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Shanadoo - Welcome to Tokyo

03.04.2016 - 15:52 Uhr
Etwas Sushi gefällig?
Icezone
Etwas Sushi gefällig?
7
1
...wo Süß-Sauer-Sauce wie Sake fließt

Jahr: 2006

Genre: Dance

Singles: King Kong, My Samurai, Guilty of Love


Als Shanadoo zwei Jahre lang ihre 5 Minuten Ruhm auslebten, hat meine schlagerhörende Oma mal gemeint, dass sie genauso klingen, wie man sich Japan vorstellt. Ich will gar nicht wissen, wie sehr meine An Cafe-Alben ihre Vorstellung japanischer Musik zerstören würde. In gewisser Weise hat sie recht: was in diese CD reingekloppt wurde, fasst gut und gerne das komplette Bild zusammen, welches Bewohner des Westens, die sich noch nie mit der japanischen Kultur beschäftigt, Musik aus dem Land gehört oder auch nur Filme dieses Staates gesehen haben, von der Nation haben. Angefangen vom Titel, oder dass das Album mit der altbekannten "ding dididi-ding-dong dong dong dang"-Melodie beginnt (welche später auf dem Song "It's Just a Little Flirt" in Form eines ausgeschlachtet gespielten Synthie-Samples noch richtiggehend zelebriert wird), über die mit jedem nur erdenklichen Klischee zugemüllten Titel oder der aus allen Ecken dröhnenden, aber den westlichen Hörgewohnheiten angepassten Eurobeatmusik, die hin und wieder auch mal zu traditionellen asiatischen Instrumenten greift - dass hierbei gerne einmal Japan und China über den Haufen geworfen werden, merkt die Zielgruppe ohnehin nicht.

Werfen wir einmal einen Blick hinter die Kulissen: In den 90er Jahren war David Brandes ein erfolgreicher Eurodance-Produzent, der vor Allem durch das Duo E-Rotic Erfolge feierte. Das Genre war damals sehr populär und die albernen sexuellen und schlager-angehauchten Texte ("Max Don't Have Sex with my Ex", "Fred Come to Bed") waren genauso dümmlich wie auch irgendwo lustig. Aber das änderte sich rapide, als er um die Jahrtausendwende Mystik entdeckte. Nicht nur produzierte er das einzige Album des Projektes Missing Heart (neben den Werken von 2 Unlimited und Ace of Base das vermutlich beste Album, welches das Genre je hervorgebracht hat), sondern auch die Lieder von E-Rotic verlagerten sich immer weiter in schamanistische, spirituelle Klänge, die durch die typischen Eurodance-Elemente abgerundet wurden. Als sich das Duo nach mehreren Besetzungen aufgelöst hat, nahm er eine bereits existierende estnische Pop-Rock-Gruppe namens Vanilla Ninja unter seine Fittiche, die in ihrem Heimatland bereits erfolgreich ein Album veröffentlichten. Mit ihnen konnte er den Imagewandel perfektionieren: er verwandelte die 4 Frauen der Gruppe in eine Mischung aus bombastischem, fast schon orchestralen weichen Rock und Ambient. Das hat er prima gemacht. Die beiden Alben dieser Zusammenarbeit höre ich immer noch gerne, das war einfach stimmig. Doch dann verließ die Gruppe den Produzenten, weil sie sich wie zu Anfangszeiten selbstverwirklichen wollte (es hielt leider nur 1 Album lang). Was tun?

Und das ist das große fehlende Stück im Puzzle: Brandes hat sich von einem albernen Quasi-Schlager-Produzenten zu relativ hochwertigen, spacigen und pathetischen Arrangements verbessert - und dann lässt er Shanadoo auf die Welt los. Plump produziert, mit stumpfen Texten, und stupidem Image. Wieso? Ich vermute, er hat Vanilla Ninja mal gefragt, was genau denn so ein Ninja überhaupt sei - diese haben ihn das kurz mal erläutert. Das fand er so cool, dass er begonnen hat, Japan zu googlen und die ersten paar Begriffe in die Lieder hineinzustreuen. Man castete einige japanische Mädchen, die die Musik interpretieren sollten. Dass tatsächliche Landesleute ihre an und für sich recht hübschen Gesichter, so fern ich das beurteilen kann, für dieses an Rassismus grenzende Produkt hergeben, erschließt sich mir nicht. In Musikvideos tritt die Band tritt in Kimonos Basic-Schritte von ParaPara tanzend vor antiken Schrein auf. Das Traurige ist, die Musik klingt entsprechend.

11 von 13 Songs des Albums verwenden Melodien, die bereits 10 Jahre zuvor bei E-Rotic Einsatz fanden ("Fred Come to Bed" wird zu "My Samurai", "I'm Over You" zu "Ninja Tattoo", etc.) - die nostalgischen 90s Synthesizer und weichen Beats sind stampfenden Bassdrums und und vorinstallierten Loops gewichen. Alles soll rasant wirken, kann aber teilweise überfordern. Für J-Pop ist die Musik erst einmal entschieden zu langsam, zweitens zu europäisch komponiert. Und drittens zu voll von diesen. Verdammten. KLISCHEES. "King Kong", "It's Like an Anime" oder "Konichiwa" sind nur ein paar der Monströsitäten, die sich hier auftun. Wie würden sich Deutsche bei Titeln wie "You are my Krautsalat", "Heil in my Heart" oder "Brezel in the Night" fühlen? Auf manchen der Tracks gibt es Raps, bei denen zwei der Bandmitglieder gleichzeitig japanische Texte aufsagen. Das sind die Highlights des Albums. Wohl auch, da ich nicht verstehe, was sie da von sich geben - und da sie auch diese Passagen nicht selbst geschrieben haben, bezweifle ich, dass es etwas sinnvolles ist.

Fazit: J-Pop für die Schlagergemeinde. Shanadoo haben sich, ähnlich wie Vanilla Ninja, nach 2 Alben von Brandes gelöst und etwas Neues versucht. Auch bei ihnen hat es nur für ein Album gereicht. Dabei könnten die Mädels sicherlich gute, unterhaltsame J-Pop-Musik machen (sie können okay singen und gut rappen). Leider werden sie es nun schwer haben, ernstgenommen zu werden. Da letztes Jahr E-Rotic ihre Reunion feierten, und ich es nicht für ausgeschlossen halte, dass Shanadoo mangels Erfolg auch wieder zurückkehren, hier schonmal ein paar Titelvorschläge: "My Love for You (Is Like Harakiri)", "Kamikaze Flight Tonight", "Love is Like a Game of Mikado", "Your Sushi makes me kawaii" oder "Yū are My Mizubishi".


Tracklist:

1. King Kong

2. Passion in Your Eyes

3. Guilty of Love

4. Ninja Tattoo

5. My Samurai

6. One Tear Ago

7. Just a Little Flirt

8. Give a Little Love

9. Konnichiwa

10. It's Like an Anime

11. Wake Me

12. Listen to the Rhythm

13. Closer to Heaven

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