Extreme Schatten - Meister des Film noir-Lichts

14.05.2013 - 08:50 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
Der dritte Mann
20th Century Fox
Der dritte Mann
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Ohne die Männer hinter der Kamera, die die Film noir-Geschichten in harte Kontraste setzten, wäre die Schwarze Serie niemals derart stilprägend geworden. Einiges, was diese Kameramänner des Film noir-Lichts umtrieb, stellen wir euch vor.

Im kleinen, weniger bekannten Film noir Feind im Dunkel (1946) versucht sich Bradford Galt (Mark Stevens) nach einer zweijährigen Haftstrafe an einem neuen Leben als Privatdetektiv in New York. Gelingen will es ihm nicht, denn er wird verfolgt von einem Mann namens Stauffer (William Bendix) und ihm wird ein Mord angehängt. Wer hinter all dem steckt, ist lange Zeit nicht klar. Wie so mancher Kriegsheimkehrer findet sich der Detektiv auf der dunklen Seite des Lebens wieder, aus der es kein Entrinnen gibt, wäre da nicht seine Sekretärin Kathleen Stewart (Lucille Ball), die ihn ob seiner pessimistischen Orientierungslosigkeit immer wieder zum Handeln zwingt und an seine Unschuld glaubt. Regisseur Henry Hathaway und Kameramann Joe MacDonald haben mit Feind im Dunkel einen exemplarischen Film noir inszeniert und finden für die ausweglosen Situationen ihrer Akteure kongeniale Bilder.

Feind im Dunkeln beginnt in einer typischen New Yorker Häuserschlucht, die Kamera schaut auf eine U-Bahn, schwenkt nach unten auf die Straße und zeigt uns den Ganoven, der unseren Held beschattet. Dann geht es ins Büro des Detektivs, das selbst am Tag ins Halbdunkel getaucht ist. Jalousien lassen Licht-Gitter auf den Wänden entstehen, ein Polizeibeamter betritt den Raum, setzt sich und sein Gesicht liegt – weil das Licht von einer kleinen Quelle von der Seite kommt – im Schatten. Diese Anfangssequenz, die ganz und gar nicht nicht zu den berühmten der Filmgeschichte á la Im Zeichen des Bösen gehört, zeigt bereits eines der wichtigsten Merkmale, die den Film noir ausmachen: die einzigartige Licht- und Kameraführung. Der Einsatz von Licht unterstreicht die Emotionen und Seelenzustände der Figuren, die nirgends so orientierungslos, nihilistisch und/oder zynisch sind wie im Film noir.

Die Dialektik des Lichts
Die Kameramänner, die dem Film noir seine Schwärze gaben, brachen mit der hollywoodschen, in den 1930er und 1940er üblichen Studio-Philosophie des high key-lighting. Hier wurde alles penibel ausgeleuchtet, die Szenen waren wenig kontrastreich, damit der Zuschauer alles sah und jedes Detail auch richtig präsentiert werden konnte. Die Meister des Film noir-Lichts konzentrierten sich auf das Gegenteil und wurden zu Fachmännern des low key-lighting. Die Szenen wirkten dunkel, Kontraste taten sich auf, die Dunkelheit betonten sie mit einigen hellen Akzenten. Aus dem Kamera- und Licht-Geist des deutschen Expressionismus der 1920er, des amerikanischen Gangster- und Horrorfilms der 1930er und des poetischen Realismus aus Frankreich schufen sie einen Stil, der aus weniger Licht mehr machte.

Letztlich kam es den Filmemachern darauf an, das Denken mit dem Nicht-Licht anzuregen. Die besondere Sichtweise des Film noir – eine Welt zu zeigen, in der Pessimismus und Zynismus vorherrschen – wurde durch die Lichtkonstruktionen kongenial unterstützt. Das Dunkle dominierte und selbst Licht sorgte kaum noch für Durchblick bei den verfahrenen Situationen, in denen die Helden steckten. Im klassischen Noir-Thriller produzierte das Licht Angst; sie schlich sich mit dem Schatten direkt in die Geschichten hinein. Das Noir-Licht machte die Konturen zwar schärfer, aber trotzdem wirkte alles undurchsichtiger.

Es ist in der Regel Kunstlicht, mit dem uns die Meister des Film noirs verführen bzw. verunsichern. Ihre Kunst bestand darin, die Kontraste zwischen Schwarz und Weiß / Hell und Dunkel derart zu (über)entwickeln, dass fast jedes kinematographische Bild wie eine Fotografie daherkam. Dabei werden Lichtquellen an Stellen platziert, die zunächst unmöglich erscheinen. Seitenlicht lässt halbe Gesichter im Schatten liegen, Unterlicht präsentiert uns Dämonisches, extremes Gegenlicht zeigt uns Silhouetten.

Kein Licht kann ohne Dunkelheit existieren. Diese Dialektik des Lichts ist nirgends so spürbar wie im Film noir, der seine Spannung aus dem Wechselbad von Licht / Schatten zieht. Die Nacht des Jägers (1955), von Charles Laughton inszeniert und von Stanley Curtiz fotografiert, arbeitet mit suggestiven Lichteffekten, die eine beklemmende Atmosphäre erzeugen. Dabei ist das Licht immer offen für Geheimnisse, die keiner auf den ersten Blick versteht. Es ist in vielen Fällen das Licht, das die Düsternis, die Ambivalenz und das Geheimnis aufregend macht.

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