SmooliEntertainment - Kommentare

Alle Kommentare von SmooliEntertainment

  • 8 .5

    Es ist mittlerweile mehr als zwei Jahre her, dass ich Malicks Arbeit von Baulands - Zerschossene Träume bis The New World durchgeschaut habe. Ich vermag mich nicht zu erinnern, ob Müdigkeit oder eine technische Behinderung dazu führte, dass ich aufhörte seine Filme zu sehen. Doch hatte ich alle Werke mindestens überdurchschnittlich bis sehr gut in Erinnerung. The Tree of Life schließlich setzt seiner mir bekannten Filmographie eine wohl verdiente Krone auf. Das Werk, das Malick nach Days of Heaven begann und erst Dekaden später realisieren konnte, macht sich die Zeit als Element der Erzählung ebenso selbstverständlich und visionär zu eigen wie einst Stanley Kubrick in 2001. Letzterer springt von der Zeit des Affen ins Jahr 2001, Malick springt aus den 50ern zum Urknall. Er erzählt von den Beginnen, er erzählt von Liebe und Macht, Glauben und Hass. Besonders beeindruckend - sicherlich neben der großartigen Arbeit von Emmanuel Lubezki und Douglas Trumbull der größte Faktor für die Wirkung des Films - ist die Schnittarbeit von Malick. Ganze fünf Cutter hat der Herr engagiert; The Tree of Life ist ein Dokument von Malicks Arbeitsprozess und -philosophie in der Postproduktion. Wie wild werden die ruhigen, sanften, poetischen Einstellungen aneinandergereiht. Aus dem Prinzip des unsichtbaren Schnitts des klassischen Erzählkinos wird ein Prinzip des omnipräsenten Schnitts. Jeder Schnitt reizt den Verstand des Zuschauers, Verbindungen herzustellen. Malick fordert den Zuschauer heraus und bringt ihn dazu, derart viele Verbindungen zu erstellen, dass die Seele sich vom Körper zu trennen scheint. Der Verstand arbeitet auf Hochtouren, der Körper entspannt ob der tranceartigen Kraft der Bilder, die zwischen den Schnitten zu sehen sind. Ein Film, der sich als belohnenden Kraftakt der visuellen Ruhe beweist.

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    • 7

      Was muss man sich nicht alles gefallen lassen, als einer der heute irgendwie vergessenen, damals aber ganz großen Filmschaffenden, wie Paul Schrader sie verkörpert? Damals mit dem Buch zu Taxi Driver und der Regiearbeit bei beispielsweise Mishima: A Life in Four Chapters immer wieder Garant für herausragende Filmkunst abseits der Gewohnheiten, heute… wenig. Was war eigentlich das letzte Projekt, das man von ihm aufmerksam verfolgt hat? Eigentlich auch egal, denn Schrader ist jetzt wieder da, hat sich mit Nicolas Cage und Willem Dafoe zwei alte Bekannte mitgenommen (beide kennt er durch Marty Scorseses Arbeiten) und macht einen auf William Friedkin. Der hat nämlich sein bislang letztes Regie-Werk Killer Joe dem Publikum so wunderbar süffisant vor den Latz geknallt, wie es nur solche alten Hasen können, die die Filmlandschaft noch anders kennen. Jene, denen Jahr für Jahr gesagt wird, sie könnten keine Gewinne mehr generieren. Diese, die dann einen filmischen Mittelfinger aufs Zelluloid bannen. Gelobt seien sie.

      Dog Eat Dog ist dann auch schließlich einer dieser Filme geworden, bei denen man dem Regisseur anmerkt, dass er (und das schreibe ich nun mit jedem erdenklichen Maße an Respekt) im Alter immer noch gehörig auf die Kacke hauen kann. Schrader empfängt den Zuschauer mit einer vorsichtigen Ausgangslage. Im TV läuft eine Talkshow, wo ein Verfechter der Zweiten Erweiterung der Verfassung der Vereinigten Staaten (in der das Recht auf Waffenbesitz garantiert wird) mit dem Moderator argumentiert, weshalb es einfach eine Pumpgun braucht, um ruhig schlafen zu können. Über dieses Bild lässt Paul Schrader ganz nüchtern seinen Namen einblenden. I’m back, bitch. Und jetzt halt dich fest. Man mag nämlich zunächst einen bemitleidenden Ton zu erhaschen meinen. Schrader distanziert sich klar von dem Waffen-Idioten da im TV, aber nicht auf eine sachliche Art und Weise, sondern indem er jegliche Richtwerte hinter sich lässt und einfach alle Moralitäten in den Boden stampft. Wer eine Pumpgun braucht, um sein Haus vor koksenden Irren zu beschützen, der vergisst bestimmt, dass auch koksende Irre (darf ich vorstellen: Willem Dafoe) eine Pumpgun besorgen können.

      Schrader zeigt; wir leben in einer schrecklichen Welt, in der der Schrecken durch die Medien noch künstlich aufgeplustert wird - obwohl das gar nicht nötig wäre. Der Regisseur weiß das und sagt dem den Kampf an, indem er ebendiese ins schwer zu Konsumierende erhöht. Er versucht, die Welt mit den eigenen Mitteln zu schlagen. Grund zur Besserung/Änderung in den Medien - auch im Kino - ist selten Rationalität, sondern einfach Übersättigung. Schrader positioniert die Kamera mehrmals extra in einer besseren Position, um die Gewalt, das Blut und alles was so dazu gehört besser im Frame zu haben. Er spielt dabei immer wieder mit inszenatorischen Regeln, mit Humor, Geschmacksgrenzen, testet diese aus, mal mit Applaus, mal mit Abneigung als Ergebnis - verlieren tut er den Zuschauer dabei nie. Es ist nämlich bewusst, dass es hier um wichtigeres geht, als darum, mal wieder von irgendeiner Formulierung eines dahergelaufenen Idioten im Namen anderer beleidigt zu sein. Schrader dehnt mal aus, dann staucht er wieder zusammen. Er fabuliert und musiziert, dirigiert und inszeniert. Er macht alles, worauf er Lust hat in dem Stil, auf den er gerade Lust hat. Er geht von den 2010ern in das antike Griechenland, von den 40ern in die Generation Facebook. Müde wird er dabei nicht. Und auch wenn er wenig bis gar nichts dem Zuschauer vorgekaut und unterschrieben am Ende darlegt, so reißt er doch viele Gedanken an. So viele, dass man am Ende gar nicht sicher ist, ob man jetzt totale Grütze oder das Werk eines Genies gesehen hat. Momentan stimme ich für letzteres.

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      • 7

        Der dritte und letzte Teil von Wim Wenders’ Roadmovie-Trilogie (Alice in den Städten, Falsche Bewegung und Im Lauf der Zeit) ist gewissermaßen eine direkte Fortführung im größeren Stil von Alice. Während Alice über die Fotografie und das Fernsehen erzählte, zeigte, wie die Menschen versuchen sich in ihrer wundersamen Wirkung zu verlieren, wie der Bilderrausch immer ausbeutender und aufsehenerzwingender wird. Hier jedoch geht es Wenders um die große Liebe Kino. Der Film von 1976 ist in schwarz-weiß gedreht, dauert 176 Minuten und ist überaus ruhiges Autoren-Kino. Ausbeutend und aufsehenerzwingend ist hier gar nichts, viel mehr fordert Wenders von seinem Publikum eine neue Herangehensweise ans Kino. Eine, die sich tiefergehend mit dem Medium auseinandersetzt und dem Film Respekt und Geduld entgegenbringt. Leider ist das heutzutage anscheinend schon zu viel verlangt. […] Wenders baut eine immens enge Beziehung zwischen den Figuren und dem Publikum auf und versucht darüber, das persönliche Kino zu retten. Ein Versuch, der nun rückblickend gesehen zum Scheitern verurteilt war. Aber ist Wenders auch gescheitert? Ist er das wirklich, wenn es immer wieder Zuschauer gibt, die den Weg zu Im Lauf der Zeit finden, die sich befreien lassen und für drei Stunden überzeugen lassen, dass das Kino so lebendig ist wie eh und je. Deshalb folgt Wenders seinen Figuren bis in intimste Momente (buchstäblich bis zum Defäkieren in der Natur). Deshalb zeigt er seine Figuren beim Ausführen von Kino in seiner Reinform. Robert und Bruno vollführen Schattenspiele hinter der großen Leinwand für ein Publikum bestehend aus Kindern. Licht und Dunkel verzaubert das junge Publikum - wohl auch deshalb hat Wenders den Film in schwarz-weiß gefilmt. Es braucht nicht viel, um die Magie des Kinos aufleben zu lassen. Und dass sie langsam schwindet hängt auch mit der filmischen Sozialisierung zu tun. Jeder hat die Chance, den Stand des Kinos zu verbessern und Filme zu respektieren. […]

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        • 6

          […] So zeigt sie eine Episode in einem Kindergarten, wo die Kinder bereits im jungen Alter die Lobeshymnen auf den Führer des Landes auswendig singen. Dabei entlarvt sich das Land zunächst selbst, wenn sie mit stolzgeschwellter Brust diesen Ort zur Schau stellen wollen und dabei jedoch nur überaus bittere Gesichter des westlichen Publikums ernten. Doch erzählt das irgendwie mehr über uns als über das Land Nordkorea an sich. Zudem wäre die gerümpfte Nase des westlichen Zuschauers einmal mehr ein vorgefertigter Elitärismus, geprägt durch unsere Massenmedien. Und an dem ist Cho keine Sekunde lang interessiert. Auch deshalb folgt auf die singenden Kinder eine Episode über einen Bauern auf dem Lande. Und als der uns erzählt, dass sein Glaube an den Führer die Motivation seines Lebens speist, da kommt das so vom Herzen, dass man ihn wirklich nicht als weiteren indoktrinierten und abgestumpften Bürger abtun kann. Hier beginnt die Doku die rein informierenden und interessanten Aspekte hinter sich zu lassen und begibt sich in einen Bereich, in welchem vom Zuschauer reflexive und selbstkritische Gedankenarbeit gefordert wird. […]

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          • 8

            […] Mit der Reise fängt es an. Ein Flugzeug fliegt lange Zeit ins Nichts. Der Himmel ist konturlos grau und obwohl die Kamera auf dem Boden steht, kommt lange Zeit kein Gegenstand, keine Vegetation ins Bild, die dem Zuschauer einen Anhaltspunkt geben würde. Keine direkte Information wird dem Publikum gegeben, sehr wenig direkte Information über den Ort der Szenerie. Ein verlassener Strand, das kalte Meer, die Schwelle zur Welt. Das Meer, das stets einladend aussieht, obwohl die Wellen in Richtung des Betrachters donnern. Hier ist der erfolglose und desillusionierte da inspirationslose Reporter Philip (Rüdiger Vogler, Im Lauf der Zeit), der immer gleiche Fotos macht. Es scheint ganz so, als würde er nachsehen wollen, ob die Realität und die Wahrheit seiner Bilder sich irgendwann ändern würden. Die kleine Alice beschreibt seine Fotos später als „leer“.

            Und tatsächlich sind sie das. Auf den von ihm geschossenen Fotos fehlen manchmal plötzlich Teile, Menschen, Ob- und Subjekte. Wenders spielt hier natürlich mit der Realität und der vertrauensvollen Wahrnehmung des Zuschauers, indem er vorhin Gesehenes als Täuschung anreißt - und die Entscheidung, was nun wahr ist, dem Zuschauer überlässt. Philip ist in einer Schaffenskrise, er hält wenig von der Aufgabe seines Jobs, führt ihn nicht aus und verliert schließlich die Perspektive und Orientierung in seinem Leben. Schließlich gelangt Philip nach New York. Eigentlich die Stadt der Freiheit, für ihn die Stadt des Zwangs und der unangenehmen Verantwortung. Eine letzte Station vor der Freiheit. Er will fliehen und begibt sich noch einmal in die Höhle des Löwen, um das Handtuch zu werfen. […]

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            • 8

              […] Ein weiteres signifikantes Element des New Hollywood war von Beginn an die Montage. Jump Cuts begeisterten die Filmwelt, Match Cuts wurden zur Perfektion getrieben und was macht Friedkin? Der verbindet Dinge, die nicht verbunden werden sollten und macht das so geschmeidig und genial, dass man vom Sofa aufstehen und applaudieren möchte. Von den Blutergüssen der Ehefrau wird zur Fluchtfahrt vom Überfall geschnitten, die Orgelmusik der Kirche verbindet beide Szenen miteinander. Später, wenn Arbeiter in Lateinamerika bei einer Öl-Explosion ums Leben kommen und die Trauerzüge nachts durch das Dorf ziehen, dann übernehmen die Wehmuts-Schreie den Platz der Orgelmusik und werden dank Szeneriewechsel alsbald zum Schrei der Freiheit.

              Es sind jedoch nicht nur Kapitalismus und Glauben, die Friedkin hier entlarvt, es ist auch seine große Hassliebe, Amerika, das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Der amerikanische Traum der Freiheit wird in Sorcerer, so der Originaltitel, der Absurdität preisgegeben. Kurze und überraschende Momente der Ausgelassenheit weichen dem plötzlichen Verderben. Und wenn die Nitroglyzerin-Kästen die letzten Kilometer zu Fuß getragen werden, dann stellt sich die Frage nach dem Warum schon längst nicht mehr. Alle Rationalität ist abhanden gekommen, nur die Frage nach dem wie existiert noch. Und Scheider torkelt einmal mehr über eine blutrot glänzende Straße, über den Pfad der Verdammnis in seine eigene Hölle, aus der doch eigentlich entkommen wollte. […]

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              • 6 .5

                […] Aufschneider ist natürlich, wie etwa Zettelpuppe oder Winkeladvokat, ein herablassender Begriff für Pathologen, Chirurgen und derer ähnliche Berufe. Generell ist der Film, dem Titel zum Trotz, seinen Figuren jedoch nicht bösartig gesinnt. Viel mehr beobachtet der Regisseur David Schalko (für Braunschlag gefeiert), der zusammen mit seinem Hauptdarsteller Josef Hader auch das Drehbuch schrieb, mit einer gewissen Nonchalance, einer Prise Schadenfreude und einem immer wieder gefühlvollen Momentum, das sich in überschaubaren Abständen seinen Figuren auf einer tieferen Ebene widmet. Das ist vor allem dann richtig angenehm, wenn man bedenkt, dass das totale Chaos in Aufmacher bereits nach fünf Minuten vorprogrammiert ist.

                Dr. Fuhrmann (Josef Hader, aktuell in Vor der Morgenröte zu sehen) ist egoistisch und gibt keine fünf Pfennige auf seine äußerliche Erscheinung. Er hat sich nicht damit abgefunden, dass seine Frau jetzt seine Ex-Frau ist, niemand mag ihn auf der Arbeit, er nervt seine Umwelt mit seinem ewigen Zynismus und treibt alles so weit, dass selbst seine Tochter, die grad erst zu ihm gekommen ist, schon wieder abhaut und bei Fuhrmanns neuem Assistenten Unterschlupf und mit ihm einen Liebhaber bekommt. Das würde zwar schon genügen, um jeden Menschen zur Weißglut zu treiben, aber schönes Detail ist dabei noch, dass seine Frau, ähm, Ex-Frau jetzt mit dem snobistischen Chirurg aus dem gleichen Krankenhaus liiert ist. Es sind wohl diese Umstände, die Fuhrmann immer wieder zu Aussagen verleiten, die auch mal „Eigentlich ist er schön, der Krebs.“ lauten können. […]

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                • 7
                  über Skandal

                  […] Die Logik der Journalisten ist dabei unfehlbar. Was passiert, wenn die Wahrheit rauskommt und die Zeitung als Lügenpresse diffamiert? Das wird nicht passieren. (Fotos, das sind die Wahrheit.) Was passiert, wenn Saijo und Aoye klagen? Dann steigert sich Auflage, Verkauf und Umsatz der Zeitung. Logik und Geschäftsmodell gehen Hand in Hand, für Moral ist dabei wenig Platz vorhanden. Die Zeitungen haben einen Machtbereich, der viel größer und feingliederiger ist als der der Judikative. Alsbald entfaltet sich eine Spirale aus Subjektivität (der Rashomon-Effekt, den Kurosawa im gleichen Jahr mit dem so genannten Film behandelte), Gier, Macht und allgemeiner Böswilligkeit. Und wenn der Gerichtsprozess beginnt, dann positionieren sich die vielen Kameras der Medien im Saal und bewegen sich synchron wie Balletttänzer im Takt mit den relevanten Personen. So wird aus dem Ernst des Lebens für die Angeklagten schnell ein künstlerisches Produkt für die Masse. Unberuhigend ist, wie wenig sich dahingehend tatsächlich geändert hat, wie zeitaktuell dieses Werk noch immer ist. Beruhigend ist, dass Kurosawa am Ende zeigt, dass jeder angebliche Skandal ebenso beständig ist, wie ein Laubblatt im Herbstwind. […]

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                  • 7
                    über Frenzy

                    […] Der Film beginnt mit einem majestätischen Gleitflug über die Themse in London. Hier sind wir also nun, fernab von den abgeschiedenen Motels, fernab von den Penthouse-Wohnungen einer Großstadt oder Mount Rushmore. Stattdessen sind wir in einer Industriemetropole, überall raucht und dampft es, von den riesigen Wolkenkratzern Manhattans ist die Stadt weit entfernt. Am Ende des Fluges über den Fluss wartet eine extreme Aufsicht auf eine Versammlung von Menschen, die einem Redner zuhören. Mr. Hitchcock ist in dieser Menge natürlich inbegriffen. Kurz darauf entdecken einige Vertreter aus dieser Versammlung eine Leiche im Fluss, über den der Zuschauer noch eben glitt. Hitch stellt lakonisch eine Verbindung zwischen dem Zuschauer und dem Mörder her. Seine ganze Karriere lang wurden seine Filme als zu brutal, hässlich, unmenschlich und noch weiteres kritisiert; vergessen wurde dabei eines: Niemand zwingt ein Publikum, sich einen Film anzuschauen. Mitgefangen, mitgehangen; der Zuschauer ist selbst Schuld, wenn er sich gerne das Grauen ansieht, das von einem Hitchcock-Film ausgeht. Nicht nur in der Manier scheint Frenzy ein aufgewecktes Fazit einer großen Karriere zu sein. […]

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                    • 7

                      […] Der Film über Schönheit quillt dem Werk dabei aus jeder einzelnen Pore. Nicht nur, dass Refn hier immer wieder neue Wege findet, bekanntes darzustellen; der ganze Film sieht aus wie eine Hochglanzfotografie oberster Qualität. Schönheit ist dabei jedoch eine trügerische Eigenschaft. Sie kann sicherlich viel bewegen, sie kann zu Reichtum führen, sie kann das Leben eines Menschen bestimmen. Aber sie kann auch Laster sein. Dabei kommt natürlich zunächst Narziss aus der griechischen Mythologie in den Sinn, der sich in sein Spiegelbild verliebte. Spiegelbilder sind dabei ein Element in The Neon Demon, das Beachtung verdient; zunächst dient es dem Schutze, später der Versicherung und schließlich - es wurde angedeutet - wird zum schmerzhaften Laster. Doch die Gefahr der Schönheit kann auch von Dritten ausgehen. So zum Beispiel von Hank (Keanu Reeves!, John Wick), dem das Motel besitzt, in dem Jesse zunächst wohnt. Der wird von der Schönheit angezogen, doch kommt sie für ihn im Einklang mit einer sexuell-gewalttätigen Konnotation. Impulsartig macht er sich dran, sie zu zerstören. […]

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                      • 3 .5

                        Wie kommt dieser knackbescheuerte Müll denn auf einen Durchschnitt von 6?! :D

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                        • 7

                          […] In tristen und kalten Bildern erstreckt sich das Leben von Klaus Roth (Tom Schilling, Oh Boy), der schon kein mustergültiger Mensch zu sein scheint, bevor er den entscheidenen Auftrag bekommt, für den er Undercover in einen Wettmafia-Ring eingeschleust werden soll. Als verdeckter Ermittler in die Höhle des Löwen und das Herz der Kriminalität. Wir lernen Roth kennen, als er Eishockey spielt und eine beherzte Keilerei mit Kollegen entstehen lässt. Kurz darauf wird er offiziell verhaftet, abgeführt und irgendwo im deutschen Nirgendwo mit seinem neuen Chef konfrontiert. Der wird von niemand geringerem als Jens Albinus (Idioten) verkörpert, der seiner Figur ein herrlich abgehalftertes Aussehen verpasst. „Wer sich irgendwann nicht mehr an seine eigenen Lügen erinnern kann, ist ein toter Mann.“ Er sagt das so daher, aber die Aussage verfehlt nicht an Wirkung. Im Gegenteil, die Kraft der Aussage kommt mit einem Schlag und sinkt dann immer tiefer ein. In Momenten wie diesen versucht man stets, seinen Verstand um die Aussagen zu wickeln, ihre Reichweite zu verstehen - und stößt dabei teilweise an seine Grenzen. […] Der Regisseur Kadelbach zeigt intensiv, wie das Leben eines verdeckten Ermittlers ablaufen kann. Immer tiefer wird Roth aka Milan in das Geschehen gezogen, tiefer in die Familie, tiefer in die Kriminalität, tiefer in den Strudel des Verderbens. Kadelbach schwört dabei männliche Idealbilder herauf, um sie im nächsten Zug direkt brutal scheitern zu lassen. Der Auftragsmord als Beweis der Treue und Männlichkeit in dem einen Moment, der provozierte Schnupfen im nächsten Moment. Das Wehwehchen, das Roths Kopf aus der Schlinge ziehen soll. Doch das Damoklesschwert bleibt über Roth hängen und droht stets, ihn zu zerstören. Die titelgebende kurze Distanz wird dabei immer wieder zum Gegenstand des Films. Sei es die Entfernung zwischen Täter und Opfer, zwischen Ermittler und Verdächtigem, Figur und Kamera oder auch ganz schlicht zwischen Verlust und Gewinn. In dieser Welt kann es nur einen Gewinner geben. Und der Gewinner ist immer der, der sich ohne jegliche Grenzen bewegen kann. […]

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                          • 5 .5

                            […] Wir leben in Zeiten, in denen ein Mann Präsident des mächtigsten Landes der Welt werden möchte, der gegen jede Bevölkerungsgruppe zu wettern scheint, die ihm grad so vor den Latz geknallt wird (und dann auch noch hohe Zustimmung zugestanden bekommt). Da wirkt es fast schon knuddelig im Bud Spencer-Sinne, wenn der korrupte Paul Dinge sagt, wie „Ich glaube, ich lasse ihn mal meine vorsichtige linke Faust riechen.“. Paul ist ein impulsiver Choleriker, der von Gier getrieben ist und keinerlei Würde in sich trägt. So scheint es zumindest zu Anfang des Films. Größe wird Paul erst noch erlernen müssen, aber das ist vollkommen in Ordnung. Es widerspricht allerdings auch ein Stück weit dem gängigen Film Noir-Mechanismus, das den Helden am Ende an seiner Aufgabe scheitern sehen will. Das Genre steckt hier noch in seinen Kinderschuhen, das ist überaus deutlich. […]
                            "Der Gläserne Schlüssel" ist ein frühes Werk des Film Noir und als solches durchaus sehenswert. So lässt sich hier nicht nur schön erlernen, wie ein Genre mit sich wächst und wie es entwickelt wird, denn der Film von Stuart Heisler verspricht zudem unterhaltsame neunzig Minuten. Diese hätten zwar hier und da abgespeckt werden können, doch exerzieren sie überaus zielstrebig den gegebenen Konflikt durch und zeigen auf, wie Wut in Unvernunft, Unvernunft in Gewalt und schließlich in Hass umschwenken kann. Das ist zwar stets sehr einfach gehalten, hat jedoch auch immer noch seinen unverkennbaren Charme.

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                            • 7
                              über El Club

                              […] Als zu Beginn des Films ein Neuankömmling in dem „Clubhaus“ von einem Fremden beschuldigt wird, Kinder missbraucht, sich selbst befriedigt und weitere Sexualstraftaten begangen zu haben, wird ihm eine Waffe in die Hand gedrückt. Er soll dem Fremden ein wenig Angst einjagen, stattdessen jagt er sich eine Kugel durch die Schläfe und bricht tot auf den Treppenstufen zwischen Straße und Haus zusammen. Das Blut wird später von Monica (Antonia Zegers) abgeschrubbt werden und auf die Straße laufen, während eine Stimme von Vergebung und Erbarmen singt. Kühler kann man mit einem Verzweiflungssuizid gar nicht umgehen, desinteressierter kann Mimik gar nicht aussehen. In dieser Nüchternheit scheint eine gewisse Süffisanz durchzuscheinen, die Larrains Position zu diesem Inhalt klar definiert. Doch zeigt sich in dieser Szene auch, wie so oft, dass die christliche Kirche ein einziges Paradoxon darstellt. […] Denn wenn sich der von der Kirche geschickte Seelsorger (der eigentlich nur überprüfen soll, ob von den Männern des Clubs eine Gefahr für die Kirche ausgeht), als einigermaßen sadistischer Machts-Masturbierer entpuppt, der den Männern beweisen will, wie klein und machtlos sie ihm gegenüber sind, da fragt man sich, wo die Grenzen der Vernunft bei Glauben eigentlich verlaufen. Kirche und Glauben werden stets instrumentalisiert. Personen, die sich als Vertreter Gottes inszenieren, tun dies nie mit Logik oder Argumenten, dafür stets mit Härte; denn wer weiter geht, der scheint einen guten Grund zu haben. Interessant ist, dass Gott in diesem Film gar nicht Gegenstand der Handlung ist. Ob er noch existiert, ist eine berechtigte Frage, in diesem letzten Winkel der Welt. Vielleicht hat er seine Kinder allein gelassen, vielleicht haben sie sich aber auch von ihm entfernt. Und wenn Lens Flares wie heilige Sterne über das Bild huschen und die Männer verzieren, die Tiere töten, Kinder missbrauchen und sich dennoch auf einer Mission wähnen, dann sagt Larrain alles, was es zu sagen gibt. […]

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                              • 5

                                […] Fritz Lang findet sich schon zu Beginn des Films in einer Schaffenskrise. Unzufrieden, grantig, er ist im Zugzwang. All die anderen großen Regisseure haben schon den nächsten Tonfilm angekündigt, Lang hingegen hinkt hinterher. Er hat seine alten Filme satt, er will keine monumentalen Filme mehr schaffen, mit tausenden von Menschen, die Gerechtigkeit suchen. Er will sich nur noch auf ein Leben konzentrieren, ein Leben erforschen - die Massen werden hier und in „M“ zum Feindbild. Lang wendet sich ab von der Gigantomanie und widmet sich einem kleinen knackigen Meisterwerk der (Un-)Menschlichkeit. Immer wieder wird Lang mit dem Mörder von Düsseldorf Peter Kürten, der das Vorbild für den Mörder in „M“ war, in Verbindung gebracht. Sei es ein Vergleich, eine Andeutung, eine ähnliche Haltung oder die gleiche Position im Bild. Sobald der Film aber auf Konfrontationskurs geht, verzettelt er sich immer wieder und überschätzt seine eigenen Fähigkeiten. Inhaltlich lässt das oft zu wünschen übrig, verwirrt gar bisweilen mit Nichtigkeiten und versucht mit Phrasendrescherei und der Holzhammer-Methode ans Ziel zu kommen. Gelingen tut das nur teilweise. […]

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                                • 7

                                  […] Wie die Apokalypse überhaupt aussah, was weshalb und wie passiert ist; das alles enthält Fingleton dem Zuschauer. Das Publikum erfährt nur ganz zu Anfang dank eines Zeitstrahles, das gröbste, was man ihm anbieten kann: Die Anzahl der Menschen auf der Erde steigt langsam an, dann, als die Ölproduktion dazu kommt, immer schneller. Beides Linien steigen rasant in die Höhe, bis jene, die die Ölgewinnung symbolisiert, plötzlich wegbricht, während die Bevölkerungszahl weiter zu neuen Höhen findet. Dann aber fällt sie ins Bodenlose, von den einst Milliarden Menschen sind nur noch eine Handvoll übrig. Hier setzt der Film ein, in einer Welt, in der jeder vogelfrei ist, weil so etwas wie eine Zivilisation nicht mehr zu existieren scheint. Schließlich befinden wir uns im tiefsten Wald; dort, wo unten matschige Erde und oben nasskalter Regen ist. Dort, wo man ganz einfach Leichen verschwinden lassen kann.

                                  Dort, wo das saftige Leben dominiert und einen harten Kontrast zur postapokalyptischen Welt darstellt. Der Mensch und sein verhältnisloser Exzess verlieren, die Natur siegt und zwingt den Menschen in die Natur zurück. Eine Position, in der sich der Überlebende nicht wirklich wohl fühlt, ist sie doch geprägt von Gier, Neid, Furcht und einer Einstellung, in der Gerechtigkeit nichts anderes heißt, als „Ich will das, was er hat“. Der Hang zur Gewalt, ob gegen sich selbst, gegen andere oder von den Einflüssen der Umwelt ausgehend, er ist omnipräsent in den 100 Minuten Film, die Fingleton hier zusammenbringt. Omnipräsent und das mit einer harten, unterkühlten Schärfe, die wie eine rostige Klinge im Fleisch des Zuschauers stecken bleibt. Sobald der Hang zur Gewalt in tatsächliche Konflikt umschlägt, es um das nackte Überleben geht und Jäger wie Gejagter in aufmerksamer Stille auf einen Fehler des Gegenüber warten, dann verbindet Fingleton die Kontrahenten und überbrückt die räumliche Distanz zwischen ihnen. Er vereinigt die menschliche Bestie in den Momenten der körperlichen Zerstörung. […]

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                                  • 15
                                    • 6
                                      über Wild

                                      […] Aus vielen Texten, die sich mit dem Film beschäftigen, scheint man jedoch neben aller Zufriedenheit auch stets eine gewisse Unsicherheit herauszulesen. Eine Unsicherheit, die verständlich ist, spielt Krebitz in ihrem Film doch nicht nur entschieden mit jeglichen Erwartungen des Zuschauers, indem sie jene unterläuft. Stattdessen findet sie auch Momente, in denen sie in aller Provokation fordert und konfrontiert. Grob zeigt der Film einen Ausschnitt des Lebens von Ania (Lilith Stangenberg, „Der Staat gegen Fritz Bauer“), die anscheinend von irgendwie und irgendwo noch russische Gene hat und eigentlich ganz hübsch sein könnte, wenn sie sich ein wenig anstrengen würde - das sagt zumindest ihr Boss auf der Arbeit. Ania arbeitet in einer profillosen Stadt in einem engen Büro, das aussieht, als würde es in einem Kellergeschoss liegen. Ein Kontrast, ist Anias Wohnung doch ziemlich weit oben in einem Hochhaus irgendwo am Stadtrand, an einen Park grenzend. […] Als die Reise einer Befreiung von gesellschaftlichen Zwängen wurde der Inhalt von „Wild“ beschrieben. Es mag seine Zeit dauern, bis die Reichweite dessen bewusst wird. Das Werk von Kredits ist kein Film, den man einfach so nebenbei sieht, nach dem man das Kino verlässt und mit seinen Gedanken schon ganz woanders ist. Kein Film, der hier rein, da raus die Schaltzentrale des Zuschauers nur kurz tangiert, sondern einer, der Rätsel aufgibt und nicht daran denkt, dem Publikum auch nur einen einzigen Gefallen zu tun. Besonders deutlich wird das in den Momenten, in denen Krebitz explizit die Provokation sucht, Ejakulat und Exkrement in den Momenten der Offenbarung deutlich zeigt und dem Zuschauer vorher noch Sekundenbruchteile der Vorbereitung lässt. Macht sie das jetzt wirklich? Ja, sie macht es wirklich - und der Zuschauer wird Augenzeuge. Er ist nämlich das fehlende Glied in der Gleichung des Films, die die Befreiung von gesellschaftlichen Zwängen darstellt. Ania befreit sich; nicht nur von ihren Mitmenschen, sondern auch vom Publikum, von dem sie die ganze Zeit begafft wird. […]

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                                        […] Laing ist frisch geschieden und nun alles, was er noch besitzt. Ein einziges Memorabilia besitzt er, eine Fotografie von ihm und einer Frau. Ob das seine Exfrau oder doch seine Schwester, wie von Charlotte Melville gefragt wird, ist, lässt er offen. Ist ja auch egal, wichtig ist, dass das Foto kurz daraufhin auf dem Fußboden landet und vergessen wird. Wen juckt es da schon, wer auf dem Foto war. Eine Frau und eine vergessene Version von Laing in einer vergessenen Welt, seit er in dem Hochhaus wohnt. Im 25. Stock, also recht weit oben. So hoch oben, dass die abknickenden Etagen nur kurz über ihm sind. Der Architekt der Häuser, Anthony Royal, ist begeistert von seinen Ideen, die fünf Hochhäuser um einen See herum zu platzieren. Die abknickenden Spitzen symbolisieren die obersten Glieder der Finger, in der Mitte der Gebäude ist ein See. Das Großprojekt ist eine Hand, die aus der Erde entspringt. Eine derart geformte Hand, mit der Könige den Reichsapfel getragen haben. Oder die Welt. […] Nachdem Regisseur Ben Wheatley die Ausgangssituation stabil errichtet hat, macht er sich daran, alles wieder einzureißen. Manchmal genüsslich und sorgfältig, dann wieder grob mit der Planierraupe. Der Film wurde im Voraus oft mit Bong Joon-hos „Snowpiercer“ verglichen, was thematisch betrachtet durchaus Sinn ergibt. Dennoch hören die Gemeinsamkeiten der Filme dort auf, wo Chris Evans und Konsortien beginnen, sich durch den Zug nach vorne zu metzeln. Außerdem können die Insassen des Zuges im Film von 2013 diesen nicht wirklich verlassen, da die Welt um sie herum de facto unbewohnbar ist. In „High-Rise“ ist die Welt sehr wohl bewohnbar, die Hochhäuser versuchen bloß, den Bewohnern keinen Grund zu geben, um den Mikrokosmos des Hauses zu verlassen. Deshalb bieten ganze Etagen Möglichkeiten zum Einkaufen und für Freizeitaktivitäten. Sobald aber das Chaos von Wheatley entfesselt wird, beginnt eine andere Parallele mehr Sinn zu machen. Das Hochhaus ähnelt der Titanic - nur dass keiner der Bewohner das Schiff rechtzeitig verlassen kann. Und alle verdammt sind, ihre Leben genau dort fortzuführen. Am tiefsten und dunkelsten Punkt der Erde. […]

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                                          […] Bereits in der Einführung nämlich werden ein paar Andeutungen relativ lieblos verstreut, die in aller Deutlichkeit offenbaren, was passieren wird. Das Ende ist also klar, der Weg wird zum Ziel. Das ist für Filme nicht neu, ist es doch ein verbreiteter dramaturgischer Kniff, das Ende zu zeigen und dann den Protagonisten erzählen zu lassen, „wie man hierhin gekommen ist“. Doch dieser Film macht es anders, er erzählt die Geschichte nämlich vollends chronologisch durch, bedient sich lediglich einer Erzählerin und macht von Anfang an keine leeren Versprechungen und versucht erst recht nicht, den Zuschauer auf eine falsche Fährte zu führen. Das ist etwas, was man durchaus anerkennen sollte, weil es eine andere Seite des dramatischen Krankheitskinos offenbart. Eine, die rundheraus ist und dem Zuschauer Zeit gibt, sich mit den Charakteren anzufreunden und den letzten Lebensweg mit ihnen gemeinsam zu bestreiten. Hier zersplittert nicht erst auf den letzten Metern alles und lässt den Zuschauer geplättet zurück. Aber vielleicht wäre das besser gewesen, denn so ist der Film ein relativ spannungsarmer und blutleerer Streifen geworden. […]

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                                          • 5

                                            Teil XVII der Skandalfilmreihe mit SoulReaver

                                            […] Das Problem des Films ist jedoch nicht in der gedankenlosen Darstellung der Verbrechen der Skinheads zu finden, sondern in seinem Umgang mit Rassismus an sich; der ist nämlich außerordentlich banal. Der Film ist nicht daran interessiert, dreidimensionale Charaktere aufzubauen. Die halbstarken Versuche gehen in der exzessiven Gewalt verloren, in denen die Nazis wie degenerierte Prolls auf andere Menschen einkloppen. Der Film macht es sich viel zu einfach, zeigt die Neonazis beinahe als Attraktion eines Kuriosenkabinetts und schafft es nicht, auf tiefergreifende Art und Weise diese nicht unwichtige Thematik zu behandeln. Die Protagonisten des Films sind Abziehbildchen, auf der einen Seite die verirrten Nazis, die sich selbst in der Opferrolle sehen, auf der anderen Seite ein von ihrem Vater missbrauchtes Mädchen, dass mit Hando anbandelt, wohl weil er sich gegen die Übermacht der Oberen wehrt.

                                            Das ist alles viel zu einfach, um ehrlich als gut bezeichnet zu können. Allerdings blitzt Jeffrey Wrights Talent hier und da auf. Zum Beispiel wenn er ein Triptychon des Exzess entstehen lässt: Schlägerei im Suff bei Oi-Musik, Ficken auf dem Klo und die Prügelei mit einem Boxsack. Hier macht der Regisseur etwas wunderbar deutlich; mehr als Realitätsflucht betreiben die Neonazis nicht. Sie sind abgestumpft, taub und blind. Sie irren in einer Welt der visuellen Reize, ohne diese verarbeiten zu können. Der filmschauende Einzeller-Mensch mag in diesen Exzessen etwas erstrebenswertes erkennen, dass der Film dies so nicht darstellt, sei aber in aller Deutlichkeit gesagt. In einer anderen tollen Szene des Films spielt der jüngste der Neonazi-Truppe, gerade mal ein Teenager, mit einer Schusswaffe herum und tut so, als würde er die Freundin von Hando erschießen. Die rollt sich ab und spielt tot - hier offenbart sich ein Weltbild, dass herzzereißender nicht sein könnte; ein Leben, das keinen klaren ethischen Inhalt hat. […]

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                                            • 7 .5

                                              Es gibt Filme, denen ihr Ruf vorauseilt. Michael Hanekes verblüffender Gewaltalptraum „Funny Games“ gehört ist einer dieser Filme. Er selbst sagt über den Film, er wünsche sich, dass keiner den Film zu sehen bekomme. Diejenigen, die den Film gesehen haben, schwanken zwischen beeindrucktem Lob und einem fast schon gehässigen Verriss mit dem Vorwurf, Haneke würde sein Publikum oberlehrerhaft bevormunden. Einig sind sich beide Parteien jedoch in der Hinsicht, dass der Prozess des Sehens von „Funny Games“ kein angenehmer ist. „Lustig“ ist an dem Streifen gar nichts und auch wenn alles nur ein Spiel ist (im Sinne von Spielfilm), so einfach wird man das Gesehene nicht abschütteln können. Dafür sorgt Haneke mit einer Inszenierung, die in ihrem Minimalismus unangenehmer nicht sein könnte. […] Lockerleicht schwebt die Kamera über dem Auto der Kleinfamilie. Eine himmlisch gleitende Aufnahme aus der Sicht Gottes über seine Schöpfung. Ein Gott, an den in nur wenigen Minuten niemand mehr glauben wird. In dieser Autofahrt versucht das Ehepaar Opernsänger und Komponisten anhand von Liedern zu erraten - eine gebildete, leicht spießige Familie der Oberschicht frönt des Lebens und der Kultur. Sobald Haneke aber den Filmtitel einblendet, verstummt die klassische Musik für den Zuschauer, da er sofort mit vollkommen überzogener Punk-Screamo-Schrei-und-Grunz-Musik malträtiert wird. Genial ist, wie das Ehepaar dennoch in sinnlicher Ruhe im Auto sitzt - die Charaktere selber hören also noch ihre klassische Musik. Die beiden bekommen nichts davon mit, was um sie herum geschieht und schauen teilnahmslos auf die Straße. Haneke bringt hier bereits seinen Plan auf den Punkt; die Kleinfamilie bleibt regungslos ob der brutalen Chaotik - sie sind wie ein Publikum, das einen Film sieht und stumpf die abgebildete Gewalt verfolgt. […] Der Horror beginnt derart unvermittelt und abseits des Bildes, dass man es vielleicht gar nicht wirklich mitbekommt. Die Stille, in der Haneke dem Zuschauer dann genüsslich eröffnet, was er grad verpasst hat, dass er blindlings in seine Falle getappt ist, wurde dem Filmemacher immer wieder als „hochnäsig“ angeheftet. Dieser Vorwurf greift vor allem in den Momenten, in denen Haneke den Paul die Vierte Wand durchbrechen lässt. Kühl, lakonisch, sadistisch gibt er sich dann und ganz so, als würde er mit uns - den Zuschauern - unter einer Decke stecken. Haneke lässt den Zuschauer für das haften, was Paul und Peter hier von der Leine lassen. Zumindest in der Hinsicht, dass der Zuschauer sich zunächst auf die Gewalt des Films freut, macht das Sinn. So ist „Funny Games“ hinreichend auch seiner Grausamkeit wegen bekannt, nicht unbedingt für die stilistischen Kniffe, die Haneke auffährt. Die Gewalt ist es, die das Publikum anzieht, ihre Abstinenz ist es, die es auflaufen lässt. […]

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                                              • 6

                                                Neben den großen Western mit James Stewart wird dieser frühe Film von Anthony Mann sehr schnell vergessen. Mich eingeschlossen wurde dieser Film gerade einmal mit zwei Bewertungen auf MP geehrt. Dabei ist Manns „Fluch des Blutes“ kein Menstruationsfilm geworden, wie Sonse uns Glauben machen will, sondern ein Film, der sich mit der Last der Herkunft, dem Schicksal der verschiedenen Völker und vorurteilsbehaftetem Rassismus auseinandersetzt. Im Bürgerkrieg gewann Lance (gespielt von Robert Taylor) die höchste Auszeichnung der Armee, die Medal of Honor. Jedem anderen wäre nun ein größtenteils sorgenfreies Leben möglich, jeder würde sich vor ihm verneigen, jeder würde ihn beschenken, jeder würde stolz sein, ihn zu kennen. In den Nordstaaten wäre Lance ein Held, im Westen allerdings ist er wieder bloß ein Indianer. Und damit ist er minderwertig. Ein Mensch niederer Qualität, Ungeziefer, das in der Bar einem alten Freund einen spendieren will, aber nicht darf, weil dieser alte Freund nun Marshall der Stadt ist und das Gesetz durchboxen muss, dass kein Indianer Alkohol konsumieren darf. „Civilization is a great thing.“ sagt der Marshall nur und geht aus dem Saloon. Zivilisation, einer der großen Themenkomplexe des Western-Genres, ist eine paradoxe Angelegenheit. Sie steht für das Gemeinwohl, für Zusammenhalt und Sicherheit; allerdings bedingt sie Ausschluss, Rückschritt und Furcht vor Fremden. Die Errichtung der Zivilisation ist das Ziel so vieler Westernhelden, der Erfolg dieser Aufgabe allerdings ist gleichbedeutend mit dem Verderb des Westernhelden, der dort nicht leben kann. Das Paradoxon steckt einmal mehr in der Sache selbst. Die Situation ist derart festgefahren und aggressiv aufgeladen, dass die Gewalt schließlich kommen muss; interessant ist, dass beide Seiten dabei anscheinend verteidigend auftreten. Mann inszeniert die Gewalt unvermeidlich, ehrenlos, chaotisch, knallhart, erbarmungslos. Mit einem Duell hat das nichts mehr zu tun, viel mehr gibt es hier riesige Massaker, Massen die in einer großen Staubwolke aufeinandertreffen und gesichtslos und hasserfüllt den Gegenüber abmetzeln. Von einem Ziel, von Erfolg, von einem lohnenswerten Ausgang möchte man da gar nicht mehr sprechen. Anthony Manns Wurzeln liegen im Film Noir. Das wird hier immer wieder deutlich.

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                                                • 8
                                                  über Respire

                                                  Es gibt so Filme, da weiß man gar nicht, wie einem geschieht. Ich sitz jetzt hier, der Abspann von Mélanie Laurents „Respire“ ist seit ein paar Minuten passé und ich hab keinen blassen Schimmer, wie ich den Film ordentlich besprechen soll. Daher auch keine Kritik, sondern ein Kommentar. Daher der frevelhafte Gebrauch des „Ichs“. Ich hab mir Notizen zum Film gemacht, keine Frage, aber wie ich die ordentlich einordnen soll? Hab nun das einzige Album von Mélanie Laurent angemacht, lausche ihrer Musik und bin froh, dass ich kein Französisch kann - das erleichtert es ungemein, dass ich mir einrede kann, sie würde über Regenbögen, vierblättrige Kleeblätter und fruchtiges Eis an Frühlingstagen singen. Solche Gedanken kann ich jetzt nun gut gebrauchen, nachdem mir Herz, Magen und Seele grad in nicht einmal 90 Minuten entrissen und vor meinen Augen zu Baggermatschepampe verarbeitet wurden.

                                                  Der Film beginnt morgens, aber der Himmel glüht nicht rosarot, stattdessen vermischt sich etwas dunkleres grau langsam mit etwas hellerem grau. Es ist wahrscheinlich arschkalt, was sich gar nicht mal auf die Temperatur selbst beziehen muss, sondern einfach nur auf die allgemeine Stimmung, mit der der Film den Zuschauer empfängt. Charlie wacht auf, ihre Eltern streiten sich lautstark. Als sie hinunter geht, steht ihre Mutter abgewandt und versucht, ihr Weinen zu unterdrücken, ihr Vater tut so, als wäre das alles total lächerlich. Sie will dann auch lieber mit dem Bus zur Schule fahren, als von ihrem Vater gefahren zu werden. Auf dem Rückweg geht sie ein paar Meter mit ihrer besten Freundin aus Kindheitstagen. Sie unterhalten sich, bis ihre Freundin schließlich einen anderen Weg gehen muss. Laurent bleibt noch zwei Sekunden auf Charlie, gerade genug, um zu sehen, wie sich ein bleischwerer Schleier über Charlies Mine legt; die Zeit der Ablenkung ist vorbei, sie muss zurück nach hause.

                                                  Derartige Anhängsel gibt es in diesem Film immer wieder - mal lässt Laurent am Anfang, dann am Ende einer Szene ein paar Sekunden der Stille einfließen. Sekunden, die mit ihrer Leere stets ins Schwarze treffen und derart unter die Haut gehen, dass es eigentlich gar nicht mehr fair sein kann. Wenn Charlie dann auf Sarah trifft, selbstbewusst, beliebt und wunderschön, freunden die beiden sich an und sind unzertrennlich. Daraufhin macht Laurent sich bereit, um alle Fassaden einzureißen, das Schöne der Welt in eine Pfütze zu schubsen und noch mal nachzutreten. Und das schlimme daran: Das alles passiert derart natürlich, nüchtern, ruhig und ohne jegliche künstlerische Aufgeblasenheit, dass man ihr nicht einmal böse sein kann. Laurent hat ein wahnsinniges Gespür für den Bildausschnitt, die Bewegung der Kamera, für kleine Momente und unsichtbare Blicke, dass die Beziehung zwischen Figur und Zuschauer eine wird, deren Ursprung tief in unserem Inneren zu finden ist.

                                                  „Respire“ ist Kino von der eindrucksvollsten Sorte. Kino, das den Namen verdient und den Zuschauer atemlos, mit Gänsehaut, beißenden Tränen in den Augen und einem Kloß im Halse zurücklässt. Manchmal schaut man Filme und will danach nicht mehr. Manchmal versaut einem die Fiktion sogar die Realität. Und manchmal fühlt man sich von Kunst hintergangen. Manchmal reicht es, nichts zu sehen. Manchmal reichen talentierte Menschen, manchmal reicht die Stille. Und manchmal ist sie zu viel.

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                                                  • 7

                                                    […] Vom ewigen Zwist von Regisseur vs. Produzent blieb also selbst eine autonome Person wie Cassavetes nicht verschont. Schade ist, dass der Regisseur sich derart radikal von dem Werk entfernte - ein schlechter Film ist „Ein Kind wartet“ nämlich mitnichten. Auch nicht in der Schnittfassung, für die Stanley Kramer verantwortlich zeichnet. Allerdings muss angemerkt werden, dass es bitterschade ist, nie an die von Cassavetes erdachte Version des Films zu kommen. Es ist zwar möglich, durch Interviews etc. eine Vorstellung davon zu bekommen, was der Film mal werden sollte, aber eine Vorstellung bleibt eben dies; ein Gedankenkonstrukt und keine sinnliche Erfahrung. Sein damals dritter Film hätte, wenn man seinen Gedanken einmal freien Lauf lässt, sein bestes Werk werden können. Nicht nur das, sondern ein Riesenerfolg und Klassiker des Weltkinos. Denn Cassavetes wollte mit diesem Film etwas tun, was auch Milos Forman und Jack Nicholson in „Einer flog über das Kuckucksnest“ 12 Jahre später taten und damit Geschichte schrieben; er wollte die Gesellschaft bewegen. […] Auch wenn Kramers Handschrift im Film letztendlich überwiegt, sind die ursprünglichen Spuren des Drehs nicht zu übersehen. So finden sich über die gesamte Laufzeit des Films immer wieder Szenen, die mit einem unglaublichen Feingefühl daherkommen. Szenen, die nur so vor menschlicher Wärme strotzen und wirkungsvolle Wahrheiten zutage bringen. Ein Kind wartet; auf das Erwachsenenalter, auf Selbstständigkeit, auf die Liebe, auf das Geheimnis, auf eine Antwort. Eine Antwort, die nur die Freiheit zu bieten hat. In solchen Momenten erreicht Cassavetes Film Sphären, die vier Jahre vor dem Dreh des Films von der Nouvelle Vague und Francois Truffaut mit „Sie küssten und sie schlugen ihn“ ins Weltkino eingeführt wurden; herzergreifende Menschlichkeit gegenüber Unterdrückten. John Cassavetes war ein großer Humanist, ein Regisseur, der sich mit Menschen auskannte wie kein anderer und dem es gelang, mit einer geheimnisvollen Kraft, Nuancen aus seinen Darstellern herauszukitzeln, die sehr selten sind. […]

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