Pornografie & Barbiepuppen - Sex in Videospielen

22.04.2014 - 08:50 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Heavy Rain
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Dass Sex sich gut verkauft, hat die Filmindustrie schon lange erkannt. Videospiele hingegen hängen noch etwas hinterher und kämpfen mit ihrer eigenen Pubertät.

Sex und Videospiele vertragen sich nicht besonders gut. Obwohl es sich schon lange um kein Medium für Kinder mehr handelt, wird es oft noch gerne so behandelt, gerade wenn es um erwachsenere Themen geht. Das ist ein Vorwurf, den wir nicht zwangsläufig nur denen machen können, die sich nicht mit Games auskennen, sondern gerade denjenigen, die sich intensiv mit ihnen beschäftigen. Denn während die explizite Darstellung von Gewalt für Entwickler kein Problem zu sein scheint, wird es sehr schnell kritisch, wenn es um die Illustration von Sexualität geht – zumindest, wenn es über die sexualisierte Darstellung weiblicher Charaktere hinausgehen soll.

Zwar spielen besonders in handungsgetriebenen AAA-Titeln wie The Witcher oder Mass Effect Beziehungen, Sex und Sexualität durchaus eine Rolle, trotzdem ist es allgemein noch immer ein unbeholfen umgesetztes und gerne vermiedenes Thema, vor dem viele Spielemacher zurückschrecken, sofern es denn mehr sein soll als nur eine Fußnote in einer Geschichte mit ganz anderem und bevorzugt möglichst actionreichem Fokus.

Ist Gewalt wirklich so viel einfacher zu handhaben als Sex? Bisher scheint die Antwort auf diese Frage “ja” zu sein. Obwohl Sex sich bekanntlich gut verkauft, ist es kein Thema, mit dem überall auf der Welt frei umgegangen wird oder werden kann. Während erotische oder sogar pornographische Spiele in Japan einen großen Markt bilden, kann expliziter sexueller Inhalt in den USA das kommerzielle Todesurteil für einen Titel bedeuten, weil er Gefahr läuft, vom Entertainment Software Rating Board die Einstufung Adults Only (AO) zu bekommen. Viele Einzelhandelsketten weigern sich, AO-Spiele zu führen, während Nintendo, Microsoft und Sony es gleich komplett ablehnen, Spiele mit dieser Kennzeichnung überhaupt auf ihren Konsolen zuzulassen.

Der Grat, was als akzeptabel gilt und was nicht, ist dabei nicht nur schmal, sondern häufig genauso unverständlich. Das beste Beispiel dafür ist Grand Theft Auto: San Andreas, das mit Hot Coffee für Aufsehen sorgte. Die von Fans erstellte Mod ermöglichte Zugriff auf ein tief im Code vergrabenes Minispiel, in dem der Hauptcharakter einvernehmlichen und bekleideten Sex mit seiner Freundin haben konnte. Nach der Entdeckung des Minispiels wurde GTA: San Andreas mit dem AO-Rating bestraft und verschwand aus den Regalen, bis der problematische Teil der Schere zum Opfer gefallen war. Vergleichsweise dazu hatte niemand etwas gegen die Tatsache einzuwenden, dass Spieler Sex mit Prostituierten haben und diese danach verprügeln konnten, um ihr Geld zurückzubekommen.

Das US-Rating ist nur eines der Probleme, die sich Sexualität in Spielen stellen muss. Der häufig mangelnde Fokus auf das umfangreiche Spektrum menschlicher Emotionen und sozialer Interaktionen, die über Schlachtfelder hinausgehen, ist ebenso problematisch wie der viel diskutierte Realismus, der gleichzeitig Fluch und Segen sein kann. Zum Realismus gehört nicht nur lebensechte Grafik, sondern auch die Bewegungsphysik der Charaktere, die in der Vergangenheit so manchem erotischen Moment im Weg stand. So interessant die Entwicklung einer romantischen Beziehung in Dragon Age: Origins sein konnte, so schmerzhaft war die darin gipfelnde Sex-Szene, die an das unbeholfene Spiel von Kindern erinnerte, die steife Plastikpuppen aneinander reiben. Da ist es fast ein Segen, dass BioWare die Angewohnheit hat, vor dem eigentlichen Akt auszublenden. Obwohl das Studio diese Szenen sowohl technisch als auch narrativ mit jedem Spiel besser handhabt, bleibt der Fade-to-Black-Moment ebenso wie die Passivität der Szenen, denn anstatt sie von Spielern steuern zu lassen, handelt es sich dabei um Cutscenes.

Die Interaktivität mag zwar eines der ausschlaggebenden Merkmale des Mediums sein, im Fall von Sex in Videospielen kann gerade sie aber jedes erotische Gefühl im Keim ersticken wie Heavy Rain erfolgreich bewies. Zwar bot das Quick-Time-Events-lastige Spiel interessante Charaktere mit ebenso gut ausgearbeiteten Beziehungen, das änderte aber nichts daran, dass die (optionale) Sexszene zwischen zwei der spielbaren Figuren zu den wohl unangenehmsten Erfahrungen gehörte, die der Thriller zu bieten hatte. Die Erotik starb mit demselben Knopfdruck, mit dem Spieler der weiblichen Hälfte des unglückseligen Paares ihres BHs entledigen sollten. Anstatt knisternder Atmosphäre gab es hektisches Controller-Gefuchtel in schmerzvoll-langsam verstreichenden Minuten, in denen die beiden Charaktere sich dank der holprig-undurchdachten QTEs so natürlich bewegten wie Barbie und Ken.

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