Mattscheibenvorfall - Kommentare

Alle Kommentare von Mattscheibenvorfall

  • 6 .5

    Stille. Für manchen heutzutage vielleicht nur noch schwer auszuhalten. Für die nun mehr zweite Regiearbeit des Schauspielers John Krasinski ist das die grundlegende Prämisse. Eine Welt, in der jedes Geräusch deinen Tod bedeuten kann, die verlangt auch höchste Konzentration. A Quiet Place hält sich nicht lange mit Erklärungen auf, wirft den Zuschauer vollkommen unvermittelt ins Geschehen, erläutert die Gesetzmäßigkeiten seiner Welt erst nach und nach und verlagert die allumfassende Apokalypse auf das Intimste reduziert im Schoß der Familie. So sind die Abbotts angesichts größter Schrecken und Einschränkungen trotzdem geradezu verzweifelt darum bemüht durch gemeinsame Rituale wie das Abendessen zumindest einen letzten Hauch von Normalität in einer aus den Fugen geratenen Welt zu bewahren.

    Das world building funktioniert wirklich gut und Krasinski versteht es hervorragend mit relativ wenigen Mitteln eine dichte und packende Atmosphäre zu erschaffen. Allein die ersten etwa zehn Minuten empfand ich als herausragend und auch lange danach liefert A Quiet Place immer wieder extrem fesselnde und spannende Momente sowie mitreißend arrangierte Sequenzen, von denen andere Regisseure nur träumen können. Visuell liefert der Film ein solides Endzeit-Szenario, aber auf der akustischen Ebene gelingt so manche interessante Idee im Spiel mit laut und leise, wenn zum Beispiel jedes Geräusch in den Ohren förmlich zu explodieren scheint. Leider finden sich aber auch diverse schwerwiegende Logiklöcher im Drehbuch und man muss sich schon mehr oder weniger bedingungslos auf die Prämisse einlassen, um in das Setting eintauchen zu können.

    Auch ist es schade, dass Krasinski seine Idee lange relativ konsequent umsetzt, etwa zur Hälfte jedoch das Tempo anzieht und die Schlagzahl erhöht, und besonders im letzten Drittel Spannung und Atmosphäre zu Gunsten von plumpen Schockeffekten und Action opfert. So zeigt der Film im Schlussakt seine Kreaturen viel zu exponiert, die lange als diffuse und allgegenwärtige Bedrohung deutlich besser funktionieren, und wird buchstäblich zu laut. Auch der Score von Marco Beltrami (Logan, The Drop, Snowpiercer) ist sehr aufdringlich und wirkt nicht selten kontraproduktiv in puncto Atmosphäre und Spannung. Letztlich wirkt A Quiet Place ein bisschen wie eine überlange Folge Twilight Zone. Krasinski hat eine wirklich gute und erfrischende Idee, vermag deren Potential allerdings nicht immer voll auszuschöpfen und setzt gegen Ende für meinen Geschmack zu sehr auf Tempo und Action. Nichtsdestotrotz bietet der Film ein paar geradezu meisterhaft inszenierte Spannungsmomente, muss sich aber auch den Vorwurf der teils gravierenden Logiklöcher gefallen lassen.

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    • 4
      Mattscheibenvorfall 23.02.2019, 00:14 Geändert 23.02.2019, 13:29

      Das also ist der Auftakt für das von Universal geplante Dark Universe, welches zumindest auf dem Papier ja durchaus Potential gehabt hätte. Doch die nach People Like Us (2012) erst zweite Regiearbeit des eher für seine Drehbücher bekannten Alex Kurtzman macht überdeutlich, warum dieses ehrgeizige Projekt zumindest in dieser Form zum Scheitern verurteilt war. The Mummy ist weder bei Grusel oder Horror zu verorten, sondern zeigt sich vielmehr als glattgebügeltes Fantasy-Action-Spektakel ohne Ecken und Kanten. Spannung oder Dramatik sucht man hier vergeblich und bekommt stattdessen kaum mehr als knappe zwei Stunden auf Hochglanz polierte Langeweile geboten. Kurtzman inszeniert seinen Film zwar handwerklich kompetent, aber auch seelenlos, leblos und ohne Liebe zum Genre.

      The Mummy will ein möglichst breites Spektrum abdecken, verliert dadurch jedoch seinen narrativen Fokus und findet zwischen Düsternis und Klamauk nie wirklich zu sich selbst. Will man dann noch unbedingt das Dark Universe mit der Brechstange voran treiben, indem alles andere als subtile Verweise – ein Vampirschädel hier, eine Hand mit Schwimmhäuten da – lieblos aufeinander stapelt werden und natürlich auch Dr. Jekyll in diese Richtung zielt, rückt die eigentliche Rahmenhandlung rund um das titelgebende Monster plötzlich in den Hintergrund. Die vom Drehbuch propagierte Gefahr seitens Ahmanet bleibt letztlich diffus und kommt nicht nur wegen der holprigen Erzählstruktur nie wirklich zum Tragen, sondern auch, weil der teils deplatzierte Humor immerzu sämtliche Anstrengung in Richtung Ernsthaftigkeit unterläuft und manchmal sogar in unfreiwilliger Komik mündet. Rückblickend ist es wirklich kein Wunder, dass das von Universal angestrebte Dark Universe gleich wieder in sich kollabieren musste, wenn bereits der Auftaktfilm derart viel Potential vollkommen ungenutzt und geradezu achtlos liegen lässt.

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      • 8

        Nach erneuter Sichtung...

        "The perfect con is one where everyone involved gets just what they wanted."

        Diese Worte von Stephen Bloom gilt es im Hinterkopf zu behalten. Trickbetrüger unterscheiden sich im Grunde nur sehr marginal von Geschichtenerzählern und Filmemachern. Beide erschaffen Schein-Realitäten, in denen sich ihre Opfer verlieren sollen und beide müssen dazu Bedürfnisse erkennen und zum Teil auch erfüllen. Ihr Handwerk funktioniert auch eben gerade dann besonders gut, wenn das Opfer ein Stück weit Komplize ist, denn ein guter Trickbetrüger, ein guter Geschichtenerzähler zerrt die Menschen nicht gewaltsam und gegen ihren Willen irgendwohin, er führt sanft, lässt sie in seine Geschichte eintauchen und sich freiwillig auf die von ihm geschriebenen Wege begeben.

        Rian Johnsons Erstlingswerk Brick (2005) war kühnes Experiment wie seltsamer Genre-Zwitter gleichermaßen, wenn er ausgesprochen konsequent Handlung, Sprache, Motive und Bilder des typischen Hard Boiled-Film Noir in das Setting einer High School der Gegenwart verlegt. Das war erfrischend, das war überraschend, das hat erstaunlich gut funktioniert und das bescherte Johnson einen durchaus eindrucksvollen Achtungserfolg. Und auch für seinen zweiten Film The Brothers Bloom setzt Johnson wieder auf eine ungewöhnliche Mischung unterschiedlichster Genres und Stilrichtungen und kombiniert munter Elemente aus Con Artist-Filmen, klassischen romantischen Komödien, Heist-Movie, Abenteuerfilm und schrägem Kostüm-Drama, abgeschmeckt mit liebevoll skurrilen Figuren wie sie auch in Filmen von Wes Anderson auftauchen könnten. Und auch, wenn zahlreiche seiner erzählerischen Vorbilder recht offensichtlich sein dürften, gelingt es ihm nahezu mühelos, aus all diesen winzigen Puzzlestücken und Mosaiksteinchen einen originellen wie unterhaltsamen Film zu erschaffen, welcher abermals einen ganz eigenen Kosmos zum bunten Leben erweckt und scheinbar widersprüchlichste Einflüsse zu einem runden Ganzen verschmilzt. Und das vollkommen frei von billiger Ironie oder ätzendem Zynismus, sondern zu aller erst bestimmt von der puren Lust am Fabulieren, von der Freude am Erzählen, von reichlich Fantasie und einer angenehm optimistischen Melancholie.

        Doch unter all dieser wundervollen Unterhaltung versteckt sich auch ein Drama rund um das immer währende Spiel mit der eigenen Identität und vermeintlichen Projektionsflächen, wenn Bloom selbst schon lange nicht mehr weiß, wer genau er denn nun eigentlich ist unter all den Rollen, die sein Bruder immer wieder für ihn schreibt. Es ist der Wunsch und Ausdruck nach Authentizität, nach einem unwritten life, nach Freiheit und Leben. Trying to get something real by telling yourself stories is a trap. Das beste aber: am Ende gelingt Rian Johnson selbst das größte wie schwierigste Kunststück bei einem Trickbetrug. Denn wenn das erzählerische Konstrukt immerzu von doppelten und dreifachen Böden durchzogen ist, wenn Tote selten auch tot bleiben und Liebesschwüre meist nicht echt sind, dann stellt sich ja immer auch die Frage danach, inwieweit man als Zuschauer überhaupt noch dazu bereit ist, emotional mitzugehen. Wie bringt der Erzähler sein Opfer, das Publikum also, dann noch dazu, Emotionen zu investieren, wenn man spürt, dass jedes eingebrachte Gefühl nur Minuten später wertlos sein wird, weil die nächste Wendung ohnehin nur wieder alles auf den Kopf stellt? Zwar zaubert auch Johnson die eine oder andere Wendung aus dem Ärmel wie ein Trickbetrüger eine gezinkte Karte, doch letztlich geht er derart liebevoll und behutsam sowohl mit seinen Figuren als auch dem Zuschauer um, so dass man trotzdem ernsthaft mitfühlen kann ohne Angst haben zu müssen, es am Ende vielleicht zu bereuen.

        The Brothers Bloom ist letztlich ein unglaublich beschwingtes, lockeres, unterhaltsames Stück Film, angenehm zeitlos inszeniert, ungemein stilvoll bebildert, leichtfüßig und doch kunstvoll arrangiert. Der Cast ist formidabel, Adrien Brody übertreibt es mit seiner inneren Zerrissenheit zwar manchmal, erweckt seinen Bloom aber dennoch glaubhaft zum Leben, Mark Ruffalo gibt den Autoren der Geschichte mit ganz viel charmanter Lässigkeit gepaart mit einer Prise mysteriöser Undurchschaubarkeit. Und dann ist da noch das Glanzstück des Filmes, nämlich die WUNDERVOLLE! Rachel Weisz als die exzentrische, von kindlicher Neugierde und Zauber erfüllte und mit großer Naivität ausgestattete Penelope, das von den Bloom Brothers auserkorene Opfer ihres vermeintlich letzten Trickbetrugs. Sie ist das Herz des Filmes, sie ist der Motor der Geschichte, sie begeistert in wirklich JEDER ihrer Szenen. The Brothers Bloom ist wahrlich wundervolles Ezählkino, dem man die Lust am Fabulieren und Fantasieren zu jeder Sekunde ansieht. Und auch, wenn Rian Johnson zweifellos auch mal den einen oder anderen Schlenker zu viel einbaut und sich im Mittelteil auch mal kleinere Längen einschleichen und etwas an Tempo verloren geht, so ist sein zweiter Film einer, der einfach Spaß macht und wahrhaft zu bezaubern weiß. Immer vorausgesetzt, dass man sich grundlegend auf The Brothers Bloom einzulassen vermag.

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        • 6

          Luke Scott liefert nach Arbeiten für die Second Unit bei Exodus:Gods and Kings und Der Marsianer und einigen Kurzfilmen für das Prometheus/Alien: Covenant-Universum für seinen Vater Ridley Scott nun mit Morgan seinen ersten Langfilm. Und eines muss man zweifellos anerkennen: das Auge seines Vaters hat er scheinbar geerbt, ist Morgan über weite Strecken doch hübsch anzusehen und weiß visuell zu überzeugen. Wenn er dazu auch die inhaltliche Ebene ähnlich gut im Griff haben würde, dann hätte aus seinem Regiedebüt ein richtig guter Film werden können.

          Da das leider nicht der Fall ist, bleibt Morgan zwar ein interessanter Beginn, welcher zumindest im Ansatz ganz ähnliche philosophische und moralische Dilemmata thematisiert, wie sie auch Alex Garland mit seinem kammerspielartigem Science Fiction-Drama Ex Machina verarbeitet hat. Doch erreicht dieses durchaus komplexe Thema seinen vorerst dramatischen Höhepunkt in Form der psychologischen Analyse von Morgan, dann kippt der Film in seiner Stimmung, es kommt zu einem relativ harten tonalen Bruch und bereits etablierte Motive verlieren plötzlich zu Gunsten von Action angereichert mit Horrorelementen an Bedeutung, so dass Morgans künstliche Herkunft, ihre Intelligenz und die damit implizierten Fragen fortan keine Rolle mehr spielen.

          Das ist zwar ein wenig schade, könnte ich jedoch problemlos verschmerzen, wenn die daran folgende Action nicht schrecklich herkömmlich und gewöhnlich ausfallen würde wie direkt vom Reißbrett. Auch die Handlung bleibt beinahe immer vorhersehbar und verlässt nur ausgesprochen selten seit Jahrzehnten ausgetretene Genrepfade, ja, sogar den Twist am Ende kann man durchaus kommen sehen. Zudem werde ich das Gefühl nicht los, dass Morgan nicht zu seiner eigentlichen Herkunft als B-Movie so wirklich stehen will oder kann, obwohl der Plot an sich doch eben ein solcher Stoff durch und durch ist. So versucht sich der Film ein wenig größer zu machen, als sein Plot letztlich ist, bleibt dabei aber zumindest durchweg unterhaltsam.

          Somit formuliert Morgan anfangs zwar eine durchaus interessante und moralisch ambivalente Fragestellung, wirft diese jedoch recht zügig zu Gunsten von Action und Horror über Bord. Es bleibt eine hübsch anzusehende, geradlinig inszenierte Action-Horror-Variante von bereits bekannten Motiven, die kaum eigenständige Idee zu entwickeln vermag und immer vorhersehbar bleibt. Unterhaltsam ist das zwar, vielmehr aber auch nicht, denn inhaltlich ist da noch deutlich Luft nach oben. Eine gelungene Arbeitsprobe für Regisseur Luke Scott ist das aber allemal.

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          • 8

            The Drop ist im allerbesten Sinne altmodisches Erzählkino, melancholisch und eindringlich, ganz fein austariert und mit exzellenten Dialogen versehen. Ein dezenter Film, auf seine ganz eigene Art und Weise leise, schnörkellos und geradlinig in seiner Struktur und sehr langsam, manchmal regelrecht behäbig erzählt, aber dennoch voller Wucht und Dynamik. In seiner so reduzierten Form ist The Drop ein willkommener und angenehmer Gegenentwurf zum heutigen Kino mit seinen modernen Erzählweisen, den schnellen Schnitten und den hektischen Kamerafahrten. Roskams Film ist, wie so oft bei Verfilmungen von Geschichten des Schriftstellers Dennis Lehane, beinahe mehr Milieustudie als Thriller. Egal, ob Mystic River, Gone Baby Gone oder eben The Drop (Shutter Island mal ausgenommen), Lehane ist ein ausgezeichneter Beobachter mit Blick für die Details, dem es gelingt, die Umfelder seiner Geschichten zum Leben zu erwecken und der zudem nur abbildet, aber nicht urteilt, er richtet nicht über seine Figuren, egal, was sie sind oder was sie tun, das überlässt er lieber seinen Lesern.

            Genau diese Essenz seiner Geschichten weiß Roskam in Bilder zu fassen und in seinen Film zu überführen, sein Look wirkt enorm glaubwürdig, es ist ein sehr tristes Setting, grau, kalt und nass, so trostlos und einsam wie die Figuren, die diese Welt bevölkern, und man kauft sie ihm sofort ab, diese Bilder von verlassenen Hinterhöfen und leeren Seitenstraßen im Regen oder Schnee, sie spiegeln eben diese Kälte und Verzweiflung wieder, die sich auch in den Menschen eingenistet hat. The Drop ist erfrischend altmodisches Erzählkino, mehr Milieustudie als Thriller, leise und dennoch wuchtig, eine kleine Perle im Zeitalter der Blockbuster. Ich persönlich würde mir mehr solcher Filme wünschen, auch wenn zu befürchten ist, dass diese immer weiter aussterben werden. Roskams Film fasziniert durch sein gelungenes und fesselndes Drehbuch, seine klugen und pointierten Dialoge, die hervorragend ausgearbeiteten Charaktere und ein absolut glaubwürdiges Setting. Effekthascherei hat The Drop zu keiner Sekunde nötig, denn die Story steht mühelos für sich allein und die schauspielerischen Leistungen sind durchgängig auf ganz hohem Niveau.

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            • 7 .5

              "These last few days are among the happiest I´ve ever ignored."

              Es gibt sie also doch noch: moderne Komödien jenseits von plattem Fäkalhumor. A Futile and Stupid Gesture ist ein unglaublich geistreicher Rückblick in die Entstehungsgeschichte von National Lampoon, der vor genialem Wortwitz nur so sprüht und irre pointierte Dialoge bietet. Doug Kenney dürfte den meisten kein Begriff sein - mir jedenfalls war er keiner - seine Filme jedoch schon, war er doch maßgeblich an den Drehbüchern zu Animal House und Caddyshack beteiligt und zusammen mit Henry Beard einer der Gründer von National Lampoon. Ich wusste nur ganz grob, was mich erwarten würde, aber schon nach wenigen Minuten hatte mich der Film und ließ mich nicht mehr los.

              Ein wenig fühlte ich mich an Man on the Moon mit Jim Carrey erinnert, wenn die Stimmung im weiteren Verlauf immer mehr ins Dramatische abgleitet. Regisseur David Wain (Wet Hot American Summer, 2001) bringt uns einen beinahe verloren geglaubten Humor vergangener Tage zurück, den ich schon für ausgestorben hielt: albern, klamaukig, teils wirr und manchmal buchstäblich sinnfrei, der sich aber auch aus oftmals klugen Alltagsbeobachtungen speist und Dinge überspitzt, die jeder von uns kennt. Egal, ob nun das College-Setting in Animal House, der Ferienjob in Caddyshack oder das Weihnachtsfest mit der ganzen Familie in Christmas Vacation.

              Und so sieht sich das Drehbuch von John Aboud und Michael Colton auch in genau dieser Tradition und nimmt sich zum Glück selbt nicht allzu ernst, wenn es ein herrlich skurriles Bild der Comedy-Welt im New York der 70er und 80er voller allerhand schräger Typen zeichnet, die sich unter dem Dach von National Lampoon zusammen finden. Der Weg zum ersten Film ist noch weit, zunächst gilt es, das Magazin zu etablieren und später eine eigene Radioshow zu starten. Kenney übernimmt sich, entdeckt die Drogen, bricht zusammen, steigt aus, kehrt zurück, geht nach Hollywood. Beard geht nach fünf Jahren gleich ganz und beschreitet fortan seinen eigenen Weg.

              Alle kommen sie vor Bill Murray, Chevy Chase, Harold Ramis, Christopher Guest, John Belushi, Gilda Radner, Ivan Reitman, John Landis, Rodney Dangerfield, die ganze Clique. Nicht immer sind die Schauspieler ihren Vorbildern unbedingt ähnlich, dennoch spielen sie sie durch die Bank weg hervorragend getroffen: besonders Joel McHale als Chevy Chase ist da hervorzuheben. Und die Chemie zwischen Will Forte und Domhnall Gleeson, diese Wortgefechte zwischen ihnen, dieser schnelle Schlagabtausch, das macht alles unglaublich viel Spaß. Ein schöner und vor allem auch wirklich lustiger Film voller geistreichem Wortwitz und einer Prise Wahnwitz. Und zum Schluss macht auch der merkwürdige Titel des Filmes plötzlich einen traurig-lustigen Sinn.

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              • 6 .5

                "No water in LA, but it's raining assholes in here."

                Nach seiner Beteiligung an den Drehbüchern von Filmen wie Iron Man 3 (2013) und Mission: Impossible – Rogue Nation (2015) lag es wohl nahe, dass Drew Pearce für sein Regiedebüt Hotel Artemis auch gleich das Skript verfasste. Und man kann auch durchaus anerkennen, dass hier einiges richtig gemacht wird. Der Auftakt ist stimmungsvoll, das Setting interessant, es blitzen immer mal wieder gute Ideen auf und der Cast ist spannend zusammengesetzt. Pearce entwirft zwar keine sonderlich originelle Version eines futuristischen Noir-Thrillers, aber zumindest eine handwerklich gelungene, über weite Strecken durchaus unterhaltsame und toll ausgestattete. Deutlich stärker auf seine Figuren fokussiert als die Trailer vielleicht vermuten lassen würden, tappt Hotel Artemis nicht in die John Wick-Falle, begrenzt die Action auf ein absolutes Minimum und gibt erst in den letzten Minuten so richtig Gas. Wer hier also ein Actionfeuerwerk erwartet, der ist sicherlich falsch beraten und sollte sich vielleicht lieber an anderer Stelle umsehen.

                Leider krankt Hotel Artemis oftmals an einem schwachen Drehbuch, welches eine allenfalls mäßig spannende und sehr generische Story entspinnt und vor allem sehr schablonenhafte und flache Figuren aufeinander treffen lässt. Allein Jodie Foster bekommt ein paar schemenhafte Umrisse und einen Hauch von Tiefe spendiert, ist aber auch gnadenlos unterfordert. Zwar ist die Interessenlage aller Beteiligten vielschichtig und insgesamt explosiv, aber auch sehr vorhersehbar in ihrer Eskalation. Zudem sind die Dialoge oft einen Hauch zu cool und wirken immer mal wieder arg bemüht und zu sehr gewollt. Insofern schafft Hotel Artemis unterm Strich eigentlich eine interessante wie spannende Ausgangslage, nutzt deren Potential im weiteren Verlauf jedoch nicht richtig aus und gibt dem auf dem Papier toll zusammengestellten Cast kaum Möglichkeiten an die Hand, um mehr daraus zu machen. Das ist schade, denn Idee, Setting, Look und Atmosphäre sind stark und lassen auf mehr hoffen, was Pearce letztlich nicht einzulösen vermag. Dennoch für seine angenehm kurze Laufzeit von rund 90 Minuten kurzweilig und unterhaltsam, auch wenn da noch deutlich Luft nach oben gewesen wäre. An einem ganz normalen Mittwoch kann man den durchaus gucken.

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                • 4
                  Mattscheibenvorfall 10.02.2019, 18:19 Geändert 11.02.2019, 17:42

                  Wo Death Wish (1974) von Michael Winner zumindest dadurch punkten konnte, dass er dem Zuschauer eben keine vorgekaute Botschaft samt Moral vorsetzt und ihn mit seinem ungelösten Dilemma alleine zurück lässt, da serviert Eli Roth mit seinem unnötigen Remake kaum mehr als stumpfsinnige und vor allem langweilige Action. Zwar versucht der Film die zweifelhaften Taten seiner Hauptfigur und deren geradezu dankbare Akzeptanz in weiten Teilen der Bevölkerung zu hinterfragen, doch tatsächliche Konsequenzen haben seine Handlungen nicht und so verpufft all das im leeren Raum. Roth gelingt es nie in die Komfortzone des Zuschauers einzudringen, denn dafür ist sein Death Wish zu zahnlos und zaghaft geraten, vermag nie ernsthaft zu provozieren und herauszufordern und vertraut lieber auf Zurückhaltung statt volles Risiko zu gehen. Es fehlt am Mut zur Positionierung und so wird die Möglichkeit vertan, eine wirklich relevante Aussage zum Thema Selbstjustiz zu erschaffen. Gut, hatte Roth so vielleicht auch gar nicht im Sinn. Doch auch als reiner Genrefilm funktioniert Death Wish nicht sonderlich gut, denn dafür ist er viel zu belanglos runter gerissen und nach Schema F inszeniert, wirkt seltsam leidenschaftslos und kann bloß mit allenfalls mäßig umgesetzter und uninspirierter Action aufwarten. Winners Death Wish war seiner Zeit zweifellos nicht weniger fragwürdig, traf jedoch einen empfindlichen Nerv bei seinem Publikum. Roth hingegen schießt am aktuellen Zeitgeist vorbei und langweilt mehr als das er eine Kontroverse erzeugen könnte.

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                  • 8

                    Rot. Gelb. Blau. Wasser. Regen. Ein Blatt im Wind. Ein Schmetterling. Ein Kind an einem Bahnsteig, überfordert zwischen seinen beiden Eltern, unfähig, eine Entscheidung zu treffen. Wahrheit, Lüge, Traum, Erinnerung, Fiktion… was ist wahr, was nicht, was passiert, was erfunden, was verklärt, was erlebt?

                    Zwischen diesen Polen pendelt der Film des belgischen Regisseurs Jaco Van Dormael immer wieder vor und zurück, seine Erzählstruktur ist weder chronologisch noch auch nur ansatzweise linear, sondern springt geradezu chaotisch und vermeintlich planlos zwischen winzigen fragmentarischen Szenarien hin und her, bildet aber dennoch einen gleichmäßig vor sich hin fließenden Strom. Eine kaleidoskopartige Reise durch die Vorstellungskraft, eine Liebeserklärung an die Imagination. Jeden Tag stehen wir an Wegeskreuzungen, jeden Tag müssen wir Entscheidungen fällen.

                    Aber welche ist die Richtige und welcher ist der richtige Weg, das richtige Leben? Hätten wir in der Vergangenheit Dinge anders gemacht? Was wäre wenn? Bereuen wir Entscheidungen? Bedauern sie vielleicht? Und vor allem: wieviel Einfluss haben wir letztlich auf unser Leben? Wieviel Einfluss haben wir selbst und was ist dem Zufall überlassen? Gibt es Zufälle überhaupt? Warum geht die Zeit nur vorwärts, aber niemals rückwärts? Sobald man eine Entscheidung getroffen hat, gibt es kein Zurück mehr, man muss es so nehmen, wie es dann kommt, mit den Konsequenzen leben. Und oftmals fragen wir uns anschließend, ob wir richtig gehandelt, richtig gewählt, richtig entschieden haben. Aber was bedeutet schon richtig? Egal, welchen Weg wir nehmen, es wird immer der richtige sein, denn alle Entscheidungen, die wir treffen, haben wir nicht nur selbst gewählt, sondern beeinflussen auch unseren weiteren Werdegang. Alles geschieht aus einem Grund, alles ist eine Aneinanderreihung von Kettenreaktionen, alles hängt zusammen. Oder doch nicht?

                    Mr. Nobody erzählt vom Leben, vom Lieben und von den Gesetzmäßigkeiten des Universums und zeichnet ein großformatiges Puzzle, bei dem wir schon selbst für uns entscheiden müssen, ob dessen Bild letztlich stimmig ist oder nicht. Der Film hat deutlich mehr im Sinn als einfach nur eine Lebensgeschichte in Rückblenden zu erzählen und sinniert lieber über den Sinn des Lebens und das Wesen der Liebe. Dafür holt Van Dormael in erzählerischer wie ästhetischer Hinsicht weit aus. Zu Beginn steht eine Entscheidung, aus der sich zwei unterschiedliche Lebenswege entspinnen, welche sich im weiteren Verlauf dann immer weiter verästeln und immer neue Abzweigungen bereit halten.

                    Und mit jeder weiteren Sequenz nimmt nicht nur die dramaturgische Dichte immer weiter zu, sondern auch die formale und visuelle Vielseitigkeit, wenn sich Van Dormael wild, aber immer stilvoll im nahezu unendlichen Fundus aller möglichen Spielarten von Genre, Moden und Farben bedient und sich Satire, Drama, Science Fiction, romantische Komödie, Thriller, fiebrig Surreales und nüchterner Realismus quasi die Klinke in die Hand geben. Der Belgier spielt beinahe mit allen ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten und entwirft ein rein visuell ungemein beeindruckendes Kaleidoskop aus Perspektiven, Kameraeinstellungen, Farben, Beleuchtung, Musik und Tricktechnik. Das ist nicht nur wunderschön anzusehen und phasenweise geradezu rauschhaftes Kino, es ist vor allem auch hervorragendes Handwerk und auf der rein formellen Ebene kann man Mr. Nobody nun wirklich absolut nichts vorwerfen.

                    Für mich geht es letztlich gar nicht so sehr um die eine Entscheidung eines neunjährigen Jungen, sondern vielmehr um alle Entscheidungen in ihrer Gesamtheit, die getroffenen wie die nicht getroffenen. Der kleine Nemo am Bahnsteig steht da eher als Sinnbild für jeden von uns, wie wir tagtäglich die großen und die kleinen Entscheidungen unseres Lebens zu treffen haben und wie sich so ein feines Geflecht aus Abzweigungen und Verästelungen bildet, welches uns schließlich auch zu dem Menschen macht, der wir sind. Wenn ich bis jetzt irgendwas aus dem Film für mich ziehe, dann das: alle Möglichkeiten, alle Wege, alle Entscheidungen in unseren Leben sind nutzlos, wenn wir sie uns offen halten. Zugzwang, wie es im Film genannt wird. Wir wachsen an unseren Entscheidungen, reifen durch sie, lernen von ihnen, werden zu den Menschen, die wir sind. Halten wir uns alles offen und beschreiten keinen dieser möglichen Wege aus Angst, etwas falsch zu machen oder vielleicht etwas zu verpassen, dann bleiben wir im Grunde ein Nobody. Sich nicht zu entscheiden ist keine Option.

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                    • 8

                      Man fragt sich schnell: warum das Ganze? Was genau treibt die Hauptfigur Eric an, warum nimmt er so hartnäckig wie unerbittlich die Verfolgung derer auf, die sein Auto gestohlen haben? Tatsächlich offenbart sich erst in der allerletzten Szene auf schmerzliche und zugleich seltsam berührend schöne Art und Weise der eigentliche Grund für sein Handeln, banal und dennoch universell, und plötzlich hat man das Gefühl, einen gänzlich anderen Film gesehen zu haben als bisher geglaubt.

                      So ist es auch Eric, der irgendwann im Verlaufe des Films das eigentliche Dilemma auf den Punkt bringt: nicht die furchtbaren Taten ihrer Bewohner sind das Grauen dieser Welt, sondern der Umstand, dass diese Taten schlichtweg niemanden mehr interessieren, dass sie geschehen können, weil es einfach keine Bedeutung mehr hat. Sie werden allenfalls noch wahrgenommen, aber schon längst nicht mehr bewertet, so weit ist die Lethargie bereits fortgeschritten. Diese Gleichgültigkeit ist das wahre Ende der Menschheit, der moralische, ethische und soziale Verfall, das Verschwinden zwischenmenschlicher Beziehungen und emotionale Isolation.

                      The Rover ist ein minimalistisches Kleinod seines Genre, extrem reduziert auf das absolut Wesentliche und beschreibt eine archaische Welt ohne Hoffnung oder Menschlichkeit, brutal und grausam, in der nur noch das Gesetz des Stärkeren Bestand hat. Sympathieträger findet man hier keine. Das Wenige an Story ist langsam erzählt, der Spannungsaufbau aber kontinuierlich und die Ereignisse entladen sich in einem zynischen Finale. All das ist festgehalten in spröden Bildern des flirrenden Outbacks, staubtrocken, dreckig und lebensfeindlich, und unterlegt mit einem Soundtrack, der an den Nerven zerrt und die Spannungsschraube nur noch weiter anzieht. Das fantastische Zusammenspiel von Guy Pearce und Robert Pattinson ist beeindruckend und wunderbar anzusehen.

                      All das macht The Rover zu einem kleinen Ausnahmefilm, den man zumindest dann unbedingt mal gesehen haben sollte, wenn man sich für das Genre Endzeit ähnlich begeistern kann wie ich und nicht gleich einen Mad Max-Verschnitt erwartet. Aber auch allen anderen, die mal einen etwas außergewöhnlichen Film sehen wollen und nicht allzu zart besaitet sind, sollten hier einen Blick riskieren. Ein weiterer starker Film aus dem australischen Kino, welches überraschend viele Perlen zu offenbaren vermag, wenn man sich erstmal auf die Suche nach ihnen macht.

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                      • 8

                        Man muss es sagen: mit The Favourite hat der griechische Regisseur Yorgos Lanthimos nach sperrigen und unangenehmen Werken wie Dogtooth (2009), The Lobster (2015) und The Killing of a Sacred Deer (2017) seinen bislang zugänglichsten Film gedreht. Wo er sonst einen eher verkopften, unterkühlt distanzierten und sehr nüchternen Stil der Inszenierung pflegte, da wirft The Favourite nun einen deutlich wärmeren, geradezu empathischen Blick auf seine Figuren, entdeckt die Tragik, welche ihnen auch innewohnt, und wirkt insgesamt leichter verträglich und weniger speziell. Das mag vielleicht auch zum Teil mit daran liegen, dass Lanthimos nun erstmals in seiner Karriere nicht auch am Drehbuch beteiligt war und stattdessen Deborah Davis und Tony McNamara ein Feuerwerk an hervorragend pointierten, klugen wie giftigen, oft ungezähmten und doch geschliffenen Dialogen entfachen ließ. So entwickelt sich mit der Ankunft von Abigail am Hof von Queen Anne ein herrlich intrigantes Ränkespiel um die Gunst der Königin, in dem die Frauen zur Abwechslung mal die Männer nach Belieben manipulieren und für ihre ganz eigenen Ziele benutzen.

                        Auch offenbart The Favourite einen garstigen, ätzenden und bitter bösen Blick auf die britische Aristokratie, wenn pompöse Bälle, Entenrennen und hemmungsloses Kuchenessen inklusive Erbrechen im Kontrast stehen zu einem Land, welches sich im Krieg mit Frankreich befindet und dessen Bevölkerung zunehmend aufbegehrt gegen seine Obrigkeit. Getragen wird all das von einem wirklich fantastischen Ensemble rund um Olivia Colman, Rachel Weisz und Emma Stone, eine besser als die andere, und mit unglaublich starken Leistungen. Besonders Olivia Colman gelingt es herausragend gut das Launenhafte ihrer Figur voller Hingabe und mit genau dem richtigen Gespür für Nuancen herauszuarbeiten, wenn sie Queen Anne als impulsives Kind interpretiert, einsam, ängstlich, verloren. Ein Balanceakt, denn das hätte leicht zur Karikatur verkommen und ins Lächerliche abkippen können, doch Colman entwirft eine sehr ambivalente Figur, die zu gleichen Teilen Opfer wie Bestandteil der Strukturen ist, die jede dieser drei Frauen in ihren Rollen gefangen halten. Visuell ist The Favourite über jeden Zweifel erhaben, ist fantastisch wie opulent ausgestattet, egal, ob Setting oder Kostüme, und wird darüber hinaus von Kameramann Robbie Ryan (Slow West, I Am Not a Serial Killer, I, Daniel Blake) wunderbar in Szene gesetzt.

                        The Favourite ist sowohl schön und witzig wie zugleich auch böse und traurig geraten, ist manchmal schräg und ausufernd, manchmal irre komisch, hat aber immer auch den zutiefst tragischen Kern im Blick. Erstmals begegnet Yorgos Lanthimos seinen Figuren mit Empathie, erweitert seinen sonst eher kühlen Stil um Wärme und gestaltet seinen Film so deutlich zugänglicher. Doch Gewinner kennt Lanthimos auch dieses Mal keine. Some wounds do not close.

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                        • 8
                          Mattscheibenvorfall 01.02.2019, 19:11 Geändert 02.02.2019, 15:47
                          über Upgrade

                          Mit Upgrade haut Regisseur und Drehbuchautor Leigh Whannell (Saw) mit seinem erst zweiten Film nach seinem Debüt Insidious: Chapter 3 wirklich einen Kracher raus. Angesiedelt in einer Shadow Run-artigen Welt in nicht allzu ferner Zukunft, die stark Technologie fixiert ist, inszeniert der Australier einen entfesselten Actionfilm voller inhaltlich wie visuell tollen Ideen und Einfällen. Das World Building ist enorm detailliert, futuristisch angehaucht, bleibt aber zu jeder Zeit nachvollziehbar. Der Plot rund um die Suche nach den Mördern von Grey´s Frau ist denkbar einfach gehalten, klar strukturiert, kommt herrlich geradlinig wie schnörkellos daher, verzichtet auf jeglichen unnötigen Ballast und verschreibt sich voll und ganz dem Genrekino in seiner reinsten Form. Dazu passt dann auch ganz hervorragend die Laufzeit von etwa 100 Minuten, so dass sich zu keiner Sekunde auch nur ein Hauch von Langeweile einschleichen könnte.

                          Sehr schön ist auch die Kamera von Stefan Duscio (Jungle) geraten, denn ganz im Gegensatz zu so vielen anderen Vertretern des modernen Actionkinos wird hier erstaunlich ruhig, klar und vor allem übersichtlich gefilmt, so dass auch im wildesten Kampfgetümmel der Überblick gewährleistet bleibt, und dennoch erlaubt sich Upgrade auch auf dieser Ebene immer wieder interessante Einstellungen. Die Gewalt ist sehr explizit, aber auch überaus pointiert eingesetzt und in der Ausführung manchmal wirklich überraschend, so dass sich bestimmte Momente sicherlich ins kollektive Gedächtnis graben könnten. Eine hübsch böse Note bekommt das alles dann durch einen zuweilen recht zynischen Humor und besonders die Zwiegespräche zwischen STEM und Grey können den einen oder anderen fiesen Lacher herauf beschwören.

                          Whannell erschafft mit Upgrade eine Art Cyber Punk-Body Horror-Actionthriller, dem man sein Budget von etwa fünf Millionen Dollar absolut nicht ansieht. Sein Film ist retro, kommt aber ohne lästige Nostalgie aus, ist altmodisch, verschließt sich aber nicht vor modernen Elementen und ist ziemlich cool, ohne das ironisch augenzwinkernd ausstellen zu müssen. Upgrade ist vielleicht nicht sonderlich intelligent, aber er ist ausgesprochen smart, denn Whannell kennt sein Genre ganz offensichtlich und bespielt mit Bravour dessen Strukturen, ohne jedoch zu langweilen oder gar Gefahr zu laufen zur leeren Replik auf alte Tage zu mutieren.

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                            über Polar

                            Wenn man sich mal diverse Reaktionen anschaut, dann scheint der Film von Regisseur Jonas Åkerlund (Spun, Horsemen, Small Apartments, Rammstein: Paris) im wahrsten Sinne des Wortes zu polarisieren. Die Verfilmung der Comicreihe von Victor Santos ist zugegebenermaßen ein durchaus zweischneidiges Schwert geworden – buchstäblich, ist sie tonal doch sehr zerrissen, irgendwie weder Fisch noch Fleisch und nicht selten Opfer ihrer oftmals gegensätzlichen Inszenierung. Einerseits zelebriert Polar laut und grell comichaft überzogene Gewaltauswüchse in bester Exploitation-Manier und gibt sich als überdrehtes Stück Genrekino, bevölkert von schrägen und kaputten Gestalten jenseits der Realität, andererseits versucht Åkerlund aber auch ein Drama voller verbissener Ernsthaftigkeit rund um einen seiner Arbeit überdrüssigen Profi-Killer kurz vorm wohlverdienten Ruhestand zu erzählen.

                            Hier funktioniert eindeutig die Balance nicht, wenn Polar zu sehr beides sein will, menschliches Drama und reißerische Genre-Replik jenseits des guten Geschmacks. So lässt es der Film vor allem an Stringenz und Homogenität vermissen, springt die Handlung doch immerzu zwischen diesen beiden Ebenen hin und her und verkommt zu kaum mehr als einer lauwarmen Variation altbekannter Motive und Genre-Muster im grell blendenden Gewand, bei der sogar der finale Twist ins Leere läuft. Auch ist es merkwürdig, dass der düstere wie schroffe, farblich entsättigte und reduzierte Stil der Comics von Victor Santos ignoriert wurde und zu Gunsten eines grell bunten Bonbon-Looks weichen musste. Mads Mikkelsen macht seine Sache zwar durchaus gut als Profi-Killer ohne Profession, der versucht im normalen Leben Fuß zu fassen und doch irgendwie immer daneben liegt, weil er einfach nicht weiß, was normale Menschen tun oder sagen, ist mit der Rolle des Duncan Vizla aber auch gnadenlos unterfordert. Selbst ein ausgestochenes Auge verkommt da zu kaum mehr als einer Aufhübschung vermeintlicher Coolness-Klischees. Zumindest unterhaltsam ist das Ganze unterm Strich dann aber schon und spätestens ab der Hälfte gewinnen auch die reißerischen Exploitation-Elemente deutlich die Überhand, aber gerade die tonale Zerrissenheit kann schon zum Dorn im Auge werden.

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                              Kurz und schmerzlos wie der Film selbst mit seiner überschaubaren Laufzeit von nicht einmal 90 Minuten. Mom and Dad ist die erste alleinige Regie von Brian Taylor, der bislang immer nur im Doppelpack mit Mark Neveldine als Duo Taylor/Neveldine arbeitete und sich für Filme wie Crank und dessen Fortsetzung sowie Gamer verantwortlich zeigt. Und auch Mom and Dad kommt mit den für Taylor bekannten visuellen und akustischen Spielereien daher und wird dominiert von seiner für ihn typischen Stakkato-Inszenierung, ist laut und grell, aber nicht so arg überladen wie beispielsweise Crank. Zum Glück walzt Taylor die grundlegende Idee hinter seinem Film nicht zu sehr aus, fährt eine knackige erste Hälfte auf und verliert erst mit der zweiten Hälfte etwas an Schwung, Tempo und auch Spannung, wenn sich das Geschehen in das Haus der Familie Ryan verlagert. Auch lässt es sich Taylor nicht nehmen, die eine oder andere hübsch ätzend zynische Spitze zum immerzu währenden Generationenkonflikt in seine Dialoge einzubauen. Nicolas Cage darf sich wieder einmal dem schauspielerischen Irrsinn hingeben, liefert seine gewohnt überdrehte Performance und ihm dabei zuzusehen macht einfach Spaß. Auch Selma Blair – die ich immer sehr schätze und gern sehe - macht ihre Sache gut, bloß die Kinder bewegen sich allenfalls im darstellerischen Mittelfeld, aber um die Idee hinter Mom and Dad umzusetzen reicht das vollkommen. So ist der Film letztlich ziemlich genau das, was man von Brian Taylor erwarten würde, wenn man seine Arbeiten kennt: schnell, laut, hektisch, manchmal überladen und voller visueller und akustischer Spielereien. Kein Crank, aber doch ein Film, den man durchaus schauen kann, wenn man denn diesen Stil der Inszenierung mag.

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                                Mattscheibenvorfall 25.01.2019, 00:07 Geändert 25.01.2019, 23:23
                                über Meg

                                "There's a monster outside and it's watching us."

                                Zumindest auf dem Papier sollte mir altem Haifisch-Film-Liebhaber The Meg von Regisseur Jon Turtletaub gefallen. Und das erste Drittel wusste mich auch gleich zu packen, denn der Tiefseeausflug und die daran anschließende Rettungsaktion treffen genau meinen Sweet Spot. Doof nur, dass The Meg danach abfällt wie der Marianen-Graben, wenn das Urzeitvieh erst einmal sein Unwesen treibt, und sich zu kaum mehr entwickelt als einem Monsterhaifilm nach Zahlen, der sich allenfalls nur noch damit begnügt altbekannte Motive und Bilder aufzugreifen und minimal zu variieren. Zudem verlässt sich der Film viel zu sehr bloß auf die alles erdrückende Größe und wuchtige Wirkung seines Monsters, das von einst sieben Metern bei Spielberg nun auf satte 25 Meter aufgeblasen wird, und ruft diese zur alleinigen Hauptattraktion aus, landet dadurch aber recht schnell in einer erzählerischen Sackgasse und beraubt sich auf diese Art selbst allerlei Möglichkeiten der Inszenierung.

                                Das Drehbuch versucht sich zwar an einer Balance aus halbwegs ernstem Monsterabenteuer und augenzwinkerndem Humor, findet allerdings nie so recht einen gesunden Mittelweg, und doch muss ich einräumen, dass The Meg unterm Strich weniger albern daherkommt als ich anhand der Trailer vermutet hätte. Die Charaktere sind zwar nicht mehr als blasse wie eindimensionale Abziehbildchen, erfüllen aber immerhin ihren Zweck und sind meist zumindest halbwegs solide gespielt. Die auffällige Blutarmut für einen solchen Monsterfilm und die Anbiederung an den chinesischen Markt sind offenkundig wirtschaftlichen Überlegungen geschuldet und haben mich eher weniger gestört. Für einen Monsterhai-Film fand ich The Meg okay, da habe ich sowohl bessere als auch schlechtere Streifen sehen dürfen oder müssen. Letztlich bleibt für mich nur eine abschließende Frage: wo war das Anti-Hai-Mittel aus Mechanic: Resurrection? Das hätte Statham hier wirklich gut gebrauchen können.

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                                • Hm, scheinbar unterscheidet sich mein Nutzungsverhalten hier von dem anderer. Zu 95% bewege ich mich auf meinem Dashboard, meinem Profil oder vielleicht noch im allgemeinen Kommentarbereich, wenn mir langweilig ist. Die Seiten der Filme selbst interessieren mich ehrlich gesagt ebenso wenig wie Artikel oder News. Infos hole ich mir von jeher an anderen Stellen. Insofern tangiert mich das Update kaum bis gar nicht.

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                                    Mattscheibenvorfall 20.01.2019, 22:53 Geändert 20.01.2019, 22:58

                                    Braucht man den neuen Film von Regisseur Shane Black? Vermutlich eher nicht. Erweitert The Predator sinnvoll sein filmisches Universum? Definitiv nicht. Habe ich das erwartet? Auf keinen Fall. Erwartungen sind Belastungen. Und so hatte ich auf eine sehr spezielle Art und Weise durchaus meinen Spaß mit diesem kruden und aus der Zeit gefallenen Machwerk irgendwo zwischen markiger 80er Reminiszenz und modernem Blockbuster. Dabei ist The Predator nicht einmal ein sonderlich guter Film, zu sehr ist seine Erzählstruktur zerrissen und holprig, zu sehr schwankt der Plot immer wieder zwischen unterschiedlichsten Motiven, so dass sich das Endprodukt seltsam unfertig und zerfasert anfühlt. Chaotisch wirkt das bunte Treiben, unausgegoren und sprunghaft, wurde The Predator doch mehrfach umgeschnitten und immer wieder in andere Richtungen gestoßen. Das spürt man deutlich und wird dem Skript wohl auch zum größten Verhängnis, welches sich wie für den Regisseur und dessen Co-Writer Fred Dekker (Night of the Creeps, Monster Squad) nicht unüblich gleichsam aus explosiver Action und selbst für Blacks Maßstäbe schamloser Ketten aus Gags und Sprüchen jenseits der Gürtellinie und des guten Geschmacks zusammensetzt.

                                    Als ernsthaftes Stück Genrekino ganz in der Tradition der ersten beiden Filme von McTiernan und Hopkins darf das alles natürlich nicht verstanden werden, sondern viel eher als herzhaft deftiger wie kurzweiliger und vor allem grobschlächtiger Spaß, der seine R-Rating-Effekte im späteren Verlauf genüsslich zelebrieren will, und dem ich aufgrund seiner breitbeinig ausgestellten Infantilität kaum wirklich böse sein könnte. Ja, The Predator ist kein guter Film, hat zahllose Schwächen und Probleme auf beinahe allen Ebenen und doch wirkt er dadurch – selbstverständlich unfreiwillig und vollkommen ohne Absicht – weit weniger formelhaft als so manch anderer Actionfilm unserer Zeit. Irgendwie liegt in all dem heillosen Chaos und Durcheinander ein ganz merkwürdiger und überaus eigenwilliger Charme, dem ich erlegen bin.

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                                      Immer mal wieder kommt ein Film daher und will nur zu gern der Trainspotting seiner Zeit sein, vielleicht seiner Generation sogar, also ein akutes Zeugnis seiner Gegenwart, scharf umrissen, glasklar in seiner Schlichtheit und dennoch universell. Mit neuen Geschichten und neuen Schauspieler, neuer Energie und neuem Stil. Gelungen ist es keinem, Trainspotting war zu seiner Zeit perfekt, auf den Punkt und das konsternierende Abbild einer ganzen Generation ohne Orientierung und ohne Zukunft. Film gewordener Zeitgeist. Aber der Retrozirkus dreht sich munter weiter und weiter und so fügt Danny Boyle dem Film, der für ihn wie auch für Ewan McGregor 1996 den internationalen Durchbruch bedeutete, eine verhältnismäßig unnötige Fortsetzung hinzu. Nostalgie um der puren Nostalgie willen, Tourismus in die eigene Jugend, aber lauwarm und schal, ohne Sinn und Verstand und vor allem ohne Gefühl.

                                      Sicher, T2 Trainspotting hat durchaus seine Momente und weiß zu unterhalten, wirkt insgesamt aber doch eher bemüht, künstlich und zu gewollt. Die Magie von einst ist verflogen, der Zeitgeist ein anderer, der Film aktuellem Kontext kaum bis gar nicht angepasst und folglich dadurch eben auch leider etwa 20 Jahre zu spät. Handwerklich über jeden Zweifel erhaben und durchaus mit inszenatorisch interessanten Ideen ausgestattet, ist T2 Trainspotting dennoch redundant, weil er sich weigert, konkret zu aktuellem Zeitgeschehen Bezug zu nehmen und sich lieber dem vermeintlich warmen Gefühl der Nostalgie hingibt. Ein seltsam befremdliches Gefühl blieb bei mir zurück, denn einerseits freut man sich irgendwie Renton, Sick Boy, Spud und Begbie wiederzusehen, doch andererseits wird schnell klar, wie wenig sympathisch jeder von ihnen ist, dass sie noch immer in den gleichen Sackgassen stecken wie damals und sich, wenn überhaupt, dann nur marginal weiter entwickelt haben.

                                      Vor 20 Jahren war das okay, da hatten sie noch ihr Leben vor sich, doch nun ist es nur noch deprimierend. Traurige kleine Gestalten, die nichts auf die Reihe bekommen haben. Der Soundtrack bemüht sich, das Gefühl von 1996 ins hier und heute zu transportieren, bleibt aber kaum mehr als nur der müde Versuch eben dessen, ein leiser Widerhall von einst. Fakt ist: es funktioniert für mich einfach nicht. Zweifellos ist T2 Trainspotting auf der handwerklichen Ebene ein toller Film, aber unter der Oberfläche bleibt für mich kaum mehr als erzwungener, aufgewärmter, billiger, liebloser Retromanie. Ein bischen wie Stranger Things mit Heroin, bekotzten Klamotten und toten Junkies. Der Versuch, Dingen hinterher zu trauern, die schon vor 20 Jahren kaum cool waren, höchstens in unserer jugendlichen Orientierungslosigkeit romantisch verklärt. Seiner Zeit war Trainspotting perfekt, am richtigen Ort zur richtigen Zeit kam er aus dem Nichts um uns zu sagen: No future! Er schrie es uns geradezu ins Gesicht. Der Punkt ist nur: wir hatten eine und haben diese auch genutzt. Renton, Spud, Sick Boy und Begbie nicht. Und es ist mir egal.

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                                        Könnte Spoiler beinhalten!

                                        Puh. Mit seinem nun mehr vierten Film macht es mir Regisseur Scott Cooper gar nicht mal so einfach. Einerseits ist Hostiles auf der handwerklich formalen Ebene äußerst gelungen geraten, sieht toll aus und liefert fantastische Bilder. Auch der erzählerische Aufbau weiß in seiner reizvollen Langsamkeit zu faszinieren und trotz so mancher Gewaltspitze gibt sich der Film angenehm schweigsam, wenn nicht immer alles auch ausformuliert werden muss und Blicke und Gesten oftmals ausreichen dürfen. Der Cast ist stark besetzt und besonders Christian Bale spielt mal wieder groß auf, doch auch die Nebenrollen dürfen glänzen. Cooper ist spürbar bemüht um einen möglichst ungeschönten Blick auf eine raue Welt voller archaischer Regeln und den Verzicht auf unnötige Romantisierung. Dennoch hinterlässt Hostiles einen faden Beigeschmack bei mir, denn gerade auf der inhaltlichen Ebene empfinde ich so manches als zumindest fragwürdig.

                                        Obwohl Cooper von Versöhnung erzählen will, lässt er erstaunlich wenig moralische Differenzierung zu und nähert sich der Thematik recht einseitig, so dass der letztliche Bruderschluss nur noch zur blanken Augenwischerei verkommt. Auch kann ich so manche Figurenentwicklung kaum nachvollziehen: besonders die Wandlungen von Blocker und Rosalee wollen sich mir nicht so recht erschließen. Dazu gesellen sich zahlreiche Klischees und Stereotypen wie die rohen, rot bemalten Wilden, der verbitterte Soldat oder die traumatisierte Witwe – eben noch schwer gezeichnet und angewidert von Yellow Hawk und seiner Familie, dann der gemeinsame Abwasch am Fluss und schlussendlich gleich eine neue Familie. Überhaupt empfand ich den Schluss als zu aufgesetzt und wenig glaubwürdig. Romantisch hoffnungsvoll vielleicht, aber eben wenig glaubwürdig und seltsam unpassend zum zuvor beschworenen ungeschönten Blick. Letztlich ist Hostiles auf der handwerklichen Ebene tadellos, auf der inhaltlich emotionalen Ebene jedoch kann er mich nicht wirklich abholen und gibt sich zuweilen mindestens fragwürdig. Ich würde den Film gern lieber mögen, aber er lässt mich einfach nicht.

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                                          Antikörper war seiner Zeit ein Versuch deutschen Genrekinos. Ein Versuch, der scheiterte. Zu sehr klebt Christian Alvart stilistisch wie inhaltlich an den großen amerikanischen Thrillern Anfang/Mitte der 90er, kam aber rund 10 Jahre zu spät. Alles schreit nach konstruiertem Überbau samt Holzhammer-Bildsprache und überhaupt sucht hier ein noch junger Regisseur seine filmische Stimme. Es fehlt vor allem an einer eigenständigen Note abseits offensichtlicher Vorbilder und Inspirationsquellen, doch das Schöne am Scheitern ist doch, dass diesem immer auch eine neue Chance innewohnt. Sowohl für Alvart selbst als auch für kommende deutsche Filmemacher im Koordinatensystem Genrekino. Teils wurde sie genutzt, teils nicht. Was mich an Alvart jedoch irgendwie fasziniert: seine Filme mögen nicht immer wirklich gelungen sein, manchmal so regelrechte Totalsausfälle, aber er ist dem Genrekino immer treu geblieben und nie den Verlockungen seichter Komödien oder ähnlichem erlegen. Statt Fack ju Göhte 7 oder Dreinasenhamster dann eben doch lieber Abgeschnitten oder Pandorum.

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                                          • Mattscheibenvorfall 11.01.2019, 23:05 Geändert 12.01.2019, 00:16

                                            Spontan, aus dem Bauch heraus, nicht in Stein gemeißelt und vor allem ohne feste Reihenfolge:

                                            Oldboy
                                            Strange Days
                                            Thief
                                            Eternal Sunshine of the Spotless Mind
                                            Carlito´s Way
                                            Lost in Translation
                                            Sorcerer
                                            Drive
                                            The Killer
                                            Streets of Fire

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                                              über Suburra

                                              Mit Suburra gelingt es Regisseur Stefano Sollima hervorragend ein geradezu klassisch anmutendes Mafia-Epos in die Moderne zu überführen, wenn er die Ewige Stadt schonungslos als sumpfigen Morast zeigt, als Moloch aus Kirche, Politik, Verbrechen, Wirtschaft, Gewalt, Sex, Korruption, Drogen, Dekadenz und Verfall, allen Ortes durchdrungen von den infektiösen Strukturen der Mafia, und all das in ästhetisch makellosen und hochgradig stilisierten Bildern einfängt. Sieben Tage Anfang November 2011 dienen ihm hierzu als klar umrissener Rahmen der Erzählung, wenn Sollima in rund 130 Minuten Laufzeit ein regelrechtes Panoptikum unterschiedlichster krimineller Bereiche Roms offenlegt und kunstvoll miteinander verknüpft. Auf eine eher stringente Erzählstruktur verzichtet Suburra und konfrontiert den Zuschauer zunächst lieber mit Situationen und Figuren, deren zahlreichen Verbindungen, Beziehungen und Abhängigkeiten untereinander sich erst nach und nach herausstellen, bis im Finale ein äußerst pessimistisches wie nihilistisches Gesamtbild entsteht. Mit zunehmender Laufzeit entwickelt der auch am Drehbuch beteiligte Sollima einen durchaus komplexen und relativ verschachtelten Plot mit vielen Figuren und noch mehr Motivationen und Handlungen, droht jedoch niemals vollends auszuufern und in Unübersichtlichkeit abzugleiten.

                                              So ist es auch eine ganz besonders große Stärke des Filmes, dass all die rohe Kriminalität auch nur zu keiner einzigen Sekunde verklärt, romantisiert oder gar glorifiziert wird und Sollima stattdessen den oberflächlichen Schein als eben solchen auch immerzu entlarvt. So ästhetisch all die Bilder auch sein mögen, den Schmutz und den Dreck darunter verleugnet Suburra nie. Folglich gibt es auch keinerlei Sympathieträger oder gar Identifikationspotenzial, Freunde und Loyalität spielen keine Rolle mehr, denn hier kocht jeder seine ganz eigene Suppe und es wird betrogen, gelogen, bestochen, gemordet, verraten, gefoltert und entführt, was Rom so alles hergibt, und so etwas wie ein althergebrachter Ehrenkodex existiert schon lange nicht mehr. Am Ende entlässt Sollima mit Suburra in eine unangenehm schonungslose, geradezu bedrückend pessimistische und desillusionierende Grundstimmung und lässt uns allein zurück mit einem grimmigen Blick auf eine hoffnungslos korrumpierte und amoralische Gesellschaft. Suburra verklärt nicht, verweigert sich jeglicher Form von Romantik und Bewunderung und hinterfragt in jedem einzelnen Moment diesen allenfalls oberflächlichen Glanz des Verbrechens. Rückblickend betrachtet verwundert es kaum bis gar nicht mehr, dass Sollima später die Regie zu Sicario: Day of the Soldado angeboten wurde.

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                                                The brain sees what it wants to see. Ein Nachtwächter, ein Teenager, ein Börsenmakler. 6. 79. 19. 20. 48. Drei eher altbackene Geistergeschichten liefert uns Ghost Stories von den Regiedebütanten Jeremy Dyson und Andy Nyman, basierend auf dessen Theaterstück. Lose miteinander verknüpft durch eine Rahmenhandlung rund um Prof. Goodman und dadurch von leicht episodenhaftem Charakter, baut sich Ghost Stories sehr langsam auf und ließ mich am Ende auch ein wenig an mir selbst zweifeln. Während des Filmes begann nämlich ein Konzept und eine inhaltliche Richtung dieses Textes in meinem Kopf zu entstehen und mit zunehmender Laufzeit wurde beides immer fester zementiert. Doch plötzlich macht der Film eine irrwitzige Biegung ohne dabei ins Schlingern zu kommen und schlagartig wird klar, dass diese drei Geistergeschichten nicht einzeln zu betrachten sind, sondern vielmehr als fein miteinander verknüpfte Bausteine von etwas viel Größerem, wenn die Rahmenhandlung zum integralen Bestandteil der Erzählstruktur mutiert.

                                                Darauf war ich nicht gefasst, denn plötzlich wurden all meine bis dahin gesammelten Kritikpunkte an Ghost Stories nicht nur gemildert, sondern teilweise sogar gänzlich entkräftet und das Geschehen in ein vollkommen anderes Licht gerückt. Vielleicht ist das der große Trick des Filmes: the brain sees what it wants to see. Ich war so sehr fixiert auf all die Dinge, welche mir nicht gefielen, auf die plumpen Jump Scares, die inhaltlich einfallslosen Stories selbst oder die Klischees an jeder Ecke, dass mir vieles entgangen ist, was sich schon früh zart andeutet. Insofern hat mir Ghost Stories eine kleine Lehrstunde erteilt, dennoch bleibt die Frage zurück, ob sich der Weg dahin gelohnt hat, denn wirklich gut war er über weite Strecken trotzdem nicht. Aber zumindest einen gewissen Respekt nötigt mir der Film dann letzten Endes doch noch ab.

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                                                • Hier die Kurzform:

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                                                  2. You Were Never Really Here
                                                  3. Wind River
                                                  4. Three Billboards Outside Ebbing, Missouri
                                                  5. Roma
                                                  6. The Endless
                                                  7. Annihilation
                                                  8. Overlord
                                                  9. Brawl in Cell Block 99
                                                  10. Der Hauptmann
                                                  11. Hereditary
                                                  12. Molly´s Game
                                                  13. Mission: Impossible - Fallout
                                                  14. The Shape of Water
                                                  15. The Night Comes For Us

                                                  Hier die Langform:

                                                  https://www.moviepilot.de/liste/mein-filmjahr-2018-mattscheibenvorfall

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                                                    Mit The Car hat Regisseur Elliot Silverstein nach Western wie Cat Ballou (1965) und A Man Called Horse (1970) ein waschechtes B-Movie abgeliefert. Genre pur, wenn The Car als Tierhorror ohne Tier, dafür aber mit einem mysteriösen Auto als Killer daherkommt. Den Mechaniken und erzählerischen Mechanismen des Tierhorrors bedient sich Silverstein dennoch und konfrontiert das kleine Wüstenkaff Santa Ynez mit dem unerklärlichen Grauen in Gestalt eines unheimlichen schwarzen Lincoln. Es ist die Ungewissheit, mit welcher der Terror Hand in Hand geht, wenn buchstäblich niemand im Ort sicher sein kann und einfach jeder potentielles Opfer ist, wenn die nächste Attacke jeder Zeit erfolgen kann, und wenn vor allem der Übeltäter trotz zahlreicher Straßensperren und anderen Maßnahmen einfach nicht gefasst werden kann.

                                                    Kleine übernatürliche Mysterien wie nicht vorhandene Türgriffe runden das Ganze dann hübsch ab und auch, wenn The Car letzten Endes eine Erklärung für all das schuldig bleibt und sich diesbezüglich allenfalls in Andeutungen ergeht (Stichwort: geweihter Boden), so ist der Film von Silverstein angesichts seiner deutlichen B-Movie-Herkunft in seiner Gänze überraschend ambitioniert und das Drehbuch legt vor allem auch deutlich Wert auf glaubwürdige wie verhältnismäßig komplexe Figurenkonstellationen. Letztlich ist The Car handwerklich überdurchschnittlich gelungenes Genrekino der besseren Art, bietet hübsch handgemachte Effekte, eine durchgehend starke Kamera, wird abgerundet durch einen guten Score und kann als Sahnehäubchen mit einem tollen Cast rund um allen voran natürlich James Brolin (der mich hier auffallend oft an Christian Bale erinnert hat) glänzen. Zudem ist The Car vielleicht auch gerade wegen seiner inszenatorischen Schlichtheit überraschend gut gealtert. Silverstein erreicht mit seinem Film zwar nicht die Qualitäten des leicht ähnlich gelagerten Duel von Spielberg, sehenswert jedoch ist er allemal.

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