Das Dschungelcamp – eine kulturelle Sensation

17.01.2013 - 08:50 UhrVor 5 Jahren aktualisiert
Das Dschungelcamp – eine kulturelle Sensation
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Das Dschungelcamp – eine kulturelle Sensation
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Seit nunmehr acht Jahren beglückt RTL anspruchsvolle Zuschauer mit einer aufwändigen Eventshow, in der halbwegs prominente Menschen erst Insekten und dann sich selbst zerfleischen. Wie das Dschungelcamp gutes Fernsehen neu erfand.

In den ersten Wochen des Jahres erlebt das deutsche Fernsehen regelmäßig eine seiner ganz seltenen Sternstunden. Im Januar 2004, als RTL sich mit Ich bin ein Star – Holt mich hier raus erstmals an einer deutschsprachigen Version der ursprünglich britischen Erfolgshow versuchte, ließ sich bestenfalls erahnen, welch Qualitätsfernsehzug da in den kommenden Jahren über das Publikum rollen, welch erstklassig gemachtes und in dieser Form hierzulande nie zuvor gesehenes Fernsehen sich anstellen würde, die Privat-TV-Landschaft für immer zu verändern. Die mittlerweile siebte Staffel von Ich bin ein Star – Holt mich hier raus, dieser gleichermaßen erfolgreichen wie aufgrund des hohen Produktionsniveaus und der immensen Kosten auch stets ungewissen TV-Sensation, soll hier Anlass geben, einem konkurrenzlosen Fernsehformat uneingeschränkt zu huldigen.

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Intellektuell stimulierendes Fernsehen
Zunächst einmal lässt sich das Dschungelcamp auf ganz vielfältige Art genießen. Als bloße Unterhaltung, als Spaß machende Voyeursschau oder auch nur als vergnügliches Ekel-Entertainment. Fakt ist, dass das Dschungelcamp mehr ist als nur eine semiprominente Weiterführung des Prinzips Big Brother. Es ist durch kluge Montagetechniken, überlegten Musikeinsatz und unbestechlich intelligente Moderationstexte zum einen Fernsehen in hochprofessioneller, kompetenter und auf weiter Flur nahezu allein stehender Art. Zum anderen ist es eine intellektuell stimulierende Meta-Fläche für jene Form des Müllfernsehens, die hier genüsslich ausgebreitet und (weiter-)verwertet wird. Keine deutsche TV-Show thematisiert sich so sehr selbst wie das Dschungelcamp, keine entsteht so sehr in einem eigenen Bewusstsein und der Hemmungslosigkeit seiner ritischen Aufhebung.

Das Kandidatenschema
Schon in der ersten Staffel kristallisierte sich aus der reizvollen Mischung von Reality TV und Boulevardsendung eines der besonderen Phänomene des Formats heraus. Daniel Küblböck, der im Mittelpunkt aller Aufmerksamkeit stand, der in einem Meer von Schaben baden und vor den Augen der Öffentlichkeit zur Auseinandersetzung mit seiner Medienpersönlichkeit gezwungen wurde, erlangte als hauseigenes RTL-Produkt durch Deutschland sucht den Superstar gewissen Ruhm. Nadja Abd el Farrag, die Boulevardmagazine gezielt mit Informationen über sich versorgt und Fernsehkameras selbst dann regelmäßig zu sich bestellt, wenn sie sich lediglich einen Backenzahn ziehen lässt, geriet in der zweiten Staffel wiederum in die Futterfalle einer delikaten Dschungelprüfung und musste unter starken Würgereflexen Känguruhoden verspeisen. Der exaltierte Sänger Ross Antony erlangte im dritten Jahr der Show durch körperlichen und emotionalen Dauereinsatz den Zuschauersieg und startete mit Dschungelkrone auf dem Kopf eine anhaltende TV-Karriere als Spaßvogel und Moderator.

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Brutal-selbstreflexives Promi-Recycling
Indem das Dschungelcamp hier also alljährlich abgehalfterte Einviertel-Stars zur Lagerfeuer-Psychoshow im fernen Australien versammelt, betreibt es auf brutal-selbstreflexive Art ein Promi-Recycling, an dem der Sender und seine Konkurrenz immer schon beteiligt waren. Die Verpflichtung ehemaliger Castingshow-Teilnehmer, vorrangig von DSDS und Germany’s Next Topmodel, sowie gern gesehener Dauergäste aus dem Klatsch und Tratsch der vorabendlichen Gossip-Formate führt direkt zur Selbstexekution (oder eben auch zum erfolgreichen Neustart). Aus Sendersicht mag dies möglicherweise als beinharte Fortführung des Ausschlachtens verstanden werden, es ist aber zweifellos auch ein Baden in der eigenen Promisuppe, die nun noch einmal neu angerührt und 26 teure Flugzeugstunden entfernt zubereitet werden muss.

Das geographische Aussondern der längst nicht mehr allzu hell leuchtenden Mediensternchen ist für sie so gesehen gleichermaßen Befreiungsakt wie nötige Konsequenz eines öffentlichen Lebens, das eben selbst dann noch vor Fernsehkameras geführt werden will, wenn dafür alle moralischen Hüllen fallen gelassen werden müssen.

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