lieber_tee - Kommentare

Alle Kommentare von lieber_tee

  • 8

    Nazi-Häuslichkeit im Schatten der Schornsteine von Auschwitz.
    Die visuelle und experimentelle Strenge, die leise Tonspur des Grauens, machen diesen Film so unerschütterlich. Er ist ein klaustrophobisches und unangenehmes Seherlebnis, das nicht um Mitgefühl bittet, sondern den Zuschauer mit seiner eigenen Passivität konfrontiert. Der banale, ehrgeizige Alltag des Kommandanten Rudolf Höss und das häusliche Glück seiner Frau, ist eine Gräueltat der Komplizenschaft, die bereits bittere Früchte bei ihren Kindern trägt. Jonathan Glazer vermeidet dabei bewusst die direkte Darstellung des Holocaust, um eine weitere Ebene der Unmenschlichkeit aufzuzeigen. Nicht die Bürokratie des Völkermords als „Banalität des Bösen“ steht im Vordergrund, sondern das schreiende, stille Grauen der Gleichgültigkeit oder Gefühllosigkeit. „Zone of Interest“ ist eine Horrorgeschichte über die Vergangenheit und eine warnende Geschichte über die Entfremdung für die Gegenwart. Wie Menschen sich vor destabilisierenden Wahrheiten verschließen können.
    8 blühende Gärten.

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    • 7
      lieber_tee 08.04.2024, 00:39 Geändert 08.04.2024, 00:41

      Fiebrige Rache.
      Für einen eher brav wirkenden Schauspieler ist dieses Regie-Debüt überraschend konsequent mit dem Schwanz gedehnt. Es gibt viele Ideen für Action-Versatzstücke, die mal eigenständig sind, mal aus dem Angebot von 80er Jahre B-Pictures (Bloodsport) klauen, oder aus zeitgenössischen Körperkino generiert werden. Dev Patel denkt nicht viel nach. Er haut hier einen John Wick-Rip-Off in Indien raus, der in seiner Neon-Ästhetik gerne an den Rändern ausufert. Das ist schwitzig, hyperaktiv, nicht so unterkühlt wie sein Vorbild. Die Action ist roh, wackelig und unübersichtlich, die fragmentarische Story unwichtig. So überkandidelt der Film an jeder Ecke ist, so hemmungslos jede Idee reingehauen und reingeholzt wird, gerade das macht seine halluzinatorische Wirkung aus. Das funktioniert aus Arthouse-Sicht nicht, hat aber als kerniger Genrefilm viel Kraft.
      7 Straßenhunde lieb-haben.

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      • 4

        In dieser Adaption eines Webcomics wirft der südkoreanische Regisseur Kim Seong-sik alle erdenkliche Genre-Zutaten in einen Topf und verrührt sie nach Schema F. Viel Fantasy, ein bisschen Horror und Action, eine Sidekick für den Humor. So ändert sich tonal ständig der Film, bleibt aber auch dadurch in seiner Belanglosigkeit stecken. Zwischen den dominierenden CGI-Effekten gehen die Darsteller verloren, wenn sie nicht schon wegen ihren Oberflächlichkeiten schnell vergessen werden. Das ist flott, die Traumata, spirituell-kulturellen Hintergründe und der Gut / Böse- Konflikt bleiben dabei nichtssagend. Das die Helden nie wirklich in Gefahr und für eine Fortsetzung bereit sind macht den Film auch nicht packender.

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        • 7

          Französische Version von „X-Men“
          „Animalia“ ist ein sympathisch-wilder Genre-Mash-Up, der sich mehr auf Charakter und Intimität als auf die Zurschaustellung eines Spektakels konzentriert. Im Mittelpunkt steht die Metapher der Toleranz gegenüber Andersartige, verwoben mit einer gut gespielten Vater-Sohn-Beziehung, Coming of Age – Geschichte und Öko-Botschaft. Das ist nicht subtil, auch nicht originell, aber als ein Art magisch-realistisches Mainstream-Abenteuer mit einer Prise Komik und ein paar Anflügen von Horror durchaus gelungen.
          7 Frösche in Bäumen.

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          • 5 .5
            lieber_tee 01.04.2024, 00:25 Geändert 01.04.2024, 01:33

            Nur heißer Wind.
            So optisch großartig der Film auch phasenweise ist, so ikonisch einzelne Szenen auch sind, „Dune 2“ hat bei mir nicht richtig funktioniert.
            - Villeneuves Bilder sind oft seltsam aseptisch, selbst der Sand wirkt künstlich.
            - Die Kampfsequenzen wirken hüftsteif, Villeneuve kann nicht Action (ähnlich wie Nolan).
            - Die Figuren leiden unter ihrer Eindimensionalität, so konnte ich keine Beziehung zu ihnen aufbauen.
            - Die Geschichte ist unelegant und holprig erzählt, fühlt sich im Vergleich zum Vorgänger seltsam dürftig an.
            - Timothée Chalamet schafft es nie seinen inneren Konflikt vom unwilligen Retter zum kriegsgeilen Messias überzeugend darzustellen. Er wirkt eher wie ein mürrisches Mitglied einer Boyband.
            - Die Liebesgeschichte zwischen Paul und Chani hat keine Leinwand-Chemie.
            - Zendaya darf den ganzen Film lang nur andere wütend anzustarren.
            - Die Fremen / Araber sind ethnische Klischees und werden der Lächerlichkeit preisgegeben.
            - Die nuancierten Themen der Literaturvorlage, wie Schaffung von Mythen durch falsche Götzen, der daraus resultierende Fanatismus / Islamismus, die Allegorie über einen Spice- / Erdöl-orientierten Imperialismus und die toxische Beziehung zwischen Religion / Politik werden bestenfalls nur grob angerissen und einer altbackenen Gut/Böse-Dramaturgie untergeordnet.
            Das der Film beim Publikum und bei Kritikern so gut ankommt ist mir ein Rätsel.
            5,5 mal in den heiligen Krieg ziehen (uff...)

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            • 5

              Moses, der Spaßverderber.
              DeMilles letzter Film will die Lebensgeschichte von Moses einerseits in den zeitgeschichtlichen und theologischen Kontext stellen, anderseits sie als (allgemeingültigen) Freiheitskampf gegen ein tyrannisches Herrenmenschen-System sehen, was er deutlich in seinem steifen Vortrag am Anfang des Films macht. Und so gibt es fast vier Stunden statischen Bibel-Unterricht. Sein missionarischer und über-inszenierter Ansatz, sein bleierner Ernst, seine Schwülstigkeit und bürokratische Theatralik machen deutlich wie freudlos das Christentum ist. Strenge, Furcht und Selbstaufgabe sind zentrale Motive. Hier ist der „liebe“ Gott ohne Liebe, voller Vergeltung. Aufgepumpte Männer mit nackten Oberkörper schwallen bedeutungsvolle Dialoge, austauschbare Frauen sind fiese Schlangen, gackernde Hühner oder leidende Mütter. Ob hier die Ägypter grausamer sind als Gottes Taten, kann gerne in einem giftigen Trinkspiel um die Anzahl der Tötungen von erstgeborene Kinder mal ausprobiert werden. Produktionstechnisch, mit seinen irren Kostümen, Unmengen von Statisten und spektakulären Special Effects (die Teilung des Roten Meeres ist Filmgeschichte), ist der Film beeindrucken, in seinem moralisch gerechtfertigten Sadismus weniger.
              5 grausame Götter.

              7
              • 2
                lieber_tee 17.03.2024, 21:48 Geändert 17.03.2024, 21:58

                Der neueste Eintrag von Sony und Marvel in ihrem gemeinsamen Spider-Man-Filmuniversum will die Spider-Flagge weiter hochhalten. Dabei offenbart er die Probleme des Mainstream-Superheldenkinos. Er ist nicht von Story und Charakter bestimmt, hat keinen spürbaren emotionalen Kern, sondern ist nur von Studioaufträgen und Franchise-Überlegungen geprägt. Bestehend aus einer zweistündigen Einführung nutzt er nie die wohl gewollte weibliche und jugendliche Energie. Seltsam lustlos agieren alle Beteiligen, es gibt keine kreative Idee, nur Versatzstücke die jeder kennt und die sind zudem noch erbärmlich in Szene gesetzt. Diese komplette Verweigerung hier irgendetwas sinnvolles auf die Beine zu stellen ist schon beeindruckend.

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                • 7 .5

                  Quo Vadis, Aida? ist ein verheerender und eindringlicher Film über den Völkermord von Srebrenica während des Bosnienkriegs, der uns das Versagen der UN / Blauhelmsoldaten offenbart. Das Sachliche wird von der Autorin und Regisseurin Jasmila Banić zu einem eloquenten und gewissenhaften Bild geformt, zugleich fokussiert sie ihr Kriegsdrama auf Aidas Gesicht, welches mütterlichen Mut und eine hilflose Wut zeigt. Sie schafft so die notwendige emotionale Bindung zu dieser unfassbaren Geschichte, ohne dabei ausbeuterisch zu sein. Zurück bleibt ein unangenehmer, bitterer Film, dessen schamlose Gewalt wütend macht. Und es bleibt ein beunruhigendes Ende übrig, das zeigt welche Last die Überlebenden von Srebrenica immer noch mit sich tragen.

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                  • 5

                    Die Herstellung eines Films über einen realen Terroranschlag muss eine sensible Angelegenheit sein. Sie bewegt sich von Natur aus auf einem schmalen Grat zwischen Kunst und Ausbeutung. Sorgfältig recherchiert, auf Augenzeugenberichten und Telefonmitschnitten basierend, ist „Hotel Mumbai“ kein Dokudrama, sondern ein stark fiktionalisierter Survivalfilm (fast keine Figur in dem Film gab es wirklich). Als atemlos angespannter Belagerungsthriller zeigt er eine hohe Begabung für authentisches Ortsgefühl in der dramatischen Nachstellungen des Terrors. Er fühlt sich allerdings auch ausbeuterisch an. Zum Ende hin sucht er das Erlösende, wird zu einer Erinnerung an Heldentaten, weil die Mitarbeiter des Hotels unter dem Motto „Der Gast ist Gott“ für ihre Arbeit die Besucher des Hotels begleiten, schützen und sie nicht in Stich lassen. So sehr hier auch technisch kompetentes Filmemachen zu sehen ist, über die Hintergründe (z.B. Rolle der Medien) wird nichts erzählt. Zum Nachdenken regt der Film daher kaum an, dazu bleibt er zu oft im manipulativen Opfer und Täter-Modus stecken. Um mehr als Betroffenheitskino zu sein, hätte er Angesicht der heutigen (inflationären) Bilderflut über terroristischen Taten komplexer sein müssen.

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                    • 6 .5
                      lieber_tee 13.03.2024, 00:36 Geändert 14.03.2024, 00:44

                      Ausharren am Rande der Tanzfläche.
                      Patric Chiha siedelt die Kurzgeschichte von Henry James in einen Club um. Auf dramaturgisch-emotionaler Ebene funktioniert der Film nur als verkopfte Idee, dass wir entfremdete Menschen zentrale Momente unseren Lebens an uns vorüberziehen lassen, statt sie zu spüren. Die theaterhaften Figuren im Film bleiben dabei wenig greifbar. Dafür ist der Film ein Triumph des Szenenbilds und Kostümdesigns, sinnlich inszeniert mit einem ausgeprägtem Auge und Ohr für Details.
                      6,5 namenlose Clubs in Paris.

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                      • 5
                        lieber_tee 13.03.2024, 00:01 Geändert 13.03.2024, 00:06

                        Verzweiflung und Beute.
                        Typischer „Er hat seine Momente“- Film. McQuarrie spielt in seiner ersten Regietätigkeit gerne mit generischen Motiven, um einen ironischen, zynischen und nihilistischen Noir-Western zu erzählen. Er funktioniert in Einzelszenen besser als im Ganzen. Hier versucht jeder den anderen hinters Licht zu führen. Da mir aber keiner von ihnen am Herzen liegt, fühlt sich der Film seltsam egal an. Das schleppende Tempo passt gut zu seinen geschwätzigen, pseudo-existenziellen Dialogen und bleibt am Ende in leerer Film-Coolness hängen.
                        5 Schrotflintenschüsse.

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                          lieber_tee 10.03.2024, 16:48 Geändert 10.03.2024, 16:54

                          Beschädigte Antihelden.
                          „Master Gardener“ fügt sich perfekt in das Vermächtnis von Filmen über zwanghafte und isolierte Männer des Autors und Regisseurs Paul Schrader ein. So sehr, das er wie eine Parodie auf einen Paul-Schrader-Film wirkt. Er fordert unmissverständlich sein Publikum auf über die Grenzen der Vergebung nachzudenken. Ich habe dabei viel über Blumen, Erde, Gartenbau und Pflanzenpflege gelernt. Gartenarbeit ist also der Weg der Reinigung. Aha. Ich habe aber auch ein gestelztes Drama gesehen, das auf mich mit seinen überdeutlichen Allegorien wie ein Absolutionsgebet erscheint, eingebettet in eine unwahrscheinliche Liebesgeschichte (emotional ergibt sie keinen Sinn), wo ein eindimensionaler Macho plötzlich gezähmt wird. Edgertons akribisch-stoisches Spiel, einige Dialoge und Szenarien sind für mich etwas zu abgedroschen für das, was dieses Melodram über Erlösung zu sagen versucht. Trotzdem haben mich die Geschichte und die Darbietungen fasziniert, genug um meine Interesse aufrechtzuerhalten.
                          6 Quallentapeten.

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                          • 7 .5

                            Nagende Zweifel, die bestehen bleiben.
                            Wir alle konstruieren unsere eigene Wahrheiten, wir sind immer parteiisch, aber wir kennen letztlich nie alle Aspekte der Geschichte. „Anatomie eines Falls“ fordert uns auf, darüber nachzudenken, wie wir über Dinge denken und wie wir entscheiden, woran wir glauben. Die Stärke des Films liegt in seiner Mehrdeutigkeit, die als vielschichtiger, chirurgisch kontrollierter Gerichtsthriller über die Machtdynamik einer Ehe daherkommt. Die kühle der Inszenierung spiegelt dabei die Kälte einer Beziehung, ist aber nie distanziert oder gefühllos. Im Gegenteil, weil Justine Triet immer mehr den Sohn der Familie von den Rändern in den Vordergrund rückt, wird für den Zuschauer die Schuldfrage der Mutter zentral und damit auch die Frage, was unserer Meinung nach „Wahrheit“ wirklich bedeutet.
                            7,5 Oscars für den Hund.

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                              lieber_tee 03.03.2024, 23:14 Geändert 03.03.2024, 23:18
                              über Bull

                              Ein Vater geht für die Liebe zu seinem Sohn durch die Hölle.
                              Der Film will ein grimmiges, kleines Stück Rachekino sein. Eine unerbittliche Studie über Gewalt, die aus den Fugen geraten ist. Dieser unzimperliche Albtraum über einen leidenden Mann auf kontrollierten Kriegspfad kaschiert sein Nichts an Story und Charakterzeichnung durch seine fragmentierte Erzählweise, um dann mit seiner Auflösung dem Zuschauer den Boden unter den Füßen wegzuziehen. Ich fand den Schlussakt weder originell noch verstörend, sondern einfach nur doof. Mir war keine der Figuren ansatzweise sympathisch. Das plätschert alles seltsam egal vor sich hin, alle lassen sich wehrlos auf die Schlachtbank führen. Die düster-grüblerische Stimmung ist allerdings gelungen eingefangen.
                              5 Arschlöcher killen.

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                                Der Film hätte so viel mehr sein können...
                                Mit seinem „Candyman“-artigen Schrecken hätte er sich mit sozialen Themen wie Frauenfeindlichkeit, Einwanderungserfahrung und das Erbe des Kolonialismus in Frankreich beschäftigen können. Er hätte etwas über das Erwachsenwerden und Freundschaften junger Frauen in der Vorstadt erzählen können. Er hätte mit seinem ungewöhnlichem Pariser Banlieues-Setting aus Hochhausruinen, Plattenbauten und Unterführungen einen immersiven Zusammenhang zwischen urbaner Angst und folkloristischer Mythologie aufzeigen können. All das streift er nur ganz, ganz am Rande, weil er sich nie traut aus der Komfort-Zone eines generischen Teenager-Horror-Films zu treten. Das wirkt nie konsequent durchdacht und ist oft unfreiwillig lächerlich. Besonders dann, wenn die erfahrenden Genre-Regisseure Bustillo+Maury das Schreckgespenst des weiblichen Leidens mit dem Versuch die Gore-Goldmedaille zu gewinnen verwechseln.
                                5 Pentagramme aus Menstruationsblut.

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                                  lieber_tee 02.03.2024, 22:41 Geändert 03.03.2024, 19:00

                                  Wenn Männer leiden...
                                  Nachdem Regisseur Xavier Gens bei den Dreharbeiten für die britische Serie „Gangs of London“ Gareth Evans kennenlernen durfte, dachte er sich wohl, so was wie „The Raid“ will ich auch machen. Allerdings entschied er sich keinen Non-Stop-Actioner zu drehen, sondern zunächst ein Drama über einen Außenseiter zu erzählen, der seine ständig falschen und kriminellen Entscheidungen als verantwortungsvoller Vater auszugleichen versucht. Anstatt das Ganze mit Krawall zu überladen, nimmt sich das Drehbuch die Hälfte des Films Zeit den Charakter seiner Hauptfigur zu entwickeln, vergisst allerdings dabei alle Nebenfiguren und erzählt nur Stereotype. Thailand ist dabei der Hintergrund, in dem es nur so vor Klischees wimmelt, ist aus westlich-oberflächlicher Sicht betrachtet, bleibt fremd und feindlich gesonnen.
                                  Wenn es dann zu dem (erwartbaren) Rachefeldzug kommt, wird das vorher definierte Vater und Ehemann-Sein zu einer Orgie aus drastischer Brutalität, Knochenbrüchen und Blutfontänen. Hier heißt Männlichkeit und Väterlichkeit verzweifeltes Zerstören, die des eigenen Körpers und den von anderen. Das wird bretthart ins Bild gesetzt, der Leib muss zur Erlösung zertrümmert, als Opfer für alle Fehler dargeboten werden. In seiner schmerzhaften Intensität und Glorifizierung des männlichen Leidens bleibt der Film dabei immer seltsam eindimensional, erstarrt in seinen Genre-Elementen. Selbst als purer Actioner ist er nur bedingt zufriedenstellend, da er viel zu lange braucht um in Fahrt zu kommen. Da gibt es zahlreiche ähnlich gelagerte Produktionen, die mehr Wumms haben.
                                  Allerdings ist die Fahrstuhlszene ein echter Hammer.
                                  6 offene Frakturen.

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                                    Zombies im Irrenhaus.
                                    Leonards Regie-Debut offenbart, das dieser Regisseur nicht unbedingt mit Begabung gesegnet ist. So ruppig die Effekte auch sind, so rüde hier Splatter und surreal angehauchter Psychoterror kombiniert wird, so seltsam aufdringlich und ermüdend ist das Ergebnis. Zusammengeschustert aus angesagten Motiven des 80er Jahre Horrorfilms (etwas Nightmare - Mörderische Träume, etwas Mad Scientist, viel Fulci) besticht der Film zeitweise in seiner expressiven Gestaltung, die eine albtraumhafte Atmosphäre erzeugt und manchmal sogar im kruden Bereich eines Underground-Kinos abdriftet. Leider sind einem die schlecht geschrieben und bräsig gespielten Figuren scheiß-egal, besonders weil das alles so unfassbar ernst erzählt ist. Wenn dann auch noch auf christlichen Pfaden gewandert wird gibt sich „Dead Pit“ komplett auf, der Zuschauer auch. Dann bleibt nur ein bizarrer, unfreiwillig komischer Hirnfick übrig, den man schnell vergisst.
                                    5 durchgeknallte Nonnen.

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                                      lieber_tee 01.03.2024, 20:40 Geändert 01.03.2024, 20:47

                                      Modrige und matschige Monster.
                                      „Anthony“ ist ein solider, stimmungsvoller Horrorfilm, der keine Innovationen oder Überraschungen mit sich bringt, aber handwerklich sauber gemacht ist. Fischige Tentakel-Monster treffen auf einen Slasher, treffen auf irre Wissenschaftler. Mehr als überdeutlich schleimt der Cthulu-Mythos von H.P. Lovecraft durch den Film. Die handgemachte 80er Jahre-Effekt-Party hat starke 50er Jahre Vibes. Nicht nur der (aus heutige Sicht) nostalgische Faktor überzeugt, auch für damalige Verhältnisse ist das Ding mehr als ordentlich, trotz seiner aufgewärmten Zutaten. Irgendwelche Längen konnte ich bei dieser (3.) Sichtung nicht feststellen.
                                      6,5 Zigarettenanzünder.

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                                        lieber_tee 29.02.2024, 22:51 Geändert 01.03.2024, 06:46

                                        Bedrohliche Dominospiele.
                                        Dieses ebenso angespannte wie bittere Drama (nahe zu 1:1 nach wahren Ereignissen erzählt) über ländliche Konflikte und Fremdenfeindlichkeit ist zunächst eine Gewaltspirale, die nach einer gerechten, kathartischen Befreiung schreit. Mit langen Single-Take-Szenen wird eine unangenehme Spannung aufgebaut. Nach 90 Minuten gibt es einen Perspektivwechsel, der die destruktive Natur des männlichen Egos verlässt und stattdessen weiblichen Stoizismus zeigt. Dieses "weitermachen – komme was wolle" fand ich dann klanglich und inhaltlich schwer zu fassen, da ich mit dem Ruf nach ländlicher Heimat, absoluter Liebe und (vermeintlich) weiblicher Friedfertigkeit wenig anfangen kann. Mit der verbissenen Sehnsucht nach Gerechtigkeit konnte ich mehr anfangen, ob sie letztlich entsteht hält der Film allerdings offen. Am Ende gibt es nur Verlierer. Selbst eine mögliche Annäherung wird von Einsamkeit und Trauer geprägt sein.
                                        7 unparteiliche Hunde.

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                                          lieber_tee 24.02.2024, 22:19 Geändert 24.02.2024, 22:25

                                          Der talentierte Mr. Ripley für die Euphoria-Generation.
                                          Emotional ist Saltburn abgrundtief hässlich, so das seine optische Schönheit um so abstoßender wirkt. Selbstverliebt feiert er seine offensichtlichen Provokationsversuche, die grelle Pulp-Fantasie wird in galliger Abscheu ertränkt. Aber so sehr auch diese Heimtücke und Hinterhältigkeit für eine Satire über (Klassen-) Ungleichheit prädestiniert ist, Fennells zweite Regiearbeit erzählt dann doch nur eine dekadente Racheoper, die eher albern als ernst ist. Gerade der letzte Twist (wie schon in ihrem vorherigen Film) versaut jegliche Subtilität und wirkt seltsam unbefriedigend. Das sieht alles umwerfend gut aus, ist begabt geschauspielert, hat aber am Ende wenig zu sagen.
                                          6 mal zur Party eingeladen werden.

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                                            lieber_tee 21.02.2024, 22:02 Geändert 22.02.2024, 15:26

                                            In der Wüste überleben.
                                            Im Royal Hotel brodelt die Hitze des drückenden Testosterons auf schraubstockartiger Weise. Das ständige Manövrieren der Frauen durch die Gewässer der giftigen Männlichkeit ist unangenehm anzuschauen. Bis alles vor kathartischer weiblicher Wut überkocht, mit einem ebenso wohltuenden wie banalem Ende. Das ist als Psychothriller erzählt, wo die Genreelemente geschickt untertrieben werden, bewusst nie ganz auf den Siedepunkt zusteuern, den die Zuschauer sich wünschen. Dabei bleiben die Figuren und die Themen immer ambivalent.
                                            7 Schlangen im Glas gefangen.

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                                              lieber_tee 13.02.2024, 00:02 Geändert 13.02.2024, 00:12

                                              „In the Land of Saints and Sinners“ ist eine Liebeserklärung an die (nord-) irische Landschaft und ein Liam Neeson – Vehikel, wo Liam Neeson sein Ding machen darf. Vorhersehbar und thematisch flach versucht Regisseur Robert Lorenz erst gar nicht mehr aus dem Film zu machen als er ist. Er setzt auf seine geradlinige Story, will seine Figuren nicht vertiefen, interessiert sich nur grob für den historischen und politischen Konflikt in Irland. Trotzdem, oder gerade deshalb, ist er als Neo-Western überraschend besser als erwartet, weil das Ding zwar nicht das Rad neu erfindet, aber gut geschmiert als (altmodischer) Genrefilm läuft.

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                                                lieber_tee 09.02.2024, 22:05 Geändert 01.03.2024, 21:30

                                                Frankie Goes To Heaven.
                                                „All of Us Strangers“ ist eine wunderschön fotografierte, intensiv gespielte Schwulenromanze und eine klaustrophobisch verzerrte, metaphysische Geistergeschichte. Melodramatisch werden Themen wie Liebe, Trauer, Einsamkeit, Verlust, Trauma und Erinnerung behandelt. Obwohl Teile einen kitschigen Beigeschmack haben, treibt die rohe Ehrlichkeit den Film voran. Zweideutigkeiten werden allerdings zunehmend aufgelöst, das Elegische dreht sich im Kreis und wird aufdringlich. Die letzten Wendung ist dann ein (vermeintlich) heilender Abgang und formuliert die Macht der Liebe so überdeutlich aus, das auch der Letzte in der Reihe des Kinos die Aussage des Films versteht, ist aber letztlich zynisch.
                                                6 mal Frankie Goes To Hollywood's "The Power Of Love" auf den Heimweg hören.

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                                                  lieber_tee 08.02.2024, 22:10 Geändert 14.02.2024, 09:55

                                                  „Was im Urlaub passiert, bleibt im Urlaub!“
                                                  Mit der zunächst lasziv-bunten Brachialgewalt von „Spring Breakers“ fängt das Debüt von Manning Walker grell eine Party-Welt ein, wo Mädchen, trotz (sexueller) Aufgeklärtheit und selbstbewusster Post-#MeToo-Prägung, sich das antun was von ihnen erwartet wird. Die von Sex durchdrungene Kultur ist sowohl für Männer und hier besonders für Frauen ein Minenfeld voller Enttäuschungen. Realität, Urlaub, Pubertät und Alkohol führt zu Passivität, zu einem toxischen Gebräu aus Lust und verschwommenen Vorstellungen über sexuelle Einwilligung. Da nutzen auch keine Frauenfreundschaften, die beim Kotzen die Haare halten und auf sich gegenseitig aufpassen. Das wird einfühlsam skizziert, vermeidet Didaktik, ist kinetisch in Szene gesetzt. Die hautnahe Darbietungen von Hauptdarstellerin Mia McKenna-Bruce macht aus dem feuchtfröhlichen Film eine bitter-subtile griechische Tragödie, die viele junge Frauen erleben.
                                                  7,5 mal nackt baden gehen.

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                                                    lieber_tee 08.02.2024, 19:03 Geändert 08.02.2024, 23:05

                                                    Liebhaber des südkoreanischen Gangster-Action-Kinos werden mit diesem gut fotografierten Nihilismus-Neo-Noir zufrieden sein. Ein Leben jenseits von Gewalt ist hier nicht mehr möglich, im Paradies lebt das Raubtier. Die Actionszenen sind dabei aufmerksamkeitsstark und extrem blutig, die Themen Verrat, Loyalität und Rache eher vorhersehbar.

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