BFG - Big Friendly Giant führt Spielberg auf die Spuren von E.T.

14.05.2016 - 16:30 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
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Außer Konkurrenz feiert heute Steven Spielbergs Fantasy-Märchen BFG - Big Friendly Giant Premiere beim Filmfestival in Cannes.

Für einen Film, in dem Riesen kleine Kinder entführen und fressen, ist Steven Spiebergs BFG - Big Friendly Giant eine ziemlich beschwingte Angelegenheit. Heute wurde die Roald Dahl-Adaption außer Konkurrenz beim Filmfestival in Cannes gezeigt und dem Szenenapplaus beim Aufscheinen jedes einzelnen Firmenlogos im Vorspann nach zu urteilen, geschah das vor einem freundlich gesinnten Publikum aus Winzlingen. Spielbergs neuer Disney-Streich markiert nach dem historischen Triple Gefährten, Lincoln und Bridge of Spies - Der Unterhändler zumindest teilweise eine Rückkehr zu den Fantasien, die er seit den 80er Jahren per Kino, VHS-Kassette, DVD und mehr Millionen kleinen Zuschauern in den Kopf setzte.

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Waise Sophie (Ruby Barnhill), die eines Nachts von einem Riesen (Mark Rylance) entführt wird, ist mit ihrem Fantasiedurst eine waschechte kindliche Spielberg-Heroin. Wie Eliott in E.T. - Der Außerirdische oder Jack in Hook saugt Sophie schon kurz nach Ankunft im Riesenland jedes wunderliche Detail in der Höhle des BFG auf. Kameramann Janusz Kaminski lässt uns vorbeifliegen an pustelig tropfendem Gemüse, die Bläschen in einer Brauseflasche und vor allem den Riesen selbst bestaunen. Stirnfalten, Krähenfüße und winzigste Details der Motion Capture-Kreatur scheinen deren Darsteller Mark Rylance nachempfunden und gleichzeitig leicht verfremdet. In der überlebensgroßen Fantasiewelt des BFG kommen seine Augen glücklicherweise der Realität am nächsten. Das hat der neue Spielberg den Abenteuern von Tim und Struppi im Uncanny Valley voraus.

BFG - Big Friendly Giant

Alles andere hätte dem Schauspieler Rylance einen Bärendienst erwiesen. Der spielte unter Spielbergs Regie in Bridge of Spies einen stoischen sowjetischen Agenten, einsilbig und unberührt durch den drohenden Tod, weil weit Schlimmeres hinter ihm lag. Das Drehbuch der 2015 verstorbenen E.T.-Autorin Melissa Mathison nun spart die Alpträume der Geschichte von Roald Dahl nicht aus. Immerhin sind da noch besagte Kinder fressende Riesen, die ihren vegetarischen Mitbewohner wie auf dem Schulhof piesacken. Der BFG wiederum trägt sein eigenes Bündel schrecklicher Erinnerungen mit sich herum, das zum Wohle des kinderfreundlichen Genres nicht vor unseren Augen ausgebreitet wird. Über die Andeutung hinaus kann sich Spielberg auf Rylance verlassen, in dem er seit dem Agentenfilm eine neue Muse gefunden hat. Die warme Präsenz des Darstellers flirrt durch jeden Pixel und im Zusammenspiel mit der sympathisch altklugen Ruby Barnhill verleiht er der einfachen Geschichte eine unerwartete emotionale Resonanz.

Als Abenteuer hält sich BFG etwas zu lange damit auf, seine animierten Schätze zu präsentieren. Jeder Spaziergang durch die Höhle zieht sich hin, als würde man per Bus durch die Sehenswürdigkeiten eines hochgradig exotischen Landes geführt (im Prinzip passiert das ja auch). Damit bringt uns die Inszenierung auf eine Höhe mit Sophie, die zuvor nur den Ausblick auf einen Londoner Hinterhof und besoffene Pubgänger genießen konnte. Wenn der BFG mit der Queen diniert, kann man sich an den Spiegeleier-Haufen gar nicht satt sehen. Aber hier spricht auch mein im Pressesaal herumknurrender Magen. So verschwenderisch jedenfalls die Animation, so genüsslich dreht Mark Rylance die absonderlichen Worte aus Roald Dahls Feder auf der Zunge um, schwenkt sie im Gaumen von einer Seite zur anderen und lässt sie dann saftig über die Lippen gleiten, vom Snozzcumber über Frobscottle zum Whizzpopping. Für Spielbergs Verhältnisse ist dieser BFG ein erstaunlich positiver Gegenentwurf zu den Erwachsenengestalten aus E.T., Hook oder auch Jurassic Park. Weniger fremd als der extraterrestrische Freund und den Pädagogik-Azubis in Hook, Jurassic Park: Lost World oder Krieg der Welten an väterlichem Verantwortungsgefühl überlegen, fügt sich der BFG nahtlos in ein weiches, liebevoll inszeniertes Märchen ein, das sich seine gute Stimmung auch von Kannibalen nicht vermiesen lässt. Aufwachen unerwünscht.

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