The Grand Tour - Alte Männer, die Spaß haben

19.11.2016 - 09:55 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
The Grand TourAmazon Video
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Mit ihrer Show The Grand Tour kehren die Top Gear-Veteranen bei Amazon Prime Instant Video zurück. Wieso sind Shows wie The Grand Tour so erfolgreich?
Autos sind heutzutage so sicher und ausgeklügelt. Sie kommen aus weizenfreien multinationalen Fabriken, die Johnny den Eisbären schützen - dieses hier nicht ...

Ach ja, bei Jeremy, James und Richard kann man sich noch fallen lassen in seiner absoluten Hingabe an die Errungenschaften des europäischen Erfinder-und Ingenieurtums. Richard Hammond Jeremy Clarkson und James May, das sind alles Typen, mit denen wir gerne bei einem Pint über Fußball fachsimpeln, über Amerikaner und Deutsche lästern und über Autos reden (können) wollen, auch wenn wir davon gar keine Ahnung haben. Zusammen haben Hammond, Clarkson und May 22 Staffeln Top Gear gedreht. In der selben Kumpel-Konstellation moderieren, nein, erleben sie jetzt die Reality-Serie The Grand Tour, die seit gestern bei Amazon verfügbar ist. Dort machen sie das gleiche wie in der Vorgängershow: Autos testen und ziemlich viel Quatsch. Aber das kann doch nicht alles sein. Was ist die Geheimzutat von Top Gear und jetzt The Grand Tour? Was verführte weltweit 350 Millionen Zuschauer? Ihre Bodenständigkeit, ihre britische Leichtfertigkeit, ihre kumpelhhafte Hemdsärmeligkeit?

... es ist einfach ein gigantischer, lauter Gruß an das ganze nachhaltige Konzept vom Öko-ismus ...

Zusammenführen lässt sich das Konzept vielleicht als ein Verbrüdern mit dem Zuschauer gegen die spaßverderbende Ökomoderne. Das beginnt bei den Gastgebern selbst. Die sind weit entfernt von den bügelfaltigen Medienprofis, die sonst bei der BBC ihrem Tagwerk nachgehen. Die Moderatoren tragen schlabbrige Hemden, Jeans und Lederjacken (mit Preisschildern). Von journalistischer Distanz zu ihrem Gegenstand - Autos bzw. alles, was schnell ist - kann ebenfalls nicht die Rede sein.

... es ist so zeitgemäß wie ein Großfeuer in einer Ölraffinierie, und das liebe ich daran ...

May, Hammond und Clarkson gehen authentisch ab, zittern vor Aufregung, wenn sie sich in einen gelben McLaren setzen, schwelgen von italienischen Marken wie über Opern (oder wir über Filme) und beschreiben ihre Erlebnisse unmittelbar in die Kamera mit einer lebhaften Mischung aus Fachvokabular und Fuck Yeah!-Variationen. Sie freuen sich bei Mazda-Testfahrten wie kleine Jungs, die einen Autoverkäufer-Knigge verschluckt haben. Als kultivierte Autonerds funken sie auf einer Wellenlänge mit dem Zuschauer, vielleicht nur ein bisschen darüber, aber nie von oben herab. Sie machen begeisterten Fan-Journalismus und mischen dem eine saloppe, derbe Kumpelhaftigkeit bei, an der sich der Zuschauer wärmt: Ein vertrautes "Mate" zu Feierabend kann wunderbar entspannend wirken. Die Gastfreundschaft von Hammond, May und Clarkson fühlt sich an wie ein Besuch im englischen Stamm-Pub.

... ich liebe die absurd lange Motorhaube und die 571 PS, die darunter schlummern ...

Dazu kommt die unernst ernst gemeinte Männerrivalität, die Hammond, May und Clarkson zwischen sich aufziehen. Die Challenges heißen: "Can you buy an Alfa Romeo for £1000 or less without it completely ruining your life all the time?" oder "Find the source of the river Nile". Ihre Liebe zueinander zeigen sich die Moderatoren mit Neckereien: Clarkson ist ein Orang-Utan (weil groß und behäbig), May fährt wie eine Oma zum Teekränzchen und Hammond ist klein und eitel. Früher wurden zudem bei Top Gear Ranglisten geführt, auf der sich Gäste verewigen, die mit verschiedenen Automarken Testrunden so schnell wie möglich absolvieren. Sie werden angeführt von Persönlichkeiten wie Matt LeBlanc, Rowan Atkinson, Olly Murs und Nicholas Hoult.

The Grand Tour

Diese wetteifernden Herangehensweisen bei der Moderation von Reality- und Show-Formaten sind von der Insel schon lange zu uns rübergeschwappt. Joko und Klaas sticheln bei Nonsens-Challenges rund um den Globus aufeinander ein und bei RTL Nitro wird sogar Autoquartett gespielt. Dort wird der Reiz des Ausprobierens und gedankenlosen Spielens ebenso gelebt wie bei Nicht nachmachen! oder MythBusters - Die Wissensjäger. Bei The Grand Tour reisen wir und die drei Gastgeber auf der Suche nach dem nächsten Kick nun konsequent um die ganze Welt.

... ich liebe das Verdeck. [...] Ich liebe die Türen. Ich liebe die Scheibenwischer ...

Auch das pustet natürlich unnötig viel CO2 in die Atmosphäre, aber wenn es regnet, ist sowieso der Toyota Prius schuld. Klimawandel, steigende Ölpreise, politische Korrektheit und überhaupt alles, was den Spaß an Technik und Schnelligkeit verderben könnte, wischt Clarkson mit "It's fucking unbelievable"-Rufen weg, aus denen die Trailer zu The Grand Tour hauptsächlich bestehen, weg. Sie wenden sich mit Ausgelassenheit gegen die Probleme der Moderne. In dieser vom Klimawandel disziplinierten und in ihrem Genuss und Auskosten ihrer Ressourcen gebremsten Welt wird sich eine Folge The Grand Tour anfühlen, wie etwa einem Nichtraucher Zigarettenqualm ins Gesicht zu blasen oder mit einer McDonalds-Tüte in ein Reformhaus zu spazieren.

.. .ich liebe die Ventilkappen. Ich liebe die Leute, die [das Auto] gebaut haben. Ich liebe Deutschland. Ich will dort leben, kaltes Fleisch zum Frühstück essen und Shorts tragen.

Diese Ode auf einen Mercedes sang der massige Clarkson im verliebten Ton eines Minnesängers, während er über eine Teststrecke bretterte. Solange er das tut, ist bei Top Gear oder nun bei The Grand Tour und sowieso die ganze Welt noch in Ordnung.

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