Der neue Film von Kevin Smith sorgte ja schon im Vorfeld für Diskussionen. Erst sollte er eine NC-17-Freigabe verpasst bekommen und wurde nur nach Protest von Smith auf ein R-Rating herabgestuft, dann weigerten sich diverse Zeitungen und Städte die Plakate des Films zu zeigen, weil ihnen der Titel zu schmutzig war: Zack & Miri Make a Porno.
Was dazu führte, dass man kurzerhand ein Ersatzposter drucken ließ, auf dem nur Strichmännchen zu sehen waren und der Satz “Dieser Film ist so heiß, dass wir nichtmal seinen Namen nennen dürfen.”
Jetzt verkündeten auch einige Kinos, dass sie sich entschlossen haben den Film nicht zu spielen. Die Megaplexkette in Utah wird Zack & Miri Make a Porno nicht zeigen, weil ihnen der Film zu weit geht. Der Besitzer der Kette, ein Autohändler namens Larry H. Miller hat mit sexuellen Inhalten wohl generell seine Probleme: Er weigerte sich bereits 2005 Brokeback Mountain ins Programm zu nehmen (auch wenn er diese Entscheidung wohl später aus kommerzieller Sicht bedauerte).
Befragt, warum er Kevin Smith s Film boykotiere, aber gleichzeitg den ultrabrutalen Folterporno Saw V spiele, gab es nur ein vielsagendes: Kein Kommentar.
Natürlich könnte man das als lustiges Einzelbeispiel sehen genauso wie das merkwürdige Verhalten der US-Filmbewertungsstelle MPAA, die ein Hostel mit einem R-Rating entlässt, aber die härtere NC-17 für einen harmlosen Streifen wie Der Cooler – Alles auf Liebe verteilt, nur weil kurz ein paar Schamhaare im Bild sind (zum Vergleich: Der Cooler – Alles auf Liebe ist bei uns FSK16, während Hostel in der ungekürzten Fassung hierzulande keine FSK Freigabe hat sondern nur als “strafrechtlich unbedenklich” eingestuft wurde).
Doch die unterschiedliche Wahrnehmung von Sex und Gewalt geht tiefer, ja sie ist fest in der amerikanischen Psycho verwurzelt. Es sind nicht nur wenige Einzelfälle, es ist tatsächlich eine grundsätzliche Geisteshaltung, befindet Eric D. Snider in einer Kolumne für Film.com . Es ist nicht nur Sex, es ist jede Form von Nacktheit die den Amerikanern Unbehagen bereitet. Kein Wunder dass sich Daniel Radcliffe von überbesorgten Eltern schwere Vorwürfe anhören musste, als er sich entschied, im Theaterstück Equus nackt aufzutreten. Kein Wunder, dass sich ganz Amerika über Janet Jacksons Tittengate echauffierte. Kein Wunder, dass Teenieklamotten wie American Pie – Wie ein heißer Apfelkuchen mit ihrem letztlich puritanisch-klemmigen Humor als gewagt gelten und zu Megaerfolgen werden.
Amerika giggelt wie ein pubertierender 14jähriger über anzügliche Witze und findet alles, was mit Sex zu tun hat, superspannend, macht aber einen Rückzieher, sobald das Niveau platter Herrenwitze verlassen wird. Da gelten dann selbst kleine Kinder am Strand oder griechische Statuen schon als anzüglich.
In einem Land, in dem es alleine die zu häufige Verwendung von Four-Letter-Words schon ausreicht, um eine Freigabe ab 18 zu provozieren, verwundert es nicht, dass jede Andeutung von Nacktheit schon skandalös ist. Wobei es selbst hierbei Abstufungen gibt: Für die Darstellung “abweichenden Sexualverhaltens” gelten nochmal härtere Maßstäbe. Ein Kuss zwischen zwei Männern oder zwei Frauen gilt als jugendgefährdend, auch wenn es in der Hetero-Variante völlig unproblematisch erscheint.
Kevin Smith wandelte mit seinen Werken stets am Rande dessen, was in Amerika noch tolerierbar war. Fast alle seine Filme haben ein R-Rating erhalten (selbst Jersey Girl, der eigentlich für ein PG13-Rating gedreht wurde) und das, obwohl in keinem seiner Filme Sex oder echte Gewalt vorkamen. Es verwundert kaum, dass Zack & Miri Make a Porno, der tatsächlich ein paar Sexzenen enthält, jetzt also für den völligen Moral-Overkill sorgt.
Eric D. Snider glaubt eine Erklärung für diese Doppelmoral seiner Landsleute gefunden zu haben:
“Ich vermute, es liegt an folgendem: Wenn wir im TV oder Film Gewaltakte sehen, wissen wir, dass niemand wirklich verletzt wurde. Das Blut ist falsch, die Schauspieler erleiden keine Schmerzen. Unser Moralverständnis hat keinerlei Probleme mit Menschen, die Gewalt imitieren, auch wenn Gewalt selbst moralisch verwerflich is. Wenn wir jedoch mit Nackheit konfrontiert werden, sind die Schauspieler wirklich nackt. Der Sex ist nicht echt, aber die Nacktheit ist es, die Bewegungen, mit denen der Sex simuliert wird, sind real und an dieser Stelle erwacht unser puritanisches Grundempfinden und lässt uns unwohl fühlen. Sex sollte etwas Privates sein, das unter den Laken stattfindet und in der Öffentlichkeit nicht diskutiert wird. Dieses Moralverständnis ist noch immer in unsere gesellschaftliche Gesamtwahrnehmung eingemeisselt.
Das muss nicht unbedingt schlecht sein. Es steht außer Frage, dass Sex heutzutage trivialisiert und entwertet wird und Kinder immer früher und früher damit konfrontiert werden. Doch auf der anderen Seite kann es keine Lösung sein, den Kindern beizubringen, dass Sex tabu, schmutzig und grundfalsch ist, wenn die Realität doch ganz anders aussieht. Es muss einen Mittelweg geben, doch meist landen wir bei unserer typischen Hyper-Prüderie. Und dafür dürfen wir uns an diesem Thanksgiving mal wieder bei unseren puritanischen Vorfahren bedanken."
Die Mehrheit der US-Kritik, die oftmals weniger prüde ist als die Öffentlichkeit, zeigt sich von Zack & Miri Make a Porno recht angetan und bescheinigt Kevin Smith trotz seiner derben Dialoge einen liebenswerten und sogar romantischen Film abgeliefert zu haben.
A.O. Scott von der New York Times unterstellt dem Film sogar Familientauglichkeit: “Zack and Miri Make a Porno folgt trotz seiner Anzüglichkeiten, dem typischen Schema für romantische Komödien, das auch auf dem Disney Channel nicht fehl am Platze wäre.”
Bis auf die Four-Letter-Words eben.
Und letztlich bleibt es dabei: Es liegt an jedem einzelnen, worin er etwas Anstössiges sehen möchte. Das Bild dieses Artikels zeigt schließlich auch nur einen Mund.
Hier noch ein Review von Michael Phillips von der Chicago Tribune: