Nach Bad Banks: Undine mit Paula Beer ist der bisher beste Film der Berlinale

23.02.2020 - 19:38 UhrVor 3 Jahren aktualisiert
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Zwei Jahre nach Bad Banks und Transit gibt es ein Paula Beer-Déjà-vu. Staffel 2 der Serie läuft und in Christian Petzolds Undine feiert sie eine Wiedervereinigung mit Franz Rogowski.

Wer würde einem Zug mit Bad Banks-Star Paula Beer nicht hinterher sprinten? Diese Frage wird am Anfang des neuen Films von Christian Petzold unvermittelt beantwortet. Da hat Undine (Beer) gerade gehört, wie ihr Freund mit ihr Schluss macht. Doch sollte man sich von der urigen Fassade im Hintergrund nicht täuschen lassen. Diese Burg ist nur ein Café und diese Undine lebt in der Gegenwart.

Der Mythos um die Wassernixe steckt im Titel Undine und auch in der Geschichte einer jungen Historikerin in Berlin, die nach der Trennung einen Industrietaucher kennen lernt. Eine leidenschaftliche Beziehung entbrennt und eines steht schnell fest: Christoph (Franz Rogowski) würde hinterher sprinten.

Der erste deutsche Wettbewerbsfilm der diesjährigen Berlinale ist der bisher beste des Jahrgangs. Undine ist Petzolds leichtester Film seit Barbara, ein modernes Märchen, das aus seinem freien Umgang mit dem Mythos ungemein gewinnt. Bei aller Vielschichtigkeit bietet der Film eine Bühne für die in Transit bewiesene Chemie von Rogowski und Beer.

Undine: Ein Märchen mit Paula Beer und Franz Rogowski

Als sich Undine und Christoph zum ersten Mal sehen, zerbricht ein Aquarium. Beide liegen nass und glücklich am Boden. Die Liebe ist geschmiedet wie im Märchen, ein paar zappelnde Goldfische bezeugen es. Nur ist Christoph kein Ritter, der sich in einem Zauberwald verlaufen hat, und seine Maid kein jungfräuliches Mädchen aus dem Wasser.

Paula Beer in Undine

Eine Seele besitzt diese Undine nämlich, anders als im Märchen von Friedrich de la Motte Fouqué. Sie ist eine ganz normale Frau, sie lebt in Berlin, sie arbeitet als Historikerin, sie ist vielleicht Hunderte Jahre alt. Wer weiß?

Das Phantastische wabert unter der Oberfläche dieses Deutschlands, in dem eine Frau ihrem Ex-Freund sagt, sie müsse ihn umbringen, wenn er ihr nicht seine Liebe gesteht. Als liege ein Fluch über ihr. In Westfalen schwimmen riesige Welse durch Seen, an deren Grund auf uralten Steinbögen die Buchstaben U, N, D, I, N, und E stehen. Neben einem Herzchen.

Die Ruinen und Nebelwälder der Romantik wurden durch Neubauten und Staudämme verdrängt. Oberhalb der herzergreifend unmittelbaren Romanze wirkt Undine betont profan, betont irdisch. Jederzeit könnte Undine davon schwimmen - oder in einen ICE steigen.

Sedimente von Phantastik und Geschichte

Die ständige Unsicherheit, wie viel Phantastik in dieser Welt Platz hat, gehört zum Charme. Christian Petzold hat viele Filme über Geister gemacht. So nah am phantastischen Film wie in Undine war er noch nicht. Dabei liegt er thematisch gar nicht so fern von den drei vorangegangenen historischen Werken Barbara, Phoenix und Transit.

Franz Rogowski und Paula Beer in Undine

Mit Berlin lungert die Geschichte offen im Hintergrund. Das Humboldt Forum, welches das zerstörte Stadtschloss nachahmt, wird thematisiert. Dass sich Christoph und Undine vor dem Märkischen Museum zum ersten Mal treffen, eröffnet ähnliche Fragen. Auch dessen Fassade reproduziert mehrere Stile ferner Epochen.

Spiegel des eigenen Wesens reflektieren hier und da im Film, der eine moderne Interpretation eines (überholten) mittelalterlichen Mythos darstellt. Manchmal wirken sie klar, manchmal fragt man sich, ob es wirklich so einfach zu erklären ist, was man da sieht. Der Berlin-Film innerhalb des Märchenfilms betrachtet den unförmigen Flickenteppich an der Spree durch die Sedimente seiner Geschichte, vom Hochhaus-Apartment der Historikerin bis zurück in die Tage der Sümpfe und Nymphen.

Der Märchenfilm wiederum betrachtet Undine als selbstbestimmte Frau. Als Figur verkörpert die Märchen-Undine traditionell überkommene Frauenbilder, die das unberührte Weibliche zu etwas Animalischen überhöhen und der männlichen Ratio gegenüberstellen. Dem greift das Drehbuch vor, nicht zuletzt weil Christoph und Undine Züge der Nymphe in sich tragen.

Der Berlinale-Beitrag Undine begeistert als märchenhafter Liebesfilm

Die schönste Fassade ist die des Liebesfilms. Ein Zauber umgibt Undine und Christoph von der ersten Sekunde. Bei Petzolds Liebesgeschichten hat man manchmal das Gefühl, ein Windstoß könnte den romantischen Sturm davonwehen. So feingliedrig und zerbrechlich wirken sie trotz ihrer Intensität, auch jene von Christoph und Undine.

Jakob Matschenz und Paula Beer in Undine

Paula Beer bestätigt sich hier als eine der interessantesten deutschsprachigen Darstellerinnen. Was ihrer ehrgeizigen, aber auch ausgehöhlten Heldin aus Bad Banks fehlt, drückt sie in der Rolle von Undine unwiderstehlich aus mit ihren drängenden Augen. Rogowski wiederum bildet durch seine Zerbrechlichkeit einen nötigen Kontrast.

Beängstigend zart ist dieses Liebespaar. Wenn Christoph neben dem Zug sprintet, der seine Geliebte davon trägt, macht das ab sofort nicht nur jede Regionalbahnfahrt um ein Vielfaches romantischer. Man wünscht sich, er könnte ewig so weiterrennen. Er würde nie aus diesem Fenster verschwinden, durch das Undine ihn anlächelt. Er würde mit ihr auf der anderen Seite ankommen, als wäre das ganz normal. Das allerdings ist Stoff für Märchen, nicht Bahnsteige.

Was sagt ihr zu den Filmen von Christian Petzold?

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