Wie der Film Schwarze in den Schatten stellt

21.09.2015 - 11:40 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
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Standbild: Miramax
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Manchmal ist Rassismus so in ein System eingebaut, dass man es gar nicht mehr merkt. Hier eine kleine historische Abhandlung, wie Kodak seine Filme nur für weiße Haut konzipierte und wie dieses System sogar bis heute noch anhält.

Es gab da dieses Mädchen, Shirley, die irgendwann in den 1940er Jahren einmal Modell stand. Sie trug ihr Haar der damaligen Mode entsprechend und dazu ein schwarz/weißes Kleid und Handschuhe. Um sie herum waren Kissen drapiert: eins rot, eins blau und eins grün. Jeder, der in den 1940ern in Fotolabors arbeitete, kannte Shirley. Denn an ihrem Bild, der so genannten Shirley Card, wurden alle Farbdrucker auf den Standard kalibriert. Über die Jahrzehnte veränderte sich das Modell auf den Karten je nach Mode der Zeit. Aber eins blieb gleich: alle Shirleys waren weiß.

Shirley Card

Um Farbfilm herzustellen, muss man - grob vereinfacht - das Trägermaterial mit diversen Chemikalien und Emulsionen beschichten. Dabei sind die drei farbsensiblen Beschichtungen für rot, grün und blau am wichtigsten. Die Chemikalien auf diesen Ebenen reagieren auf jeweils diese Farben, belichten das Trägermaterial dann entsprechend dieser Filterung und kreieren gemeinsam alle Farbtöne für das Foto. In den Anfängen des Farbfilms waren es sogar nur rot und grün. Um mit dieser Technik immer konstant gut Fotos mit gleichen Farben zu bekommen, muss die Farbbalance stetig kontrolliert und gegebenenfalls angepasst werden. Und so schickte Kodak, Markenführer und Mutterschiff aller Farbfilme (egal ob für Foto oder Film) die Shirley-Karten mit.

So wurde jedes Foto, jede Filmaufnahme von da an abgeglichen auf eine weiße Frau. Fun Fact: Menschen mit weißer Hautfarbe machen nur ca. 30% der Gesamtbevölkerung der Erde aus. Effektiv wurden hier also Produkte geschaffen, deren Funktionalität für Menschen mit dunkler Hautfarbe eingeschränkt war. Aber daran dachten die Leute bei Kodak nicht. Sie dachten daran, wer wohl der beste Kunde für ihr Produkt sein könnte. Und in den USA der 1940er Jahre (und auch später noch) war das die weiße Mittelschicht. Allerdings war es nicht nur Shirley, die Nicht-Weiße ausschloss. Auch die chemikalische Zusammensetzung wurde darauf ausgerichtet. Man hätte deren Zusammensetzung so gestalten können, dass die Chemikalien eine größere Bandbreite und Sensitivität für gelbe, braune und rötliche Hauttöne  haben. Aber man beschloss, dass das nicht nötig war und wählte eine so eingeschränkte Bandbreite, dass wenn man ein Foto von einer weißen und einer schwarzen Person, die nebeneinander sitzen, machte, die schwarze Person faktisch verschwand.

Das muss man sich mal vorstellen. Wir haben alle Kinderfotos von uns, es wurden tausende Filme auf Film gedreht und kein einziges dieser Fotos, kein einziger dieser Filme brachte die Voraussetzung mit, dass man als nicht weißer Mensch korrekt abgebildet wird. Die Filmindustrie versuchte, als in den 1960er Jahren mehr schwarze Schauspieler den Weg auf die Leinwand fanden, diesem Problem irgendwie mit anderen Mitteln beizukommen. Das geschah vor allem durch exzessive Belichtung.

Regisseur Steve McQueen (12 Years a Slave) erinnert sich  an den schwitzenden Sidney Poitier in In der Hitze der Nacht: Der Film spielt in den Südstaaten im Sommer, also tatsächlich in sehr heißen Nächten. Sidney Poitier ist ein afroamerikanischer Polizist, der in den noch immer stark rassistischen Süden gefahren ist, um bei der Aufklärung eines Mordes zu helfen. Vor Ort muss er mit dem weißen, rassistischen Sheriff zusammenarbeiten. Aber über eben diese Zusammenarbeit lernen beide Männer ihre Vorurteile abzugeben und sich anzunähern. Dass ausgerechnet so ein Film dann aus technischen Gründen weiter segregiert bleibt, ist absurd. Wenn wir uns den Film ansehen, stellen wir fest, dass Poitier entweder stets zu dunkel ist oder er gerade unter einer Menge Extralichtern und -scheinwerfern gegrillt wird. Denn sowohl der benutzte Film als auch das Grundlicht am Set waren nur für weiße Haut eingerichtet.

Auch Polaroid, die in den 1970er Jahren den Markt aufmischten, wussten davon, dass Film grundsätzlich ein auf Weiße ausgerichtetes Medium ist. Anstatt hier umzudenken, so wie es von einer damals als progressiv empfundenen Firma erwartet werden dürfte, bauten sie an ihre ID2 Kameras einen Boost Button. Der erlaubte dem Blitz 42% mehr Helligkeit. Dunkle Haut absorbiert 42% mehr Helligkeit. Der Boost Button war also der Knopf für die Abweichung von der Norm.


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