Marvel's Agent Carter - Unser erster Eindruck

08.01.2015 - 08:50 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
Agent Peggy Carter (Hayley Atwell) schlägt zu!ABC
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Nachdem das Marvel Cinematic Universe bereits vor über einem Jahr mit Marvel's Agents of S.H.I.E.L.D. in die TV-Landschaft expandierte, zieht seit wenigen Tagen Hayley Atwell als Marvel's Agent Carter nach. Ob sich die Agentenserie lohnt, erfahrt ihr in unserem Pilot-Check.

Ein Wagnis war es mit Sicherheit für Marvel Studios, dem allseits geliebten, aber dennoch untypischen Fan-Favorit eine eigene Serie zu spendieren. Klar, Agents of S.H.I.E.L.D. hat bereits vor über einem Jahr die Grenzen des Marvel Cinematic Universe ins Fernsehen ausgeweitet und mit dieser Expansion maßgeblich zum Austesten der Reichweite des Mega-Franchises beigetragen. Trotzdem hat Marvel's Agent Carter überraschend wenig mit dem einheitlichen Deckmantel gemein, der sich wie ein roter Faden durch sämtliche MCU-Produktionen seit dem Startschuss Iron Man zieht. Nein, die neue Superhelden-Serie entspricht geradezu bis in die Grundzüge ihren Vorgängern, was nicht zuletzt daran liegt, dass sich anstelle eines Superhelden eine Superheldin im Mittelpunkt der Geschehnisse befindet. Im knalligen Einstieg der Pilotfolge besingt Caro Emerald zwar noch That Man , allerdings wird sich dieser eine heldenhafte Mann im folgenden Treiben nie zu erkennen geben, da es ihn schlicht und einfach nicht gibt. Hayley Atwells Peggy Carter mag zwar nicht dem klassischen Heldentyp eines Marvel-Blockbusters entsprechen, gleichwohl zeigt die toughe Agentin im Rahmen der ersten zwei Episoden (Now Is Not The End & Tunnel And Bridge), die am Dienstag auf ABC ihre Premiere feierten, ihren männlichen Kollegen frech und selbstbewusst, wo der Hammer hängt.

Marvel's Agent Carter setzt im Jahr 1946 nach den Ereignissen von Captain America - The First Avenger ein. Noch in den ersten Minuten gedenkt Regisseur Louis D'Esposito, der ebenfalls für die Inszenierung des gleichnamigen Marvel One-Shots verantwortlich war, auf dessen Vorarbeit die Serie fußt, dem tragischen Tod von Steve Rogers (Chris Evans). Folglich werden gleich zu Beginn zwei Dinge manifestiert: Obgleich der geneigte Fan über das spätere Schicksal der Welt und ihrer Helden dank vorheriger MCU-Segmente in Kenntnis gesetzt wurde, nimmt sich Marvel's Agent Carter die Freiheit, diesem Wissensvorsprung zu trotzen und verirrt sich beherzt in einer Zeit, in der von einer Geheimabteilung namens S.H.I.E.L.D. noch keine Rede ist, sondern lediglich die vorläufige Strategic Scientific Reserve (S.S.R.) sämtliche Fäden im Hintergrund zusammenhält. Darüber hinaus ist sich die Serie aber sehr wohl ihrer Vergangenheit bewusst und baut konsequent auf dem Ende von Caps erstem Abenteuer auf – ohne sich in einer überflüssigen Origin-Story seitens Peggy Carter zu verlieren. Die titelgebende Protagonistin ist einfach da und ehe sich der Zuschauer verliert, auch schon inmitten einer tödliche Mission.

Howard Stark (Dominic Cooper) befindet sich in der Bredouille und wird des Verrats beschuldigt, da ihm eine seiner wertvollsten wie gefährlichsten Erfindungen abhanden gekommen. Um seinen Namen wieder reinzuwaschen, benötigt er Peggys Hilfe, die dafür jedoch zur Verräterin werden würde. Gewiss lässt Howard an diesem Punkt seinem verbalen Geschick freien Lauf, um Peggy für seine Sache zu gewinnen (sprich: sie zu instrumentalisieren). Gleichzeitig nutzt Peggy diese Chance wie ein Sprungbrett, um den eintönigen Aufgaben und Pflichten zu entkommen, die sie als Sekretärin ausübt. Im eigenen Büro herrscht nämlich abseits männlicher Dominanz ein konservatives Verständnis von dem, wie die Geschlechterrollen zu verteilen sind. Vom obligatorischen Alltagssexismus der zeitlichen Periode lässt sich Peggy jedoch nicht unterkriegen und auch Marvel's Agent Carter liefert eine lobenswerte Herangehensweise ab, indem zusätzlich zum actionreichen Agenten-Part ein präzises Sittengemälde jener Dekade aufgezogen wird. Die Gender-Diskussion nimmt beinahe genauso viel Screentime wie die Jagd nach dem MacGuffin ein und positioniert sich rückblickend sogar um einiges nachhaltiger zwischen den Zeilen der offensichtlichen Geschichte.

Marvel's Agent Carter spielt in einer Zeit, in der die Männer im Krieg an der Front kämpften und Frauen automatisch in die Berufe hineingewachsen sind, die eben jenem Geschlecht überwiegend vorbehalten waren. So arbeitet Peggys Mitbewohnerin beispielsweise in einer Fabrik und auch die Agentin im Geheimdienst ihrer eigenen Agenda lässt sich von keinem der Steine aufhalten, der ihr in den Weg gelegt werden. Stattdessen verwendet sie ihre weiblichen Reize bewusst, um entsprechendes Geröll gekonnt zu überwinden. Auf die herablassende Frage "What's your name darlin?" gibt es ein entschiedenes "Agent." als Antwort. Nicht einmal Edwin Jarvis (James D'Arcy), der Peggy im Auftrag von Howard zur Seite stehen (sprich: beschützen) soll, kann die damsel in distress zum Schluss retten, weil es diese gar nicht gibt. Darüber hinaus ist das Script der ersten beiden Episoden so clever, dass die Beziehung zwischen Peggy und Jarvis nicht ausschließlich auf neckisch One-liner hinausläuft, sondern ab einem Punkt den Ernst der Lage erkennt. Exakt in diesem Moment lassen die Figuren ihren Cartoon-esken Ursprung – so amüsant und kurzweilig dieser auch sein mag – hinter sich zurück und werden zu echten Charakteren, die nicht nur das Böse jagen, sondern ebenso mit gesellschaftlichen Problemen konfrontiert werden.

Hier gelingt Marvel im Gegensatz zu den Auftaktepisoden von Agents of S.H.I.E.L.D. ein deutlich sichererer und dynamischerer Einstieg. Alles wirkt rund, ausgeglichen und bis zu einem gewissen Grad überdurchschnittlich durchdacht. Besonders in puncto Produktionsdesign zehrt die Serie von ihren Möglichkeiten. Die 1940er Jahre erwachen sowohl in der Dekorationswut als auch im jazzigen Soundtrack zum Leben. Die Kamera bewegt sich flott durch farbenfreudige Räume, die gänzlich dem gräulichen Tenor anderer MCU-Vehikel wie Agents of S.H.I.E.L.D. oder zuletzt Captain America 2: The Return of the First Avenger entsagen. Marvel's Agent Carter atmet ganz deutlich den abenteuerlichen Geist von Captain America: The First Avenger, dem Joe Johnston im spielbergschen Einfluss schon nahezu in ein Indiana Jones-Abenteuer verwandelt hatte. Ein Hauch rührender Nostalgie und dennoch wirkt alles quicklebendig: Vor allem, wenn in einer starken Parallelmontage die Aufnahme der Radiosendung Captain America Adventure Program jenen Heroen glorifiziert, der zur Rettung der Jungfrau in Nöten eilt. Doch die eigentliche Heldin der Serie prügelt ohne Caps Schild im Rücken einen Antagonist nach dem anderen durch die Wohnung. Diese Peggy Carter hält so schnell niemand auf!



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