Über die Lügen von Naturdokumentationen

24.04.2014 - 08:50 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Amazonia - Abenteuer im Regenwald
Polyband/24 Bilder
Amazonia - Abenteuer im Regenwald
24
19
Viele Naturfilme vermischen inszenierte Geschichten mit echten, dokumentarischen Aufnahmen. Dabei bleibt oft unklar, wie groß der fiktive Teil ist und wie viel Realität die sogenannten Dokumentationen wirklich zeigen. Ist das ein Problem des Zuschauers?

Heute startet Amazonia – Abenteuer im Regenwald in den deutschen Kinos. Darin erleben wir das große Abenteuer eines Kapuzineraffens, der in Gefangenschaft geboren wurde. Denn seine Familie zieht um, verstaut ihn in einem Flugzeug und los geht die turbulente Fahrt. Das Flugzeug gerät jedoch in ein Unwetter und stürzt über dem brasilianischen Regenwald ab. Der Affe überlebt zum Glück, was mit dem Piloten passiert, erfahren wir nie. Dann tauchen zwei Nasenbären auf, die naturgemäß neugierig das Flugzeug erkunden und dabei den Käfig des Affens öffnen. Der Affe heißt übrigens Sai und trägt ein rotes Halsband. Jetzt ist er im Dschungel ganz auf sich allein gestellt. Also stürzt er sich kopfüber ins Abenteuer und erkundet die Gegend. Beim ersten Unwetter verzieht Sai sich aber direkt wieder ins Flugzeug, seine einzige vertraute Umgebung. Die Suche nach Essbarem gestaltet sich schwierig, schließlich kennt Sai weder Flora noch Fauna und findet hier keinen Fressnapf.

Mehr: Tetris, Killerspiele & Lernen – Videospiel-Dokus

Das klingt alles total süß und auch interessant. Aber meinen die Schöpfer um Thierry Ragobert das wirklich ernst? Denn der Zuschauer fragt sich unweigerlich nach Beginn des Films, was ihm hier vorgespielt wird. Es bleibt völlig unklar, inwiefern die Geschichte um die Auswilderung und Renaturalisierung des Äffchens Sai inszeniert ist. Sollte für die gute Sache tatsächlich einfach ein Kapuzineraffe ausgesetzt worden sein? Wohl kaum. Stattdessen drehte die Filmcrew 18 Monate lang im brasilianischen Urwald mit dressierten Tieren und deren Trainern. Ragobert verbindet Fiktion mit Realität und gaukelt uns im Endeffekt eine romantisierte Geschichte für die ganze Familie vor. Garniert wird das mit herzzereißendem Happy End und ganz kurz erhobenem Zeigefinger. Da kann sich der Zuschauer entweder reingeben und -fallen lassen oder sich ziemlich verarscht vorkommen. Denn Naturfilme beziehungsweise Dokumentationen generell haben es nicht einfach.

Mehr: 15 Dokumentationen dürfen auf Oscar hoffen

Sie fristen ein trauriges Nischendasein in den Samstagmittags-Vorstellungen der großen Multiplex-Kinos. Wir verbannen sie dort hin, weil scheinbar kein Interesse an solchen Filmen besteht. Naturdokus ziehen keine Massen an Zuschauern. Um sie besser vermarkten zu können, erhalten sie einen Protagonisten, der eine spannende Story erzählt, bei der der Zuschauer sogar noch etwas lernen kann. Aber sollte die Natur an sich nicht spannend genug sein? Anscheinend sieht das leider niemand so. Selbst bei dem Film Das Geheimnis der Bäume reichten die wirklich schönen Bilder anscheinend nicht aus und es mussten noch ein paar erklärende Animationen her. Bei Amazonia stellt sich jedoch auch die Frage nach dem Wahrheitsanspruch. Dokumentationen erheben doch eigentlich den Anspruch, etwas zu dokumentieren, also die Wahrheit wiederzugeben. Wäre dann Amazonia 3D nicht eigentlich ein ‘normaler’ Film?

Das könnte dich auch interessieren

Angebote zum Thema

Kommentare

Aktuelle News