Mattscheibenvorfall - Kommentare
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Alle Kommentare von Mattscheibenvorfall
Nach erneuter Sichtung gibts noch ein halbes Pünktchen oben drauf...
Das spanische Kino hat in den vergangenen Jahren immer mal wieder kleine Perlen hervorgebracht. Werke wie Bosque de sombras (Backwoods), Los cronocrímenes (Timecrimes), Mientras duermes (Sleep Tight) oder Toro sind zwar allesamt reine Genrefilme, aber jeder einzelne ist auch absolut sehenswert und kann bedenkenlos empfohlen werden. Gleich vorweg: ja, es gibt sie, die Parallelen zwischen Alberto Rodríguez Film La isla mínima und dem düsteren Serien-Monolithen True Detective aus der Feder von Nic Pizzolatto, aber eine allzu große Rolle spielen sie zumindest in meinen Augen nicht, beschränken sie sich doch lediglich auf das ähnliche Setting und kleinerer inhaltlicher Gemeinsamkeiten.
Schon die politische Dimension von La isla mínima unterscheidet den Film von Alberto Rodríguez von der ersten Staffel True Detective deutlich, denn er nutzt seinen relativ simplen und überraschungsarm gestalteten Krimiplot lediglich als Vehikel, um unter dessen Oberfläche tiefsitzende Traumata der spanischen Gesellschaft aufzuarbeiten. Nicht unähnlich den Arbeiten von Guillermo del Toro, welcher den Faschismus in Spanien unter Franco und den frühen Bürgerkrieg immer wieder in seine Filme einwebt – El laberinto del fauno (Pan´s Labyrinth) und El espinazo del diablo (The Devil´s Backbone) sind da noch die offensichtlichsten Beispiele – befasst sich auch Rodríguez mal mehr, mal weniger offensichtlich mit den tiefen Wunden dieser Zeit.
Die Uhren auf dem Land gehen etwas langsamer als in der Großstadt. Die Demokratie existiert zwar nun schon fünf Jahre in Spanien, aber in den Köpfen der Landbevölkerung hat sich bisher nur sehr wenig geändert. So stoßen Pedro und Juan schon bei ihrer Ankunft in Villafranco del Guadalquivir auf unverhohlene Ablehnung und eine eisige Mauer des Schweigens, während die Gesichter der Bewohner von Resignation, Angst und Verzweiflung geprägt sind. Das Dorf wie auch die Köpfe seiner Einwohner sind noch immer durchdrungen von Franco und seinem Regime, es ist allgegenwärtig, in den Häusern, an den Wänden, im Schweigen. Und auch Pedro und Juan selbst spiegeln diese gesellschaftlichen Gräben auf ihre Art und Weise wieder. Pedro ist jung, er repräsentiert den Fortschritt, auch politisch, sowie den unbedingten Willen zur Veränderung, zum Aufbrechen verkrusteter Strukturen.
Mit Juan kommt er nur bedingt zu Recht, ist dieser doch der ältere, erfahrenere, aber auch abgebrühtere, der immer noch im Schatten der faschistischen Vergangenheit lebt und das Festhalten an eben jenen Strukturen symbolisiert, die Pedro so verabscheut. Auch dessen ruppige Methoden im Zuge der Ermittlungen, im Rahmen derer Juan auch nicht vor Gewalt zurückschreckt, liegen ihm nicht und sind ihm ebenso ein Dorn im Auge wie dessen übermäßiger Alkoholkonsum. So funktionieren die beiden auf beruflicher Ebene zwar zusammen, darüber hinaus besteht wenig Interesse daran, zumindest zu versuchen, den anderen zu verstehen. Insofern ist Pedro dann auch Sinnbild für die junge Demokratie in Spanien, welche die Schreckensherrschaft unter Franco lieber verdrängen als aufarbeiten möchte, um sich schnell einer besseren Zukunft zuwenden zu können.
Atmosphärisch ist das alles sehr dicht inszeniert in drückenden und brodelnden Bildern, welche die flirrende Hitze und feuchte Schwüle spürbar machen und immer wieder die Isolation der beiden Polizisten in diesem kleinen Dorf, in dieser geschlossenen und im Leid vereinten Gemeinschaft unterstreichen. Geschwiegen wird hier viel, gesprochen nur sehr wenig. Erzählerisch kommt La isla mínima unglaublich langsam daher, bedächtig, manchmal geradezu lethargisch. Immer wieder scheint der auf der inhaltlichen Ebene eher dünne Plot regelrecht zu verharren, still zu stehen, sich im Kreis zu drehen. Wie die Dorfbewohner auch erstarrt sind in ihrem Leben.
Ein surreal anmutendes Element sind die immer wieder eingestreuten und gerade zu Beginn des Filmes oft verwendeten Luftaufnahmen der südspanischen Landschaft, eine Vogelperpektive, welche topografische Tableaus entwirft. Das Sumpfland rund um den Fluss Guadalquivir, seine feinen Verästelungen und wie er den Menschen ihren Lebensraum streitig macht und abtrotzt, das steht letztlich auch als Sinnbild für den Faschismus unter Franco, der nach wie vor ebenso tief verwurzelt in den Köpfen der Menschen steckt. Letztlich ist der leidliche Vergleich zu True Detective eben nicht viel mehr als genau das, nämlich leidlich bemüht, und wird La isla mínima kaum gerecht, hat dieser doch eher weniger seinen Krimiplot im Fokus als vielmehr seine unter der Oberfläche schwelende Aufarbeitung politischer Narben in der geschundenen Seele einer noch jungen Demokratie.
Ich bin ein großer Freund des klassischen Katastrophenkinos der 70er Jahre: schon in meiner Kindheit liefen Filme wie Earthquake, The Towering Inferno oder die Airport-Reihe rauf und runter, aber mein Favorit war immer schon The Poseidon Adventure von Regisseur Ronald Neame. Der beschwerliche Weg einer kleinen Gruppe Überlebender angeführt von Reverend Frank Scott vom Ballsaal hin zum noch über der Wasseroberfläche liegenden Rumpf der gekenterten S.S. Poseidon ist packend inszeniert, spannend und mitunter durchaus auch ergreifend geraten. Ronald Neame beweist ein feines Gespür für den Rhythmus des Genres und gerade die Exposition ist ordentlich geraten, wenn das Figurenensemble rasch, aber präzise charakterisiert eingeführt wird.
Nach rund einer halben Stunde gipfelt The Poseidon Adventure dann in seinem ersten Höhepunkt, wenn eine gigantische Flutwelle die S.S. Poseidon trifft und zum kentern bringt. Spätestens ab diesem Punkt macht sich die fantastische Ausstattung des Filmes bemerkbar, wenn sich einfallsreiche Kulissen aneinanderreihen und immer wieder teils sehr kreativ mit dem upside down-Motiv spielen: die Settings des buchstäblich auf dem Kopf stehenden Luxusliners sind wahrlich beeindruckend. Was folgt, ist eine hochspannende wie gefährliche Achterbahnfahrt durch den zusehends mehr und mehr auseinanderbrechenden und immer weiter sinkenden Stahlkoloss, welche Ronald Neame abwechslungsreich und nervenzerrend zu inszenieren versteht.
Aber das schöne an The Poseidon Adventure ist eben auch, dass Neame seinen getriebenen Figuren immer wieder emotionale Momente der Ruhe gönnt, sich dabei aber einem Problem des modernen Katastrophenkinos mit Event-Charakter elegant zu entziehen vermag: der Film führt seine Figuren nämlich gerade nicht sinnentleert von A nach B, nur um sie effektvoll zu verheizen, und giert nicht einfach nur nach dem nächsten Spezialeffekt, sondern stellt das menschliche Drama immer auch gleichberechtigt den Schauwerten gegenüber. Die Action entspringt oft nur konsequent den Handlungen der Figuren.
Auch auf der darstellerischen Ebene funktioniert The Poseidon Adventure sehr gut und gerade das Konfliktpotential zwischen dem als Freigeist und Nonkonformist eingeführten Reverend Frank Scott und seinem hitzköpfigen und emotionaleren Gegenpart in Gestalt des Polizisten Mike Rogo kommt gut zum Tragen. Auch Red Buttons in der Rolle des ruhigen und sanftmütigen James Martin hat einige durchaus starke Momente. Heute würde seine Figur vermutlich offenkundig als homosexuell geoutet werden, hier jedoch rechtfertigt er sich zwar schüchtern für seine Verschrobenheit, muss aber auch niemals als Anlass für zotige und platte Witze herhalten. Im Gegenteil: ihm gebührt der vielleicht emotionalste Moment im ganzen Film, wenn er vollkommen selbstlos versucht, die Gruppe Überlebender immer wieder zusammenzuhalten.
The Poseidon Adventure ist für mich auch heute noch die Speerspitze des 70er Jahre Katastrophenkinos und hat absolut nichts an Faszination eingebüßt. Großes Eventkino, welches eben nicht Action getrieben, sondern vielmehr Charakter getrieben ist. Heute annähernd undenkbar.
"I know what I have to do, but I don't know if I have the strength to do it."
Das ist er also, der Abschluss der Sequel-Trilogie und vermeintlichen Skywalker-Saga zugleich. Ob es einen solchen brauchte, das muss jeder für sich beantworten, ich für meinen Teil halte die Skywalker-Saga mit der Schlacht um Endor für beendet. Und keine Frage: das anzutretende Erbe war schwer wie groß, die Produktionsgeschichte turbulent und die Fangemeinde speziell. Inklusive mir. Viel kommt zusammen: große Erwartungen, falsche Entscheidungen, kindische Grabenkämpfe und eine übersättigende Veröffentlichungspolitik, alles kulminierend in The Rise of Skywalker.
J.J. Abrams mag vielleicht kein sonderlich guter Regisseur sein, ein schlechterer Drehbuchautor und vor allem Geschichtenerzähler ist er in jedem Fall und Episode IX ist der endgültige Beweis dafür. Ich habe schon wirklich sehr, sehr lange kein derart faules Drehbuch erleben müssen, bei dem man sich als Zuschauer buchstäblich für dumm verkauft fühlt. Vollkommen überladen und viel zu schnell hetzt die dünne Narrative unübersichtlich von Plotpoint zu Plotpoint wie eine einzige gigantische Schnitzeljagd und das flache Storytelling besteht aus kaum mehr als Unmengen an fadenscheiniger Exposition. Bereits der Auftakt wischt allerhand beiseite, damit Abrams sein Setup wiederherstellen kann und Entscheidungen von Episode VIII egalisiert werden können. Mit Hammer und Meißel statt Skalpell, wohlgemerkt.
Deus Ex Machina – Der Film. Die billigen Kniffe und das haarsträubend zurecht gebogene Drehbuch bedürfen augenscheinlich nicht einmal lausig hingerotzten Nebensätzen als Erklärung, nichts wird erläutert, noch so krude Wendungen werden kommentarlos stehen gehenlassen. So einiges hätte ich ja noch durchgehen lassen, denn manche Idee ist gar nicht so verkehrt, wenn irgendwann mal Bezug dazu genommen worden wäre, doch Abrams etabliert Dinge aus dem Nichts wie es gerade passt. Er jongliert hier munter mit immerzu bloßen Behauptungen, mehr aber auch nicht. Dazu hat nichts mehr eine Fallhöhe oder Bedeutung, geschweige denn emotionales Gewicht, wenn augenscheinlich radikale Wendungen im nächsten Atemzug wieder revidiert werden können oder Jedi-Kräfte gleich den Tod überwinden.
Figurenentwicklung ist Mangelware und einzig Adam Drivers Kylo Ren trägt einen maßgeblichen Konflikt in sich aus. So ist auch seine fragile Beziehung zu Rey noch die größte Stärke des Filmes. Die Szenen mit den beiden sind noch das klare Highlight. Auch hätte ich mir ein paar ruhige Momente und Stille gewünscht, doch so kann sich The Rise of Skywalker kaum entfalten und darf nicht zu Atem kommen. Man spürt deutlich, dass die Macher im Hintergrund lediglich von Film zu Film dachten und es nie eine übergreifende Vision für die gesamte Trilogie gab. Selbst die Prequel-Trilogie mit all ihren teils schweren Fehlern muss sich diesen Vorwurf nicht gefallen lassen. Rückblickend empfinde ich dann auch Episode VIII als den stärksten Beitrag zur neuen Trilogie. Sicher, auch dieser scheitert in sich, aber wenigstens hat Rian Johnson es versucht, Strukturen aufzubrechen und neue Wege zu erkunden. Abrams hingegen dreht sich immerzu im Kreis. Altbewährtes scheint dieser Tage gefragter als neue Ideen. Schade, denn das Star Wars-Universum bietet gefühlt unendlich Möglichkeiten für spannende Geschichten.
Meine Top 15 des Jahres 2019
1. Parasite – Bong Joon-Ho
2. Marriage Story – Noah Baumbach
3. The Irishman – Martin Scorsese
4. Midsommar – Ari Aster
5. Dragged Across Concrete – S. Craig Zahler
6. Joker – Todd Phillips
7. Once Upon a Time in Hollywood – Quentin Tarantino
8. The Sisters Brothers – Jacques Audiard
9. The Favourite – Yorgos Lanthimos
10. Jái perdu mon corps – Jérémy Clapin
11. One Cut of the Dead - Shin’ichirô Ueda
12. Mid 90s – Jonah Hill
13. Asche ist reines Weiß - Zhangke Jia
14. The King - David Michôd
15. Sorry to Bother You – Boots Riley
Der totale Overkill. Filmgewordene Reizüberflutung. Annähernd orgiastisches Non Stop Actiongeballer, bebildert durch eine glatte wie polierte Hochglanz-MTV-Ästhetik, in Form gepresst durch ein Schnittgewitter aus der Hölle inklusive Epilepsie-Warnung vorab. Dazu Sprüche und Humor zum teilweise Fremdschämen, ein Niveau deutlich unter dem Meeresspiegel und übertrieben ausgestellte Gewalt.
Im ersten Drittel dachte ich noch: oha, das wird aber eine Katastrophe sondergleichen. Doch dann wurde es ein wenig besser und letztlich war 6 Underground dann doch nicht ganz so scheiße wie anfangs noch von mir vermutet. Das alles wirkt ein bisschen wie The Losers auf Speed, voller dreister (immerhin vorher angekündigter) Werbung und mit einem Cutter mit zittrigen Händen. Der Mittelteil rund um Hongkong gefiel mir noch mit am besten, das Finale übertreibt dann wieder, hat aber in seinem ganzen Irrsinn den einen oder anderen gelungenen Moment zu bieten. Irgendwie fühlt sich das alles wie der Pilotfilm zu einer Serie an.
Ob ich das alles nun gut oder schlecht finden soll, da bin ich mir noch nicht ganz sicher... so oder so: zumindest eine erkennbare Handschrift kann man Michael Bay nun nicht absprechen. Größenwahnsinnige Actionsequenzen kann der Mann. 6 Underground hat vereinzelt so seine Momente und Ideen, unterm Strich reicht es aber kaum zu mehr.
I don't know how to start... Wenn diese Worte fallen, dann erwarten den Zuschauer kaum weniger als die schauspielerisch vielleicht stärksten und intensivsten fünf Minuten in diesem Jahr. Was Adam Driver und Scarlett Johansson in dem folgenden Streit an emotionaler Bandbreite und aufrichtiger Glaubwürdigkeit abrufen, das ist außer Konkurrenz, so sehr spielen sich die beiden die Seele aus dem Leib. So liebevoll der Film von Regisseur Noah Baumbach (Greenberg, Frances Ha, The Meyerowitz Stories) auch mit einer aufrichtig rührenden Montage-Sequenz beginnen mag, so schnell wird deutlich, dass wir uns in einem aufwühlenden wie schmerzhaften Trennungsprozess befinden.
Gefühlt irgendwo zwischen Woody Allen und Kramer vs. Kramer (1979) angesiedelt, verzichtet Marriage Story jedoch überwiegend auf ätzenden Zynismus und setzt spürbar mehr auf seine vielschichtigen wie glaubwürdigen Figuren. Baumbach nähert sich mit einem feinen Gespür für seine Figuren deren Konflikt, nimmt ihre Bedürfnisse und Probleme angemessen ernst und vermag im Gegenzug immer mal wieder überraschend witzige Pointen zu platzieren. Überhaupt ist das Drehbuch unglaublich gut geschrieben und steckt voller Authentizität, präzisen Beobachtungen sowie fantastischen Dialogen, die den Darstellern viel mit an die Hand geben und zugleich noch Raum zur Entfaltung lassen. Und so niederschmetternd manche Szene auch anmuten mag, wird auch deutlich, welch zartes Band Nicole und Charlie immer noch verbindet. Kleine Momente der Zärtlichkeit blitzen immer mal wieder zwischen all den hässlichen Grausamkeiten und Demütigungen auf.
Schauspielerisch ist Marriage Story für mich trotz teils enormer Konkurrenz mit das Beste in diesem Jahr. Driver und Johansson sind das emotionale Kernstück des Filmes und spielen derart intensiv, dass ich den beiden ihre Figuren, deren Gefühle und den Konflikt vollkommen abkaufe. Doch auch Nebenrollen wie Laura Dern, Ray Liotta, Alan Alda und Julie Hagerty wissen auf der ganzen Linie zu überzeugen. Noah Baumbach schreibt und inszeniert mit Marriage Story einen ungemein einfühlsamen, aufwühlenden, feinsinnigen und aufrichtigen Film über die Gefühle, Ängste und Bedürfnisse zweier Menschen, ohne sich in klischeehaften Allgemeinplätzen zu verlieren. Eine kleine Besonderheit in der heutigen Kinolandschaft.
Ein Animationsfilm über eine abgetrennte Hand, die auf der Suche nach ihrem Körper diverse Abenteuer in Paris zu bestehen hat? Klingt skurril, ist es auch, aber vor allem erzählt J'ai perdu mon corps von Regisseur Jérémy Clapin (Skhizein, 2008) eine ganz wunderbare wie schöne Geschichte und strotzt nur so vor tollen visuellen Ideen. So reduziert und nüchtern der Stil auch wirken mag, so sehr ist er doch voller Details und überzeugt vor allem durch seine beinahe schon poetische Bildsprache. Einfühlsam und nachdenklich verhandelt J'ai perdu mon corps das Erwachsenwerden sowie Gefühle von Verlust und Angst, welche den Alltag von Naoufel immer wieder prägen. Er wirkt verloren, wie er so durch die Großstadt streift auf der Suche nach Stabilität und Zugehörigkeit.
Der Hand geht es da kaum anders bei ihrer abenteuerlichen Reise, muss sie sich doch ganz auf sich allein gestellt zahlreichen Bedrohungen und Hindernissen wie Ratten, Tauben oder Hunden erwehren. Und so laufen die beiden Handlungen parallel aufeinander zu, doch wie sich beide zueinander verhalten, das wird erst später aufgelöst, wenn sich nach und nach die Zusammenhänge wie ein Puzzle erschließen. J'ai perdu mon corps springt dabei munter zwischen Zeitebenen hin und her und ändert nicht selten seine tonale Gangart irgendwo zwischen Coming of Age-Drama, Abenteuer, Thriller, Lovestory und dem Reich der Fantasie. Trotzdem wirken diese rund 80 Minuten am Ende erstaunlich geschlossen und alles findet zueinander. Zwar richtet sich J'ai perdu mon corps vornehmlich an ein älteres Publikum, doch Jérémy Clapin erschafft hier einen wunderschönen, zärtlichen und faszinierend kreativen Animationsfilm voller Gefühl, spannenden Ideen und visuellen Glanzstücken.
I heard you paint houses. Bereits die einleitende Szene von The Irishman gibt die Richtung vor: eine elegante Plansequenz durch die Flure eines Altersheimes lässt Scorseses Ansinnen erahnen. Ein letztes großes Abschied nehmen, die ultimative Bilanz, ein Schlussstrich, ein Requiem... einen solchen Film werden wir wohl nicht nochmal erleben. Weder von ihm, noch von seinen Hauptdarstellern. Die verschachtelte Erzählstruktur, die monumentale Laufzeit, die ganz bewusste Entschleunigung, der Cast: beinahe alles wirkt aus der Zeit gefallen. Zu teuer für ein solches Projekt, zu unkonventionell, nicht zeitgemäß, altmodisch sind die Schlagworte und doch ist The Irishman letztlich wunderbar geraten. Eine wohlige Oase der Ruhe im hektischen Treiben des modernen Eventkinos.
Eine Fortsetzung von Goodfellas (1990) oder Casino (1995) sollte man jedoch nicht erwarten, denn Scorsese beschreitet mit seinem neuestem Werk andere Wege und erschafft eine Art Gegenentwurf zu den einst faszinierenden Parallelwelten vergangener Tage. The Irishman ist spürbar weniger romantisierend angelegt und von Beginn an bitterer im Geschmack, betrachtet sein Metier mit nüchterner Zurückhaltung als oftmals glanzloses Alltagswerk und gestaltet sich eben nicht als verklärender Ausflug in die nostalgischen Gefühle längst vergangener Tage. Es geht oftmals ganz unromantisch ums Geschäft, um Kontakte, wer kennt wen, wer kann wem weiter helfen, wer schuldet wem einen Gefallen. Networking. Dröge vielleicht, aber essentiell. Eventuell liegt es am Alter und dem damit einhergehenden Wechsel der Perspektiven, daran, dass sich Scorsese weiterentwickelt haben könnte. Sein Blick auf das Genre jedenfalls hat sich gewandelt.
Langsam und doch mitreißend erzählt Scorsese seine Geschichte durch eine Art doppelter Rahmenhandlung mit Rückblenden gespickt quer durch die Jahrzehnte und liefert einen kleinen Abriss amerikanischer Geschichte gleich mit. Die erzählerische Kraft steckt hier auch in der Ruhe der Bilder von Kameramann Rodrigo Prieto (The Wolf of Wall Street, Argo) und dem gediegenen Rhythmus des Schnittes von Thelma Schoonmaker (Raging Bull, Cape Fear, Gangs of New York). Inszenatorisch ist The Irishman trotz seiner gedrosselten Narrative grandios geraten, wenn er Frank Sheeran mit seinen sprunghaften und unsortierten Erinnerungen als Erzähler in den Fokus rückt und die Geschichte aus seiner Perspektive heraus wiedergibt. Am Ende bleibt ein Mann auf der verzweifelten Suche nach Vergebung, wohl wissend, dass ihm diese angesichts seines Lebens eigentlich nicht zusteht.
Der Cast... Holy shit. Hier treffen buchstäblich Giganten aufeinander. Legenden. Wo sich De Niro als Frank Sheeran in seinem unaufgeregten Schauspiel der zurückgenommenen Inszenierung anpasst, da ist es Al Pacino in der Rolle des Jimmy Hoffa, der lustvoll aufbrausend nochmal alle Register seines Könnens zieht. Doch so toll beide auch aufspielen, das darstellerische Highlight war für mich zweifellos Joe Pesci als Russell Bufalino, der eine unfassbar starke Präsenz in jeder seiner Szenen ausstrahlt. Manchmal muss er nicht einmal etwas sagen, sondern einfach nur anwesend sein. Worte braucht er nur bedingt, Blicke, kleine Gesten und Regungen in seinem Gesicht reichen oftmals aus, so ruhig, würdevoll, gelassen und voller Weitsicht agiert er.
Auch Lucy Gallina als die junge Version von Franks Tochter Peggy hinterlässt einen bleibenden Eindruck mit ihren abstrafenden Blicken und ihrer körperlich geradezu spürbaren Abscheu ihrem Vater und dessen Taten gegenüber. Sie ist sein personifiziertes schlechtes Gewissen, sie ist der nicht mehr zu kittende Scherbenhaufen von Franks Leben, welcher ihm erst viel zu spät bewusst wird. Sie ist es auch, die ihm später voller Verachtung gespielt von Anna Paquin einen vernichtend schmerzhaften Satz entgegen schleudert.
Über die digitalen Verjüngungs-Effekte der Darsteller lässt sich sicherlich streiten, mich persönlich haben sie allerdings weniger gestört, da mich die Geschichte selbst genügend zu fesseln vermochte. Wenn es auffiel, dann auch weniger in den Gesichtern als mehr in den Bewegungsabläufen der Figuren, doch aus dem Film riss es mich nie. Und ja, The Irishman hat zweifellos seine Längen und erfordert nicht gerade wenig Durchhaltevermögen, doch ich habe jede Minute dieses Filmes genossen. Diese kraftvolle Ruhe war wie Balsam für meine Seele, wie ein kleiner Urlaub, eine kurze Auszeit oder ein gutes Essen. Ehrlicher Weise war ich dem Film im Vorfeld eher skeptisch gegenüber eingestellt, doch Martin Scorsese vermochte mich vom deutlichen Gegenteil zu überzeugen. Ein würdevoller Abschied von dem Genre, welches ihm wohl am meisten am Herzen liegt.
Die sehenswerte Dokumentation Lost Soul: The Doomed Journey of Richard Stanley´s Island of Dr. Moreau brachte mich erneut hierher...
Was soll man zu diesem filmischen Machwerk nur sagen? The Island of Dr. Moreau ist sowohl vor der Kamera als auch hinter den Kulissen ein absolutes Debakel, ein Zelluloid gewordenes Fiasko in jeglicher Hinsicht. Und ich liebe diesen Film. Tief in meinem Filmherzen gibt es einen Platz, reserviert nur für diese nicht ganz 100 Minuten Wahnsinn, Chaos und fehlgeleitete Eitelkeiten, und ich kann nicht einmal genau bestimmen, warum. Es gibt im Grunde keine gemeinsame Geschichte zwischen dem Film und mir, der 1996 ins Kino kam. Da ist keine jugendliche Erinnerung an ihn, die eine heute verklärte Sicht vielleicht erklären könnte, und der Film kam mir vermutlich eher als Randnotiz Ende der 90er Jahre irgendwann im TV unter. Dennoch liebe ich heute The Island of Dr. Moreau, auch wenn ich ihn keinesfalls als einen meiner Lieblingsfilme betrachten würde. Das ist eine ganz merkwürdige, ausgesprochen irrationale Liebe und dieser Text der Versuch einer Aufarbeitung.
Es ist beinahe unmöglich, den Film losgelöst von seiner chaotischen Entstehungsgeschichte zu betrachten, ist sie doch ein wichtiger Bestandteil des Ergebnisses der Dreharbeiten, allgegenwärtig und zu jeder Sekunde spürbar. Alles beginnt mit dem jungen und talentierten Regisseur Richard Stanley, dem es nach seinen beiden kleinen, aber sehr gelungenen Filmen Hardware (1990) und Dust Devil (1992) endlich gelingen sollte, sein Wunschprojekt von New Line Cinema finanziert zu bekommen. Insgesamt vier Jahre hatte Stanley an seiner Vision des Romanes von H.G. Wells gearbeitet und nun sollte er sie mit großem Budget und gespickt mit Stars wie Marlon Brando und Val Kilmer endlich umsetzen dürfen. Dummerweise und zu seinem Leidwesen wurde er nach nur wenigen Drehtagen entlassen.
Gründe dafür gab es einige, die meisten davon waren ziemlich offensichtlich und nicht alle, vielmehr die wenigsten, seine eigene Schuld. Der schlecht gewählte Drehort, weit abgelegen von jeglicher Zivilisation und ein logistischer Albtraum, war da nur der Anfang und wurde gefolgt von einem Hurricane, der das Set verwüstete. Val Kilmer beschloss plötzlich, doch keine Lust auf den Film zu haben, sabotierte das Projekt an allen Ecken und Enden und benahm sich wie ein Grundschüler, wohl wissend, dass er mit seiner Starpower am deutlich längeren Hebel saß als der junge und unerfahrene Regisseur und ihn das Studio sowieso nicht würde gehen lassen. Der ohnehin schon berüchtigte und als schwierig geltende Marlon Brando tauchte zunächst tagelang gar nicht auf und lieferte sich dann einen regelrechten Kleinkrieg mit Kilmer. Da prallten zwei enorme Egos aufeinander, die manchmal für ganze Tage die Dreharbeiten lahm legten mit ihren kindischen Spielereien.
Zudem begann Brando willkürlich zu improvisieren, warf ganze Szenen um, steigerte sich zusehends in immer mehr exzentrische Marotten oder vergab gleich ganze Dialoge an andere Darsteller und degradierte Marco Hofschneider von einer Nebenrolle zum Statisten, um stattdessen den kleinwüchsigen Nelson de la Rosa zu protegieren. Der Moment im Film, als er einen mit Eis gefüllten Blecheimer auf dem Kopf trägt, der entsprang nichts anderem als dem Umstand, dass er sich langweilte. Die zahlreichen Nebendarsteller, unter anderem Ron Perlman und Marc Dacascos, fügten sich in das Chaos am Set, feierten ausschweifende Partys und versuchten, das beste daraus zu machen, dass aus einigen Wochen Drehzeit in der Wildnis annähernd ein halbes Jahr wurde.
Nachdem Richard Stanley das Vertrauen in sein Wunschprojekt vom Studio entzogen und er entlassen wurde, sollte John Frankenheimer den Film machen, der sich seine Rettungsaktion zwar fürstlich bezahlen ließ, aber gleichzeitig keinen Hehl daraus machte, absolut kein Interesse weder an dem Stoff, noch am Drehbuch und schon gar nicht an Visionen und Befindlichkeiten anderer zu haben. Mit Kilmer hatte auch er so seine Probleme, wusste ihn aber anders anzugehen. Nachdem die letzte Szene mit Kilmer abgedreht war, ließ er ihn mit den Worten „Cut. Now get that bastard off my set.“ vom Drehort entfernen. Später sollte er über Kilmer sagen: „I don’t like Val Kilmer, I don’t like his work ethic, and I don’t want to be associated with him ever again.“
Aber die zweifellos schrägste Anekdote über die chaotischen Dreharbeiten ist wohl die von Richard Stanley, der nach seiner Entlassung statt den Drehort zu verlassen deprimiert durch die Wildnis irrte, nur um später unerkannt auf das Set zurückzukehren und sich als Hundewesen in das Finale des Filmes schmuggeln konnte. „I decided to come back as a melting bulldog,“ sollte er sich später in der Dokumentation Lost Soul: The Doomed Journey of Richard Stanley´s Island of Dr. Moreau (2014) erinnern. „I didn’t know Frankenheimer or the assistant directors, so they didn’t recognize me.“ Schaut man sich diese Dokumentation an, wird schnell deutlich, welch Potential dem Film inne wohnt, denn wenn Richard Stanley zu Wort kommt, die interessanten Verbindungen zu Joseph Conrads Heart of Darkness aufzeigt und alte Konzeptzeichnungen ausgräbt, dann lässt sich erahnen, was für ein ambitioniertes und visionäres Projekt er eigentlich hatte realisieren wollen.
Wie anfangs bereits erwähnt, es ist schwierig, den Film The Island of Dr. Moreau losgelöst von seiner Entstehungsgeschichte zu betrachten. Denn all dieses Chaos, all dieser Wahnsinn, das annähernd psychotische Verhalten seiner beiden Stars Brando und Kilmer, Richard Stanley´s Entlassung und heimliche Rückkehr ans Set, die Widrigkeiten der Natur, die Neubesetzung der Regie mit John Frankenheimer, die zahllosen neuen Fassungen des Drehbuches, all das fängt der Film letztlich perfekt ein und spiegelt es wieder. Und das ist dann auch letztlich die Ironie des Ganzen, denn The Island of Dr. Moreau ist ein Film geworden, der in dieser Form dem ursprünglichen Thema Wahnsinn viel näher kommt, als es den Beteiligten vermutlich lieb sein dürfte. Das Film gewordene Zeugnis eines ganz eigenen Wahnsinns. Und dafür liebe ich diesen Film, irgendwo tief in meinem Herzen, eine Art unerklärlicher blinder Fleck.
A king has no friends. Only followers and foe. Zwar ließ sich Regisseur David Michôd (Animal Kingdom, The Rover, War Machine) für The King zusammen mit seinem Co-Drehbuchautor Joel Edgerton (Felony, The Gift) von den beiden Shakespeare-Werken Henry IV und Henry V inspirieren, findet jedoch genug eigene Ansätze, um diese Mischung aus Historien-Drama und Coming of Age – Film zu erzählen. The King ist langsam, beinahe schon schwermütig inszeniert und rückt den Konflikt seines jungen Protagonisten in den Vordergrund, wenn dieser schon bald an die Grenzen seines Idealismus stößt.
Hal wird mehr als nur unfreiwillig in eine Rolle gedrängt, welche er niemals inne haben wollte. Ihm wird eine unfassbare Verantwortung aufgebürdet, doch will er zunächst das Beste daraus machen und vor allem nicht regieren wie sein Vater es tat. Frieden und Wohlstand will er für sein Volk, doch er muss schnell merken, dass die Dinge kompliziert sind. Zwar versucht er, an seiner Aufgabe zu wachsen, doch wem vertrauen, wenn man selbst keinen Rat weiß? Eben noch voller Unbekümmertheit und jugendlichem Leichtsinn sein lasterhaftes Leben abseits des Königshauses genießend, findet sich Hal viel zu schnell inmitten einer Schlacht wieder, besudelt mit Blut und Schlamm als Anführer seiner Truppen im Krieg gegen Frankreich.
The King ist stets um Authentizität bemüht, wirkt angenehm geerdet, ist dreckig, düster und weit weg von der verklärenden Mittelalter-Romantik manch anderer Filme. Schwertkämpfe in voller Rüstung sind eher wenig spektakulär, wirken schwerfällig und glaubwürdig, wenn keuchende Körper ungelenk aufeinander prallen. Überhaupt ist The King insgesamt toll ausgestattet und vermag immer wieder durch wunderbare Bilder von Adam Arkapaw (Macbeth, True Detective) zu überzeugen. Dazu passt dann auch ganz hervorragend der schwelgerische und doch kraftvolle Score von Nicholas Britell (Beale Street, Moonlight).
Auf der darstellerischen Ebene vermag Timothée Chalamet (Call Me by Your Name, Lady Bird) erneut eindrucksvoll zu beweisen, warum er momentan als einer der spannendsten Nachwuchsdarsteller überhaupt gilt. Ihm zur Seite steht eine kernige und doch irgendwie einfühlsame Performance von Joel Edgerton als Falstaff und auch Ben Mendelsohn und Sean Harris können trotz geringer screen time durchaus überzeugen. Und dann ist da noch die eigenwillige und bewusst überzogene Darstellung des Dauphin durch Robert Pattinson (The Rover, Good Time), welche seltsam deplatziert wirkt in diesem sonst eher düsteren Film und die ernste Stimmung aufbricht.
Letztlich ist The King dann auch weniger Historien-Film und vor allem ein Drama rund um einen jungen Mann, der ohne es zu wollen über sich hinauswachsen muss und doch immer Spielball äußerer Einflüsse bleibt. Er will das Richtige tun, weiß aber selbst gar nicht so ganz genau, was das überhaupt ist. Am Ende bleibt eine bittere wie schmerzhafte Erkenntnis, die seinen Blick auf zurückliegende Geschehnisse grundlegend verändern wird.
Oregon, 1851. Zwei Brüder voller seelischer Untiefen, die unterschiedlicher kaum sein könnten, ein beinahe schon larmoyant dandyhafter Spurensucher und ein Chemiker, der von einer sozialistisch geprägten Gesellschaft träumt. The Sisters Brothers. Nicht nur der Titel des neuen Filmes von Jacques Audiard (Ein Prophet, Der Geschmack von Rost und Knochen) klingt merkwürdig. An den Genre-Konventionen eines klassischen Western ist der Franzose allenfalls am Rande noch interessiert, wenn überhaupt. Viel lieber dekonstruiert er munter allzu typische narrative Mechanismen inklusive dem zugehörigen Männlichkeitsbild, unterläuft Erwartungen und torpediert Klischees wo er nur kann. Dies geschieht jedoch nie plakativ mit dem Holzhammer, sondern viel mehr in kleinen Verschiebungen von Details und durch eine ordentliche Prise schwarzem Humor an den richtigen Stellen.
Audiards Bild vom Wilden Westen und vom Goldrausch in Kalifornien wirkt angenehm aufrichtig authentisch, ist wenig glamourös und vermag nicht glorifizierend zu verzerren, wenn die Figuren jenseits von Lagerfeuerromantik in teils Dreck, Regen und Schlamm schlafen müssen, meist kaum Geld haben und auch krank werden. Natürlich wird in The Sisters Brothers reichlich gesoffen, geschossen und gestorben, oft sogar erstaunlich beiläufig. Er steckt jedoch zugleich auch voller menschlicher Banalitäten und ist in seinem Kern spürbar ein Film über Sinnkrisen, über das Hadern mit dem Leben und über das Erkennen von Sackgassen und nicht selten geprägt von Selbstzweifel und Selbstzerstörung. Auch sprechen die Figuren viel miteinander statt immerzu wortkarg durch die Landschaft zu reiten und finden zum Teil Worte und Fragen von erstaunlicher Tiefe und Aufrichtigkeit.
Handwerklich ist The Sisters Brothers insgesamt ausgesprochen gelungen. Audiard inszeniert in meist ruhigen Bildern von Benoît Debie (Irréversible, Spring Breakers, Lost River) und erzählt in zurückgenommenem Tempo seine Geschichte vierer unterschiedlicher Männer. Der Cast rund um Joaquin Phoenix (Joker, The Master), John C. Reilly (Stan&Ollie, We Need to Talk About Kevin), Jake Gyllenhaal (Nocturnal Animals, Prisoners) und Riz Ahmed (Nightcrawler, Rogue One) ist famos und jeder spielt seine Figur ausgesprochen einnehmend. Das alles rundet dann der starke Score aus der Feder von Alexandre Desplat (Moonrise Kingdom, The Shape of Water) ganz ausgezeichnet ab. Was bleibt, das ist ein auf seine ganz eigene Art und Weise zärtlicher Film in einem vermeintlich rauen Genre. Wundervoll.
Für ihr Spielfilmdebüt Prospect haben sich die Regisseure und Drehbuchautoren Christopher Caldwell und Zeek Earl einfach nochmals ihren gleichnamigen Kurzfilm aus dem Jahre 2014 erneut vorgenommen und inszenieren eine sich langsam entfaltende Mischung aus Science Fiction, Western und Survival-Drama. Das erzählerische Tempo mag eher ruhig gehalten sein, doch die Spannung steigert sich immer weiter. Gerade in der inszenatorischen Zurückhaltung liegt die eigentliche Stärke von Prospect, der mit wenigen Mitteln eine dichte, eindringliche und vor allem auch überzeugende Atmosphäre zu erschaffen vermag.
Vor allem visuell ist das schön gelöst, wenn sich Caldwell und Earl einem herrlich abgegriffenen, verbrauchten, dreckigen 70er-Look bedienen und dankenswerter Weise überwiegend auf den Einsatz von CGI verzichten. Alles wirkt in dieser Welt so, als würde es auch benutzt werden und zeigt deutlich erkennbare Gebrauchsspuren. Used Future par excellence, weit weg vom Hochglanz vieler anderer Genre-Vertreter. Das verleiht dem ganzen Setting eine gewisse Authentizität, welche der Atmosphäre spürbar zu Gute kommt.
Prospect ist zwar in erster Linie Science Fiction, fängt jedoch dazu diese ganz bestimmte Frontier-Stimmung irgendwo zwischen Goldrausch und Glücksritter ein. Der Aufbruch in fremde Welten in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Dazu generiert die eigentlich eher einfach gehaltene Story ein interessantes Spannungsfeld zwischen den Figuren. Das alles mag zwar nicht sonderlich neu sein, doch es ist vor allem in den Details stimmig und atmosphärisch dicht genug, um über die gesamte Laufzeit zu überzeugen. Für eine derartige Indie-Produktion kann sich Prospect absolut sehen lassen.
Eines vorab: ich bin großer Fan der beiden Filme von Guillermo del Toro, aber ein dritter Teil von ihm und mit Ron Perlman als Hellboy hat einfach nicht sein sollen. Nun also die Neuausrichtung des von mir ebenfalls geschätzten Neil Marshall (Dog Soldiers, The Descent, Doomsday, Centurion), welche sich näher an den Comics aus der Feder von Mike Mignola orientieren sollte. Dankenswerter Weise verzichtet Hellboy auf die bereits bekannte Origin-Story seines Titelhelden und reißt diese lediglich in kurzen Rückblenden erneut an. Marshall verfolgt inszenatorisch einen anderen Ansatz als seiner Zeit noch Del Toro, wenn aus fantasievoll märchenhaftem Flair grell-lautes Genrekino wird. So findet sich auch deutlich weniger von Charme und Eleganz vergangener Zeiten und Hellboy ist spürbar dreckiger, rauer, blutiger, weniger verspielt und ziemlich stumpf geraten.
Die episodenhafte Story rund um die Wiedererweckung der Hexe Nimue ist vollkommen nebensächlich, kaum der Rede wert und dient bloß als lose Verknüpfung der mal mehr, mal weniger isolierten Set-Pieces und Actionszenen. Hellboy eilt in halsbrecherischem Tempo sprunghaft von Setting zu Setting, wirkt oftmals hektisch und überfrachtet, manchmal geradezu lückenhaft, und bombardiert den Zuschauer im Minutentakt mit seinen kruden Kreaturen und überraschend derben Gewaltspitzen. Der Film will einfach zu viel und ist letztlich zu wenig. Durch diese permanente In die Fresse-Attitüde ist Hellboy ein prolliges Großmaul von Film ohne erkennbare Zwischentöne, vollgestopft mit Einfällen und Ideen, welche nie auch nur im Ansatz Zeit bekommen sich zu entfalten.
Hellboy dürfte schnell vergessen sein, doch in seinen rund zwei Stunden Laufzeit wurde ich trotz all der teils massiven Probleme (eine Story zum Vergessen, profillose Figurenzeichnung, mäßige bis schlechte Effekte, teils schwache Darsteller und eine wenig vorteilhafte Produktionsgeschichte) immerhin durchgängig unterhalten und Langeweile machte sich keine breit bei mir. Ich kann es selbst kaum glauben, aber Hellboy hat mir tatsächlich Spaß gemacht. Was ich von so manchen anderen Comicverfilmungen nicht unbedingt behaupten kann.
Geld ist ein Bügeleisen, mit dem man alle Falten glätten kann. Klassenkampf mal anders. Soziales Ungleichgewicht ist gewiss kein neues Thema für Regisseur Bong Joon-ho. Schon seine dystopische Comicverfilmung Snowpiercer (2013) widmete sich der Kluft zwischen arm und reich, doch Parasite verlagert diesen Konflikt nun in das Seoul der Gegenwart. Zunächst nicht nur inhaltlich, sondern auch ganz klar bildlich voneinander abgetrennt sind die da oben und die da unten. Doch die Grenzen sollen schon bald durchlässig werden und letztlich verschwimmen. Hier die Familie Kim zwischen gefalteten Pizzakartons und dem unverschlüsselten WLAN der Nachbarin in einem Kellerloch, dort die Familie Park zwischen Weinregal und Haushälterin in dem riesigen Haus eines Star-Architekten.
Joon-ho hat schon so manchen tollen Film realisiert: Memories of Murder (2003), The Host (2006) oder Mother (2009) zum Beispiel, doch Parasite ist sein bisheriges Meisterstück. Ungemein präzise und mit offenem Blick seziert er hier die sozialen Schieflagen Stück für Stück, erliegt jedoch nie der Versuchung zu moralisieren. Er wertet nicht, sondern bildet nur ab und vertraut da voll und ganz dem Zuschauer, dass er in der Lage ist, seine ganz eigenen Schlüsse zu ziehen. So schickt Joon-ho nicht nur seine Figuren, sondern besonders auch den Zuschauer mit seiner überspitzten wie gleichermaßen pointierten und klugen Parabel durch ein Wechselbad der Gefühle. Tonal wechselt Parasite seine Stimmung nach Belieben und ist mal Slapstick, mal Drama, mal Thriller und dann wieder Komödie, ist bitterböse, schräg, tieftraurig, spannend, urkomisch, schockierend, überraschend und vor allen Dingen: immerzu vollkommen unvorhersehbar. Nicht eine Wendung, nicht einen Twist, nicht einen erzählerischen Kniff habe ich kommen sehen und davon gibt es einige zu bestaunen.
Die Handlung gibt sich wandelbar wie unberechenbar, kann starke Wechsel der Perspektive für sich verbuchen und bietet reichlich kritischen Subtext, kommt zugleich jedoch mit einer manchmal beinahe schon spielerischen Leichtigkeit daher, die ihres Gleichen sucht. Formal stimmt hier einfach alles und Parasite ist bis in das allerletzte noch so kleine Detail makellos in seiner ganzen Inszenierung. Joon-ho fährt hier wirklich sein ganzes Können auf, denn sein Film sieht trotz der räumlichen Limitierung des Settings atemberaubend gut aus, besticht durch eine enorme visuelle Eleganz und liefert ein perfekt komponiertes Bild nach dem anderen.Timing und Tempo sind brillant, wenn jede Pointe, jede Wendung, ja, sogar jeder Satz genau an der richtigen Stelle sitzt. Nichts ist hier dem Zufall überlassen, wirkt jedoch zu jeder Sekunde vollkommen organisch und alles andere als aufgesetzt.
Parasite ist ein wilder wie erstaunlich gut funktionierender Genremix zwischen Gesellschaftskritik und Klassenkampf, kennt jedoch keine Sieger, sondern nur Abstufungen von Verlust. Joon-ho wandert hier mühelos zwischen Slapstick und Thriller, zwischen bitterer Satire und finsterem Schrecken, zwischen flüchtigen Träumen und harter Realität, zwischen Leben am Existenzminimum und Leben im Überfluss. Was letztlich bleibt ist das Bild eines Regengusses unbeschreiblichen Ausmaßes, welcher für die einen bloß Luft und Straßen reinigt, für die anderen jedoch die Auslöschung ihrer gesamten Existenz bedeuten könnte. Einfach so und niemand würde sich wohl dafür interessieren. Kein anderer Film vermochte mich in diesem Jahr bisher so sehr in seinen Bann zu ziehen, mitzureißen, zu unterhalten und zugleich zum Denken anzuregen.
"The worst part of having a mental illness is people expect you to behave as if you don't."
Put on a happy face. Joker erinnert nicht zufällig an die Hochzeiten des New Hollywood, wenn Regisseur Todd Phillips sich oftmals der bewusst ungeschönten Bildsprache von Werken wie Taxi Driver (1976) und The King of Comedy (1982) bedient und sich auch inhaltlich dem Genrekino der späten 70er und frühen 80er zuwendet. So gerät Joker nicht nur zu einem niederschmetternden Psychogramm einer geschundenen Seele, sondern auch zu einer erdrückenden Bestandsaufnahme einer Gesellschaft am Rande des kollektiven Wahnsinns. Phillips konfrontiert den Zuschauer gänzlich ohne Ironie und unvorbereitet mit einer düsteren Wirklichkeit, welche so im modernen Eventkino kaum noch zu erwarten ist, und nimmt ihm das Kino als Fluchtmöglichkeit.
Im Grunde will Arthur Fleck kaum mehr als gesehen werden, endlich wahrgenommen werden, um seiner Selbst willen. Endlich die Anerkennung erlangen, welche ihm bisher immerzu verwehrt blieb. Er ringt um seine Identität, ist auf der Suche nach seinem Ich, doch wie soll man zu jemandem werden, wenn man nicht einmal weiß, wer man eigentlich ist? Sein Streben danach mündet letztlich in einer unfassbaren wie gleichermaßen glaubwürdig inszenierten Spirale der Eskalation, an deren Endpunkt Arthur doch zu sich selbst findet, wenn er all sein Leid und all seinen Schmerz nicht ablegt, sondern annimmt, sogar regelrecht umarmt und sein Leben mehr als Komödie denn als Tragödie begreift. Zahnrad um Zahnrad greifen ineinander bis zur Geburtsstunde des Jokers, der Funke, der das Pulverfass Gotham schließlich in Brand setzt.
Rückblickend erweist sich Todd Phillips als Regisseur (Road Trip, Old School, Due Date, War Dogs und natürlich Hangover I-III) gar nicht mal so abwegig, beinhalten seine Filme doch oft destruktive Figuren nah am Abgrund. Handwerklich ist Joker bis auf einige wenige, kleinere Schönheitsfehler makellos geraten, wenn die Inszenierung selbstbewusst wie stilsicher nahezu perfekt auf den Punkt immerzu Arthur und seinem immer dichter werdenden Wahnsinn folgt und doch auch nie die Umgebung aus dem Fokus verliert. Die Kamera von Lawrence Sher (Garden State, Hangover I-III, Godzilla: King of the Monsters) fängt den Verfall von Gothams Straßen in teils wunderbaren Bildern ein und selten sahen Dreck, Schmutz und Unrat so gut aus. Über all dem schweben dann die schwermütigen Celloklänge der isländischen Komponistin Hildur Guðnadóttir und gehen eine unheilvolle Verbindung mit den düster grimmigen Bildern ein, mit denen Phillips seine ganz eigene Vision des Jokers auf die Leinwand bringt.
Und dann ist da natürlich noch Joaquin Phoenix, dessen ausnehmend brillante Verkörperung dieser unfassbaren seelischen Zerrissenheit des Arthur Fleck erneut eindrucksvoll beweist, dass er der beste Schauspieler seiner Generation ist. Wuchtig und zugleich zerbrechlich taumelt er zwischen manischer Urgewalt und vollkommener Hilflosigkeit, zwischen Selbstmitleid und Wahnsinn, immer auf dem irre schmalen Grat zwischen Empathie und Ablehnung tanzend. Ohne Phoenix wäre dieser Film in seiner Form schlicht nicht möglich gewesen. Er ist die Essenz all dessen, was Todd Phillips sagen wollte, und dem ist er sich nur zu sehr bewusst. Vielleicht ist Joker sogar stärker vom wohl nicht selten improvisierten Spiel seines Hauptdarstellers geprägt als von der Inszenierung seines Regisseurs. Phoenix reißt die Figur des Arthur Fleck an sich, macht sie sich vollkommen zu eigen, geht regelrecht in ihr auf, und doch erdrückt sein einnehmendes Spiel nie den Film.
Obwohl Joker an ein oder zwei Stellen für meinen Geschmack etwas konsequenter und mutiger hätte sein dürfen und einige wenige Szenen nicht so stark ausformuliert hätten sein müssen, so ist der Film von Todd Phillips dennoch ganz großes Kino und eine willkommene Abwechslung zwischen all den sonstigen Eventfilmen dieser Zeit und schon allein für die schier herausragende Performance von Joaquin Phoenix sein Geld wert. There is no punchline.
„I finished growing up, Léon. I just get older.“ - „For me it's the opposite. I'm old enough. I need time to grow up.“
Was soll man zu diesem Film noch groß sagen? Luc Besson sollte nie wieder eine solche filmische Qualität und Strahlkraft entwickeln können wie mit Léon. Unglaublich einfühlsam und von großer zärtlicher Melancholie beseelt erzählt sein nächster Film nach La Femme Nikita von zwei Außenseitern, die unterschiedlicher kaum sein könnten, und sich doch gegenseitig ergänzen. Da ist der Profikiller Léon auf der einen Seite, ein beinahe schon kindlicher Charakter ohne Wurzeln und zugleich Meister seines Fachs. Und da ist die zwölfjährige Mathilda auf der anderen Seite, im Grunde schon viel zu erwachsen für ihr Alter und ihrer Wurzeln beraubt.
Besson unterläuft seiner Zeit die bisherigen Eckpfeiler des Genre, wenn sich Léon zwar Anonymität und Einsamkeit bewahren muss und auf ritualisierte Tagesabläufe angewiesen ist um seinen Job ausführen zu können, aber dennoch Mathilda schließlich nicht nur in seine Wohnung, sondern auch in sein Leben lässt. Eine emotionale Öffnung bedeutet in seiner Welt Verwundbarkeit und doch lässt er sie zögerlich an sich ran. Fortan lernen beide voneinander und geben sich, was dem jeweils anderen fehlt. Léon gewöhnt Mathilda das Rauchen und Fluchen ab, verordnet ihr Milch und gibt ihr Schießunterricht; Mathilda bringt Léon das Lesen und das Schreiben und das Leben bei.
Handwerklich über jeden Zweifel erhaben stimmt bei Léon einfach alles: Besson inszeniert enorm präzise und mit dem richtigen Auge für Details, das erzählerische Tempo ist zwischen stillen Momenten und krachender Action exzellent ausbalanciert, Bessons Stamm-Kameramann Thierry Arbogast fängt teils wunderschöne Bilder ein und über all dem schwebt ein Jahrhundert-Score aus der Feder von Èric Serra. Das Herzstück jedoch bildet das magische Dreiergespann aus Jean Reno, Natalie Portman und Gary Oldman. Doch so wunderbar Reno den empfindsamen Killer auch gibt und Oldman sein Spiel als skrupelloser Cop gnadenlos beinahe bis zur Karikatur überzieht, so sehr stellt Portman beide mühelos in den Schatten mit ihrer nuancierten Darstellung zwischen Trauer, Wut und aufkeimender Hoffnung, zwischen geraubter Kindheit und dem brennendem Wunsch nach Rache. Eine elfjährige in ihrer aller ersten Filmproduktion überstrahlt hier zwei mehr als nur gestandene Schauspieler, das muss man sich mal vorstellen.
All das funktioniert für mich auch nach über 20 Jahren immer noch hervorragend. Ich betone immer gern, nicht den einen Lieblingsfilm zu haben, dafür aber viele Filme, die ich liebe. Léon gehört ganz sicher dazu. Manchmal frage ich mich am Ende des Filmes im Stillen, was wohl aus Mathilda geworden sein mag. Es wäre schön, wenn sie ihren Frieden doch noch hätte finden können, eine Chance auf ein neues, ein anderes Leben.
Manchmal muss man einfach eine Linie ziehen.
Apokalyptische Settings erfreuten sich im Genrekino der 80er großer Beliebtheit, weil sie einen gewissen Zeitgeist aufgriffen, vor allem aber, weil sie sich preiswert produzieren ließen. Ein Steinbruch und ein bisschen Fantasie konnten da in den Niederungen bereits ausreichen. The Aftermath von Regisseur Steve Barkett ist geradezu ein Paradebeispiel für den schnell wie billig herunter gekurbelten, drittklassigen Endzeit-Actioner. Bloß, dass Barkett nicht nur Regie führte, sondern gleich auch noch das Drehbuch lieferte, den Film produzierte, den Schnitt übernahm und die Hauptrolle spielte. Trash als Autorenkino, wenn man so will. Inhaltlich irgendwo zwischen Mad Max (1979) und Planet der Affen (1968) angesiedelt, versagt The Aftermath im Grunde auf der ganzen Linie.
Hier passt wirklich nichts so richtig zusammen: weder vermag es Barkett den von ihm der Hauptfigur zugedachten Attributen gerecht zu werden, noch funktioniert die Lovestory, geschweige denn die Vater-Sohn-Beziehung oder gar die schwerfällig inszenierte Action. Dazu kommt ein bescheuerter Off-Kommentar, furchtbar einfältige Dialoge, eine platte Symbolik und wirklich merkwürdige Musikeinsätze. Die Krönung ist dann das Finale, wenn sich Barkett sagenhaft schamlos als gnadenlos effektive Ein-Mann-Armee inszeniert, die im Alleingang das komplette Lager des Bösewichtes Cutter (immerhin zumindest akzeptabel gespielt von Sid Haig) zerlegt. Dumm nur, dass am Ende ganz offensichtlich das Geld für sogar halbwegs ordentliche Effekte fehlte und direkte Treffer aus nächster Nähe von einer Schrotflinte aussehen wie Nadelstiche.
The Aftermath ist ein Kuriosum, eine Art Unfall geboren aus einem Egotrip heraus, die fehlgeleitete Vision eines zumindest im Ansatz ambitionierten Filmemachers und doch seltsam faszinierend. The Aftermath ist der Auftakt einer enorm kurzen Karriere, der nur noch ein weiterer Film folgte: Empire of the Dark (1990). Plot: A private detective searching for a killer comes across a satanic cult from another dimension, monsters called up from hell and murderous ninja assassins. Muss man sich mal vorstellen. Das will ich sehen. Ich mag sowas.
"It has been my honor to be your servant. You chose me. And I did what you asked."
Vice beleuchtet Dick Cheneys Aufstieg zum zeitweise wohl mächtigsten und einflussreichsten Vizepräsidenten der amerikanischen Geschichte. Die Verbildlichung komplexer politischer Zusammenhänge ist ein zweifellos lohnenswertes Ansinnen, aber Vice macht sich das alles ein klein wenig zu einfach und zeichnet von Minute eins an ein ganz bestimmtes Bild und ist folgend nicht gewillt davon abzurücken. Der neue Film von Regisseur Adam McKay fällt erstaunlich wenig differenziert aus und zeigt sich inhaltlich als eher einseitige, zum Teil recht plakative und dazu noch unangenehm belehrende Abrechnung. McKay bleibt seinem Stil aus The Big Short treu und inszeniert Vice nicht als klassisches Biopic, sondern setzt lieber auf eine unkonventionelle Mischung aus Komik, Satire, Drama und wütender Anklage, vermag jedoch diesen schwierigen Tanz nicht immer zu meistern. Stattdessen wirkt Cheney nicht selten wie das ultimative Böse, eine Macht-Krake sondergleichen, ein dämonischer Puppenspieler im Hintergrund, der die Fäden zieht.
Zwar fühlte ich mich von The Big Short seiner Zeit besser unterhalten, doch auf der handwerklichen Ebene ist Vice zweifellos dennoch großes Kino, ist gefällig und schwungvoll inszeniert, vermag mit so manchem herrlich kreativen Moment zu glänzen und sogar der Schnitt von Hank Corwin ist exzellent geraten. Auch auf der darstellerischen Ebene vermag der Film einzuschlagen, wenn Christian Bale, Amy Adams, Steve Carell und Sam Rockwell auf hohem Niveau abliefern. Auf der inhaltlichen Ebene jedoch ließ mich McKay irgendwie ratlos zurück, wenn Vice komplexe Zusammenhänge extrem versucht zu vereinfachen und zugleich das Publikum für zu limitiert hält um selbige zu begreifen.
Theodore Twombly schreibt Briefe. Briefe für Menschen, die, aus welchen Gründen auch immer, ihren Gefühlen nicht genug Ausdruck verleihen können oder wollen. Theodore ist geschieden, beziehungsweise befindet er sich gerade mitten in einer Scheidung, er lebt allein, ist ein bisschen einsam, vielleicht einsamer, als er sich selbst eingestehen möchte und steckt irgendwie fest zwischen seiner Arbeit, zwischen all den Liebeserklärungen von wildfremden Menschen an wildfremde Menschen, die er niemals kennenlernen wird, und seiner eigenen Gefühlswelt, mit der er ironischer Weise nicht so gut zurechtkommt. An dieser Stelle tritt Samantha in sein Leben. Sie lernen sich kennen, sie verbringen Zeit miteinander, teilen Einsichten und Erkenntnisse, lachen, haben Spaß und verlieben sich schließlich ineinander. Das Problem ist nur: Samantha ist kein Mensch. Sie ist ein sogenanntes Operating System, eine Art Betriebssystem, eine künstliche Intelligenz, die selbstständig denkt und arbeitet, sich ihrer künstlichen Existenz bewusst ist, ständig dazu lernt, Empathie empfindet und ganz eigene Vorstellungen und Gefühle entwickelt. Eine Art von Bewusstsein ist also vorhanden, allerdings fehlt ihr etwas ganz entscheidendes: ein Körper.
Das mag verrückt klingen, aber diese auf den ersten Blick schräg anmutende Geschichte wird so eindringlich und charmant, so warm und klug erzählt, dass sie nicht nur funktioniert, sondern glaubwürdig und authentisch wirkt. So glaubwürdig, dass man ganz schnell vergisst, das Samantha nicht "real" ist. Und schon ist eines der Themen des Films auf dem Tisch: die Frage danach, was denn nun eigentlich echt ist und was nicht. Was ist Bewusstsein? Was macht uns aus? Was sind Gefühle? Was macht eine Beziehung aus? Was ist Liebe? Ein interessanter Punkt ist da auch Theodores Arbeit. Seine Briefe sind gefühlvoll und berührend, aber sie kommen von ihm und nicht von dem Menschen, von dem sie eigentlich kommen sollten, und das macht sie irgendwie nicht echt, nicht authentisch. Aber ist etwas echt bloß weil wir es empfinden? Macht es das real?
Ein großer Vorteil des Films ist der Umstand, dass sein Setting kein visionärer Zukunftsquatsch ist, sondern lediglich eine bereits vorhandene Realität einfach nur konsequent weiter gedacht wird. Nichts davon ist unvorstellbar, im Gegenteil, wir sind ja bereits auf dem besten Wege in eine Art digitale Entfremdung. Aber eigentlich gibt es nur einen einzigen Grund, warum diese Geschichte so gut funktioniert: die großartige Leistung von Joaquin Phoenix als Theodore, der einen Großteil des Films tragen muss, fehlt doch in sämtlichen Dialogen mit Samantha der physische Gegenpart. Diese wird zwar kaum weniger toll von Scarlett Johansson gesprochen, so gut, so charmant und bezaubernd, dass man sich quasi in sie verlieben muss, aber sämtliche durchlebten Emotionen kann man an Phoenix Gesicht ablesen. Schnell fällt es nicht mehr schwer das Geschehen zu akzeptieren und ehe man sich versieht, ist man ein Teil davon, steckt mitten drin, lacht, freut sich und leidet mit Theodore. Doch gerade Samantha ist im Laufe der Geschichte Veränderungen unterworfen, sie durchlebt eine regelrechte Evolution, vom absoluten Anfang ihrer Existenz, bis hin zu etwas, was selbst sie nicht mehr erklären kann. Theodore steht als Mensch dagegen, biologisch limitiert, wie ein fester Punkt nur zwischen seinen Gefühlen und ihrer Entwicklung, während Samantha an ihm vorbei zu rasen scheint.
Natürlich beinhaltet Her auch gesellschaftliche Kritik an den digitalen Entwicklungen unserer schnelllebigen Zeit, aber all das wird eher subtil und zurückhaltend verhandelt. Der Film will weniger bewerten oder verurteilen und zeigt stattdessen viel lieber Tendenzen und Entwicklungen auf. Was wir jedoch damit anfangen, das liegt letztlich ganz allein bei uns. In erster Linie erzählt Spike Jonze mit seinem Film eine Liebesgeschichte, so zart und anrührend wie verrückt und bizarr. Es geht um die Beschaffenheit unserer Gefühle, welche der Film auf den Prüfstand stellt. Leise und immer irgendwie melancholisch, aber schlussendlich nie hoffnungslos.
Diesem wilden, bizarren, jegliche Logik ignorierenden Ritt durch seine ganz eigene, krude Welt, die zudem quasi im Minutentakt ihr eigenes Regelwerk permanent über Bord wirft und neu erfindet, und atemlos von set piece zu set piece hetzt, dem spürt man eben die Liebe, die Begeisterung, den Enthusiamus und die große Lust am Fabulieren seines Machers immer an. Zwei Jahre später drehte Luigi Cozzi den schon deutlich uninspirierter wirkenden Alien-Klon Astaron – Brut des Schreckens, aber bei Star Crash hat er sich seine Vision erhalten und nicht durch finanzielle Limitierung und künstlerische Abwägung kaputt machen lassen und das ist doch toll und lobenswert.
So ist seine Space Opera ein völlig überbordendes, wildes, herrlich kreatives Chaos und eben keine nüchtern berechnete, nach technischer Perfektion strebende und letztlich langweilige Hochglanzproduktion ohne Ecken und Kanten. Insofern ist mir Star Crash mit all seinen Fehlern, Problemen und Schwächen trotzdem lieber als der nächste lieblos runtergekurbelte, aalglatte, mit riesen Budgets aufgeblasene, das Sommerloch überbrückende Blockbuster, denn er hat Herz, Mut und keine Angst zu versagen oder verlacht zu werden. Nennt mich kulturpessimistisch, aber es ist doch schade, dass modernes Kino immer öfter durch sein Streben nach steriler Perfektion das kindliche Staunen in uns mehr und mehr abtötet. Phantasie scheint immer weniger gefragt zu sein und in den Hintergrund zu rücken, das Versinken in fremde Welten, die Bereitschaft, sich auf etwas einzulassen, all das scheint zusehends an Bedeutung zu verlieren. Das finde ich schade und es ist nicht nur, aber auch ein Grund dafür, warum mich Star Crash so fasziniert, obwohl ich sehr wohl um seine mitunter doch auch gravierenden Probleme weiß und diese mir vollkommen bewusst sind.
In the Shadow of the Moon von Regisseur Jim Mickle (Stake Land, We Are What We Are, Cold in July) ist einer dieser kleinen bis mittelgroßen Filme, welche es heutzutage kaum noch ins Kino schaffen. Früher wäre er vielleicht direkt in den Videotheken gelandet, heute darf Netflix diese Funktion erfüllen. Doch auch, wenn In the Shadow of the Moon für die große Leinwand etwas zu klein zu sein scheint, so macht ihn das noch lange nicht zu einem schlechten Film. So liefert Mickle einen letztlich soliden Sci-Fi/Mystery/Cime-Thriller mit starkem Beginn, der zur Hälfte allerdings etwas abflacht und an Schwung verliert, nur um in seinem vielleicht etwas plump geratenem Schlusspunkt mehr zu erklären als es eigentlich nötig wäre.
Der Zeitreise-Plot verläuft vielleicht nicht immer ganz logisch und konsequent, bleibt aber trotz einer gewissen Vorhersehbarkeit immerhin stimmungsvoll. Visuell ist das alles durchaus sehenswert und besonders das Design der unterschiedlichen Zeitabschnitte weiß zu überzeugen. Das erzählerische Tempo zieht nur punktuell an und In the Shadow of the Moon ist über weite Strecken eher ein ruhiger Film. Auf der darstellerischen Ebene macht Boyd Holbrook (Narcos, Logan, Predator: Upgrade) seine Sache gut als über die Jahrzehnte hinweg immer manischer werdender Cop, der geradezu besessen ist von dieser mysteriösen Mordserie, immerzu im Zwiespalt zwischen Familie und Job. Michael C. Hall (Dexter, Six Feet Under) hingegen wirkt seltsam verschenkt, wenn mit seiner Figur relativ wenig angestellt wird. So bleibt unterm Strich ein Film mit interessanter Grundidee und starkem Beginn, der jedoch zu wenig daraus macht, und dem zum Ende hin ein wenig die Luft ausgeht.
Hounds of Love ist das Spielfilmdebüt des australischen Regisseurs Ben Young und eine wahre Tour de Force. Ein in seiner Machart sehr simpler Film, aber unglaublich effektiv in seiner Wirkung. Erst die Auslassung des Expliziten ist es, die Hounds of Love so sehr unter die Haut gehen lässt. Ein paar Sex Toys im Hintergrund reichen schon. Nichts ist schlimmer als das Grauen in unserem Kopf, als die Bilder, welche wir selbst den angedeuteten Ereignissen hinzufügen. Young setzt einen eher ungewöhnlichen Schwerpunkt, wenn er mehr die gestörte Beziehung zwischen dem mordenden Paar John und Evelyn in den Fokus rückt als das Martyrium der von ihnen entführten Vicki – und viel lieber deren bizarres Abhängigkeitsgefüge beleuchtet. Sein Film ist quälend langsam erzählt und köchelt leise vor sich hin, ist wahnsinnig spannend ohne das sonderlich viel passiert und hinterlässt einen intensiven wie beklemmend verstörenden Nachgeschmack, wenn er tief in die schwer lädierten Seelen seiner Protagonisten blickt. Ein exzellent gespieltes, aber nicht leicht zu ertragendes Drama.
Nach seinem Debüt Hereditary (2018) legt Regisseur Ari Aster nun mit Midsommar zügig nach und vermag erneut unter Beweis zu stellen, warum er als großer Hoffnungsträger gehandelt wird. Wo sein Erstling noch visuell eher düster und räumlich begrenzt daherkam, da ist Midsommar nun geradezu von Licht durchflutet und sehr offen gehalten, was der unangenehmen Grundstimmung jedoch keinesfalls schadet. Eher im Gegenteil, geht dadurch jegliches Zeitgefühl verloren, wenn Stunden und Tage zerdehnt regelrecht ineinander zerfließen und zunehmend Drogen induzierte Orientierungslosigkeit um sich greift.
Midsommar ist in allen Belangen unfassbar gut inszeniert und handwerklich makellos, wenn Aster neben den offensichtlichen Merkwürdigkeiten immer wieder kleine Verschiebungen im sozialen Miteinander einwebt, auf die es gefühlt keine angemessene Reaktion zu geben scheint. Mitunter wirkt das schreiend komisch, doch das Lachen ist hilflos distanziert und bleibt einem immer auch irgendwie im Halse stecken ohne jemals ins Alberne abzugleiten.
Die Ausgangslage ist schnell klar, die Handlung relativ offensichtlich und groß verheimlicht wird hier gar nicht erst, so dass es eher die Psychen der Figuren und ihre sozialen Dynamiken sind, welche Aster auszuloten und zu sezieren gedenkt. Überhaupt kommt der wahre Horror hier erneut von Innen heraus: toxische Beziehungen, zerstörte Familien, emotionale Schieflagen und die Unfähigkeit zur Kommunikation rückt Aster immer wieder in den Fokus. Ihr Alltag ist bereits heillos aus den Fugen geraten und die Gefühlswelt von Dani – überragend glaubwürdig gespielt von Florence Pugh - ist ein absoluter Ausnahmezustand, den er auch ohne Einflüsse von Außen nahezu perfekt zu übertragen versteht und erfahrbar macht.
Obwohl aufreizend ausschweifend und ganz bewusst langsam erzählt, entwickelt Midsommar eine enorme, beinahe schon rauschhafte und unterschwellig immerzu unheimlich bedrohliche Sogkraft und ungemein fesselnde Bilder zwischen Ekstase, Mystizismus und lädierten Psychen. All das und allem voran die fabelhafte, bildgewaltige und ausgesprochen präzise Inszenierung von Ari Aster macht Midsommar wie bereits Hereditary zu einer regelrechten Wohltat zwischen all dem Konserven-Horror dieser Zeit.
Ozploitation again. Manchmal beschleicht mich das Gefühl, dass die Australier mit so manchen ihrer heimischen Filmproduktionen Touristen mit aller Kraft fernhalten wollen. Gefräßige Riesen-Krokodile, angriffslustige Wildschweine und immer wieder Bewohner des Outbacks selbst, die nicht erst seit Wolf Creek von Greg McLean Jagd auf unbedarfte Touristen machen. Wähnt man sich zu Beginn im Regiedebüt von Damien Power - von dem auch das Drehbuch stammt – noch in einem gewöhnlichen wie formelhaften Backwood-Slasher, wird doch schnell deutlich, dass Killing Ground durchaus auch andere Wege zu beschreiten versucht. Power lässt sich Zeit um das Setting und die Figuren nachhaltig zu etablieren und lange deutet kaum mehr als das verlassene Nachbarzelt am Strand auf das hin, was da noch kommen mag. Normalität ist seine Waffe, wenn Power größtenteils auf für das Genre sonst eher typische inszenatorische Spielereien verzichtet, die Kamera beinahe schon dokumentarisch nüchtern immerzu ganz dicht und ungefiltert an den Figuren dran ist und eine unterschwellige Dringlichkeit vermittelt. Da sind keine huschenden Schatten, keine Schreckmomente und keine anschwellende Musik, das Grauen bricht unvermittelt, plötzlich und eindrücklich über den Figuren herein und verlangt dem Zuschauer durchaus einiges ab.
Zwar überlässt Power viel der Fantasie des Zuschauers, an den Nerven zerrt das Geschehen dennoch (oder genau deswegen), und er gibt sich auch keinem Gore hin, ist aber dennoch konsequent in der bildlichen Darstellung und nutzt auch hier den zuvor bereits etablierten grimmig-realistischen Ton. Zudem montiert Killing Ground recht geschickt zwei aufeinander zulaufende Handlungsstränge, deren smartes Spiel miteinander stark zur Steigerung der Spannung beiträgt. Auch erliegt Power nie der Versuchung, seine Antagonisten zu erklären oder Motive für ihre Handlungen zu finden, sondern lässt den Zuschauer vollkommen allein mit deren Taten. Und umgekehrt sind auch die Protagonisten angenehm menschlich ausgearbeitet und bleiben nachvollziehbar, denn übermenschlichen Heroismus gestattet Power ihnen nicht, im Gegenteil, sie dürfen sogar feige sein und wenig glanzvolle Entscheidungen treffen. Alles in allem macht Damien Power mit seinem Debüt Killing Ground im Kleinen so einiges anders als manch anderer Vertreter des Backwood-Slashers und kann sich dadurch ein wenig aus der Masse des Genres abheben und ein eigene Handschrift entwickeln. Sollte man sich vielleicht merken, den Mann.
Nach der überaus zitatfreudigen Horror-Collage House of 1000 Corpses (2003) und dem garstig wuchtigen Road Movie-Trip The Devil´s Rejects (2005) folgt nun also mit 3 from Hell der Abschluss von Rob Zombies Firefly-Trilogie. 31 (2016) ließ es im Ansatz bereits vermuten, dass Zombie wohl möglich seine Inspiration abhanden gekommen sein könnte, doch 3 from Hell macht das in all seiner Ideenlosigkeit mehr als deutlich. Dabei beginnt alles eigentlich sogar recht verheißungsvoll als eine Art Mediensatire, wenn Otis, Baby und Captain Spaulding anfangs nicht unähnlich zur Manson-Family medial ausgeschlachtet werden und sich in der ihnen geschenkten Aufmerksamkeit geradezu sonnen. Doch Zombie wischt das alles viel zu schnell beiseite und schenkt dem keine Bedeutung mehr, wenn er es sich spätestens mit der Flucht von Otis Firefly wieder in altgewohnten Gefilden bequem macht und sich fortan nur noch in gefühlt endlosen Wiederholungen seiner eigenen Stilistik austobt. Zombie zitiert sich pausenlos selbst und dreht sich immerzu im Kreis, ohne jemals ernsthaft ausbrechen zu können oder, vielleicht schlimmer noch, zu wollen.
Die Story von 3 from Hell ist unausgegoren, hastig zusammen geschustert und mit der heißen Nadel gestrickt. Wenig ergibt Sinn, vieles wird geradezu willkürlich eingeworfen und doch gleich wieder vergessen. Alles wirkt seltsam planlos, ganz so, als wüsste Zombie nicht mehr, was er überhaupt noch erzählen will oder kann. Dem Firefly-Kosmos jedenfalls kann 3 from Hell nichts mehr hinzufügen, was nicht schon an anderer Stelle etabliert worden wäre. Wiederholung um ihrer selbst willen, der kreative Stillstand, wenn selbst vermeintliche Tabubrüche und Grenzüberschreitungen bloß noch plump und berechenbar daherkommen. Visuell ist das alles erwartungsgemäß auf die Optik des Grindhouse-Kinos getrimmt, handwerklich jedoch geht Zombie nachlässig und oftmals ohne erkennbare Liebe zum Detail vor, wenn 3 from Hell in seiner ganzen Inszenierung hektisch, wirr und ähnlich unübersichtlich ausfällt wie zuletzt noch 31. Schauspielerisch ist vor allem Sheri Moon Zombie als Baby Firefly schnell anstrengend, wenn sie vollkommen ins geradezu grotesk hysterisch Überdrehte abgleitet und sich als eine Art gesteigerte und nur schwer zu ertragende Variation ihrer Mutter inszeniert. Unterm Strich ist 3 from Hell vor allem auch deshalb überflüssig, weil The Devil´s Rejects im Grunde den perfekten Abschluss hatte. So gesehen ist die Fortsetzung kaum mehr als müde wie planlose Leichenfledderei ohne echte Ideen oder Inspiration. Da war selbst 31 zumindest punktuell noch der bessere Film.