Menschenhandel & Dystopie in Dollhouse

13.12.2011 - 08:50 Uhr
Eliza Dushku im Dollhouse
FOX
Eliza Dushku im Dollhouse
7
10
Wieder einmal verschenke ich mein Herz für Serie an eine Show, die viel zu früh ihr Ende gefunden hat. Diesmal geht es in Joss Whedons Dollhouse.

Wenn wir an Puppenhäuser denken, dann denken wir an Miniaturhäuschen mit kleinen Möbeln und starr dreinblickenden Mini-Menschen, mit denen die Kleinen ihre naive Version des Lebens der Großen nachspielen. Woran wir im ersten Moment weniger denken, ist Science Fiction und Menschenhandel. Das ist ein Fehler, den ich heute zu korrigieren versuche, indem ich euch bei mein Herz für Serie die TV-Show Dollhouse vorstelle.

We are the experts at giving people what they need, aren’t we?
Wie schon so oft, wenn ich mich dieser Kategorie austobe, stammt die Serie aus der Feder von Joss Whedon. Erneut widmet er sich einer etwas anderen Art von Science Fiction. Diesmal verbannt er allerdings keine Cowboys ins Weltall, sondern richtet unseren Blick auf das L.A. der Gegenwart. Im Zentrum ist Echo (Eliza Dushku), die in einem Dollhouse lebt. Dieses ist Teil einer Untergrundorganisation, die sich auf den Verleih von Menschen spezialisiert hat. Die Dolls (oder Actives) sind keine Sklaven, sondern Personen, die sich freiwillig bereit erklärt haben, ihre eigenen Erinnerungen und Persönlichkeit vorübergehend löschen zu lassen, um Platz für Neue zu machen. Wie die Puppen, nach denen sie benannt sind, werden sie anstatt mit neuer Kleidung, mit immer neuen Identitäten ausgestattet. Diese werden nach den Wünschen und Vorstellungen des Kunden erstellt. Mal werden sie zu Liebhabern, mal zu Geiselbefreiungsexperten, dann wieder zu Kunstdieben, Hebammen oder Wissenschaftlern. Den Wünschen werden hier keine Grenzen gesetzt. Die Dolls sind keine Schauspieler, sondern werden durch das Imprinting zu einer völlig neuen Person, mit Erinnerungen und Gefühlen an ein komplettes Leben, das jedoch nie jenseits eine Hard Drives existiert hat. Nach jedem Auftrag werden die Actives blank gewischt und kehren zu einem ruhigen Leben im Puppenhaus zurück, bis sie erneut gemietet werden.

My entire existence was constructed by a sociopath in a sweater vest.
Eine der Besonderheiten an Dollhouse ist, dass fast jede Figur, die gezeigt wird, mehrere Charaktere darstellt. In jeder Episode zeigen uns die Dolls mehrere Persönlichkeiten, jede völlig neu und anders, als würden wir jeweils eine komplett andere Figur beobachten. Im Zentrum des Treibens stehen die Actives Victor (Enver Gjokaj), Sierra (Dichen Lachman) und Echo, auf deren Abenteuern der Fokus liegt. Während Sierra und Victor trotz ständigen Gedächtnis-Löschens beginnen, sich ineinander zu verlieben, entwickelt Echo mit der Zeit eine eigene Persönlichkeit, jenseits der Frau, die sie vor dem Dollhouse war. Bruchstücke aller Imprints bleiben dabei hängen und beginnen, eine gänzlich neue Person zu schaffen.

Das Interessante an Dollhouse ist, dass die Serie sich nicht nur mit einer Science Fiction Version von Menschenhandel beschäftigt, sondern auch Fragen aufwirft, was eine Person ausmacht und was sie real sein lässt. Welche Persönlichkeit der Hauptfigur ist real? Caroline, die Frau, die sie war, bevor sie ins Puppenhaus kam? Eine der Persönlichkeiten, die ihr aufgespielt wurde? Oder Echo, die beginnt, aus all diesen zu entstehen, obwohl sie gar nicht existieren dürfte? Dollhouse stellt viele Fragen und testet mit jeder Episode die Komfortzone der Zuschauer, nicht nur durch die Inhalte an sich, sondern auch durch die Nicht-Dolls der Serie. Diese verkörpern die verschiedensten Einstellungen, was ein konfliktreiches Zusammenspiel entwickelt. Das Wissenschaftsgenie Topher (Fran Kranz), der viel zu beschäftigt mit sich und seiner Faszination für die Technik ist, um sein Tun moralisch zu hinterfragen. FBI-Agent Ballard (Tahmoh Penikett), der sein normales Leben und seine Karriere opfert, um Carline/Echo befreien zu können. Oder Adelle (Olivia Williams, die Leiterin des Dollhouse, die überzeugt davon ist, dass sie etwas Gutes tut, indem sie den Menschen ihre Sehnsüchte erfüllt. Sie alle vertreten verschiedene, extreme Positionen und lassen ständig hinterfragen, was real und vor allem was richtig und moralisch vertretbar ist. Das macht es letztlich möglich, die Serie nicht auf futuristischen Menschenhandel zu reduzieren. Dank gut geschrieben Dialogen und einer tollen Besetzung geschieht das aber zum Glück ohne vorgehaltenen Zeigefinger.

I don’t want to use the word genius, but I’d be ok if you wanted to.
Dass Dollhouse zwei Staffeln bekommen hat, grenzt an ein Wunder. Dessen sind sich auch die Macher bewusst. In einem Interview witzelte Joss Whedon einmal, dass FOX auf den Kalender gesehen hätte und sagte “oh nein, wir wollten diese Serie doch schon vor Monaten absetzen!”. Die Kritiken für die ungewöhnliche Science Fiction Show waren gemischt und auch die Zuschauer wussten nicht wirklich, was sie davon halten sollten. Mehr als einmal fielen Anklagen von romantisierter Sklaverei und Prostitution – etwas, das sich auf den ersten Blick leicht nachvollziehen lässt.

Für mich war Dollhouse eine erschreckende Sozialstudie mit Thriller-Elementen, die auf eine bedrückende Dystopie hinsteuerte. Auf diese wurde in nur zwei Folgen der Staffelfinale eingegangen, die deutlich zeigten, was für eine düstere Zukunft uns in Dollhouse erwartet hätte, wenn die Serie weiter gelaufen wäre. Das Potenzial, das sie zeigten, lässt mich auch fast zwei Jahre nach der Absetzung noch um das Puppenhaus trauern. Wer Science Fiction und Thriller mit ungewöhnlichem Ansatz mag, der sollte einen Abstecher ins Dollhouse wagen. Es lohnt sich.

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