SoulReaver - Kommentare

Alle Kommentare von SoulReaver

  • 6 .5

    [...] „The Cottage“ macht in seinem Kosmos daher auch verdammt viel richtig, zeigt eine ausgeprägte Genreaffinität, die keine Scheu vor extremer wie zynischer Brutalität offenbart. Dass der Film allerdings nicht für sich stehen wird, lässt ihn Teil des Fluches seines Sujets werden, denn, egal was man sieht, kennen scheint man alles so oder so ähnlich doch schon. Dafür macht „The Cottage“ zweifelsohne viel Freude, ist sich seiner Grenzen bewusst, schöpft diese aber mal mit Leidenschaft aus und bewegt sich ganz weit über dem verwässerten Mittelpunkt: Ein spritziges (ja, zweideutig gemeint, gut aufgepasst) Kleinod.

    15
    • 5

      Ja, „Planet der Affen: Prevolution“ war auch nicht perfekt, was sich vor allem an seinen rein auf Funktionalität gebürsteten Charakteren manifestieren lässt: Der von James Franco charismatisch verkörperte Will Rodman war bereits ein Stereotyp des Blockbusterkinos, doch hat er dahingehend funktioniert, weil er dem Film emotionale Fallhöhe verliehen hat, in dem er vom idealistischen Heiler zum (unbeabsichtigten) Zerstörer seiner eigenen Spezies wurde. In „Planet der Affen: Revolution“, der technisch natürlich über jeden Zweifel er haben ist, sind Malcolm (Jason Clarke), quasi das menschliche Äquivalent zu Caeser, zwei Väter unter sich halt, seine Familie (übrigens jedes zweite Wort hier ist F A M I L I E) oder Dreyfus (Gary Oldman) so was von belanglos und blass, dass jede Szene mit ihrer Beteiligung die narrative Rhythmik vehement bremst (dramaturgisch gibt es da auch eh nicht viel zu holen).

      „Planet der Affen: Revolution“ interessiert sich nicht für die menschliche Rasse, er richtet seinen Blick stark auf die überintelligenten und humanisierten Primaten, die kurz davor sind, die Menschen in der natürlichen Nahrungskette zu übertrumpfen. Ungemein schade ist, dass „Planet der Affen: Revolution“ nach zu Anfang atmosphärisch gezeichnetem Porträt der hiesigen Polaritäten im dystopischen Korsett einzig Gut oder Böse kennt. Außerhalb dieser eindimensionalen Kategorisierungen geht nix. Gar nüscht. Außer Koba, der im affigsten (sorry!) Augenblick wie Rambo in Afghanistan, in jeder Hand eine dicke Wumme, auf einem Gaul brüllend ins Getümmel reitet – Äh?! Immerhin aber kommt „Planet der Affen: Revolution“ nach radikaler Parallelisierung beider gesellschaftlicher Segmente und einem Minutionsverschleiß, der selbst die Expendables in den Schatten stellt, letztlich zu der Erkenntnis, dass die Feinde nicht nur „die Anderen“ sind, sondern auch „Die Unseren“. Joa.

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      • 7

        Dolles Ding. Immer noch. Es ist nicht die Intelligenzbestie, zu der „Planet der Affen: Prevolution“ bei Kinostart einst stilisiert wurde, dafür geht ihm jedwede Subtilität im Umgang mit seinen, gerade auch im Sinne des Zeitgeistes, relevanten Themen abhanden. Aber eine durchaus ausdrucksstarke Ethiklektion, die sowohl gekonnt von ihren gesellschafts- respektive zivilisationskritischen Anliegen zehrt, als auch durch die Mobilisierung der Primaten (der Unterdrückten) ein politisches Fundament gewinnt, ist Rupert Wyatt mit diesem angenehm altmodisch-pathethischer Erzählfilm durchaus geglückt. Als Revolutionär des Motion-Capture-Verfahren hat „Planet der Affen: Prevolution“ bereits (zu Recht) Geschichte geschrieben, im Herzen wird er sich seinen Platz durch seine gefühlvolle Note, seine wirkungsvollen Sentimentalitäten in der (eigentlich) doppelt dargebotenen Vater-Sohn-Beziehung sichern. Und wenn die emanzipierten Affen dann San Francisco unsicher machen und den Kampf gegen die Staatsgewalt aufnehmen, wird immer deutlicher: Affen sind die besseren Menschen! Den Rest regeln der tolle Schnitt und Patrick Doyles wirklich berührende Komposition.

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        • 3

          [...] Harrison Ford als Bruce Willis Ersatz macht seine Sache ganz ordentlich, ist aber am Ende des Tages auch nicht die Rede wert, genau wie „The Expendables 3“ es nicht mehr versteht, seine Figuren in den richtigen Momenten auftreten zu lassen und daher Leute wie Arnold Schwarzenegger und Jet Li permanent in den Seilen hängen. [...] Das mag in der Blu-ray-Version dann vielleicht anders aussehen und flüssiger abgewickelt werden, den rechten Dampf kitzelt das aus dem lahmarschigen „The Expendables 3“ aber sicher nicht heraus, dafür ist er zu inkohärent ineinander montiert und anbiedernd. Verständnis für energetischen Krachbum wird man jedenfalls auf allen Seiten vergeblich suchen.

          24
          • 6

            [...] Aber „The Last Days on Mars“ ist eben keine lieblose Genre-Kolportage, die sich nur für das temporäre Stopfen des hohlen Zahns zu interessieren scheint; kein überheblicher Kernschrott, der dem Zuschauer seine Intelligenz aufzuoktroyieren versucht. Ruairi Robinson bringt das handwerkliche Talent mit, sein abgestandenes Handlungsgeflecht atmosphärisch dicht auszufüllen und inhaltliche Stolpersteine (die physikalischen Gesetze werden kurzerhand egalisiert) zu neutralisieren, in dem er mit der vollen Schlagseite Feeling aufwartet. [...] Ein Meisterwerk sollte man nicht erwarten, dafür ist die Formel von „The Last Days on Mars“ schon viel zu oft durchgerechnet worden. Ein überraschend stringenter und zeitweise wirklich spannender Sci-Fi-Horror-Streifen ist Regisseur Ruairi Robinson mit seinem Debüt jedoch in jedem Fall gelungen. [...]

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            • 6 .5

              »SoulReaver und lieber_tee in den Untiefen des ganz normalen Genrewahnsinns«  

              #19
              S...wie Skandalfilm  
                             
              Wenn wir auf die großen Skandalfilme zu sprechen kommen, dann fallen gewiss Titel wie „Die 120 Tage von Sodom“, ein Meisterwerk, von Pier Paolo Pasolini, oder „Men Behind the Sun“, gerne missverstanden, von Tun Fei Mou, die auch heute noch polarisieren und weitreichend kontrovers diskutiert werden. Der Archetyp des Skandalfilms, das eingeprägte Urbild eines eben solchen, hört indessen auf einen anderen Namen: „Caligula“. Ein Film wie ein Phänomen, dessen berühmt-berüchtigter Ruf ihm seit jeher, ähnlich wie seinem fokussierten Imperator, weit voraus eilt. Schauspieler distanzierten sich von dem vom Penthouse finanzierten Projekt, nachdem der Film im Kasten war, schoben ihre Mitwirkung auf den Drogeneinfluss, während Regisseur Tinto Brass, der zuvor im Erotikbereich Fuß fasste oder das Western-Genre auf den Kopf stellte (siehe „Yankee“) vom Filmschnitt ausgeschlossen wurde, damit Bob Guccione und Franco Rossellini zum Nachdreh bitten konnten und zahlreiche Szenen veränderten, um noch einige Hardcore-Szenen hinzuzufügen – Brass' Version war dem Penthouse-Chef Guccione nämlich immer noch zu brav. 

              In blutroten Lettern erstreckt sich ein Satz aus dem Evangelium nach Markus über den Bildschirm: „Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gönne, und nähme an seiner Seele Schaden?“ Eine Frage, die sich Caligula (Malcolm McDowell) gewiss nie stellte, mangelte es diesem Menschen doch schlichtweg an einem gesunden Maß an Selbstreflexion, und wir sehen ihn in der nächsten Szene unbeschwert mit seiner Schwester Julia Drusilla (Teresa Ann Savoy) in den Wäldern herumtollen: Zwei Erwachsene, im Herzen noch Kinder geblieben, die eine offensichtlich inzestuöse Beziehung miteinander führen. Danach geht „Caligula“ schon in die Vollen und zeigt auf, wohin die famosen 17,5 Millionen Dollar Budget geflossen sind: Die Kulissen sind von berauschender Anmut und rekonstruieren das Rom zu Zeiten der julisch-claudischen Dynastie in bahnbrechender Opulenz. Unter Tinto Brass' Ägide, der eine durchweg ausschweifend-opernhafte Inszenierung pflegt, verfällt „Caligula“ einer einmaligen Schwülstigkeit, die man in diesem orgiastischen Überdruss so noch nie zu sehen bekommen hat. 

              Wenn Caligula auf den von Syphilis gezeichneten Tiberius (Peter O'Toole) trifft, der auf der Suche nach einem Nachfolger ist, bewahrt sich Caligula in seinem Auftreten noch eine gewisse Demut, die er, bezieht er nach Tiberius Tod den Thron, vollends ablegen wird – So wie alle weiteren ehrenwerten Charaktereigenschaften. Er nimmt seine Schwester zur Geliebten und lässt das Volk die Willkür seiner Herrschaft mit Wonne am eigenen Leibe erfahren. „Caligula“ bestärkt die Spekulationen rund um die Zustände des mythologischen Roms in Bezug auf die Machtergreifung Caligulas, in dem er den machtbesessenen Imperator zum Gastgeber bacchantischer Feste macht, die in ihrer expliziten Darstellung zu keiner Sekunde anregend, sondern nur abstoßend wirken, was die ausufernde Dekadenz jener historischen Epoche nachhaltig akzentuiert. Wenn er ein frischvermähltes Paar „weiht“, in dem er die Frau auf einem Tisch brutal entjungfert, um sich anschließend an dem Blut an seinen Fingern zu laben, bis er auch den Mann auf den Tisch bittet und ihm die Faust mit seinem Siegelring voraus rektal einführt, kommt die Tyrannei Caligulas einem Fass ohne Boden gleich. 

              Verräter werden mit einer rotierenden Sensenmaschine enthauptet und Caligula, ein Sadist vor dem Herren, erfreut sich an den von ihn veranlassten Grausamkeiten, bis auch er mit einem schweren Schicksalsschlag konfrontiert wird und seinem Wahnsinn, der ihm schließlich aus jeder Pore quillt, von außen kein Einhalt mehr geboten wird. „Caligula“ auf einen hochbudgetierten, aber im Kern doch handelsüblichen Pornofilm zu degradieren, wäre ein Fehler. Sicher, „Caligula“ geizt nicht mit nackter Haut, reiht Felatio-Szenen bis zum Zerbersten aneinander und nimmt die Genitalien seiner involvierten Orgienteilnehmer genauestens unter die Lupe. Doch diese Szenen stimulieren nicht, sie sind widerlich, betonen vielmehr des Imperators maßlose Exzessivität, bis er in seinem von Macht längst paralysierten Zustand die logische Konsequenz seines ekelerregenden Verhaltens erfahren muss. Caligula erklärt sich zum König, und weil Rom eine Republik ist, geht er noch einen Schritt weiter und stellt sich auf eine Stufen mit den Göttern. Dass er gehasst wird, ist ihm egal, Hauptsache man fürchtet ihn. „Caligula“ ist eine ungehemmt bebilderte Charakter-Studie, von tänzelnden Flöten und weinenden Geigen unterstützt. Eigentlich ein unmöglicher Film – und doch so einnehmend.

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              • 4
                über Pompeii

                [...] Pferdeflüsterer Kit darf sich, bis es erst mal soweit ist, zwischendurch etwas Männerpathos im Sklavenkäfig gönnen, wenn er mit Atticus (Adewale Akinnuoye-Agbaje, „Lost“) über ausgefeilte Kampftechniken schwadroniert, um dann in der Arena in getriebener Gnadenlosigkeit einen Gegner nach dem anderen abzuschlachten: „Pompeji 3D“ ist blutarm, aber nicht unbrutal, dafür zeichnet sich Andersons (zumeist) gutes Gespür für dynamisch gefilmte wie geschnittene Kampfszenen aus. Allgemein lebt „Pompeji 3D“ von einer ausgesprochen kompetenten Visualität, die die ersten Impressionen, man könne es mit einer TV-Gurke der Marke „Der Held der Gladiatoren“ zu tun bekommen, schnell aus dem Weg räumt. [...] Bricht der Vulkan aus, zeigt Anderson seine technische Raffinesse: Die Tiefe der Aufnahmen wird ausgelotet, die imaginierte Rekonstruktion des antike Pompeji entblättert ihre Qualitäten, und wenn die Kamera immer wieder zurück in die Vogelperspektive springt, um die Ausmaße der Katastrophe zu illustrieren, dann besitzt „Pompeji 3D“ optisch eine Epik, die der orchestrale Score von Clinton Shorter eben auch verspricht. [...] Schlussendlich ist „Pompeji 3D“ irgendwo nettes, aber selbstredend wenig relevantes Blockbusterkino. Aber: Es ist einer von Paul W.S. Andersons besseren Filmen. Vielleicht beim nächsten Mal erneut ohne Gattin Milla Jovovich?

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                • 6

                  [...] Klassisches, aber wirkungsvolles Slasher-Movie, das den Zuschauer samt einem mit der Gartenschere bewaffneten Ex-Hausmeister und reichlich nackter Haut zum schmierigen Campausflug einlädt. „Brennende Rache“ ist sich vollkommen darüber im Klaren, dass er dem Zuschauer eigentlich überhaupt nichts Innovatives servieren kann, nutzt seine stimmige Inszenierung aber gekonnt, um die unterschwellig schaurige Stimmung sukzessiv zu entfalten und überzeugt durch die tollen Effekte von Schmodder-Papst Tom Savini.

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                  • 6 .5

                    Eine interessante, angenehm von John Boormans Klassiker „Point Blank“ losgelöste Neuinterpretation des Romans „Payback“ ist Brian Helgeland und Terry Havey mit dem ihrem gleichnamigen Rache-Thriller gelungen. Mel Gibson veranschaulicht mit seinem um 70.000 Dollar gebrachten Porter mal wieder, dass er einfach ein wunderbarer Schauspieler ist, dessen größte Stärke sein gottgegebenes Charisma ist. Porter ist keine archaische Dampfwalze wie es Lee Marvins Walker noch war, der einnehmenden Wirkung von Gibsons Spiel kann und will man sich so der so nicht entziehen. Während sich die dem Usus des Mainstreams anbiedernde Kinofassung mit aller Kraft dagegen stemmt, schön böse zu sein und mit ihren penetrant in tiefes Blau gefärbten Aufnahmen auf optischer Ebene genauso originell ist, wie violette Strähnchen im schwarzen Haar (urgs!), bricht der Director's Cut richtig straight vom Leder. „Payback“ spannt einen breite(ren) Erzählbogen, lässt in die etagenartigen Gepflogenheiten des „Syndikats“ blicken und die Menschlichkeit seines Protagonisten nicht nur im Subtext anklingen. Porter kämpft sich kompromisslos durch den Großstadtdschungel, in dem niemand von Moral redet, hier regiert nur die Korruption. Ein düsterer, lakonischer Neo-Noir, der dicke Macker schnell mal als feige Sadisten entlarvt.

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                    • 5 .5

                      [...] In diesen Augenblicken hemmt „Auf Messers Schneide – Rivalen am Abgrund“ seine Effektivität, weil es ihm schlichtweg nicht genügt, ein hervorragend gefilmtes (und das ist er!) Survival-Abenteuer im 'Mann vs. Natur'-Modus auf die Beine zu stellen, sondern noch das unnötige Anhängsel 'Mann vs. MANN vs. Natur' zwischenschiebt. [...] Regisseur Lee Tamahori sind also keine Vorwürfe zu machen, genauso wenig wie Anthony Hopkins und Alec Baldwin. Das ambitionierte Drehbuch von David Mamet schießt hingegen leider etwas über das Ziel hinaus. [...]

                      10
                      • 7 .5

                        »SoulReaver und lieber_tee in den Untiefen des ganz normalen Genrewahnsinns« 
                        #18

                        R...wie Rache-Thriller.

                        Lee Marvin ist als Walker eine unerschütterlich-stoische Urgewalt. Seine Performance ist von einer derart einnehmenden Physis gezeichnet, dass sie die Mattscheibe im nächsten Moment explodieren lassen könnte. Von malerischen CinemaScope-Kompositionen nachhaltig akzentuiert, will sich dieser Walker sein Geld zurückholen, was ihm hinterrücks genommen wurde und stampft dafür mit (immer wieder von Metaphorik elektrisierten) hallenden Schritten durch ein Los Angeles der endlosen Gänge. Ebenso nihilistisch wie stilistisch setzt John Boormans Walkers Rachefeldzug in Szene, in dem er die Charakteristika des Film Noir und der Nouvelle Vague kreuzt und oberflächlich einen kaltherzigen Zynismus pflegt, dem erst durch die exzellente Farbdramaturgie eine nachhaltig emotionale Plattform geboten wird. „Point Blank“ torpediert – so wie es sich für New Hollywood gehörte – abgestandenen Normen und baut auf eine fragmentarische Narration, das mit elliptischen Sprüngen durch die Zeit hantiert und damit zuweilen in hypnotischer Suggestion den Zuschauer stimuliert. „Point Blank“ ist schon ein besonderer, ein prägender Film, der uns in eine Welt führt, in dem Vor- und Zunamen keinen Wert mehr besitzen und die Zukunft noch irgendwo in den Sternen steht. Dafür wird die Genre-Reduktion des Rache-Themas über den gesamte Bildschirm ausgenutzt, denn: Action muss nicht immer nur in der Zentrale funktionieren!

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                        • 8

                          [...] „Le passé – Das Vergangene“ aber wirkt weder (über-)konstruiert, noch scheint er seine Charaktere, die hier wirklich als Charaktere bezeichnet werden können, so aufmerksam wie sich Farhadi doch ihren Innenleben auseinandersetzt, dem bloßen dramaturgischen Effekt unterzuordnen: Von Augenwischerei jedenfalls ist dieser Film Lichtjahre entfernt, stattdessen legt Farhadi großen Wert auf Realitätsnähe, pfeift auf Formalismus und fühlt den schwerwiegenden Problemen im komplexen innerfamiliären Geflecht in aller Ruhe auf den schmerzhaft pochenden Zahn. [...] In „Le passé – Das Vergangene“ ist jeder auf seine eigene Weise gefangen, klammert sich an Ausflüchte, verrennt sich in Selbstbetrug oder versackt in Depressionen. Und doch besteht da immer noch Hoffnung, was Asghar Farhadis unverfälschte Humanität betoniert. [...]

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                          • 8 .5

                            [...] Die Welt scheint aus den Fugen geraten und das reichhaltige Angebot an Federvieh stürzt kamikazeartig vom Himmel herab, um dem Menschen Leid zuzufügen. Die Schnabelattacken bohren sich ins Fleisch, die Krallen ziehen tiefe Furchen und das Küstenstädtchen Bodega Bay versinkt in heillosem Chaos! [...] Die Frage, die man sich zwangsläufig angesichts dieser atypischen Vorfälle stellen muss, ist: Warum zum Teufel passiert das alles? „Die Vögel“ - und das ist eine seiner Stärken, die der Atmosphäre des gesamten Bedrohungsszenarios wirkungsvoll in die Karten spielt – liefert darauf jedoch keine einheitliche Antwort, sondern denkt gleichzeitig in verschiedene Richtungen. [...] Es ist von einer außerordentlichen inszenatorischen Raffinesse gezeichnet, wie Hitchcock es geschafft, die Bedrohung zu entfalten, in dem er, Schritt für Schritt, Stufe für Stufe, extremere Mittel findet. Da wird in seinem charakteristischen Suspense ein Moment bis ins Unerträgliche ausreizt, in dem wir das Grauen im Rücken von Tippi Hedren erkennen. [...]

                            30
                            • 6

                              Zwar nicht mehr ganz so clever wie „21 Jump Street“, der in seiner Selbstironie zuweilen sogar durchaus noch Dezenz wahrte, haben Christopher Miller und Phil Lord dem überraschend starken Erstling mit „22 Jump Street“ einen mehr als gelungene Nachfolger beschert. Wird die Schwelle zur Prätention hier dann mal übertreten, ziehen Jonah Hill und Channing Tatum, die mit Schmidt und Jenko das wohl niedlichste Cop-Duo seit...immer (?) abgeben, den Karren durch ihr so unfassbar harmonierendes Zusammenspiel queer und locker-leicht aus dem Dreck. Der subversive Humor, der aus einem dermaßen überbordendem Maß an Selbstreferenzialität keimt, wird dem Zuschauer unverdrossen unter die Nase gerieben. Alles, wofür „22 Jump Street“ im Großen und Ganzen steht, wird metamäßig durch den Fleischwolf gedreht – Und das macht richtig viel Spaß. Kudos gibt es allerdings für den grenzgenialen Abspann, der ist Gold wert. In diesem Sinne: „23 Jump Street“? Gerne!

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                              • 4

                                [...] Auch „The Purge 2 – Anarchy“ projiziert seine gesellschaftskritische Botschaft in einem Radius, den in dieser marktschreierischen Plakative auch ein Uwe Boll mit verschiedenen Werken abdeckt. [...] Zum reinrassigen Exploiter will sich „The Purge 2 – Anarchy“ aber (leider) nicht herunterbrechen lassen, dabei hätte eine simple Genre-Reduktion, klar auf die Ausmaße des urbanen Schrecken fokussiert, sicher eine größere, in ihrem Zynismus gleichwohl unterhaltsamere Wirkung gehabt. [...] In dem von einer ungemein transparenten Dramaturgie signierten Handlungsgeflecht darf sich nun auch eine in schierer Lächerlichkeit ihrer Ambitionen kulminierende Rebellenorigination (ihr Anführer wird gespielt von Michael K. Williams) die Ehre geben, die das Gesetz in die Knie zwingen wollen, in dem sie die passionierten Purger, äh...purgen. Joa. [...]

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                                • 6 .5

                                  [...] Er zollt der goldenen Ära Tribut und appelliert in all seiner Herzenswärme an ethische Tugenden, in dem er den Menschen einfach Mensch sein lässt, anstatt ihn zum Fragment einer ausbeuterischen Maschinerie zu verdammen: Das Leben ist lebenswert, man darf nicht nur den Fehler machen, Geld als Treibstoff der Glückseligkeit zu definieren. [...] Ben, ein Yuppie wie er aus dem Buche steht, neunmalklug und hochnäsig, verschreckt von den simplen Gepflogenheiten der Kleinstadt, muss erst einmal wieder „Leben lernen“, muss die wichtigen Dinge im Leben näher gebracht bekommen und die Dollarzeichen mit einem kräftigen Nackenschlag von den verstrahlten Linsen katapultieren. [...] Michael Caton-Jones zeigt sich mit „Doc Hollywood“ für ein wirklich schönes Filmerlebnis verantwortlich, welches genüsslich von seinem vitalisierend-urigen Charme zehrt.

                                  11
                                  • 7 .5
                                    über Dracula

                                    Wenn es um das Evozieren einer schaurigen Atmosphäre geht, einer Ohne Unterlass fühlbaren unterschwelligen Bedrohung, dann spielten die Filme der britischen Produktionsfirma Hammer in der cineastischen Königsklasse. Und „Dracula“ von 1958, mit dem das Studio zum ersten Mal eine ziiiiemlich freie Interpretation des klassischen Stoffes von Bram Stocker in Szene setzte, gilt vollkommen zu Recht als renommiertes Herzstück des Unternehmens. Dermaßen sorgfältig ausgestattet und detailliert in seinem ornamentalischen Dekor, erscheint Pappmaschee hier nicht einfach wie ein Papier-Kleister-Gemisch, sondern wie vornehm erstrahlender Prunk, der jene viktorianische Periode mit unfassbarer Haptik rekonstruiert. Den Rest erledigen dann die beiden Legenden Christopher Lee, der sich als Graf Dracula mit gleißend roten Augen eigenhändig ein Denkmal erbaute und Peter Cushing, der seinem blutsaugenden Gegenspieler als unerschütterlich-integrerer Vampirjäger Van Helsing in nichts nach steht. Großartig.

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                                    • 6

                                      Lange nicht der beste Film aus dem Hause Disney, dafür aber einer, der mit einer schmissigen Portion Selbstironie auffährt und sich über weite Strecken aus dem Schatten antiquierter (Zeichentrick-)Klassiker bewegt, um die inhärenten Moralbotschaften jener Werker gegen Ende doch noch schnell zu schablonieren. In seinen besten Momenten aber ist „Ein Königreich für ein Lama“ schön keck und erfrischend, weil er mit Kuzco, Yzma und vor allem Kronk drei extravagante Figuren in das Geschehen einspannt, die richtig Laune machen (Pacha fungiert ja eh vielmehr als besonnene Stimme der Vernunft) und er es sich dazu ohne falsche Scham herausnimmt, die oftmals festgefahrene Struktur einzelner Disney-Filme auf der Meta-Ebene zu parodieren. Schlussendlich werden zwar hier und da wieder konventionelle Bahnen beschritten, muss wohl so sein, nur um auf Nummer sicher zu gehen, reichlich ulkig ist „Ein Königreich für ein Lama“ trotzdem in jedem Fall.

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                                      • 7 .5

                                        [...] Ohne diese manierierte Intention zu bestätigen, hat Tracy Letts sein Stück für die Leinwand umgeschrieben und fährt mit einem Stoff auf, der auf dem Papier nach 'Telenovela' schreit, durch seine geschliffenen Dialogsequenzen, die fundierte Charakter-Portriäts offerieren, zweifelsohne über seine 120-minütige Laufzeit aufwühlt. [...] Klimax ist dabei, wie es sich für ein auf familiäre Strukturen konzentriertes Kammerspiel gebührt, die Zusammenkunft am Mittagstisch, an dem die krebskranke und pillensüchtige Violet (Meryl Streep) ihren Angehörigen einen Schuss nach dem anderen vor den Bug erteilt und gerade von Tochter Barbara (Julia Roberts) reichlich Kontra kassiert. Ein unangenehmer Augenblick, der von einer so feindseligen Stimmung kontrolliert wird und sich stetig steigert, von Aggressionslevel zu Aggressionslevel, dass man sich als Zuschauer am liebsten mit einem lauten Lachen aus der Affäre ziehen möchte. Ein ähnliches Gefühl hat zuletzt nur Nicolas Winding Refn in „Only God Forgives“ auf die Beine gestellt, als er Kristin Scott Thomas in Beisammensein mit Ryan Gosling und Yayaying Rhatha Phongam verbal Amok laufen ließ („How many cocks can you entertain in that cum dumpster of yours?“). [...]

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                                        • 4

                                          »Blood Creek« ist so ein Film, der vor allem große Fragezeichen über den Köpfen der Zuschauer kursieren lässt. Nicht, weil er einer gewitzt-reflexive Mindfuck-Dramaturgie auf den Leim geht. Hier passt einfach hinten und vorne nichts zusammen. Überhaupt nichts. Schumacher, der das Drehbuch natürlich NICHT selber verfasst hat, wurschtelt sich durch ein obskur-verqueres B-Movie-Konzentrat, das sich tatsächlich komplett ernst nimmt, obwohl es um einen sich mit Blut bei Kräften haltenden Nazi-Zombie-Necromancer geht (von Michael Fassbender gespielt), der am liebsten nordische Runensteine rammeln würde und im Okkulten den Pfad zur Unsterblichkeit gefunden haben möchte. Handwerklich zwar schön düster, weit über dem Durchschnitt, und mit dem rechten Goregehalt gesegnet, ist »Blood Creek« weder Fisch noch Fleisch und weigert sich auch noch wie ein stures Gör, sich als gepfferter Quatschquark einen Namen zu machen. Die freche Beharrlichkeit, mit der sich »Blood Creek« gegen jedes Augenzwinkern stemmt, macht ihn aber irgendwo schon wieder fast etwas nett. Fast.

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                                          • 6 .5

                                            [...] Es ist unübersehbar, dass „Pleasantville – Zu schön, um wahr zu sein“ mittels Form des Kinos den Mythos des Fernsehens reflektiert und daher als cleveres Meta-Werk das Sagenhaft, das Unglaubliche, das Sentimentale und das Verträumte zurück in die Lichtspielhäuser bringt. Jennifer, die natürlich so überhaupt nicht davon begeistert ist, in einem so arretiert-bigotten Universum ihr Dasein zu fristen, gibt diesem Mikrokosmos schlussendlich den Anstoß, um doch noch zum Makrokosmos heranzuwachsen, in dem Grenzen gesprengt und vor allem die Gedanken endlich frei rotieren dürfen. [...]

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                                              Manche Schauspieler schaffen es, sich gegen ihr Image zur Wehr zu setzen und in Gefilden zu glänzen, die nicht ihrer eigentlichen Baustelle entsprechen: Jennifer Aniston aber gehört definitiv NICHT dazu. In Mikael Hafströms Thriller „Entgleist“, der leise mit den Stilblüten des Film Noir hantiert, schlüpft Jennifer Aniston in die Rolle der Femme Fatale, der verführerischen Fremden, die ihre Opfer wie eine schwarze Witwe in die Falle lockt und verspeist. Problematisch ist nur, dass Frau Aniston zwar die optische Attribute mitbringt, ungeachtet dessen jedoch keinerlei verlockende Ausstrahlung besitzt. Clive Owen als fremdgehender Familienvater (wer sonst?) macht seine Sache selbstredend besser, ist ja auch ein vortrefflicher Schauspieler, wenngleich er sich etwas zu oft zum theatralischen Grimassieren gezwungen sieht, während er den überzeichneten Lump LaRoche (Vincent Cassel) in die Schranken zu weisen versucht. Es liegt allerdings nicht an den Schauspielen, dass „Entgleist“ so versagt. „Entgleist“ hingegen fällt deshalb durch, weil er zu großen Emotionen aufrufen möchte, seine Figuren jedoch einzig zu Schachfiguren eines erzkonservativen, zutiefst reaktionären Spiels verdammt. Owen wird nur noch die Chance gelassen, sich mit Gewalt – die natürlich aufgrund des Verhaltens von LaRoche moralisch legitimiert wird - einen Weg aus der Misere zu bahnen, zurück in den Schoß der Familie, für die sich der Film in Wahrheit keinen Peso interessiert. Ein unreflektierter, grenzdebil in seinen Twists verzettelnder Genre-Vollulk.

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                                                [...] Auf der Meta-Ebene funktioniert „Lemony Snicket – Rätselhafte Ereignisse“ also auch als Reflexion über das Erzählen per se und lässt Lemony Snicket aus seinem Büro, wo er in die Tasten seiner Schreibmaschine hämmert, immer wieder zu Wort kommen, ja, sogar den eigentlichen Erzählfluss torpedieren. [...] Er pflegt daher auch seinen märchenhaften Charme, setzt niedliche Waisen mit knuffigen Kulleräuglein ins Zentrum der Geschichte und plädiert sichtlich für Übertreibungen, Überhöhungen, Überspitzungen. [...] Jim Carrey verleiht „Lemony Snicket – Rätselhafte Ereignisse“ durch sein unfassbar exaltiertes Spiel einen subversiven Humor, der die jüngeren Zuschauer mit Sicherheit etwas irritieren könnte. [...] „Lemony Snicket – Rätselhafte Ereignisse“ aber ist wirklich charmantes, angemessen düsteres Erzählkino, exzellent bebildert, mit einem Jim Carrey, den man selten stärker gesehen hat und einer optimistischen Message, die man sich zu Herzen nehmen sollte: Egal wie hoffnungslos die Lage scheint, es wird immer wieder Aussicht auf Besserung geben - solange man zusammenhält.

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                                                  SoulReaver: FILMSTARTS.de 24.07.2014, 10:09 Geändert 19.06.2015, 00:03

                                                  Die ganze Welt kotzt sich über Remakes aus und dann kommt der gute Marty daher und rockt so ein Ding raus. Ok, „Departed“ gehört nicht zu seinen A B S O L U T E N Sternstunden, ein verdammtes Meisterwerk ist ihm hier dennoch gelungen. Und zwar ist „Departed“ so gut, dass er es überhaupt nicht nötig hat, ständig in den Schatten der „Infernal Affairs“-Reihe gerückt zu werden, auch wenn es nur logisch ist. Mit visuellen Referenzen gespickt und im gesprochenen Wort von Zitaten verziert, zieht Cineast Scorsese nach langer Zeit mal wieder richtig derbe vom Leder und lässt seine Stars im fühlbar porträtierten irisch-katholischen Milieu von Boston als waschechte Kodderschnauzen (vor allem darf sich damit der sonst so unausstehliche Mark Wahlberg angesprochen fühlen) auftreten. Leonardo DiCaprio knüpft an seine Ehrfurcht erregende Darstellung des Howard Hughes in „Aviator“ an und bumst seinen direkten Gegenspieler Matt Damon mal so richtig weg, während Jack Nicholson in seiner gewohnt süffisanten Art und Weise charmant veranschaulicht, wer der Boss im Ring ist. Überdies ist „Departed“ enorm zynisch veranlagt, hochgradig spannend, psychologisch extremst geladen und von einer physischen Explosivität angeheizt, die im Finale, nachdem man gut 140 Minuten richtig ausgiebig über die Bedeutung von individueller Identität und dessen Verlust sinniert hat, keinen Stein auf dem anderen lässt. Rattenscharf.

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                                                    [...] Jedoch bleibt es nicht beim gesitteten Austausch, und wo von allen Seiten schon zu Anfang kleinere verbale Nadelstiche gesetzt werden, zeigt die so auf Diskretion erpichte Fassade der vier New Yorker nach und nach immer tiefere Risse. [...] Spätestens dann wird mit offenem Visier zur Tat geschritten: Die Fronten verschieben sich, es gibt keine Chancen auf ein Refugium – Nicht für die Charaktere, nicht für den Zuschauer. Der Dialog über Vergebung und Reue wechselt zum expressiven Streit, gesäumt aus Selbstlügen und Kampfansagen, in dem es letztlich einzig und allein um die gesellschaftliche Bestätigung geht. „Der Gott des Gemetzels“ ist kein Psychogramm, er schaufelt keine Abgründe frei, doch so spitzfindig und intelligent konnte man selten Teil einer akkuraten Charakterisierung der verlogenen und egomanischen Großstädter werden.
                                                    [...] Die brillanten Dialogsequenzen, gestärkt durch scharfzüngige Bonmots der Extraklasse, destruieren Rollenbilder und entschleiern das kultivierte Schwadronieren als bloße Pose - Selbstbeweihräucherung. „Der Gott des Gemetzels“ ist ein großer Tanz, katalytisch angefeuert von aufgeblasenen Tiraden, der nach und nach immer näher an den tatsächlichen Kern der individuellen Geisteshaltung herankommt. Dabei gibt es große Gesten, die bis in die letzte Reihe reichen, theatralische Ausuferungen, aber eben auch viel Wahrheit, die von Polanski beinahe pedantisch exakt ineinander montiert wurden.

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