Mattscheibenvorfall - Kommentare
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Alle Kommentare von Mattscheibenvorfall
Hab dann nochmal ein Pünktchen drauf gelegt...
Doomsday ist nach Dog Soldiers und The Descent die dritte Regiearbeit des Briten Neil Marshall. War Dog Soldiers zwar noch nicht der ganz große Wurf, aber doch ein ansehnliches Debüt voller schwarzem Humor, dass bereits viel von der späteren Handschrift Marshalls enthielt, so war das Nachfolgewerk The Descent ein wahres Monster von Horrorfilm, das bis heute zu meinen absoluten Lieblingen des Genres zählt. Für Doomsday hat man Marshall dann ein Budget von 30 Mio Dollar und absolut freie Hand gegeben.
Das Ergebnis ist ein sehr eigenwilliger, räudiger, kleiner Bastard, der sich einen feuchten Dreck um Genrekonventionen schert. Marshall ignoriert und unterwandert breit grinsend die gängige Kino-Etikette und wechselt in einem herrlichen Tempo auf angenehm respektlose und ironische Art und Weise Schauplätze und Stimmungen. Doomsday entpuppt sich recht schnell als doch sehr kompromissloser Endzeit-Actioner mit Horrorelementen, der ganz bewusst am Geschmack der Massen vorbei produziert wurde und sich selbstbewusst als regelrechte Flut von Zitaten versteht, ganz im Geiste der 80er Jahre ohne Längen oder Füllmaterial, eine handfeste Hommage mit Augenzwinkern, ohne dabei plump oder billig zu wirken.
Marshall spielt ungehemmt mit der ganzen Bandbreite der Klischees der Endzeit-Action, von degenerierten und entarteten Kannibalen über die mahnenden Stahlgerippe der einstigen Zivilisation und die zurückerobernde Natur bis hin zu ins Mittelalter zurückentwickelte Gesellschaftsstrukturen findet sich hier beinahe alles. Störende Anflüge von Anspruch oder Subtext gibt es keine, nur knallharte Action, ein hohes Tempo und jede Menge entfesselten Wahnsinn gepaart mit verrückten Einfällen und Details. Es regiert einzig und allein der Spaß am Spektakel. Die Mischung aus Geschwindigkeit und Gewalt, die Marshall dem Zuschauer serviert, lässt zwar nicht alle, aber doch viele ähnlich gestrickte Genrevertreter hinter sich, und obwohl er sich sehr zitierfreudig durch die Geschichte der Endzeit-Actioner wühlt, kommt Doomsday nie als stumpfes Plagiat daher, sondern vielmehr als gelungene Hommage an seine offensichtlichen Vorbilder.
So erinnern die Grundzüge der Story an John Carpenters Klassiker Die Klapperschlange, entwickelt sich zum kleinen Bruder von Flucht aus Absolom mit leichten Einschlägen von Mad Max III: Beyond Thunderdome, driftet dann irgendwie in mittelalterliche Gefilde ab und die finale Verfolgungsjagd bezieht sich ganz eindeutig auf Mad Max II: Road Warrior. Sogar das zwei Jahre später von Neil Marshall blutig inszenierte Schlachtgemälde Centurion mit Michael Fassbender in der Hauptrolle deutet sich in Doomsday schon überdeutlich an.
Wie gesagt, in Doomsday regieren eindeutig Action, Gewalt, Tempo und Spaß - Logik, inhaltliche Konsistenz und erwähnenswerte schauspielerische Leistungen hingegen sucht man hier vergeblich. Vielmehr inszeniert Marshall ein unterhaltsames Flickwerk aus Anspielungen und Zitaten, ein B-Movie mit zwar für seine Verhältnisse durchaus ansehnlichem Budget, aber eben doch in seinem tiefsten Herzen durch und durch ein B-Movie, das zwar manchmal etwas zuviel des Guten offeriert, zwischendurch auch mal ein wenig unübersichtlich wird und leider zu oft eine gewisse Homogenität vermissen lässt, aber niemals zur bloßen Parodie verkommt. Ernst gemeint ist hier nun wirklich nichts, das schwarzhumorige Augenzwinkern ist kaum zu übersehen, und so entsteht eine kurzweilige und unterhaltsame Hommage an ein Genre, dass man schon mögen sollte, um Doomsday etwas abgewinnen zu können. Ist dies jedoch der Fall und gelingt es einem, für rund 108 Minuten den Kopf auszuschalten, dann kann man durchaus Spass haben mit dem Film. Stumpf wie ein zur Axt umfunktioniertes Verkehrsschild, aber dafür auch ebenso unterhaltsam.
"A fourteen million dollar bounty on his head, and everyone in the city wants a piece of it... I’d say the odds are about even."
Si vis pacem, para bellum. John Wick ist zurück, grimmiger und wütender als jemals zuvor. Der dritte Teil der Saga rund um den legendären Profikiller knüpft nahtlos an seinen Vorgänger an, wenn der Titelheld nur Minuten vor seiner Exkommunikation steht und ein 14 Millionen Dollar Kopfgeld auf ihn ausgesetzt ist. Regisseur Chad Stahelski steigt sofort und ohne Umschweife temporeich in das Geschehen ein, wenn er immer nah an Wick dran bleibt, ihm auf Schritt und Tritt folgt und so einen geradezu atemlosen Einstieg erschafft. Tick Tock, Mr. Wick. Die Uhr läuft erbarmungslos. Schon der erste Kampf gibt den gnadenlosen und kompromisslosen Ton vor und der Härtegrad ist zweifellos höher denn je. Die Action ist erwartungsgemäß abermals eindrucksvoll choreografiert und gewohnt übersichtlich in Szene gesetzt, doch Stahelski und sein Team erweitern dieses Mal das Arsenal an Mordinstrumenten und Settings um einige neuerliche Facetten und so manche Actionsequenz ist dadurch ausgesprochen kreativ geraten. Manches habe ich so tatsächlich noch nie zuvor gesehen, manches ist einfach clever geklaut.
Leider schleichen sich aber gerade bei der Action auch phasenweise ein paar Längen ein, wenn hin und wieder Sequenzen zu lang und zu repetitiv geraten sind und Wiederholung und Variation Einzug halten, wo ein wenig Straffung manchmal vielleicht besser gewesen wäre. Ein gewisser Grad der Redundanz und Ermüdung lässt sich da leider kaum leugnen, doch insgesamt ist das alles auf ganz hohem Niveau umgesetzt. Dazu treibt John Wick: Chapter 3 – Parabellum seine umspannende Rahmenhandlung zielsicher voran, führt neue Motive und Figuren ein und baut die faszinierende Mythologie dieser Parallelwelt gekonnt weiter aus. Doch auch hier erlaubt sich das Drehbuch von Derek Kolstad hin und wieder Ausreißer nach unten und liefert so manche an Albernheit grenzende Idee im Storyverlauf: ein etwas übertrieben mystisches Treffen in der Wüste etwa oder Wicks Motivation weiterleben zu wollen, die etwas dünn wirkt. Doch das gelungene world building vermag das wieder auszugleichen, auch wenn weniger hinzugefügt wird als es noch der zweite Teil im Bezug zum ersten Teil vollbrachte.
Keanu Reeves ist wie gewohnt eine Bank und verkörpert den stoischen Killer perfekt in einer gelungenen Mischung aus eiskalter Präzision und Eleganz, wenn er sich durch gefühlt niemals endende Horden von Gegnern metzelt. Hilfreich zur Seite steht ihm dabei eine Zeit lang mit der von Halle Berry überraschend eindrucksvoll verkörperten Sofia eine schlagkräftige Weggefährtin aus alten Zeiten, deren zwei Hunde ein kleines Highlight darstellen. Dem gegenüber steht Mark Dacascos als Zero, der Wick im Auftrag der Hohen Kammer zur Strecke bringen soll, diesen jedoch zugleich auch respektiert und bewundert für seine Fertigkeiten. Die Figur macht ihm sichtlich Spaß und entsprechend enthusiastisch ist seine Spielfreude. Schön zu sehen, dass Dacascos nochmals zeigen darf, was für Fähigkeiten in ihm Stecken. Seine beiden Handlanger werden von Yayan Ruhian (The Raid 1&2)und Cecep Arif Rahman (The Raid 2) gespielt, die erfreulicherweise mehr von ihrem virtuosen Können zeigen dürfen als ursprünglich erwartet, stellen sie Wick doch vor eine gewaltige Herausforderung. Auch der tolle Ian McShane, Lance Reddick und Laurence Fishburne sind in ihren gewohnten Rollen dabei und werden noch ergänzt durch Anjelica Huston und eine eher blasse Asia Kate Dillon als Abgesandte der Hohen Kammer.
Alles in allem ist John Wick: Chapter 3 – Parabellum abermals ein gelungener Beitrag zur Reihe um die Unterwelt-Legende, entpuppt sich für mich letztlich jedoch als vermeintlich schwächster Teil. Natürlich liefert Teil 3 alle gewohnten Zutaten und erweitert diese sogar um diverse Noten, doch eine gelegentliche Redundanz besonders in der Action schmälert ein wenig das runde Gesamtbild. Das ist aber auch Jammern auf höchstem Niveau, denn letztlich fetzt der Film ordentlich. I gotta say, I´m a pretty big fan. Ich auch.
"That's why we ride a piece of wood, like, what that does to somebody's spirit."
Fall. Get back up. Mid90s ist nicht nur das enorm selbstbewusste Regiedebüt von Jonah Hill, sondern vor allem auch ein ganz wundervolles Coming of Age-Drama und eine melancholische Liebeserklärung an eine seltsam orientierungslose Lebensphase. Dabei skizziert Hill mit viel Feingefühl und einem guten Auge fürs Detail ein ungemein authentisches Bild einer ganzen Szene und noch nie zuvor wurde dieses ganz bestimmte Lebensgefühl des Skatens so gut eingefangen. Die Entscheidung, auf 16mm Filmmaterial und im 4:3 Format zu drehen beschwört nur zusätzlich diesen ganz besonderen Zeitgeist. Man spürt deutlich, dass ihm Mid90s, wenn schon nicht autobiografisch geprägt, zumindest ein persönliches Anliegen ist und er eigene Erinnerungen mit einwebt. Zwar ist der Film weniger Plot getrieben und mehr eine Ansammlung von Momentaufnahmen, doch diese wissen aufrichtig zu bewegen ohne sich künstlich aufzubauschen.
Auch, weil der Cast rund um Sunny Suljic famos ausfällt und sich überwiegend aus Teenagern ohne große Schauspielerfahrung zusammensetzt, auf die Hill in Skateparks stieß. Unzählige Momente in diesem Film kenne ich selbst nur zu gut und kann sie zu 100 Prozent nachvollziehen: die Art der Ersatzfamilie, der Skateshop, die Videos, die Stürze, das wieder Aufstehen, das zusammen Abhängen, der erste gemeisterte Trick, das alles war auch Teil meiner Jugend. Es gibt eine geradezu magische Szene, in der Stevie sein erstes richtiges Board bekommt, und Hill zelebriert diesen Moment regelrecht, nimmt sich ganz bewusst die Zeit, das auszukosten. Wundervoll! Mid90s atmet und man spürt immerzu diese unbändige Liebe aller Beteiligten. Hill erschafft eine ungezwungene und authentische Atmosphäre voller Gefühl und Verstand ohne sich plakativ anbiedern zu müssen, weit weg von dieser oftmals erdrückenden Retromanie diverser Filme und Serien der letzten Jahre. Sein Film ist eben nicht museal angestaubt, sondern viel mehr frisch und aufrichtig in jeder einzelnen seiner rund 85 Minuten Laufzeit. Für mich ohne jeden Zweifel einer der schönsten Filme bisher in diesem Jahr.
Bereitete mir der Einstieg in den zweiten Film von Regisseur Travis Knight – seines Zeichens der kreative Kopf hinter dem fabelhaften Kubo and the Two Strings (2016) - zunächst noch Bauchschmerzen angesichts seines anfänglichen CGI-Gewitters, so nimmt sich Bumblebee dankenswerter Weise relativ schnell auf angenehme Art zurück und bleibt überraschend geerdet in seiner Inszenierung. Als Neustart gedacht strebt der Film zurück zu den Wurzeln in Form der Zeichentrickserie und vor allem weg vom leblosen Bombast aus dem Hause Bay. Herz, Seele und Charme lautet hier eher die Devise anstatt inszenatorischem Größenwahn. Sicherlich gibt es auch große Actionsequenzen, doch verlaufen diese in deutlich kleineren Rahmen als jemals zuvor in der Transformers-Reihe und Knight rückt viel lieber die aufkeimende Freundschaft zwischen Charlie und dem irgendwie knuffigen Transformer mit den traurigen Augen in den Vordergrund.
Und so entwickelt sich Bumblebee zu einem bodenständigen, warmherzigen und charmanten Coming of Age-Film irgendwo zwischen E.T. und The Iron Giant, der leider immer mal wieder zu einem sentimentalen Rührstück verkommt und dessen größte Schwäche für mich seine manische Retro-Gefallsucht ist. Etwas weniger dieser penetrant wie plakativ und manchmal regelrecht obsessiv eingesetzten 80er Jahre-Referenzen wären angenehm gewesen, denn Bumblebee wirft damit nur so um sich und zitiert gefühlt wahllos queerbeet von The Smiths und Joy Division über Elvis Costello, Alf und a-ha bis hin zu Bruce Lee und The Breakfast Club und gleich wieder zurück. Auch der für meinen Geschmack etwas zu sehr in Richtung Slapstick tendierende Humor konnte mich nicht immer so ganz abholen, aber dafür ist Hailee Steinfeld in der Rolle der hemdsärmeligen Charlie ziemlich toll und verleiht ihrer Figur Ecken und Kanten ohne in nerviges Teenager-Getue abzugleiten. Die verhandelten Konflikte mögen nicht groß sein, doch zumindest sind sie glaubwürdig. Auch John Cena scheint mächtig Spaß und Gefallen an seinem Agent Burns zu finden und überhaupt ist es sehr angenehm, dass der Film seine Figuren ernst nimmt und niemanden als Comic Relief auf dem Altar schlechter Witze opfert.
Ja, Bumblebee ist der bisher wohl erträglichste Film der Transformers-Reihe, aber der Maßstab ist ja auch denkbar niedrig anzusetzen. Immerhin: der nun eingeschlagene Pfad ist ein guter, weg vom unerträglichen Blockbuster-Spektakel aus dem Hause Bay und hin zu bodenständigem Charme und Witz. Nicht alles geht für mich hier auch immer ganz auf und manches nervt über die gesamte Laufzeit gesehen, aber insgesamt ist Travis Knight mit Bumblebee ein überraschend zurückhaltender Big Budget-Film der etwas anderen Art gelungen.
Mit The Mission drehte Regisseur Johnnie To einen Actionfilm über das Warten. Das mag zwar auf den ersten Blick paradox klingen und vielleicht sogar langweilig, funktioniert aber im Endeffekt erstaunlich gut. Ein nicht unbeträchtlicher Teil des Alltags dieser fünf Männer in ihrer Funktion als Bodyguards für den Triaden-Boss Lung besteht aus kaum viel mehr als warten. Warten auf den Boss, warten auf den nächsten Einsatz, warten auf den nächsten Angriff. Diese Momente voller Verspieltheit sind es dann auch, die geradezu beiläufig den wortkargen Figuren genügend Tiefe geben, um deren Entwicklung glaubwürdig voranzutreiben und eine zarte Freundschaft entstehen zu lassen. Die innere Dynamik dieser Gruppe aus fünf Männern ist letztlich dann auch das eigentliche Thema von The Mission, der zugegeben hauchdünne Plot rund um Boss Lung nur der Stein des Anstoßes. So kommt diesem Geflecht der Beziehungen untereinander auch im letzten Drittel überhaupt erst die eigentliche Bedeutung zu, wenn sich der Konflikt zwischen der Loyalität untereinander und der Loyalität dem Boss gegenüber dramatisch zuspitzt.
Und gerade wegen dieser zahlreichen ruhigen und beschwingten Momente entwickelt die enorm präzise getimte Action eine ganz andere Dringlichkeit. Wie sieben Jahre später in Exiled auch (und bei To beinahe immer) sind die Actionsequenzen und vornehmlich die Shootouts von meisterhafter Effizienz in ihrer hochgradig minimalistischen Reduktion auf das absolut Wesentliche. To inszeniert enorm sparsam und überlegt in langen und ruhigen Einstellungen und gerade deswegen ist The Mission in seinen besten Momenten äußerst spannend geraten in dieser kargen wie schlichten Schönheit. Exemplarisch hierfür steht eine etwa fünf minütige Sequenz in einem Einkaufscenter, die durch eine perspektivisch ausgefeilte, beinahe schon statisch anmutende Ästhetik brilliert. Nur selten fällt ein Schuss, doch die Anspannung ist geradezu greifbar, die Protagonisten sind kunstvoll in Raum und Tiefe angeordnet, und aufgelöst wird die Situation durch minimale Verschiebungen.
Auch mit The Mission verknüpft Johnnie To Action mit Drama und bedient sich dafür einer virtuosen Bildsprache, reduziert und präzise in der Bewegung, stilisiert im Stillstand. Freundschaft und Loyalität stehen in diesem hervorragend komponierten Film auf dem Prüfstein, der Exiled und vielen anderen seiner Werke nicht unähnlich eine nahezu perfekt choreografierte Abhandlung über Gewalt darstellt, und dennoch eher von den ruhigen, gelassenen und verspielten Momenten lebt.
Jetzt wurde es im Nachgang doch noch die 10 mit ♥
"Pain and pleasure, indivisible."
Als 1987 mit Hellraiser das Regiedebüt des britischen Schriftstellers Clive Barker das Licht der Welt erblickte, da platzte dieses düstere wie ungemein ernsthafte Werk in ein Genre, welches jener Zeit von oftmals humoresken Überzeichnungen wie etwa Evil Dead und dessen Fortsetzung, Return of the Living Dead, Night of the Creeps, Fright Night oder The Lost Boys aufgebrochen wurde. Hellraiser war anders. Fleisch, Lust, Schmerz, Sex, Verlangen, Untreue – das sind die Eckpunkte des Koordinatensystems, in welchem der Film sich thematisch bewegt. Die Suche nach dem größtmöglichen Vergnügen, Schmerz inklusive. Hellraiser verstört und berührt gleichermaßen in dem Gefühl, nicht noch weiter gehen zu dürfen, es aber dennoch unbedingt zu wollen. So handelt der Film eher weniger von irgendwelchen Monstern oder Psycho-Killern, sondern vielmehr von tief in unserem Inneren brodelnden und schwelenden, unbegreiflichen wie unaussprechlichen Empfindungen, die uns zu übermannen drohen und in absolute Grenzbereiche führen. Von Lust und Verlangen, so stark und unnachgiebig, dass sie bis zur Selbstaufgabe treiben.
Und diese ultimativen Freuden, die versprechen die Zenobiten, angeführt von Pinhead, der sie selbst als explorers in the further regions of experience bezeichnet. Demons to some, angels to others. Sie betreiben mit geradezu religiöser Hingabe eine Art übernatürlichen Hedonismus und zelebrieren Qual und Schmerz. Pinhead – der erst später diesen Namen erhalten sollte – ist ein etwas schräges Phänomen der Popkultur und mag zwar auf den ersten Blick in die Top-Riege der legendären Horrorfilm-Ikonen gehören, aber irgendwie war er dort doch auch immer eine Art Außenseiter zwischen Freddy, Jason, Michael und Leatherface und seltsam deplatziert. Vielmehr verströmt er eine bizarre Ambivalenz, ist irgendwie weder böse noch gut, er und die anderen Zenobiten sind eher einfach da, seltsam neutrale wie passive Beobachter und nur ihren abartigen Praktiken verpflichtet. Der eigentliche Bösewicht in dieser Geschichte ist zweifellos jemand anderes. Doch letztlich wollen Versprechen gehalten und eingelöst werden. Ihr Design ist gleichsam atemberaubend furchterregend wie faszinierend in ihrem extrem übersteigerten Körperkult. Eine Formulierung aus einem Making-of zum Film ist mir diesbezüglich sehr in Erinnerung geblieben: repulsive glamour. Was in meinen Augen den Nagel auf den Kopf trifft. Buchstäblich.
Clive Barker inszeniert seinen Hellraiser (wohlgemerkt: sein erster Spielfilm!) grandios, ist dabei ungemein selbstsicher, weiß ganz genau was er will und hält das erzählerische Tempo trotz nicht zu leugnender physischer wie psychischer Härte überraschend zurück, geht nicht gleich in die Vollen, sondern widmet sich lieber einem langsamen Aufbau und einer unglaublich dichten, drückenden und geradezu beklemmenden Atmosphäre. Es ist erstaunlich, wieviel Raum Barker trotz aller Explizität vor allem auch dem Unausgesprochenen lässt. Den leisen Zwischentönen. Allein die winzige Szene zu Beginn, wenn Julia eine Zigarette auf dem Fußboden des Elternhauses ihres Mannes Larry austritt, das sagt in wenigen Sekunden einfach alles über diese Ehe, so voller unverhohlener Verachtung ist dieser Moment. Natürlich nutzt Hellraiser auch wie viele andere solcher Genre-Filme den Mechanismus des Einsturzes einer heilen Familienwelt, doch Barker lässt nie Zweifel daran, wie sehr fragil und beschädigt dieses Gefüge bereits ist, bevor das nackte Grauen erst Einzug hält.
Visuell ist das alles fantastisch gelungen und hervorragend zwischen kalter Realität und fiebriger Phantasmagorie umgesetzt. Hellraiser bietet immer wieder ganz starke Bilder, die sich nur schwerlich wieder vergessen lassen. Viele der zum Teil durchaus derben Splatterszenen sehen auch heute noch technisch gut aus und nur ein oder zwei Sequenzen gegen Ende des Filmes wirken rückblickend reichlich antiquiert. Der fabelhafte Score aus der Feder von Christopher Young rundet dieses grausam-schöne Erlebnis letztlich ab und schnürt ein stimmungsvolles wie faszinierendes und gleichermaßen abstoßendes Gesamtpaket, welches in meinen Augen zu den besten Horrorfilmen der letzten Dekaden zählt. Ein Meisterwerk in Blut, Schmerz und Begierde. We have such sights to show you!
Das Creature Feature ist zwar ein eher seltener, dafür aber sehr gern gesehener Gast im koreanischen Genre-Kino, und mit seinem Film Monstrum schlägt Regisseur Heo Jong-ho nun in genau diese Kerbe. Nicht unähnlich zum Zombie-Streifen Rampant verlegt Jong-ho seine mit Action gespickte Monsterhatz in die Zeit eines feudalen Koreas zu Beginn des 16. Jahrhunderts und erschafft so einen wilden Mix aus Historienfilm, Horror, Action, Fantasy und Humor, der in seiner Gänze jedoch nicht immer vollends aufzugehen vermag. Gefallen kann jedoch die Idee, der Bedrohung durch das Monster zugleich noch eine politische Intrige am Hof des Königs entgegenzusetzen, wodurch eine interessante wie folgenreiche Konstellation dreier Parteien mit verschiedensten Beweggründen entsteht. Zwar ist Monstrum bildgewaltig in Szene gesetzt, hübsch anzusehen, hochwertig in puncto Ausstattung, Kulissen und Kostümen, und verzichtet dankenswerter Weise auf übermäßigen CGI-Einsatz, doch werden mal die Rechner bemüht, dann lässt das Ergebnis leider zu wünschen übrig.
Das titelgebende Monstrum wird zwar erst recht spät in voller Pracht ins Bild gerückt, bekommt im Ausgleich dazu dann aber reichlich Screentime. Allerdings fällt es in seinem Design eher konventionell und wenig überraschend aus und besonders in den Bewegungsabläufen der Kreatur offenbart sich mangelndes Budget. Auch die aus überwiegend ordentlich choreografierten Kampfszenen bestehende Action kann sich durchaus sehen lassen, ist aber nicht immer ganz sauber gefilmt. Ich für meinen Teil empfand es als durchaus angenehm, dass sich Monstrum selbst nicht übermäßig ernst nimmt und immer wieder mal mehr, mal weniger augenzwinkernden Humor einstreut ohne es damit zu übertreiben. Sicherlich geht nicht immer jeder Gag auch vollends auf und manches tendiert arg in Richtung Slapstick, dennoch wird dem Film dadurch eine gewisse Leichtigkeit als angenehmer Kontrast mitgegeben, welche allerdings vielleicht nicht jedem gefallen wird. So bleibt letztlich ein recht kurzweiliges und durchaus unterhaltsames Spektakel mit Luft nach oben, welchem man durchaus mal eine Chance geben kann, so fern man denn Setting und Genre sowie dem asiatischen Kino im Allgemeinen etwas abgewinnen kann.
Nach dem düsteren, grimmigen, urbanen Horror eines The Terminator (1984) führt James Cameron seine Vision sieben Jahre später unter geänderten Vorzeichen fort. 1991 muss die Umdeutung des T-800 vom Killer hin zu Beschützer und Vaterfigur in einer noch nicht so sehr vernetzten Welt und trotz großer Werbekampagne ein ziemlicher Knaller gewesen sein. Ein kluger Schachzug war es zweifellos. Der Humor hält nun dort Einzug, wo zuvor nur erdrückende Hoffnungslosigkeit herrschte. Cameron zieht es vor, sich nicht einfach nur zu wiederholen und wählt für seine Fortsetzung lieber andere Ansätze. Terminator 2: Judgment Day zeigt sich sichtlich verspielter in seiner Inszenierung und ist in seiner Erzählstruktur breiter angelegt, offener, und weniger kompromisslos, weniger düster und weniger pessimistisch.
Die gesamte erste Hälfte ist abermals nahezu perfekt mit großartigem Timing und starkem Gespür für Tempo und Action auf den Punkt genau inszeniert und Cameron spielt hier all sein Talent voll aus. Die ungemein effiziente Narrative lässt nie auch nur einen Hauch Langeweile aufkommen. Wie schon im Vorgänger werden alle vier Figuren hervorragend in Stellung gebracht, doch etwa zur Hälfte und spätestens nach der Flucht aus der Psychiatrie flacht der Spannungsbogen spürbar ab. Hier schleicht sich ein wenig Leerlauf ein – nicht lange, aber lang genug, um die Anspannung zu lockern. Zudem erreicht Terminator 2 in puncto Exposition nie die Qualität des Vorgängers: wo es Cameron in The Terminator geradezu meisterhaft versteht, seine Geschichte ohne erklärenden Dialog und beinahe nur über die Bildsprache zu erzählen, da verfällt die Fortsetzung immer wieder in das genaue Gegenteil.
Wie sich zuvor schon die Besetzung des T-8oo mit Arnold Schwarzenegger als absoluter Geniestreich erwiesen hatte, so ähnlich verhält es sich nun mit Robert Patrick als T-1000, der eine ungemein kalte, ausdruckslose, stoische, geradezu unheimliche Präsenz ausstrahlt, welche deutlich weniger über die rohe Körperlichkeit kommt, sondern viel mehr über dessen unmenschlich anmutende Präzision. War der T-800 im ersten Teil noch das Nonplusultra, nicht aufzuhalten und gnadenlos in seiner Mission, so wirkt er nun im direkten Vergleich zum Nachfolgemodell beinahe schon antiquiert, ausrangiert und vor allem: unterlegen.
Terminator 2: Judgment Day ist zweifellos ein Action-Feuerwerk der Spitzenklasse, das die Grenze des Machbaren seiner Zeit quasi neu definiert hat, und mit diversen hübschen Wendungen und Überraschungen glänzen kann. Zwar lässt der Film den Pioniergeist des Erstlings ein wenig vermissen, ist aber in seiner grundlegenden Struktur faszinierend anders angelegt. Und doch ist Camerons Fortsetzung nicht immer so perfekt on point wie The Terminator, nicht mehr so eiskalt in seiner Präzision, und längst nicht mehr so grimmig und niederschmetternd, sondern spürbar heller und hoffnungsvoller. Beide Filme zusammen genommen bilden allerdings eine kongeniale Einheit mit einem würdigen Schlusspunkt, der alle weiteren Fortsetzungen im Grunde obsolet macht. Cameron hat seine Geschichte schlicht zu Ende erzählt.
Amerika als Horror-Trope: nach dem überaus smarten Get Out (2017) arbeitet Regisseur Jordan Peele weiter an seiner Genre-Reflexion über gesellschaftliche Strukturen, erweitert seinen Fokus nun aber um gleich mehrere Ebenen. Dadurch gerät Us diffuser als Get Out, weniger klar umrissen, aber auch offener für Deutungsversuche. Hier spielt die Hautfarbe eine bloß noch untergeordnete Rolle, wenn Peele kaum Zweifel daran aufkommen lässt, dass es ihm nun mehr um größer gedachte Missstände und Schieflagen geht. Us pendelt irgendwo zwischen körperlichem und sozialem Horror und Peele bastelt sich nach und nach mit zahllosen Bruchstücken der Popkultur und jeder Menge soziokulturellen Elementen das Bild eines Landes der vermeintlich unbegrenzten Möglichkeiten, im welchem das Versprechen von Gleichheit und Freiheit eben doch nicht für jeden gilt.
Die allererste Szene bietet auch gleich zwei der wichtigsten Schlüssel zum inhaltlichen Verständnis von Us und wer hier genau aufpasst, dem sollte schnell klar werden, wohin der Hase läuft. Aufmerksamkeit lohnt sich also durchaus. Und Peele legt auch schnell ordentlich vor, wenn das erste Drittel nahezu perfekt und inszenatorisch geradezu makellos geraten ist und eine unfassbar dichte, zugleich vertraute und doch seltsam fremdartige Atmosphäre erschafft. Steht jedoch die andere Familie erst einmal in der Auffahrt der Wilsons, dann schlägt Us vertraute Pfade des Home Invasion-Thrillers ein, ohne diesen jedoch abseits seiner zugegeben befremdlichen Prämisse nennenswerte Erneuerungen abringen zu können. Hier verlässt sich Peele zu sehr auf bekannte wie ausgediente Genre-Mechanismen, vermag die unterschwellige Anspannung des ersten Drittels nicht mehr zu erreichen und driftet in Richtung Finale trudelnd zusehends ins Beliebige.
Zwar gibt es immer wieder wahnsinnig starke Einzelsequenzen und kluge Einfälle zu bestaunen, doch als großes Ganzes funktioniert Us nie so richtig. Ärgerlich wird es dann sogar ein wenig, wenn Peele gegen Ende den großen Erklärbar auspackt und inszenatorisch einfallslos alles zu erklären beginnt, was eigentlich gar keine Erklärung benötigt, weil sein Film bisher durchaus für sich selbst sprechen konnte. Und wo stattdessen Bedarf dafür gewesen wäre, da bleibt Us seltsam vage und bruchstückhaft. Letztlich traut Peele augenscheinlich seinem Publikum nicht so recht zu, dass es seine Ideen und die Motivation dahinter auch von sich aus erkennen kann. Statt auf die Stärken seines Drehbuches zu vertrauen, nimmt er dem Zuschauer aus Angst zu überfordern das Denken ab. Auf der darstellerischen Ebene jedoch ist Us streckenweise großartig und besonders Lupita Nyong´o als Adelaide/Red und Shahadi Wright Joseph als deren Tochter Zora/Umbrae bestechen in doppelter Hinsicht durch eine eindrucksvolle wie erinnerungswürdige Performance. Der Score aus der Feder von Michael Abels versteht es gekonnt, all das zu akzentuieren, und die famose Kamera von Mike Gioulakis fängt das Geschehen immer wieder in teils wundervollen Bildern ein.
So bleibt letztlich ein handwerklich über jeden Zweifel erhabener wie munterer Ritt durch die Popkultur irgendwo zwischen Home Invasion-Thriller, Twilight Zone, Zombie-Szenario und Gesellschaftskritik, der wirklich gnadenlos gut beginnt, dieses Niveau aber auch nicht zu halten vermag und zusehends abbaut. Schade, dass Peele nach seinem starken Debüt dem Publikum nun doch scheinbar eher wenig zutraut und dem Irrglauben erliegt, sein Anliegen ausformulieren zu müssen. Zwar vermag er nicht an die Qualitäten von Get Out anzuknüpfen und will vielleicht etwas zu viel auf einmal, doch seinen Ruf als spannenden Genre-Regisseur bestätigt Us trotzdem.
Nachdem Regisseur Joseph Kosinski zuvor mit Tron: Legacy (2010) und Oblivion (2013) zwei Science-Fiction-Filme gedreht hat, nimmt er sich nun einer wahren Begebenheit an, wenn er das Yarnell Hill Fire in den Fokus rückt, welches im Sommer 2013 neunzehn Feuerwehrmänner das Leben kostete. Was eigentlich der ideale Aufhänger für einen actiongeladenen Katastrophenfilm abgegeben könnte, das schlachtet Kosinski gar nicht so sehr aus, wie man vielleicht vermuten würde, und setzt statt auf Spektakel viel lieber auf seine Figuren und findet gerade in den ruhigen Momenten zu seiner wahren Stärke. Only the Brave nimmt sich Zeit, lässt sich auf seine Figuren ein und interessiert sich spürbar mehr für deren Leben als für das Feuer, welches sie beendet hat. Sicherlich erzählt der Film von Heldentum, bleibt dabei aber angenehm bodenständig und bietet viel aufrichtiges Drama statt überspitztem Kitsch. Hier werden dem Zuschauer nicht stumpf unangenehme Heldenverehrung und klebriger Pathos aufgezwungen, sondern mit viel Sinn für Authentizität und Feingefühl die Menschen unter der Uniform gezeichnet. Diese erzählerische Zurückhaltung macht Only the Brave zu einem sehenswerten, manchmal gar bildgewaltigen Drama, und einem interessanten wie spannendem Gegenentwurf zu vielen anderen modernen Werken ähnlicher Art.
"Gleich ist Gangbang-Party in der Hölle und dein Arsch ist der Haupteingang."
Zunächst einmal kann ich dem Team rund um Regisseur Adolfo J. Kolmerer, Drehbuchautor Arend Remmers und Produzent Eric Sonnenburg nur meinen grenzenlosen Respekt aussprechen für diesen enormen Kraftakt: insgesamt etwa fünf Jahre Produktion, vom Mund abgespart, in der Freizeit realisiert und am System Filmförderung vorbei, immer mit ungebrochenem Willen das feste Ziel vor Augen, die eigene Vision umzusetzen und Spaß dabei zu haben. Ich muss jedoch zugeben, dass da anfangs viel heftiges Augenrollen und planloses Schulterzucken meinerseits war, wurde ich doch arg aufs Glatteis geführt, doch ab einem gewissen Punkt hat es Klick gemacht, wenn sich Schneeflöckchen vielmehr als Meta-Reflexion über das Medium Film selbst versteht, denn als plumpe Aneinanderreihung allseits bekannter Versatzstücke. Vordergründig sind die Vorbilder von Kolmerer für seinen wilden Ritt durchs Genrekino offensichtlich und sein Regiedebüt changiert irgendwo zwischen Tarantinos Popkultur-Collagen, dem DIY-Ethos eines frühen Rodriguez, dem Meta-Brainfuck von Spike Jonze und einer Zeit, als Kevin Smith noch gute Filme gedreht hat.
Doch verdichtet sich die zunächst eher episodenhaft strukturierte und zusammenhangslos anmutende Handlung auf das Drehbuch im Drehbuch, dann schwingt sich Schneeflöckchen rotzfrech wie clever in ganz andere Sphären. Da schreibt sich der Film in seinem Verlauf immer wieder selbst um, ändert seine Handlung und den Ablauf der Ereignisse, verschiebt Zeitebenen und spielt erstaunlich selbstbewusst mit seiner grundlegenden Meta-Idee, welche sich zu weitaus mehr entwickelt als ein bloßes Gimmick und zugleich auch als Spiegel der eigenen Entstehungsgeschichte funktioniert. Dazu sieht man dem Film sein Mini-Budget von etwa 80.000 Euro beinahe nie an und visuell kann sich Schneeflöckchen mehr als nur sehen lassen. Die Erzählung mag nicht perfekt auf den Punkt sein, das Schauspiel ist vielleicht nicht immer gelungen und so manche Länge schleicht sich auch ein, doch auf der anderen Seite feuern Kolmerer und Remmers in hohem Tempo mit so vielen absurd schrägen Einfällen um sich und entfachen einen solchen Strudel der Ideen, dass einem mitunter Hören und Sehen vergehen könnte. Das alles ist mutig, frisch, turbulent, unvorhersehbar, kreativ, wild und über allem schwebt deutlich spürbar die Liebe aller Beteiligten zum Medium Film. Deutsches Genrekino wie man es sich nur wünschen kann und vielleicht immer erhofft hat, welches es sich redlich verdient hat, in die Welt hinaus getragen zu werden.
"Wenn DAS verfilmt wird, dann wird das der behindertste Film, den es je gegeben hat."
Hui. Regisseur James Wan (Saw, Insidious, Conjuring, Fast&Furious 7) entfesselt mit Aquaman einen ziemlich wilden wie bunten, mitunter recht kruden Stilmix aus kitschig-seichter Lovestory, Monsterfilm, Abenteuer, Komödie, Pacific Rim und Excalibur und jeder Menge CGI unterschiedlichster Qualität und doch macht diese holprige und rumpelnde Chose oft einfach Spaß. Geradezu erfrischend ist es, wie sich Wan genüsslich und voller Freude in all diese widersprüchlichen Elemente stürzt und ein irrsinniges Kaleidoskop erschafft, das ich bei ähnlichen Filmen lange nicht mehr erleben durfte: er eröffnet mir eine völlig neue Welt voller Details und absurder Einfälle, in welche ich eintauchen kann, statt eine solche immer bloß anzudeuten. Und mittendrin trägt Jason Momoa all diesen Quatsch auf seinen breiten Schultern, irgendwo zwischen grimmig ausgestellter Männlichkeit, geradezu erdrückender physischer Präsenz und charismatischer Selbstironie mit reichlich Augenzwinkern.
Dazu bietet Aquaman mit dessen Ankunft in Atlantis, der Actionsequenz auf Sizilien sowie dem Kampf gegen die Trench mindestens drei ganz wunderbare Szenen, dir jede auf ihre Art und Weise zu beeindrucken wissen. Leider steht daneben mindestens genauso viel digitaler Müll und ich kann mich an kaum einen Film in letzter Zeit erinnern, bei dem die Qualität des CGI derartig großen Schwankungen unterworfen ist. Und auch im großen Finale tappt James Wan in die gleiche Falle wie viele andere auch, bietet CGI-Overkill gepaart mit einer 08/15-Inszenierung, vollkommen überladen und unübersichtlich wie bedeutungslos und mit ausgesprochen geringer Fallhöhe versehen. Zudem bietet der Film mit Black Manta einen Bösewicht samt Subplot zu viel und kommt so auf einige unnötige Längen. Und doch hat mir Aquaman trotz seiner Schwächen wider Erwarten Spaß gemacht mit seinem geradezu kindlich naiven Größenwahn und seiner hellen Freude am überhöhtem Spektakel. Das alles ist grell, bunt, laut, schnell, kitschig, chaotisch, wild, gar nicht mal immer auch wirklich gut und oftmals ganz großer Quatsch, aber eben auch sehr schöner Quatsch.
Relax. Anything in here would be dead by now. Das die Wahl für die Fortsetzung von Jurassic World auf den spanischen Regisseur J.A. Bayona (El Orfanato, The Impossible, A Monster Calls) fiel, erweist sich rückblickend als kleiner Glücksgriff, vermag er der Filmreihe doch zwar feine, aber dennoch frische Ideen abzuringen. Jurassic World: Fallen Kingdom begibt sich nun endgültig hinab in die Untiefen der Creature Features vergangener Tage, akzeptiert noch mehr als sein Vorgänger seine Wurzeln im fantastischen B-Movie und scheut sich nicht, diese auch ordentlich zu überhöhen. Im Verlauf kippt der Film tonal vom Abenteurfilm hin zu Grusel, wobei sich Bayona ganz bewusst diverser stilistischen Elemente aus dem Horror-Genre bedient und so zumindest im Ansatz aus dem bisher üblichen Schema auszubrechen wagt.
Inhaltlich baut all das auf einer Nebenhandlung aus Jurassic World auf, wenn die Idee fokussiert wird, Dinosaurier nicht nur bloß als Waffen einzusetzen, sondern diese auch je nach Bedarf gezielt genetisch zu verändern. Das streift abermals Themenbereiche wie die menschliche Hybris, Gier und den Gottkomplex der Wissenschaft, reißt diese aber allenfalls an und bleibt stets oberflächlich. Das ist dann auch vollkommen okay, handelt es sich hier doch letztlich um einen fantastischen Stoff, dem seine naive Herkunft durchaus bewusst ist und der auch dazu steht, wenn er sich breit grinsend in zahllosen Science-Fantasy-Motiven suhlt und kaum mehr als Eskapismus in bester Spielberg-Manier bieten will. Vieles davon kann als großer Quatsch empfunden werden, ich finde das allerdings sympathisch und erfrischend. Allein der Humor kommt oft etwas zu drüber daher, kapert zu viele Szenen und nimmt sie in Geiselhaft, wirkt nicht selten deplatziert und zerstört immer mal wieder die eigentlich eher düstere Atmosphäre.
So wie sich Jurassic World thematisch, erzählerisch und inszenatorisch stark auf Jurassic Park bezieht, so macht das nun Fallen Kingdom mit The Lost World, und verpackt seine genre-typisch eher dünne Story in visuell starken Bildern. Ein geradezu klassischer Monsterfilm ganz nach meinem Geschmack. Ich mag sowas.
6,5 von 10 Wiedersehen mit einer alten T-Rex-Dame
Ego is not your amigo. Wenn Diplomatie und militärische Intervention versagen, dann braucht es eine dritte Option. Und Regisseur Peter Berg und Hauptdarsteller Mark Wahlberg zeigen uns diese mit Mile 22 auf, wenn das Overwatch-Team das Schreckgespenst der Saubermänner gibt und dahin geht, wo es weh tut, und wo es vor allem niemals sein dürfte, mit Methoden weit jenseits jeglicher Moral. Tonal ist das alles düster, grimmig und gänzlich ohne Augenzwinkern zu verstehen, denn Mile 22 nimmt seine Thematik sichtlich ernst. Die Action ist dreckig, brachial und kompromisslos mit knackigen Shootouts und reichlich Kopfschüssen und auch Iko Uwais darf mehr von seinem Können zeigen als man vielleicht vermuten würde und bekommt zwei größere Szenen spendiert.
Leider machen die exzessiv hohe Schnittfrequenz und die hektische Kamera vieles wieder zunichte und fördern Konfusion und Orientierungslosigkeit statt Wucht und Dynamik. Hier wird der filmische Moment - sogar in ruhigen Szenen - auf dem Altar vorgeblicher Authentizität geopfert, obwohl der Film solche billigen Tricks gar nicht nötig hätte, ist er doch aufgrund seiner Prämisse und der kompakten Laufzeit bereits temporeich genug und kommt direkt und ohne Rücksicht auf Verluste zur Sache. Umso schöner dafür, dass Berg und seine Drehbuchautorin Lea Carpenter zumindest versuchen, dem Stoff ein klein wenig mehr abzugewinnen als stumpfen Hurra-Patriotismus und alles einen Hauch ambivalenter gestalten als man vielleicht erwarten würde, wenn Mile 22 auf einen herrlich bösen und abgründigen Schluss zusteuert und den Zuschauer mit einer galligen Pointe zurücklässt, welche die Ereignisse nochmals in ein etwas anderes Licht rückt.
Über allem hier steht in riesigen Lettern: Tarantino. Und zwar in fett gedruckten Großbuchstaben, leuchtend und in Neonfarben, nicht zu übersehen und geradezu aufdringlich. Nach der grandiosen Genre-Dekonstruktion The Cabin in the Woods (2011) schlägt Autor und Regisseur Drew Goddard nun eher pulpig verschmierte Neo Noir-Wege ein und lässt eine handvoll zwielichtiger Fremder mit unterschiedlichsten Motiven in einem einst glanzvollen Hotel voller dunkler Geheimnisse aufeinander treffen. Die Erzählstruktur ist episodenhaft angelegt, leicht verschachtelt und immer wieder aus variierenden Perspektiven diverser Figuren dargeboten, wenn Goddard nach und nach immer mehr Details ans Tageslicht fördert und mosaik-artig sein Gesamtbild Stein um Stein erweitert. Leider bleibt dieses Gesamtbild über die Laufzeit von rund 140 Minuten beinahe immer vorhersehbar und vor allem schrecklich belanglos, denn all die kleinen Wendungen täuschen über die inhaltliche Schlichtheit von Bad Times at the El Royale nicht hinweg.
Zwar wird immer mal wieder mit Erwartungen gespielt, doch nie so sehr, dass man wirklich überrascht sein könnte. Der Plot will wahnsinnig geheimnisvoll und mysteriös sein, doch letzten Endes steckt da erschreckend wenig dahinter und gerade das eigentlich spannende – die Interaktion zwischen den einzelnen Figuren untereinander – bleibt lange aus und kommt erst im letzten Drittel so richtig zur Geltung. Schade nur, dass Bad Times at the El Royale ab dem Punkt total abschmiert, ein wirklich schwaches und plumpes Finale abliefert und nicht eine einzige seiner eigentlich recht spannenden Andeutungen und zuvor getätigten Versprechen einzulösen vermag. Zwar wird im Grunde alles recht solide vorbereitet und so manche gute Idee gibt der Stoff durchaus auch her, doch meist wird alles immer nur vage angerissen und nie wirklich zu Ende geführt. Immerhin sieht Goddards Film echt gut aus, Seamus McGarvey fängt den Charme des eigentlichen Stars des Filmes – das El Royale – in tollen Bildern und Kamerafahrten ein und auch der Cast weiß durchaus zu gefallen. Am Ende aber ist Bad Times at the El Royale vor allem zu lang und zäh geraten, gibt sich geschwätzig, aber ohne Schwung, und bietet unter seiner glitzernden Oberfläche zu viel Belanglosigkeit. Viel Lärm um nichts irgendwo zwischen Tarantino, Vantage Point (2008) und Identity (2003). Schade.
Mit Cop Car liefert Jon Watts (Clown, Spiderman: Homecoming) einen schnörkellos und kompakt erzählten Thriller, der das Rad sicher nicht neu erfindet, aber seinem Genre durchaus die eine oder andere nette Idee abgewinnen kann. Die Ausgangslage von Cop Car ist definitiv nicht neu und sehr wohl altbekannt, wenn ein junges Paar unbeabsichtigt und ahnungslos in die Geschäfte eines dreckigen und korrupten Polizisten stolpert und sich plötzlich zwischen allen Fronten wiederfindet. Der Kniff allerdings ist hier, dass es sich bei dem jungen Paar um zwei zehnjährige Jungen handelt, die zusammen von Zuhause ausgerissen sind. An diesem Punkt verschiebt sich die Perspektive dann doch um eine durchaus interessante Note und lässt einen neuen Blickwinkel zu, der dem im Grunde abgenutzten Konzept andere Facetten abgewinnen kann als man es gewohnt ist.
So beginnt Cop Car auch durchaus atmosphärisch und stimmungsvoll, wenn der Film sein erstes Drittel den beiden Jungs widmet und sie den verlassenen Streifenwagen finden lässt, sie ihre Abenteuer zunächst im Kopf erleben lässt und auch ihre kindliche Neugierde entfacht, welche die beiden schnell jegliche Vorsicht und Skepsis in den Wind schlagen lässt. Leider beschreitet Watts diesen Weg der erfrischend neuen Perspektive ab dem Punkt nicht mehr weiter, an dem Sheriff Kretzer auf den Plan tritt und verschiebt seinen Blickwinkel weg von den beiden Kindern hin zu dem korrupten Cop, der allerhand Dreck am Stecken und Probleme zu lösen hat. In der Folge sind Travis und Harrison von da an nur noch Protagonisten einer immer finsterer werdenden Crime-Story, welche völlig auf den Motiven und Handlungen von Sheriff Kretzer aufbaut. Der Zuschauer kann zwar weiterhin verfolgen, was die beiden Jungs erleben und wie sie handeln, aber sie wirken fortan zunehmend weniger selbstbestimmt, entfernen sich dadurch als eigenständige Charaktere immer weiter aus dem Fokus des Films und verkommen letztlich nur noch zum bloßen Spielball in dem Interessenkonflikt der Erwachsenen innerhalb der Handlung.
Somit zerfasert Cop Car nach seinem ersten Drittel zusehends in zwei verschiedene Handlungsstränge, welche erst gegen Ende in einem westernartigen Showdown wieder zusammen geführt werden, denn von nun an liegt der Blickwinkel ganz klar auf Sheriff Kretzer und seinen Bemühungen, den Streifenwagen wieder zu bekommen. Zudem ist die Figurenzeichnung ausgesprochen schwach ausgefallen und steht zu keiner Sekunde auch nur ansatzweise im Vordergrund. Letztlich ist Cop Car ein solider Thriller geworden, der zumindest anfangs eine durchaus neue und interessante Perspektive mit seiner Erzählweise bedient, sein Niveau aber nicht durchgängig halten kann, denn zwischen dem atmosphärischen Beginn und dem westernartigen Showdown gerät die ansonsten kompakte erzählerische Struktur ins Schlingern und verliert spürbar an Zugkraft. Auch, weil der Film zu viele Fragen offen lässt und eine unbefriedigende Figurenzeichnung bietet. Jon Watts hat aber ein gutes Auge für Spannungsmomente und versteht es, immer mal wieder kleinere Wendungen zu setzen, welche die Handlung ein klein wenig unberechenbar machen. Optisch und inszenatorisch fühlte ich mich stellenweise immer mal wieder an den sehr gelungenen Rachethriller Blue Ruin von Jeremy Saulnier erinnert, Watts jedoch erreicht niemals dessen Grad erzählerischer Wucht und bleibt deutlich zurückhaltender in seiner Inszenierung.
Nach erneuter Sichtung...
In Ben Wheatley setze ich nach wie vor große Hoffnungen für das Genre-Kino: sein Film Kill List hat mir damals komplett den Schalter rausgehauen und mich verstört zurückgelassen. Sightseers war inszenatorisch zugänglicher und lockerer, glänzte dafür durch herrlich schwarzen Humor. A Field in England ist filmischer Irrsinn. Und High-Rise ist eine J.G. Ballard-Verfilmung voller zivilisatorischem Wahnsinn und Anleihen bei Cronenberg, eine Art vertikales Gegenstück zu Snowpiercer. Und nun also Free Fire, ein actionlastiges Kammerspiel, ein bleihaltiger Ensemblefilm in fettem wie unironischem 70er Jahre-Anstrich. Ein Waffendeal, der furchtbar schief geht. Ein räumlich begrenzter Schauplatz, zwei Handvoll Personen mit undurchsichtigen Absichten und das Vielfache an geladenen Waffen - nein, es braucht wirklich keine Voraussicht, um dieses Pulverfass als solches zu erkennen. Dass es in der Konstellation zügig knallt, ist somit keineswegs überraschend. Andere Filme machen den großen Shootout zu ihrem Höhepunkt im Finale, Free Fire zelebriert eine geradezu absurde Eskalation der Gewalt über zwei Drittel seiner Laufzeit und erhebt den nicht mehr enden wollenden Schusswechsel zu seinem alleinigen Erzählprinzip.
Und genau da fangen die Probleme von Free Fire an, wenn Ben Wheatley zu Gunsten seiner Inszenierung nahezu gänzlich auf einen Plot verzichtet: erzählerisch ist sein Film buchstäblich nicht mehr als eine einzige große Schießerei. Motivationen einzelner Figuren sind da genauso Nebensache wie die Figuren selbst: ihr einziges Merkmal ist, dass sie Teil dieses Shootouts sind. Dazu gibt es keine nennenswerten Sympathieträger in diesem Haufen von Gangstern und Handlangern. Eines von beiden kann ich in der Regel verschmerzen, aber wenn ich weder eine handfeste Story noch zumindest halbwegs sympathische Figuren habe, dann muss mich ein Film schon irgendwie anders durch Besonderheiten überzeugen. Leider gelingt das Free Fire nicht so richtig, denn die rund einstündige quasi Dauer-Schießerei ermüdet auch irgendwann. Zumindest sind die Dialoge on point und der verbale Schlagabtausch temporeich und mit einer ordentlichen Dosis Zynismus versehen. Letztlich destilliert Wheatley mit Free Fire das Genre des Gangsterfilmes auf seine rudimentärsten Bestandteile und kocht einen zwar interessanten, jedoch nur bedingt schmackhaften Sud aus 70er Jahre-Look, Blei, Blut und Beleidigungen, der phasenweise zwar unterhält, aber auch mangels Abwechslung irgendwann Abnutzungserscheinungen aufweist. Es ist schon etwas schade, aber für mich ist Free Fire der bisher schwächste Film von Wheatley. Meine Hoffnung in ihn als Regisseur schmälert das jedoch kaum und zusammen mit Namen wie Edgar Wright, Jeremy Saulnier und S. Craig Zahler gehört er für mich nach wie vor zur Speerspitze eines neuen Genrekinos.
Eye, lungs, pancreas... so many snacks, so little time. Venom von Regisseur Ruben Fleischer (Zombieland, 30 Minutes or Less, Gangster Squad) wirkt in der Ära des MCU mit seinen Mega-Blockbustern seltsam deplatziert und irgendwie aus der Zeit gefallen. Er erinnert mich an eine Zeit, als noch nicht fünf bis acht Superheldenfilme im Jahr ins Kino kamen, alles etwas kleiner gehalten war und man sich als geneigter Fan nach Filmen wie The Phantom (1996), Spawn (1997) oder Blade (1998) – ungeachtet ihrer filmischen Qualitäten oder gar deren Mangel – die Finger leckte. So ist Fleischers Film dann auch von eher schlichtem Gemüt und begreift sich als launiges Spaßprodukt losgelöst vom erzählerischen Ballast irgendeinem ausschweifendem Universum gerecht werden zu müssen. Ganz bewusst genügsam reicht dann auch die infantil naive Prämisse von Venom, wenn sich eben außerirdische Parasiten mit Menschen symbiotisch verbinden und ihre Konflikte in CGI-Gewitter austragen.
Die Action ist dann auch ganz passabel geraten, visuell jedoch ist das alles mal okay, oft aber eher weniger gut gelungen, und besonders im überquellenden, unübersichtlichen und viel zu hastigen wie hektischen Finale verkommt alles wie so oft zu einem matschigen Brei ohne nennenswerte Differenzierung. Leider macht Venom immer mal wieder hoffnungsvoll blutige Versprechungen, welche jedoch dank des PG-13-Rating nicht eingelöst werden können. Den größten Reiz macht für mich letztlich dann auch die herrlich überdrehte Performance von Tom Hardy aus, der – einmal mit dem fiesen Parasiten infiziert – mit sichtlich viel Spaß buchstäblich alles gibt, und viel Unterhaltung aus dem Zusammenspiel zwischen Eddie Brock und Venom zu ziehen vermag. Leider bietet der Rest des zumindest auf dem Papier tollen Cast rund um Michelle Williams und Riz Ahmed kaum mehr als Dienst nach Vorschrift und kann den zugegeben schablonenhaften Figuren kaum Leben einhauchen. Unterm Strich braucht Venom etwas zu viel Zeit, um so richtig in die Gänge zu kommen, liefert viel standardisierte CGI-Action und traut sich zu wenig sein Potential voll auszuschöpfen, dennoch wurde ich über weite Strecken zumindest unterhalten. Auch, wenn da deutlich mehr drin war.
For whom the bell tolls... das markante Riff von Metallica gibt gleich die Marschroute vor, doch Regisseur J.C. Chandler bewahrt sich immer noch auch das menschliche Drama in seinen Figuren, welches seine bisherigen Werke Margin Call (2011), All Is Lost (2013) und A Most Violent Year (2014) ebenfalls auszuzeichnen wusste. Statt einen weiteren mit Adrenalin und Testosteron gesättigten Söldner-Actioner der Marke Expendables und Konsorten abzuliefern, da interessiert sich Triple Frontier zwar nicht nur, aber eben auch für die Figuren hinter dem Spektakel, jede auf ihre Art gebrochen, überfordert mit den Anforderungen des Lebens als Zivilist, welches sie ihrer speziellen Fähigkeiten beraubt. Es braucht nur wenige kleine Momente zu Beginn und im weiteren Verlauf, um diese Schieflage im Innern der Männer ausreichend zu skizzieren, und eine Rückkehr in alte, gelernte und antrainierte Verhaltensmuster soll es richten.
Ein Trugschluss, wie Chandor uns bildgewaltig wissen lässt, doch dafür nimmt er sich Zeit und besinnt sich auf seine Stärken. Die Actionszenen sind eher rar gesät, aber dafür klug platziert und mehr auf Präzision ausgelegt als auf Krawall. Doch geht es mal zur Sache, dann ist die Action dringlich wie bodenständig und die Kamera immer nah dran am Geschehen ohne dabei in Hektik zu verfallen. Letztlich sehe ich Triple Frontier dann auch weniger als Actionfilm, sondern eher als Drama mit Thriller-Anstrich, Survival-Elementen und Heist-Motiven, wenn Chandor über das Spektakel hinaus auch eine Bestandsaufnahme einer Gesellschaft liefert, die für ihre Kinder des Krieges keine Verwendung mehr hat. Im Grunde ist es kein Wunder, dass die Männer schließlich tun, was sie tun, so ganz ohne Rückhalt außerhalb ihrer Profession. Sie können nichts anderes, haben nie etwas anderes gelernt, sind im zivilen Leben aber weitestgehend nutzlos und zum Scheitern verurteilt, haben sie doch nie dessen Regeln verinnerlichen können.
"I like cats, and I don't like people who don't."
Captain Rufus Excalibur ffolkes (das kleine f ist keineswegs ein Tippfehler) ist schon ein wahrlich exzentrisches Exemplar Mann voller Marotten und inklusive markiger Sprüche zu Hauf: er liebt seine Katzen, er hasst Frauen und Raucher und er trinkt gern schon zum Frühstück seinen Scotch – pur selbstverständlich, alles andere wäre ein Frevel. Aus seinem Londoner Club ist er umgehend ausgetreten, als der Vorstand beschloss, auch Frauen aufzunehmen. Und auf seiner schottischen Burg bildet er eine private Armee von Kampftauchern aus. Als Terroristen eine Ölbohrinsel besetzen, die Crew als Geiseln nehmen und 25 Millionen Pfund von der britischen Regierung erpressen wollen, werden ffolkes und seine Männer beauftragt, die gefährliche Situation zu entschärfen.
Wie auch schon bei The Wild Geese zwei Jahre zuvor merkt man schon, dass Regisseur Andrew V. McLaglen noch aus einer vollkommen anderen Zeit stammt und von den jungen Wilden des New Hollywood ins Abseits gedrängt und überholt wurde. Und so steht auch ffolkes mit einem Bein noch in einer Zeit, als das britische Empire noch das Maß an Zivilisation war und große Teile der Welt beherrschte. Man spürt deutlich, wieviel Spaß es Roger Moore gemacht haben muss ffolkes zu spielen, denn da ist immer irgendwie so ein spitzbübisches Funkeln in seinen Augen. Er geht regelrecht auf in der Rolle des knurrigen Dickschädels im Eremitentum, welche eine willkommene Abwechslung gewesen sein muss nach vier Einsätzen als James Bond. Zwar ist gerade heute der Vorwurf der Misogynie dann nicht mehr weit, aber doch eindeutig zu kurz gegriffen, denn bei genauerer Betrachtung finden sich durchaus starke Frauenrollen.
Die Inszenierung von McLaglen ist ausgesprochen präzise und handwerklich tadellos, schildert die Vorbereitungen sowohl der Terroristen wie auch ihrer Gegner beinahe schon mit protokollarischer Genauigkeit und mündet in einem finalen Showdown, bei dem alle Schachzüge der Rettungsaktion perfekt aufgehen. Darüber hinaus bedient er sich auch bei Elementen des Katastrophen-Kinos und des Action-Thrillers, verzichtet dabei aber nahezu vollkommen auf Action, verknüpft all das mit der damals aufkeimenden Angst vor Terrorismus und erschafft so einen auch heute noch spannenden Film, welcher mich in meiner Kindheit/Jugend kaum mehr faszinierte als er es heute noch tut.
"Gentlemen, I am going to kill you all, and my only disappointment is that I only get to do it once."
Robert McCall ist zurück und dieses Mal ist seine Mission von persönlicher Natur. Was ein wenig verwundert, ist The Equalizer 2 unter der erneuten Regie von Antoine Fuqua doch die erste Fortsetzung überhaupt in der langen Karriere von Denzel Washington. Doch obwohl die Figur nun bereits etabliert ist und nicht erst noch aufgebaut werden muss, tappt der zweite Teil in die gleichen Fallen, die mich schon beim Vorgänger gestört haben, und gibt sich insgesamt sehr träge in seiner Inszenierung abseits der Action. So braucht The Equalizer 2 beinahe das gesamte erste Drittel seiner Laufzeit von rund 120 Minuten, bis die eigentliche Handlung Fahrt aufnimmt, und dazwischen gibt es zahlreiche Subplots und vor allem erzählerischen Leerlauf. McCall kümmert sich um einen Überlebenden des Holocaust und den Garten seiner muslimischen Nachbarin, er befreit entführte Kinder in der Türkei und bringt einen anderen Nachbarn zurück auf den richtigen Weg, rächt ein ihm fremdes Mädchen, und klärt darüber hinaus nicht nur den Mord an einer alten Freundin auf, sondern zieht auch gleich die Schuldigen noch zur Rechenschaft.
Allerdings verliert sich McCall dabei für meinen Geschmack etwas zu oft in pseudo-philosophischen Kalendersprüchen und kruder Glückskeks-Moral. Sein Vorgehen jedoch ist auch hier immer kontrolliert, überlegt und geprägt von Präzision und Effizienz, doch wo seine speziellen Fähigkeiten im Vorgänger noch die Hauptattraktion waren und Fuqua immer wieder kurze, aber kraftvolle Actionszenen kreieren konnte, da wird dieses Element nun nicht nur sparsamer eingesetzt, sondern visuell auch weniger betont. Im stürmischen, an klassische Western angelehnten Finale dreht Fuqua in puncto Action zwar nochmals ordentlich auf, doch die Hinleitung dorthin ist in vielerlei Hinsicht arg bemüht: allein die aufdringliche Symbolik eines aufziehenden Unwetters ist ebenso vorhersehbar wie die Handlung selbst und deren Wendungen. Spannung kommt so nur sehr selten auf und auch sein ehemaliges Team ist bis auf den von Pedro Pascal verkörperten Dave York vollkommen konturlos, blass und austauschbar und dadurch wenig bedrohlich. Letztlich macht The Equalizer 2 die gleichen Fehler wie schon der erste Teil, bietet zu viel erzählerischen Leerlauf, statt sich auf seine Kernkompetenzen zu konzentrieren, bleibt allerdings auch bei seinen Stärken in jeglicher Hinsicht hinter seinem Vorgänger zurück.
Ich mag den ersten Teil immer noch sehr und schaue ihn auch immer mal wieder gerne, aber da gibt es andere Filme dieser Zeit, welche mir dann doch mehr am Herzen liegen und prägender für meine filmische Sozialisation waren. Und schon den zweiten Teil fand ich in vielerlei Hinsicht schwächer und letzten Endes sogar verzichtbar, denn sein Vorgänger hätte mühelos für sich allein stehen können. Allein der Erfolg von Ghostbusters legitimierte die Fortsetzung und ich finde auch, dass man das dem zweiten Teil anmerkt. Nun also kam 2016 nach erheblichen, sich über Jahre hinweg ziehenden, Schwierigkeiten seitens der Produktion unterschiedlichster Art und einem Sturm massenhafter Fanproteste, doch noch ein Reboot.
Die eventuell zu erwartende Vollkatastrophe jedenfalls blieb letztlich in meinen Augen aus. Ja, der Film ist nicht besonders gut, aber diesen Shitstorm seiner Zeit ist er keineswegs wert. Eher ist Ghostbusters erschreckend belang -wie harmlos und würde ohne die geradezu hysterischen Proteste im Vorfeld vermutlich schnell in Vergessenheit geraten. Risiken jedenfalls geht hier niemand ein. Insofern kann ich all das Gezeter nur noch weniger nachvollziehen, geschweige denn verstehen, so egal wirkt er auf mich. Das große, beinahe alle Aspekte des Filmes überschattende Hauptproblem von Ghostbusters ist dann auch keineswegs die im Vorfeld so hart verurteilte Besetzung, sondern vielmehr das in nahezu allen Punkten unglaublich schwache Drehbuch. Das Tempo stimmt selten, das Timing von Action und Gags funktioniert oft nicht, die Balance zwischen erzählerischen und visuellen Momenten findet keinen guten Mittelweg und vor allem fällt der Humor insgesamt erschreckend flach und banal aus. Kaum ein Witz zündet wirklich, kaum eine Pointe geht auf. Zudem übertreibt es Regisseur Paul Feig mit all den Querverweisen und Zitaten in Bezug auf Ivan Reitmans Film von 1984 so sehr, dass sich die neue Truppe kaum wirklich entfalten kann und unter dieser Masse an augenzwinkernden Anspielungen einfach untergeht.
In diesen Kontext passen dann auch all die sehr merkwürdigen, teils lustlos und sehr gezwungen anmutenden Gastauftritte alter Bekannter. Egal ob Bill Murray, Dan Aykroyd, Sigourney Weaver, Ernie Hudson oder Annie Potts, nie fühlt sich der jeweilige Auftritt passend an oder würde sich homogen in den Film einfügen. Aber nicht alles war auch nur schlecht in Ghostbusters. Melissa McCarthy beispielsweise spielt für ihre Verhältnisse geradezu angenehm zurückgenommen und zeigt sich deutlich weniger laut und schrill als gewohnt. Und Chris Hemsworth als tumber Sekretär Kevin kann in einer Szene meinen einzigen wirklichen Lacher für sich verbuchen. Visuell ist Ghostbusters durchaus gelungen und hübsch anzusehen, auch wenn das Finale es in gewohnter Blockbuster-Manier vollkommen übertreibt und zu Gunsten einer gigantischen CGI-Orgie die ohnehin schon wenigen erzählerischen Elemente vollends aufgibt.
"Make the end of the world great again!"
Überleben ist nicht LEBEN. Die konzeptuellen Parallelen zu A Quiet Place lassen sich kaum leugnen, ist doch die postapokalyptische Prämisse in Bird Box zumindest ähnlich gelagert, mit dem Unterschied jedoch, dass es John Krasinski gelingt mehr aus dem limitierten Setting herauszuholen als es nun die dänische Regisseurin Susanne Bier (The Night Manager) vermag. Zwar beginnt der in Rückblenden erzählte Bird Box interessant und durchaus auch stimmungsvoll, wenn die Anfangsphase dieser Apokalypse in starken Bildern eingefangen wird, flacht nach diesem eindrücklichen Einstieg narrativ jedoch schnell ab und ergeht sich zu sehr in allseits bekannten und ausgelutschten Genrestrukturen. Im Mittelteil geht viel Tempo verloren, es schleichen sich eigentlich unnötige Längen ein und der Erzählfluss gestaltet sich mitunter geradezu zäh, wenn sich zu lange und zu oft alles innerhalb des Hauses und somit auch innerhalb der zusammengewürfelten Gruppe abspielt, die Figuren an sich überwiegend jedoch kaum mehr als klischeehafte wie eindimensionale Abziehbilder sind.
Richtig Spannung kommt hier nur sehr selten auf. Die kurze Autofahrt zum Supermarkt sorgt da zumindest für einen Hauch von Abwechslung und mit der Figur des Gary blitzt für kurze Zeit sogar eine richtig gute Idee im Drehbuch von Eric Heisserer (Arrival, Lights Out, Hours) auf, doch auch hier wird einfach zu wenig daraus gemacht. Das ist dann letzten Endes auch das größte Problem von Bird Box: das Potential ist nämlich durchaus vorhanden, nur ausgeschöpft wird dieses nie, man bleibt nahezu immer hinter seinen Möglichkeiten zurück und lässt alles in einem doch arg enttäuschenden Finale enden, dem man mit etwas mehr Mut einen zumindest halbwegs passablen kleinen Kniff hätte abringen können. So pendelt Bird Box irgendwo zwischen A Quiet Place, The Happening (2008) von Shyamalan und Blindness (2008) von Meirelles, beraubt sich selbst seines Potentials und hätte durchaus etwas kompakter inszeniert sein können. Schade.
Crimson Peak lässt sich nur schwerlich bloß als Horrorfilm bezeichnen. Vielmehr erschafft Guillermo del Toro hier ein erstklassig ausgestattes und fotografiertes Schauermärchen und bedient sich einer opulent ausladenden Bildsprache, welche mit einem effektvollen Sounddesign Hand in Hand geht. Gerade die zweite Hälfte in England spielt virtuos wie zurückhaltend auf der Klaviatur klassischer Horror-Motive und bietet die volle Bandbreite: mysteriöse wie unheimliche Geräusche im ganzen Haus, blutroter Schnee, finstere Vorfahren, gruselige Portraits, ein Versteckspiel rund um einen geheimnisvollen Schlüssel. Und überhaupt: das Haus!
Allerdale Hall ist ganz ohne jeden Zweifel der eigentliche Star des Filmes. Das auf tönernen Boden errichtete alte englische Herrenhaus voller düsterer Geheimnisse und beseelt von Geistern ist ein Meisterwerk der Filmarchitektur und des Setdesigns, stammt es doch keineswegs einfach aus dem Computer, sondern wurde in liebevoller Detailarbeit monatelang von unzähligen Handwerkern und Kulissenbauern zum Leben erweckt. Aber so meisterhaft Crimson Peak auf der inszenatorischen Ebene auch gemacht ist, so wenig gibt der letztlich doch eher dünne Plot her. Die eigentliche Geschichte hinter Allerdale Hall und seinen Bewohnern ist nicht halb so gelungen wie del Toros aufreizend schaurig schöne Inszenierung.
Ja, der Film ist ganz eindeutig style-over-substance, aber wenn style so präsentiert wird, fantastisch ausgestattet und umwerfend in Bild und Ton, dann kann ich damit durchaus leben. Crimson Peak ist ein Film, auf den man sich einlassen muss, der aber auch dazu einlädt in seinen Bildern zu versinken. Thematisch und inhaltlich zwar weniger ambitioniert als Pan´s Labyrinth oder The Devils Backbone, dafür aber bildgewaltig und wunderschön inszeniert.
Regisseur Dante Lam entpuppt sich mit seinem Film Operation Red Sea (Hong hai xing dong) als eine Art chinesischer Michael Bay und liefert einen über zwei Stunden langen lupenreinen Propaganda-Film getarnt als kompromisslos brachialer Kriegsactioner. Ein Militär-Porno der Extraklasse mit Kopfschüssen in Zeitlupe als Moneyshot. Von der ersten Minute an brennt hier die Luft und Lam entfesselt eine kaum vorstellbare Materialschlacht, dreht im Vergleich zu diversen US-Pendants aber auch gewaltig an der Gewaltschraube. Da werden munter Körperteile abgerissen und Körper von Kugeln durchlöchert oder gar gleich ganz zerfetzt. Technisch und handwerklich ist das Spitzenklasse, inhaltlich zweifellos ausgesprochen fragwürdig und grenzwertig.
Wobei das permanente Dauerspektakel schnell erste Ermüdungserscheinungen offenbart, oftmals für Desorientierung und Chaos sorgt und letztlich sogar in Langeweile abgleitet. Eine richtige Story sucht man vergeblich und das wenige an Plot dient nur dazu, dass sich Operation Red Sea von Actionsequenz zu Actionsequenz hangelt und seine Botschaft von der militärischen Übermacht Chinas verbreiten kann. Dass Dante Lam Action kann, das hat er schon mehrfach durchaus eindrucksvoll unter Beweis stellen können, und wer Pathos, Kitsch, die moralische Fragwürdigkeit, den Patriotismus, die Kriegsgeilheit und die dauerhafte Selbstbeweihräucherung der Chinesen auszublenden vermag, der bekommt ein beinahe schon größenwahnsinniges Actionspektakel geboten. Ich für meinen Teil kann die Action jedoch nicht losgelöst von ihrem Kontext betrachten und so gerät Operation Red Sea zu einem sehr unangenehmen Seherlebnis für mich.
3 von 10 winzigen China-Flaggen in den Händen befreiter Geiseln