenfalls einen drastischen Folterexzess zum Schluss, der aber eben nicht als derbe Schlachtplatte in Szene gesetzt wurde und gerade dadurch so albtraumhaft geriet. Marys Aufmachung (eine schwarze Lederschürze mit dazu passenden Handschuhen) und ihr unterkühltes, geradezu fachmännisches Auftreten lassen dabei ebenfalls zwangsläufig an Eihi Shiina in Miikes berüchtigtem Horrordrama denken.

                                              Die Soskas zeigen hier, dass sie eindeutig Kennerinnen des Horrorgenres sind. Es kommen einem neben "Audition" viele Klassiker und einschlägig bekannte Werke in den Sinn. Beispielsweise lassen sich Verweise auf George Franjus "Augen ohne Gesicht", der ebenfalls verstörende Verstümmelungen und Generationenkonflikte zum Thema hatte, ebenso finden wie solche auf einige Filme der "New French Extremity" wie "Inside" oder "Martyrs". Und natürlich ist der Body-Horror eines berühmten Landsmannes der Soskas, David Cronenberg, allgegenwärtig (dementsprechend überrascht es auch nicht, dass sie später ein Remake seines Films "Rabid" inszenieren sollten). Gerade zu dessen Skandalfilm "Crash" lassen sich dabei Gemeinsamkeiten finden: denn auch dort standen Leute mit einem besonders abseitigen Fetisch im Mittelpunkt.

                                              Besonders gelungen ist "American Mary" jedenfalls in inszenatorischer Hinsicht. Kameramann Brian Pearson (u.a. "Tödliche Legenden 2", "My Bloody Valentine 3D", "Drive Angry", "Final Destination 5") setzt Hauptdarstellerin Isabelle aus zahlreichen Perspektiven, von der Draufsicht und der Großaufnahme bis zum subjektiven Blickwinkel, geschickt in Szene und baut viele elegante Kamerafahrten ein. Die hauptsächlich von Schwarz, Weiß und Rot dominierte Farbpalette sorgt dazu für eine angenehm düstere Atmosphäre. Besonders originell ist der Vorspann geraten, bei dem man mit Detailaufnahmen von Haut, die mit Skalpellen seziert und anschließend vernäht wird, auf den unappetitlichen Inhalt des Films eingestimmt wird. Auch wenn es sich in dem Fall nur um einen Truthahn handelt, an dem Mary ihre chirurgischen Kenntnisse erprobt, kann einem dabei flau im Magen werden. Kontrastiert werden diese grausigen Bilder mit den wunderschönen Klavierklängen von Schuberts "Ave Maria", was der Sequenz eine gewisse Anmut verleiht. Überhaupt - der Soundtrack! Die ausgewählten Titel decken ein breites Spektrum von klassischer Musik über Pop bis zu Industrial Metal ab und unterstützen perfekt die Stimmung der jeweiligen Szene. Das erwähnte "Ave Maria" ist dabei sogar in drei Versionen im Film zu hören: neben der von Schubert noch in zwei verschiedenen Einspielungen von Johann Sebastian Bachs Komposition. Und es fungiert dabei als passend gewähltes Thema für die Hauptfigur: Mary ist schließlich nichts anderes als die englische Version von Maria.

                                              Zu bemängeln ist am Film allerdings, dass das Ende ziemlich abrupt kommt. Die Person, welche Mary letztlich zum Verhängnis werden soll, tritt praktisch erst in den letzten Minuten völlig unvermittelt auf und der Nebenplot um den ermittelnden Polizisten Dolor, welcher Gefühle für Mary zu empfinden scheint, wird nicht wirklich zufriedenstellend aufgelöst. Das Drehbuch scheint daher weniger ausgereift als die Regie.

                                              Nichtsdestotrotz handelt es sich hierbei um eine intelligente Mischung aus Thriller, Drama, Horrorfilm, Groteske und schwarzer Komödie mit einer hervorragenden Hauptdarstellerin und einem geschickt transportierten feministischen Subtext. Ebenso eine Liebeserklärung an das Horrorgenre und ein Porträt einer extremen Subkultur wie ein zynischer Kommentar auf das moderne Geschlechterverhältnis. Jedem aufgeschlossenen Fan ungewöhnlicher Genrefilme nur zu empfehlen.

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                                              • 8 .5

                                                "Excision" aus dem Jahr 2012 (bei uns ein Jahr später erschienen) ist das Regiedebüt von Richard Bates Jr., mit dem dieser seinen gleichnamigen Kurzfilm aus dem Jahr 2008 - sein Abschlussprojekt an der New York University Tisch School of the Arts - zu einem vollwertigen Spielfilm ausbaute. Und was für ein Film das geworden ist! Eine überdrehte Mischung aus Coming-of-Age-Film, Satire und schwarzer Komödie, die mit blutigen Horrorsequenzen aufwartet.
                                                Hauptfigur ist die verhaltensgestörte Teenagerin Pauline, welche in der Schule eine Außenseiterin ist und mit ihrer herrischen Mutter Phyllis und auch den meisten anderen Erwachsenen auf Kriegsfuß steht. Ihre einzige positive Bezugsperson ist ihre jüngere Schwester Grace, die an Mukoviszidose leidet. Pauline hält nicht viel vom Schulunterricht, träumt jedoch davon, Chirurgin zu werden. Sie wird immer wieder von blutigen Träumen und Fantasien heimgesucht, welche sie anfangs noch beunruhigen, von denen sie später jedoch sexuell erregt wird. Ihr soziopathisch erscheinendes Verhalten entfremdet sie immer mehr von ihrem Umfeld. Phyllis macht ihr zunehmend strengere Vorgaben und ihre Klassenkameradinnen beginnen sie zu mobben, was Pauline umgekehrt dazu treibt, noch heftiger zu rebellieren. Alles steuert auf eine Katastrophe zu...
                                                Von den drei 2013 erschienenen (quasi-)Horrorfilmen mit weiblichen Hauptfiguren und feministischem Subtext - die anderen beiden sind "Girls Against Boys" und "American Mary" - ist "Excision" der originellste und auch tragischste. Ähnlich wie "American Mary" von den Soska-Schwestern bietet Bates Jrs. Film viel schwarzen Humor und blutige, verstörende Body-Horror-Elemente, setzt jedoch andere Schwerpunkte. Nach dem surrealen Beginn, bei dem man eine der schrägen Fantasien Paulines bewundern konnte, kommt "Excision" mehr wie ein typischer Highschoolfilm daher. Alltägliche Probleme von Teenagern wie das Erste Mal, Liebesbeziehungen, Gruppenzwang, Cliquenbildung und Auseinandersetzungen mit Lehrern und untereinander sind auch hier bestimmende Themen. Man fühlt sich gelegentlich an "Donnie Darko" oder Brian de Palmas Verfilmung von "Carrie" erinnert, die beide ebenfalls durch ihre Mischung aus Coming-of-Age- und Horror- bzw. Mystery-Elementen bestachen. Die oftmals nicht jugendfreien Äußerungen der Hauptfigur (beispielsweise, wenn sie im Bio-Unterricht fragt, ob man auch bei nekrophilem Sex Geschlechtskrankheiten bekommen kann) sorgen jedoch dafür, dass dieser Film dabei heraussticht. Die Familienszenen lassen an Werke von David Lynch wie "Blue Velvet" und "Twin Peaks" oder Sam Mendes' "American Beauty" denken, in denen ebenfalls die vermeintlich heile Welt in einer scheinbaren Vorstadtidylle demaskiert und auf teils satirische Weise ihr hässlicher Kern offengelegt wurde. Die grotesken und derben, aber elegant gefilmten (Alb-)Träume und Wahnvorstellungen Paulines sowie das schockierende Finale verweisen schließlich auf den Body-Horror eines David Cronenberg. Richard Bates Jr. ließ sich hier also von vielen Einflüssen inspirieren, kann diese jedoch alle zu einem funktionierenden Ganzen zusammenfügen.
                                                "Excision" lebt dabei vor allem von den Leistungen der hervorragenden Darstellerriege. Ganz besonders hervorzuheben ist Hauptdarstellerin AnnaLynne McCord, ein ehemaliges Model, die bis dato vor allem aus der Neuauflage von "90210" bekannt war und hier kaum wiederzuerkennen ist. Mit ihren ungepflegten Haaren, ihrer gebeugten Körperhaltung, dem Lippenherpes und Pickeln im Gesicht beweist sie Mut zur Hässlichkeit und zieht darüber hinaus sämtliche Register ihres Könnens. Mit ihrem abwesenden Blick und ihrer schnoddrigen Art verkörpert sie glaubwürdig eine Teenagerin (sie selbst war zur Drehzeit bereits 23 Jahre alt), die in ihrer eigenen Welt lebt. Ihre trocken vorgebrachten zynischen Äußerungen stoßen ihr Umfeld ab, sorgen aber dafür, dass man sie als Zuschauer lieb gewinnt. Denn so gut wie alle anderen Charaktere können als verbohrte Spießer nur wenig Sympathie aufbauen. Pauline, die auf all diese Leute in ihrer Umgebung mit Ausnahme ihrer Schwester herab blickt, ist so definitiv einer der interessantesten Charaktere aus den Horrorfilmen der letzten Dekade und wird von McCord mit beeindruckender Intensität zum Leben erweckt. Während sie in den meisten Szenen dabei eher in sich gekehrt erscheint, kann sie auch plötzlich in Wutausbrüchen explodieren. Gleichzeitig ist ihre Figur intelligenter als die meisten ihrer Altersgenossen, neigt jedoch auch dazu, sich selbst zu überschätzen, was schließlich im verhängnisvollen Finale mündet. McCord ist hier definitiv herausragend und man würde ihr wünschen, dass sie mal Rollen in größeren Hollywood-Produktionen an Land zieht. Richard Bates Jr. sollte sie im Anschluss jedenfalls treu bleiben und in seinen Folgewerken "Trash Fire" und "Tone-Deaf" ebenfalls Hauptrollen übernehmen.
                                                Zwar dominiert AnnaLynne McCord sämtliche ihrer Szenen, die restliche Besetzung ist aber definitiv ebenfalls nur zu loben. So verkörpert Ex-Pornodarstellerin Traci Lords (dem Genrefan vor allem aus "Blade" bekannt) Paulines konservative Mutter, die mit allen Mitteln das Bild einer Heile-Welt-Familie aufrechterhalten will, mit viel Spielfreude. Ihr fliegen zwar nicht gerade die Sympathien zu, wie in einer großartigen Szene deutlich wird, versteckt sich hinter Phyllis' autoritärem Auftreten aber selbst ein verletzlicher Kern. Unter Tränen gesteht sie nämlich, dass sie selbst unter ihrer strengen Mutter litt und eigentlich nie wie diese werden wollte. Darin können sich sicherlich viele Eltern wiedererkennen. Obwohl man sich natürlich immer von den eigenen Eltern emanzipieren will, färbt deren Verhalten zwangsläufig auf einen selbst ab. Lords zeigt hier definitiv auch eine Leistung, die man ihr zuvor kaum zugetraut hätte. Als ihren Ehemann sieht man Roger Bart, bekannt aus "Hostel II", dessen Rolle hier frappierende Ähnlichkeit zu der aus Eli Roth' Torture-Porn-Thriller aufweist. Denn auch in "Excision" verkörpert er einen nicht durchsetzungsfähigen Familienvater, der von seiner Frau herumkommandiert wird. Ariel Winter ("Modern Family") schließlich ist als ruhige Grace zu sehen und kann als verbittertes, krankes Mädchen ebenfalls überzeugen.
                                                "Peter Pan" Jeremy Sumpter verkörpert dazu einen unbeholfenen Highschoolschüler, der von Pauline für ihre Entjungferung auserkoren wird und Richard Dreyfus' Nichte Natalie ("The Originals") die obligatorische Klassenzicke. Matthew Gray Gubler ("Criminal Minds", "(500) Days Of Summer"), der mit Richard Bates Jr. ebenfalls bei dessen folgenden Filmen (und zwar "Suburban Gothic" und "Trash Fire") zusammenarbeiten und im Anschluss mit AnnaLynne McCord noch in einem weiteren Werk ("68 Kill") gemeinsam vor der Kamera stehen sollte, ist als überforderter Bio-Lehrer zu sehen. Alle drei spielen mindestens solide; besonders von Interesse sind jedoch vielmehr die Kurzauftritte altgedienter Genrestars. So sieht man "Alex DeLarge" Malcolm McDowell als genervten Mathelehrer, Ray Wise ("Robocop", "Twin Peaks", "Reaper") als Schulleiter und niemand Geringeren als Skandalregisseur John Waters in einer herrlich ironischen Besetzung als verklemmten Priester. Die wenigen Dialogszenen der drei mit McCord sind wirklich ein Genuss! Wise und Waters sollten übrigens ebenfalls in "Suburban Gothic" erneut für Bates Jr. vor der Kamera stehen.
                                                Auch in Sachen Ausstattung und Kameraarbeit kann "Excision" mit vielen außergewöhnlichen Elementen beeindrucken. Der eher unbekannte israelische Kameramann Itay Gross fängt meist statische Einstellungen mit symmetrischen Bildkompositionen ein. Gelegentlich bietet er jedoch auch toll gestaltete Kamerafahrten auf. Wie beispielsweise in einer Sequenz, die nach einem Eklat bei einem Tanzabend jedes einzelne der vier Familienmitglieder in einer eigenen Einstellung zeigt, wobei die Kamera an ihnen vorbeifährt und die jeweiligen Zimmerwände die Funktion der Montage übernehmen, ähnlich wie im Finale von "Donnie Darko". Oder Paulines in Zeitlupe gefilmter Wutanfall, bei dem sie durch die Schule stürmt und zwei Mitschülerinnen, die ihr übel mitgespielt haben, zusammenschlägt, wobei ihr die Kamera folgt. Die Traumszenen, in denen Pauline als extravagant geschminkte und gekleidete Chirurgin in blau gekachelten Operationssälen blutige Eingriffe vornimmt, stechen mit ihren leuchtenden Farben besonders hervor. Und ein weiteres schräges Element sind Paulines "Gebete", in denen sie sich eher kumpelhaft an Gott wendet und in einer schwarzen Umgebung mit dunkler Kleidung aus der Obersicht gefilmt wird, wodurch man nur ihr Gesicht und ihre Arme sehen kann. Diese surreal wirkende Ausleuchtung legt nahe, dass Pauline dabei nicht in der Kirche, sondern nur in ihrem Kopf zu Gott spricht. Was sie zudem auch nicht etwa deswegen zu tun scheint, weil sie an ihn glauben würde, sondern sich nur an ihn wendet, weil sie sonst niemanden hat, dem sie sich anvertrauen kann.
                                                Zuletzt sei noch die Filmmusik erwähnt, die von den beiden weniger bekannten Komponisten Steve Damstra und Mads Heldtberg ("You're Next") stammt und sich aus atmosphärischen Ambient-Themen zusammensetzt, die immer wieder von irritierenden Drone-Sounds unterbrochen werden, wenn es zu einer für die Hauptfigur unangenehmen Wendung kommt. Außerdem hört man auch einige nette Alternative-Rocksongs. Wobei ich allerdings sagen muss, dass Soundtrack und Score zu den wenigen Aspekten des Films zählen, die etwas enttäuschen, da sie kaum im Gedächtnis bleiben. Was schon etwas schade ist, vor allem, wenn man die Musik mit den großartigen Songs aus "Donnie Darko" oder dem ebenfalls 2012 erschienenen, "Excision" recht ähnlichen "American Mary" vergleicht.
                                                Mit "Excision" ist Richard Bates Jr. insgesamt aber eine sehr überzeugende, kleine, fiese Genreperle gelungen. Er zeichnet in diesem Film das Psychogramm eines mental instabilen Teenagers, karikiert gleichzeitig die Spießigkeit und Verlogenheit des Milieus in den amerikanischen Vorstädten und das überkommene Rollenbild der angeblichen Bilderbuchfamilie, zeigt dabei einige der verstörendsten, bizarrsten und gleichzeitig ästhetischsten Splattersequenzen des letzten Jahrzehnts und vollzieht schließlich im Finale eine radikale Kehrtwende von der schwarzen Komödie zur Tragödie, die einen wie ein Schlag in die Magengrube trifft. "Excision" verbreitet Horror, ohne ein echter Horrorfilm zu sein. Dieses Debüt hat definitiv das Zeug zum Kultfilm!

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                                                  "Girls Against Boys" von Austin Chick (ja, der Mann heißt wirklich so!) ist eine Mischung aus Rape-and-Revenge-Thriller und Drama, der aber einen deutlichen Schwerpunkt auf letzteres Genre setzt. Laut Chick, der zuvor die beiden Dramen "XX/XY" (mit Mark Ruffalo) und "Der Börsen-Crash" (mit Josh Hartnett, Naomie Harris und David Bowie) inszenierte, ging es ihm vor allem darum, das Geschlechterverhältnis in der modernen Zeit zu erforschen. Dementsprechend ist sein Film eher zurückhaltend in der Bebilderung der Gewaltausbrüche und widmet weit mehr Szenen den Interaktionen zwischen den Charakteren und der Darstellung des Innenlebens der Hauptfigur.
                                                  Die Handlung dreht sich um die Studentin Shae, die ein Verhältnis mit einem verheirateten Mann und Vater hat. Als dieser sie für seine Familie verlässt, verfällt sie in Depressionen. Ihre Kollegin Lu, mit der sie in einer Bar als Kellnerin arbeitet, tröstet sie und lädt sie auf einen Abend mit mehreren jungen Männern ein. Einer von ihnen begleitet Shae nach Hause. Als sie nicht auf seine Avancen eingeht, vergewaltigt er sie vor ihrer Haustür. Verstört sucht sie Trost bei ihrem alten Liebhaber, der sie jedoch missversteht und ihr gegenüber ebenfalls zudringlich wird. Aufgebracht schickt sie ihn weg, vertraut sich schließlich Lu an und geht zur Polizei, wird dort jedoch nicht ernst genommen. Lu beschließt darauf hin, dass sie die Dinge selbst in die Hand nehmen sollten. Beide beginnen einen erbarmungslosen Rachefeldzug, bei dem Shae jedoch mehr und mehr Zweifel kommen. Denn Lu scheint mehr aus Mordlust denn aus einem Verlangen nach Gerechtigkeit zu handeln und empfindet einen krankhaften Hass auf sämtliche Männer. Als Shae wieder getrennte Wege gehen will, droht eine tödliche Konfrontation...
                                                  Bei dem plakativen Titel "Girls Against Boys" mag man an einen Exploitationfilm denken, wie erwähnt ist er aber alles andere als das. Die Hauptfiguren sind durchaus differenziert gezeichnete Charaktere mit realitätsnahen Problemen, deren Beziehungen aufgrund von Missverständnissen und nicht zu vereinbarenden Auffassungen scheitern. Besondere Spannung gewinnt der Film durch die Dynamik im Verhältnis zwischen den beiden gegensätzlichen Freundinnen. Die gewissenlose Lu bringt die traumatisierte Shae dazu, ihrer dunklen Seite nachzugeben und zieht sie immer weiter in einen Strudel aus Mord und Gewalt. Diese Charakterstudie an sich ist sehr interessant und originell. Leider bleibt der Film dabei eher an der Oberfläche, lässt vieles im offenen Raum stehen und führt die Geschichte viel zu früh zu einer Konfrontation. Die Handlung endet praktisch an dem Punkt, wo es eigentlich erst richtig interessant wird. Was schade ist, denn so bleibt einiges an Potenzial ungenutzt. Zumal der Film auch in anderer Hinsicht davon einiges verschenkt.
                                                  Denn woran "Girls Against Boys" vor allem scheitert, ist die Inszenierung der Folgen von Missbrauch und Gewalt. Wie schon erwähnt, ergeht er sich nicht in drastischen Vergewaltigungs-, Mord- und Folterszenen, wie das die meisten Rape-and-Revenge-Vertreter tun. Austin Chick belässt es hier zumeist bei Andeutungen. Und es ist auch eine Tatsache, dass Gewaltszenen vor allem dann besonders verstörend wirken, wenn nicht auf das grausige Geschehen direkt draufgehalten wird, da die Zuschauer die Leerstellen dann mit ihrer eigenen Fantasie ausfüllen. Und selbige ist immer viel schlimmer als das, was man wirklich sieht. Allerdings sollte man als Regisseur dem Zuschauer durch eine bedrohliche Geräuschkulisse und klug ausgewählte Einstellungen dann auch effektives Ausgangsmaterial liefern. Und Austin Chick ist in der Hinsicht viel zu zaghaft. Bei der Vergewaltigung visiert die Kamera beispielsweise in Großaufnahme den in der Haustür steckenden Schlüssel an, während der brutale Akt im Hintergrund nur schemenhaft zu erahnen ist. Das ist leider zu wenig. Vor allem, wenn man es mit dem von der Handlung her ähnlichen "American Mary" aus demselben Jahr vergleicht, in dem die betreffende Szene viel eindringlicher geriet. Hier ist sie noch dazu viel zu schnell wieder rum. Wenn sich die Mädchen später auf sadistische Weise an dem Vergewaltiger rächen, geschieht das größtenteils auch nur im Off. Blut spritzt zwar im Film immer noch einiges, die Freigabe ab 18 resultierte aber wohl vor allem aus der Selbstjustizthematik, mit der die hiesigen Jugendschützer, wie wir wissen, schon immer Probleme hatten.
                                                  Hinzu kommt, dass man Hauptdarstellerin Danielle Panabaker (bekannt u.a. aus "Sky High", "Mr. Brooks" und dem Reboot von "Freitag der 13.") ihr Trauma nicht wirklich anmerkt, weswegen es einem als Zuschauer schwer fällt, mit ihrer Figur mitzufühlen. Besser sieht es da schon mit der eher unbekannten Nicole LaLiberte aus (sie hatte eine Nebenrolle in "Dexter" und spielte später in der dritten Staffel von "Twin Peaks" mit), der man die mordlüsterne Psychopathin voll und ganz abkauft. Eine echte schauspielerische Überraschung. Im restlichen Cast stechen ansonsten noch der häufig in Nebenrollen anzutreffende Andrew Howard (u.a. "Revolver", "Ohne Limit", "Taken 3", "Tenet") als Shaes Liebhaber und Michael Stahl-David ("Cloverfield", "Narcos") als arroganter Vergewaltiger hervor. Sie agieren, wie auch die restliche Besetzung, mindestens solide.
                                                  In handwerklicher Hinsicht bietet "Girls Against Boys" nicht viel Anlass zur Kritik. Kamerafrau Kat Westergaard fängt das Geschehen in eleganten Kamerafahrten ein und gibt vor allem Nicole LaLiberte in Nahaufnahmen Gelegenheit, ein ausdrucksstarkes Mienenspiel zu zeigen. Einige surreale Einfälle wie ein Mädchen mit Vampirzählen, das Shae in einer Szene halluziniert, sind dazu recht orginell. Der Ambient-Score von Nathan Larson (u.a. "Tigerland", "The Messenger", "Picknick mit Bären") gefällt auch, ist allerdings leider zu unscheinbar, um Emotionen zu wecken. Mit dem textlich sehr passend gewählten "She's Lost Control" von Joy Division und zwei Liedern von Donovan finden sich dafür gut ausgesuchte Titel auf dem Soundtrack.
                                                  Das Problem an "Girls Against Boys" liegt eben hauptsächlich bei Regie und Drehbuch, wofür in beiden Fällen Austin Chick verantwortlich zeichnet. Einen Rape-and-Revenge-Film als Charakterstudie aufzuziehen, ist an sich eine erfrischende Herangehensweise. Und gerade die Grundidee um die verhängnisvolle Beziehung zwischen zwei Frauen, von denen eine ein Missbrauchsopfer ist, das von der anderen zu einem gnadenlosen Rachefeldzug getrieben wird, gibt viel Stoff für eine interessante Geschichte her.
                                                  (Tatsächlich trage ich selber schon länger eine Idee für eine ähnliche Story mit mir herum, die ich aber bisher noch nicht zu Papier gebracht habe. Mein Traum wäre ja, diese auch als Film umzusetzen, aber dazu wird es wohl nie kommen.)
                                                  Nur hapert es leider an der Umsetzung. "Girls Against Boys" hinterlässt kaum bleibende Eindrücke und hat eine zu blasse Hauptdarstellerin.
                                                  Die häufig gegen diesen Film vorgebrachte Kritik, dass er eine radikal-feministische Agenda vertreten und die Selbstjustiz der beiden Hauptcharaktere glorifizieren würde, kann ich übrigens nicht teilen. Es wird schon ziemlich früh klar, dass Lu ernsthafte psychische Probleme hat und was diesen Rachethriller von vielen anderen abhebt, ist auch, dass die Hauptfigur klarstellt, dass es ihr nach der Vergeltung nicht besser geht. Die Morde an den Männern werden nicht wirklich verherrlicht und das Ende bleibt in seiner Aussage auch eher ambivalent.
                                                  Insgesamt betrachtet jedenfalls kein schlechter Film, allerdings auch einer, bei dem man sich die ganze Zeit denkt, dass da eigentlich viel mehr möglich gewesen wäre.

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                                                  • Und hier nun mein Ranking der Kinofilme, die ich in diesem Jahr gesehen habe. Wegen der Pandemie sind es letztlich dieses Mal nur relativ wenige geworden. Dadurch kann der Eindruck entstehen, dass dieses Jahr ein vergleichsweise schwaches war. Zumal die, welche mich am stärksten interessierten, auf das nächste Jahr verschoben wurden. Insgesamt ziehe ich dennoch eine positive Bilanz. Mit einer Ausnahme konnte mich jeder der hier gelisteten Filme unterhalten. Wenngleich diese Zusammenstellung natürlich nicht als repräsentativ für 2020 angesehen werden kann.
                                                    Wie dem auch sei: ich hoffe, dass sich die Situation im nächsten Jahr bald bessern wird und wünsche euch allen schon mal einen guten Rutsch ins neue Jahr! Bleibt gesund! :)

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