Prestigeww - Kommentare

Alle Kommentare von Prestigeww

  • 10

    Joshua Oppenheimer ist mit the Act of Killing die vielleicht beste Dokumentation gelungen, die ich je gesehen habe. Dies liegt vor allem daran, dass sie auf verschiedenen Ebenen beinahe unglaubliches leistet.

    Da wäre zum einen die Basis-Ebene, das Dokumentieren. The Acto of Killing gewährt dem Zuschauer Einblicke in eine Welt, die er sonst nicht zu Gesicht bekommen hätte. Joshua Oppenheimer reiste nach Indonesien, um dort die Mitglieder einer Todesschwadron aufzusuchen, die in den 1960er Jahren im Auftrag der Regierung einen Massenmord an Kommunisten, Chinesen und anderen unliebsamen Kräften anrichteten. Da sich die Armee nicht die Finger schmutzig machen wollte, deligierten sie die arbeit an Gangster und Kleinkriminelle. Anders als etwa in Kambodscha oder Deutschland geschah dieser Genozid allerdings mit westlicher Unterstützung und die Verantwortlichen wurden nie gestürzt und zur Rechenschaft gezogen - sie sind immer noch an der Macht. Daher werden die Mörder von damals als Helden gefeiert oder immer noch gefürchtet. The Act of Killing zeigt uns dieses Land, in dem Gouverneure vor laufender Kamera Gangster als Hüter der öffentlichen Ordnung rühmen, in der Massenmörder in nationalen Talkshows munter darüber plaudern, wie sie ihre Inspiration für Folter- und Hinrichtungsmethoden aus amerikanischen Gangsterfilmen bezogen haben und Applaus für ihre Dienste bei der Ausrottung der Kommunisten erhalten. Ein Land, in dem Gangster vor laufender Kamera Schutzgeld bei chinesischen Händlern erpressen, weil sie gelernt haben, dass dieses Verhalten öffentlich erwünscht ist.

    Zum anderen behandelt The Act of Killing auch tiefere, philosophische Fragen. Auch wenn man dies ausgesprochen nur von rechtsextremen Kräften hört, ist dies doch auch ein grundlegendes moralisches und historisches Problem: Die Definitionshoheit über Kriegsverbrechen liegt bei den Siegermächten. Daraus könnte man ableiten, dass moralische Grundregeln prinzipiell keine allgemeine Gültigkeit haben, sondern bestenfalls eine gemeinschaftliche Gewohnheit sind, oder, wie es eine der Figuren ausdrückt: Heute haben wir die Genfer Konventionen und die Menschenrechte. Aber wer weiß schon, ob wir nicht in Zukunft die Jakarta Konventionen haben. The Act of Killing zeigt uns wie ein Versuchsbeispiel ein Land, in dem diese Möglichkeit wahr geworden ist - in dem die grundsätzlichste moralische Regel, das Tötungsverbot, außer Kraft gesetzt ist und sogar umgekehrt wurde. Kommunisten zu ermorden ist erwünscht. Was wird aus einem Land, in dem das moralisch Verwerfliche zur Heldentat erhoben wird? Joshua Oppenheimer wagt diese mutige Frage und es sei nur so viel gesagt: Es sieht nicht gut aus in Indonesien.

    Dies bringt mich zum dritten Punkt, den eigentlichen Clou des Filmes: Das Angebot, mit dem der Regisseur an die Gangster herangetreten ist war folgendes: Um ihre ruhmreichen Taten nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, will er sie einen Film drehen lassen, in dem sie selbst als Darsteller und Regisseure die Ereignisse von damals genau so nachspielen sollen, wie sie es gern wollen. Die Gangster sind begeistert, so können sie der Jugend zeigen, was sie für tollte typen wahren. Dieses Filmprojekt hat nun zwei unglaubliche Ergebnisse:

    Zum einen gewähren die Gangster durch ihre Inszenierung Einblicke in ihr Innenleben, ihre geistige Verfassung. Sie inszenieren ihre Erlebnisse als groteskes Musical, als albtraumhaften Totentanz, fest in der Überzeugung etwas Schönes zu schaffen. Gegen ihren Film wirkt Apocalypse Now wie ein Münster-Tatort. In der Art wie sich sich selbst sehen, erkannt man wie gebrochen, wie zerstört ihre Seelen und sie Seele des ganzen Landes ist.

    Das zweite ist eigentlich ein simpler Psychologentrick: Indem man traumatische und Verdrängte Ereignisse nachspielen lässt, bringt man die Täter dazu, sich mit ihrer Vergangenheit intensiv auseinanderzusetzen und vergessen geglaubtes wieder lebendig werden zu lasen. Und mehr noch. Da die Täter auch die Schauspieler sind, müssen sie manchmal auch in die Rolle der Opfer springen. Und hier geschieht etwas, was sie seit Jahrzehnten erfolgreich verhindert haben: Sie bekommen die Perspektive der Opfer. Und zwar nicht aus Zwang, nicht von einem mit moralischen Werten wedelnden Aktivisten. Sie begeben sich aus freien Stücken in diese Situation, nicht ahnend, was sie auslöst. Und langsam bricht zumindest einer ein. Indem er ein Opfer spielt, und er es möglichst glaubwürdig spielen möchte, versetzt er sich in seine Lage. Er spürt was es bedeutet gebrochen zu werden, dem Tot ins Auge zu blicken. Am Ende des Films ist er ein anderer Mann, einer der weiß, dass er Schuldig ist, egal wie oft ihm von offizieller Seite das Gegenteil erklärt wurde. Und welcher andere Dokumentarfilm kann dies schon von sich behaupten?! Eine tiefgreifende Änderung in einem der Täter auszulösen.

    So stellt Oppenheimer nicht nur ein wichtiges philosophisches Dilemma aus, sondern zeigt auch dessen Lösung: Die Grundfeste der Moral ist nicht eine willkürliche Setzung durch den Staat oder die Machthaber. Es ist die Fähigkeit des Menschen, sich in seine Mitmenschen hineinzuversetzen - Mitgefühl, Mitleid. Daher ist auch die Grundtechnik aller mordenden Regieme dem politischen Feind das Menschsein abzusprechen. Zu verhindern, dass die Täter ihre Opfer als Mitmenschen ansehen, dass sie sich in ihre Situation hineinversetzen, dass sie das Leid ihrer Opfer als ihr eigenes verstehen. Doch so geschickt der Staat dies versucht - es funktioniert nicht. Zu tief ist diese Fähigkeit im Menschen verankert. Selbst die Täter in Indonesien leiden unter Albträumen, sind zerstörte depressive, unglückliche, wahnsinnige Würstchen. Sie können sich nur nicht erklären warum. Und dies klar zu zeigen, ohne Zwang, ganz offen - das macht diese Dokumentation zu einem kleinen Meisterwerk.

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    • 8
      über Oh Boy

      Dieser Niko ist ein sehr interessanter Charakter, über den man noch lange nachdenkt. Jemand, der die Leute um sich herum nicht begreift - aber nur, weil er als einziger versucht sie zu begreifen. Und so wie mit anderen scheint es ihm auch mit sich selbst zu gehen. Was ihm bleibt ist Einsamkeit und leere Hände, da er den existenziellen Fehler macht, über den Sinn hinter dem ganzen Unsinn nachzudenken.

      17
      • 9

        Ein sehr guter Film der sich vor allem dadurch auszeichnet, dass unter der rührseeligen Indie-Romanze eine zutiefst pessimistische Tragödie versteckt. Vor allem freut es mich für Bradley Cooper, dass er hier endlich einmal zeigen kann, was in ihm steckt und wie viel Talent für seine Hangover & Co Auftritte verballert wurde. Über über den eigentlichen Kern kann ich nur als [SPOILER!] reden: Wenn man als Regisseur einen ehrlichen Film über das Leben drehen will, hat man eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Entweder indem man auf Realismus setzt, oder indem man die Täuschung als solche erkennbar macht und dadurch beim Zuschauer einfordert über das Gesehene nachzudenken. Während sich die meisten für den ersten Weg entscheiden (weil Arthouse und so schön einfach), geht David O. Russell den anderen Weg. Sein Film mündet in einem tränenschweren Happy End, aber das Happy End ist so überzogen und unglaubwürdig, dass es sich selbst als künstlich entlarvt. Es ist sozusagen der reitende Bote des Königs und der Deus ex Machina, der die Tragödie in der letzten Sekunde in eine süße Romanze verwandelt. Warum? Darauf geht Silver Linings selbst ein. In drei Szenen besprechen die Figuren Literatur-Klassiker: Sie zeigen, dass das Leben hart ist und man sich abhärten muss. Doch das Leben ist auch schon hart genug und zumindest im Film haben die Figuren nach dem durchstandenem Leid ein Happy End verdient.

        Was uns Silver Linings jenseits des Kitsches anbietet ist allerdings alles andere als romantisch: Bei beinahe jeder Figur ist das aufgebrachte Mitgefühl nichts anderes als Eigennutz: Sowohl der Vater und Tiffany nutzen Pats psychische Verletzungen aus, um ihre eigenen Neurosen zu befriedigen. Auch Pats Geschwister wollen sich nur mit ihm auseinandersetzen, sobald sie ihn brauchen. Dabei nehmen sie sogar inkauf, Pat mehrmals in stressbedingte Ausbrüche seiner bipolaren Störung zu stürzen. Umgekehrt ist auch Pats Freundschaft zu Tiffany bis kurz vor Ende nichts anderes als geheuchelt, um sein soziales Engagement zu beweisen durch sie einen Kontakt zu seiner Frau herzustellen. Auf diese Konstellation dann ein rührendes Happy-End zu stülpen, bei dem sich alle glücklich in Armen liegen, die Krankheit vergessen ist und das keine der Figurern zur Rechtfertigung ihrer Taten zwingt, ist genial: Der Zuschauer kann mit den Figuren mitfühlen. Er selbst ertappt sich, wie er sich an den Neurosen der gebrochenen Charaktere das Herz erwärmen und ein paar Tränchen verdrücken konnte. Damit drängt ihn Russel auf eine Stufe mit den eigennützigen Figuren seines Films, für die das Leid anderer nur ein Werkzeug des Eigennutzes ist - und zwingt ihn dann mit der Brechung des Happy Ends über sich nachzudenken. Oder es einfach zu ignorieren und zu genießen. Der Zuschauer hat die Wahl und die Freiheit. Das ist doch großes Kino!

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        • 10

          Spätestens ab Staffel 4 ist The Wire das für die moderne Serienkultur, was die Mammutwerke von Marcel Proust, Thomas Mann, Robert Musil oder Charles Dickens für die Literatur sind: Ein Spiegel der gesamten Gesellschaft, in der die komplexen Verschränkungen einer ganzen Stadt, vom Bürgermeister bis zum Junkie, mit jeder Folge deutlicher erkennbar werden. Ein gigantisches Fresco, das keinen außen vor lässt. So unglaublich gut, schlagfertig, witzig, berührend und intelligent, dass ich manchmal dankend auf die Knie gehen möchte für diese Serie!

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          • Welche Mädchen träumt nicht davon, im Wald Rehe zu jagen und deren warmes Blut zu trinken, um damit Jungs zu beeindrucken? Soooo romantisch!

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            • 10

              Ich warte immer noch auf einen Ghibli-Film, der nicht herausragend ist. Langsam gebe ich die Hoffnung auf...

              Immerhin handelt der Film von einem fliegenden Kampfpiloten-Schwein nach dem ersten Weltkrieg. Man sollte denken, dass Ghibli da unmöglich einen guten Film draus machen kann. Das geht doch nicht!

              Es geht zum Glück doch. Die wunderbare Charakterzeichnung, die selbst die bösen Luftpiraten zu herrlich sympathischen Haudegen macht, die rot anlaufen, wenn ein Mädchen persönlich wird. Auch Porco Rosso selbst, zwischen Zuneigung und Bindungsunfähigkeit ist eine äußerst interessante Figur, deren Mysterium weit über die Frage hinaus geht, wieso er eigentlich ein Schwein ist.

              Das herausragendste Merkmal des Filmes sind allerdings die Bilder. Freunde, die in Japan das Ghibli-Museum besucht hatten, berichteten mir von einer kleinen aber wunderschönen Bibliothek, die voll mit Bildbänden aus aller Welt und allen Epochen steht. Dort holen sich die Ghibli-Zeichner ihre Inspirationen für die traumhaften Landschaften ihrer Filme. Keinem Ghibli-Film sieht man das Schwelgen in alten fast vergessenen Bilder-Welten so deutlich an, wie diesem Film, der das Mittelmeer der 20er Jahre in all seiner mediterranen Pracht auf die Leinwand bringt. Gerade die Phantasie der Zeichner, welche die Realität auf träumerische Art überhöhen, zaubert uns Bilder, die uns lange in Erinnerung bleiben werden. Ganz großes Kino.

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              • 2

                Extrem widerwärtiger 'Don't mess with Texas' Hillbilly-Patriotismus macht den Film praktisch unschaubar. Bradley Cooper als gequälter Held wider Willen stellt sich nicht einmal die Frage, warum er da überhaupt von seinem Dach aus Kinder abknallt, da er im Irak ja schließlich "Savages" und das "Böse" bekämpft. Alle Irakis sind Verräter und Terroristen, alle Amis Helden in stahlender Rüstung und der ganze Film dient dem einzigen Zweck, einem Massenmörder ein unreflektiertes Ehrendenkmal zu setzen um damit Leute ins Kino zu locken, gegen die Pegida der reinste Kindergarten ist.

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                • 3 .5

                  War enttäuscht. 2h Ethno-Kitsch über edle Wilde, die auf Space-Bali mit tätowierten Walen plaudern, während sie von bösen Kapitalisten gejagt werden, gefolgt von einer Stunde austauschbarer Bombast-Action die es genauso auch in jedem Marvel-Film gibt. Ja, tolles 3D und so, echt wow. Aber inhaltlich wie eine Zwischenspielsequenz in einem Videospiel, die man nicht überspringen kann.

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                  • Auch das Bild oben zeigt ein wunderbares Klischee der 80er-Jahre Apokalypse: In der Postapokalypse werden Leder-Outfits zum Fashion-Mainstream, genauso wie Irokesenfrisuren, Piercings und schrilles Make-Up. Die Zivilisation mag untergegangen sein, aber die Kajal-Vorräte reichen noch für Jahrhunderte.

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                    • 7

                      Unterhaltsam, flott und jazzig, aber am Ende des Tages auch nur ein Film von Filmleuten darüber, wie kaputt aber auch gleichzeitig geil Filmleute sind - selbst wenn sie Theater spielen. Kurz: genau die aufmerksamkeits-süchtige Attitüde, die Filmleute auch im richtigen Leben mitunter schwer erträglich macht.

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                      • Wieso ist sie nur die Stimme? Ich sehe da viel mehr expressive Vielfalt als bei ihrem Bodydouble Kristen Stewart...

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                        • Sagt der Frosch: Willem
                          Sagt der Papagei: Dafoe!

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                          • Hach, da denke ich an mein geliebtes Filmland Frankreich. Da kann man diese Abos schon lange für wenig Geld (ein befreundetes Pärchen zahlt zusammen 30€ im Monat) in Anspruch nehmen. Die Abos gelten zwar nur für die jeweilige Kette, doch zeigen die entweder alle Filme von Blockbuster bis Arthouse, oder haben Kooperationen mit Programmkinos, so dass die Franzosen mit einer Abokarte wirklich alle Filme sehen können, die regulär laufen. So oft sie wollen. In 3D. Und Überlänge. Originalversion UND Synchro. Das Ergebnis: Franzosen sind viel eher bereit, auch mal ein kleines Wagnis mit einem Film einzugehen als Deutsche. Dadurch sind sie viel toleranter, was Genrevielfalt angeht und haben ihrem Land zu einer bedeutend unterhaltsameren Kinolandschaft verholfen, als hier. Und hier?! Cinemaxx hat ein Abo für 34€ und 41€ pro Monat, aber dafür gibt's nur synchronisierte Filme, und auch nicht alle. Und nur in einem Kino in Berlin. York ist etwas billiger und auch in OV, aber nur Programmkino. Traurig das Land, das keine Flatrate hat.

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                            • 9

                              Wow, ein toller Film: Hemmungslos sentimental, wunderschön gefilmt, episch erzählt. Aber für mich war es besonders der Twist am Ende, der den Film zu etwas ganz Besonderem erhob und mehr aus Life of Pi machte, als ein schönes Kino-Abenteuer.

                              Es gibt ja alle möglichen Definitionen dessen, was nun den Mensch im Unterschied zum Tier ausmacht. Mir hat als alter Film und Bücherfan immer jene am besten gefallen, wonach der Mensch das einzige Tier ist, das sich Geschichten erzählt. Life of Pi würdigt diese Besonderheit der Menschheit und zeigt dabei auch, wie weitgreifend unser Bedürfnis zu erzählen unser Leben beeinflusst.

                              (Ab jetzt SPOILER): Wie wir am Ende erfahren, hätte Pi die Geschichte auch anders erzählen können. Die Geschichte die wir gesehen haben, ist eine Geschichte der Erlösung, eine Geschichte die einem Unglücksfall Sinn abgewinnt und einer wilden Bestie eine Seele gibt. Die alternative Geschte ist umgekehrt zwar 'realistisch', aber eine Geschichte der Verwilderung, die Menschen zu Bestien macht und der Sinnlosigkeit menschlichen Leids. Wie Pi sagt, haben beide Geschichten in ihrem Ausgang dasselbe Ergebnis und es bleibt dem Zuhörer überlassen, welche Geschichte er für wahrhaftiger hält. Beide Geschichten sind, so legt der Film nahe, wahr in ihrem Ergebnis, aber die Tigergeschichte ist wahrhaftiger auf einer tieferen Ebene, da sie den Menschen mit dem erlebten aussöhnen lässt.

                              Vor dem Beginn der eigentlichen Geschichte wird angekündigt, dass sie die Existenz Gottes erkennbar werden lässt. Dies Geschieht indirekt, denn sie zeigt eigentlich nur, dass auch Religion nichts anderes als eine große Geschichte sind, die zwar an den existenziellen Fakten des Lebens nichts ändert, aber dem Leben Würde verleiht, indem sie den Launen des Schicksals und dem Verhalten des Menschen einen moralischen Wert gibt. Der Film ist auch clever genug, sich da nicht auf einzelne Religionen festzulegen und sogar Religion nur als ein abstraktes Weltverständnis, nicht als Doktrin zu beschreiben. Alle drei Reiligionen, denen Pi anhängt, erreichen Pi nämlich nur als Geschichte: Den Hinduismus durch die Geschichten seiner Mutter, das Christentum durch die Geschichten des Priesters und den Islam durch die Gebetsrufe in der Moschee.

                              Dass es eher um die ganz allgemeine Natur des Menschen als Geschichtenerzähler geht, die dem Universum einen Sinn zu geben versucht, als den lieben Gott, zeigt auch die Struktur des Filmes, die eher an die Wette von Blaise Pascal erinnert und genau genommen noch über den Film hinaus geht: Schließlich lest ihr gerade meine Geschichte über einen Film, der von einem Schriftsteller handelt, der ein Buch über einen Mann schreiben will, der ihm eine Geschichte erzählt, die er als Kind erlebt hat.

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                              • "Es sind eine Menge Hinweise über kinox.to bei uns eingegangen. Der derzeitige Stand der Ermittlungen ist: Sie scheinen deutsch zu sprechen und etwas mit IT zu machen." :D

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                                • Wie schafft man es als Schauspielerin scheinbar ausschließlich in Filmen mitzuspielen, deren Titelschriftzug einen Rot-Gelb Farbverlauf hat? Das nenne ich Typecast...

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                                  • 8
                                    über Gravity

                                    Kleine Anekdote: Als ein Filmprofessor von mir im Kino eine Dame hinter sich ermahnte, die immer an den leisen Stellen im Film zu schnattern begann, entgegnete diese ihm uneinsichtig, dass doch gerade eh nichts wichtiges zu hören ist. Daraufhin antwortete er ihr mit den Worten: "Madame, auch die Stille ist ein Teil der Tonspur."

                                    Auf kaum einen anderen Film trifft diese Weisheit mehr zu, als auf Gravity - was das Kinoerlebnis allerdings sehr schwierig gestaltet. Selbst das leise Popcorn-Kauen meines Sitznachbarn war eine wahnsinnige Stöhrung. Dabei muss man Gravity eigentlich im Kino sehen, denn so wenig man hören kann, umso mehr gibt es zu sehen. Der Film hat es sich ganz zur Aufgabe gemacht, die Einsamkeit des Individuums in den Weiten eines gleichgültigen Weltalls für den Zuschauer spürbar zu machen. In dieser Einsamkeit kann Trost liegen, aber auch das Grauen. Beides erzählt uns Cuaron nicht, er lässt es uns erleben. Selten war ich im Kino emotional so eingebunden in die Empfindungen einer Figur, wie hier, und das obwohl die Handlung mit meiner Erfahrungswelt rein gar nichts zu tun hatte. Mehr kann Kino nicht erreichen.

                                    Für dieses unglaubliche Kinoerlebnis verzeihe ich dem Film auch sein mitunter schockierend faules Drehbuch, dass die eigenen Prämissen verrät, sobald der nächste Plotpoint erreicht werden muss.

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                                    • 0

                                      Ein Film, der anscheinend einzig und allein zum Zweck gedreht wurde, um damit Schüler im Geschichtsunterricht zwei Stunden lang zu beschäftigen - mit LK im Anschluss. Die moralische schwarz-weiß-Malerei und oberlehrerhafte Attitüde, mit der die Figuren in hölzernen Dialogen historische Daten und Fakten herunterbeten, die ihre Dialogpartner sicher schon wissen, sind schon unfreiwillig komisch. Alle Nazis brutale Folterer. Der einzige der keiner ist, wird natürlich Widerstandskämpfer. Elser hingegen der einzig unfehlbare Superdeutsche in einem Heer von Mitläufern, der vor lauter moralischer Überlegenheit mehr Karikatur als Mensch ist. Es gibt in diesem Film absolut nichts, was nicht von vorn bis hinten Widerstandsfilm-Klischee ist, was auch nur die geringste Grauzone wäre, was auch nur einen neuen Gedanken im Zuschauer provoziert.

                                      Brauchen wir wirklich noch mehr Filme, die nicht mehr sein wollen, als moralisch überlegene unkritische Heldenverehrung über Figuren der deutschen Geschichte? Die keine höheren inhaltlichen Ansprüche haben, als die Zuschauer in dem zu bestätigen, was sie eh schon wissen. Die keine höheren künstlerischen Ansprüche haben, als Wikipedia-Artikel zu bebildern?

                                      Diese Art von Pädagogen-Film soll bitte endlich sterben, damit Filmemacher, die wirklich etwas zu sagen und zu zeigen haben, von den frei werdenden Fördergelden profitieren können.

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                                      • 8 .5
                                        über Louie

                                        Ich war sehr skeptisch, denn Louis C.K. wurde mir als vulgär, ein Arschloch, politisch unkorrekt und pervers beschrieben. Was für einige anscheinend ein Qualitätssigel ist, hat mich eher abgeschreckt und im schlimmsten Fall an Ingo Appelt, im Besten Fall an Nils Ruf erinnert. Doch Louie geht in eine ganz andere Richtung. Die Serie trieft vor Melancholie zwischen all den derben Witzen und selbst wenn Louis "politisch unkorrekt" ist, dann nie um mit einem Tabubruch ein paar billige Lacher unter den geistig Armen zu kassieren oder die Bestätigung des Pöbels zu erbetteln. Louics C.K: macht immer deutlich, dass seine Figur Louie auch eine Kunstfigur ist und er sich als Autor sehr bewusst darüber ist, was hinter den Tabus, den Beleidigungen, dem Rassismus, dem Sexismus und der Homophobie steht. Dies macht ihn nicht nur ungeheuer witzig, sondern auch sehr nachdenklich, klug, und regelecht moralistisch im weitesten Sinne - allerding immer auf die angenehme Art.

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                                        • 6 .5
                                          über Zardoz

                                          Sean Connery kämpft als futuristische Dorothy in einer roten Brüno-Lederhose gegen frigide Emo-Hippies in fliegenden Steinköpfen. Noch Fragen?

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                                          • 8 .5

                                            Wer von Inside Llewyn Davis das typische Künstler Künstler-Biopic nach dem Schema "Vom Tellerwäscher zum Millionär" erwartet, der kenn die Coens und ihr Weltbild schlecht. Wie auch in allen anderen Coen-Filmen sind hier die Ambitionen größer als die Fähigkeit sie umzusetzen. Heraus kommt die Anti-Odyssee und ein Coming-of-Age Film, bei dem die Reife einfach nicht kommen will. Den Grund hierfür sieht man im Vergleich der staunenden Augen und der wilden Energie des Katers, der New York als seine Spielwiese sieht, und den stets müden traurigen Augen von Llewy Davis, für den die Musik nur das kleinere Übel ist.

                                            Doch die Coens schauen nie herab auf ihre Figuren - im Gegenteil! Inside Llewyn Davis ist die große traurige Hymne an alle Künstler, denen außer ihrer Kunst nichts bleibt im Leben. An die vielen Tausend da draußen, für die der große Erfolg immer nur ein Traum bleiben wird.

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                                            • 7

                                              Ich bin mir noch nicht ganz sicher, was ich von Killing Them Softly halten soll. Einerseits fand ich die politischen Kommentare zu plump und aufdringlich in den Film hineingestanzt - noch dazu waren sie ziemlich flach und halb auf dem "die da oben machen ja eh was sie wollen"-Niveau von Bildzeitungslesern: Egal ob Demokraten oder Republikaner - am Ende ist Amerkia keine Idee sondern ein Bussiness und die Schwachen müssens ausbaden. Diese Einsicht ist jetzt nicht gerade neu. Die Action und die Story mussten drunter leiden und wirkten zum Ende hin ziemlich abgehackt. James Gandolfini und Ray Liotta so lieblos zu verheizen ist auch eine Sünde, die schwer zu verzeihen ist. Aber ich schätze den Versuch Dominiks einen Gangster-Film zu drehen, der mehr sein will, als Blut und Geballer. Das nächste Mal aber bitte subtiler und gern auch länger.

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                                              • 7

                                                Beasts of the Southern Wild übertreibt es ein bisschen mit der Romantisierung der extremen Armut in Bathtub. Ein Vater, der die Wohnung mitdemoliert, einer sechsjährigen Schnaps zu trinken gibt, sich aus Stolz nicht ärztlich behandeln lassen will und stattdessen seine Tochter für seinen bevorstehenden Tod 'abhärtet' mag ja auf der Leinwand mitunter berührend wirken, aber auch nur da. Dafür entschädigen die großartigen Bilder, die tollen Off-Kommentare und das melancholische Ende.

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                                                • 8

                                                  Ich verstehe natürlich sehr gut, was der geneigte Filmfreund an diesem Film kritisieren kann: Amerikaner auf dem Euro-Trip sind eine Plage, egal ob sie Pro oder Contra Paris sind. Aber Woody Allen gelingt es so gut diesen speziellen Reiz von Paris einzufangen. Eine Stadt, in der viele vergangene Epochen präsenter sind, als in irgendeiner vergleichbaren Metropole und die genau dadurch ihren Reiz gewinnt, dass der eine sich beim Anblick der Cafés und Boulevards sich an die Regisseure der Nouvelle Vague erinnert fühlt, der andere an Hemingway, der dritte an Paul Gaugin und der vierte an Ludwig den XIV oder Napoleon. Nirgendwo fühlt man sich mehr vom Umstand angewiedert, dass man zu einem Leben in der Gegenwart verdammt ist - und genau daran hat mich der Film so wunderbar erinnert, dass ich ihm seine Schwächen gern verzeihe.

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                                                  • Jetzt hab ich mich doch mal durchgequält und muss sagen: Du zeigst die zweitschlimmste Engstirnigkeit nach "Da gibt es nichts zu interpretieren". Du sagst: "Es soll nur eine Interpretation geben." Jetzt ist die faschistische Ästhetik bei Zack Snyder schon eine "unumstößliche Tatsache". Bei jemandem, der seine Texte so durchgestaltet, gehe ich mal davon aus, dass dieses Pfuiwort kein Ausrutscher ist. So etwas wie 'Unumstößlichkeit' gibt es vieleicht in manchem Ego, aber nicht in der Hermeneutik. Da gibt es nur Plausibilitäten aus Kongruenz und Reichhaltigkeit. Gerade im Bezug auf die Fortsetzung zu 300 hat Herr M. Schmitt jr. in seiner Filmanalyse ja auch eine ganz plausible alternative Leseart. Ich hoffe, dein Text ist nicht als Antwort auf sein Video gemeint.

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