Vitellone - Kommentare

Alle Kommentare von Vitellone

  • 10

    Dies ist ein Wichtelkommentar im Rahmen der User-Wichtel-Aktion-2015 für Benilinus und stellt gleichermaßen schon wieder das Ende der diesjährigen Aktion dar. Deshalb wünsche ich an dieser Stelle allen Moviepiloten eine schöne Weihnachtszeit und bedanke mich für die tollen Kommentare, die im Zuge der Wichtelaktion entstanden sind.

    ------Vierter Advent------

    "Hey du! Weißt du, dass du jemandem verdammt ähnlich siehst, auf dessen Kopf 2000 Dollar Belohnung ausgesetzt sind?"
    "Ja? Aber du siehst nicht aus wie jemand, der 2000 Dollar kassiert!"

    Höhepunkt. Vollendung. Perfektion. Mit "Zwei glorreiche Halunken" schuf Leone ein beeindruckendes Werk, das größer als alle Superlative zu sein scheint. Ein bildgewaltiges Epos, das allein schon durch seine monumentale Größe alle anderen Western in den Schatten stellt. Vielleicht lässt sich diese epische Größe erst dann so wirklich fassen, wenn man den Film auf einer großen Leinwand im Kino bewundern durfte (ein Vergnügen, welches mir vor zwei Jahren vergönnt war), doch auch auf dem heimischen Bildschirm spürt man die Auswirkungen dieser schieren Bildgewalt. Wenn Leone seinen Stil auf die Spitze treibt, ständig zwischen Close-Ups und gewaltigen Landschaftsaufnahmen wechselt, die Falten im Gesicht der Charaktere den Furchen in der Szenerie gleichen. Wenn die Sonne erbarmungslos am Himmel brennt, die Figuren schwitzend und verdreckt durch die Wüste ziehen, stets das große Ziel vor Augen. Wenn Duelle über Leben und Tod entscheiden, der Wert eines Lebens in Geld aufgewogen und auf jegliche Moral verzichtet wird. Wenn schließlich das Ziel erreicht, der Schatz geraubt und die letzte Kugel verschossen wurde, dann wird einem bewusst wie gewaltig dieser Film wirklich ist. In all diesen Szenen schuf Leone Momente für die Ewigkeit, gebannt auf Zelluloid, eingefangen für die Nachwelt. „Zwei glorreiche Halunken“ verkörpert all das, was Western ausmacht, das Recht des Stärkeren, die Suche nach grenzenloser Freiheit und die Sehnsucht nach scheinbar unendlichen Weiten.

    "Wer schießen will, der soll schießen. Und nicht quatschen."

    „Zwei glorreiche Halunken“ handelt von Männern, die über dem Gesetz stehen, ganz einfach deshalb, weil sie sich über das Gesetz stellen. Weil es keine Gesetze mehr gibt und Regeln im Chaos des Kampfes untergehen. Südstaatler gegen Nordstaatler, sinnbildlich für den Unsinn dieser Auseinandersetzung steht die Szene mit der blauen Uniform, die durch den Staub jedoch grau gefärbt wurde. Unsere Charaktere wechseln opportunistisch die Seiten, denn über den politischen Idealen scheint stets das Geld zu stehen, wichtiger als alle Werte oder Überzeugungen. Kapitalismuskritik in Form von Revolvermännern, ein Motiv, dass sich durch die komplette Dollartrilogie zieht. Leone verteilt am Anfang ein klares Bild von Gut und Böse, stellt seine Figuren genau als solche vor. Während des Films wird diese Verteilung jedoch immer wieder hinterfragt, denn es gibt weder Gut noch Böse. Es gibt nur Gauner, Egoisten und Opportunisten, Männer, die aus selbstsüchtigen Gründen ihr Leben aufs Spiel setzen und über das Leben anderer richten. Ein völlig anderer Ort, der wilde Westen, in dem es weder Gesetz noch Ordnung gibt. All diese Ereignisse verlaufen zu einem einzigen Ziel, dem finalen Showdown, Mexican Standoff. Die endgültige Entscheidung, die alles andere in den Schatten stellt. Größer und epischer wird das Kino nie wieder sein.

    „Zwei glorreiche Halunken“ ist mehr als die Summe seiner Teile. Mehr als ein genialer Morricone-Score, als Leones stilsichere Inszenierung. Mehr als Van Cleefs charismatischer Kopfgeldjäger, Eli Wallachs liebenswert tollpatschiger Gauner und Eastwoods namenloser Inbegriff von Coolness. Eine Symphonie aus Bild und Ton, ein Meisterwerk, einer der besten Filme aller Zeiten.

    https://www.youtube.com/watch?v=PYI09PMNazw

    8
    • 10

      Ich öffne meine Augen und sitze hinter dem Steuer meines Wagens, aber ich fahre nicht wirklich. Ich rolle in einen Tunnel, bis ich schließlich hinten den Reihen anderer Autos zum stehen komme. Etwas stimmt nicht, ich schaue nach links und bemerke, dass die Frau in dem Wagen neben mir am Steuer schläft. Der Mann dahinter beobachtet mich mit einem durchdringenden Blick. Meine Scheibe fängt an zu beschlagen und ich reinige sie mit einem Tuch, plötzlich dringt Rauch in das Auto ein. Ich versuche mich zu befreien, doch es ist vergebens, die Türen öffnen sich nicht. Die Menschen um mich herum sitzen ruhig in ihren Autos, wirken fast so wie Puppen. Endlich schaffe ich es aus dem Auto, ich bin frei und schwebe durch die Luft. Doch das berauschende Gefühl der Grenzenlosigkeit hält nicht lange an, denn um mein Bein ist ein Seil gespannt. Ich will weg, aber kann es nicht. Ich bin gefangen. Die Schwerelosigkeit verblasst und ich falle. Ich schreie auf und erwache in meinem Bett. Ein Arzt kommt herein, mit ihm eine Krankenschwester. Irgendwas stimmt noch immer nicht. Ich wache wieder auf, dieses mal wirklich. Ich liege schweißgebadet in meinem Bett und nach einer Zeit wird mir klar, dass ich über den Anfang von "8 1/2" geträumt habe. Ich war Guido Anselmi, Marcello Mastroianni und Federico Fellini. Denn letztendlich sind sie in diesem Film nur eine einzige Person. Ein Regisseur, der in einer privaten und künstlerischen Krise steckt.

      "Eminenz, ich bin nicht glücklich."
      "Warum sollten Sie glücklich sein? Das ist nicht Ihre Aufgabe, mein Sohn. Wer hat Ihnen gesagt, dass man auf die Welt kommt, um glücklich zu sein?"

      Inhaltlich gesehen gibt es in "8 1/2" drei Handlungsstränge. Zum einen haben wir die Haupthandlung, die sich in einem Kurort abspielt. Der Regisseur Guido hat sich dorthin zurückgezogen, weil er bei seinem neuen Film in einer Schaffenskrise steckt. Deshalb will er sich in diesem Kurort reinigen, um die nötige Inspiration für seinen Film zu finden. Er kommt jedoch nicht zur Ruhe. Mit der Zeit kommen nicht nur seine Frau und seine Geliebte zu diesem Kurort, sondern auch das komplette Produktionsteam des Films. Produzent, Agenten und zahlreiche Schauspieler wollen die Aufmerksamkeit von Guido. Sie wollen Informationen zum Film und fordern Entscheidungen, doch der Regisseur wimmelt sie immer wieder ab. Der zweite Handlungsstrang besteht aus Erinnerungen des Protagonisten. In Rückblicken erfahren wir von seinem Vater, der schon früh gestorben ist und von seiner Mutter, die eine einfache Frau gewesen ist. Außerdem sehen wir, dass er in einem Kloster streng katholisch erzogen wurde, aber schon als Junge Probleme mit den Ansichten der Kirche hatte. Die dritte und wohl interessanteste Ebene zeigt uns die Sehnsüchte und Ängste des Regisseurs. Es geht um seine Tagträume und Fantasien, aber auch um seine Alpträume. Fellini gelingt es, die Handlungsstränge so geschickt miteinander zu verweben, dass es auf den ersten Blick oft sehr schwer ist zu erkennen, ob das aktuelle Geschehen Traum oder Realität ist. Die Bilder und Szenen über die er träumt, sind Szenen in seinem Film. Dabei inszeniert Fellini mit einer gewissen Leichtigkeit und somit gibt der Film den Zuschauer ein Gefühl von Freiheit und Unbeschwertheit. Mit beeindruckenden schwarz-weiß Bildern erzählt er eine geniale Geschichte über sich selbst. Denn "8 1/2" kann, aber muss nicht, als autobiographisches Werk gesehen werden.

      "Sie sagen: Du bist frei. Du musst nur richtig wählen. Aber du hast nicht mehr viel Zeit. Du musst dich beeilen."

      Auch thematisch beschränkt sich Fellini hauptsächlich auf drei verschiedene Themen, die auch sein echtes Leben geprägt haben. Zum einen hätten wir seine Beziehung zur Kirche. Die Kindheit des Protagonisten war stark von Religion geprägt, seine Wertvorstellungen und Regeln kamen von der Kirche. Deshalb ist es auch verständlich, dass er als erste Lösung die Religion in Betracht zieht. Doch die Gespräche mit den Würdenträgern führen zu nichts. Die Kirche lässt ihn in seiner Hoffnungslosigkeit allein, wie schon in seiner Kindheit, als sie ihm beibrachten, dass er seine Bedürfnisse unterdrücken soll. Er wurde praktisch zur Lüge erzogen, um somit Anerkennung zu bekommen. Das nächste Thema, dem er sich stellt, ist seine Beziehung zu den Frauen. Auch hier geht es wieder um die Lügen, die er sich selbst und den anderen erzählt. Dabei stehen seine Frau und seine Geliebte im starken Kontrast zueinander. Während letztere die sexuelle Begierde wiederspiegelt, scheint ihm seine Ehefrau eher auf geistiger Ebene zu erreichen. Doch Guido kann beides nicht miteinander verbinden, er lügt auf beiden Seiten und findet dadurch keine Lösung für sein Problem. Er kommt nicht zu Ruhe, weil jede seiner Lügen zu noch mehr Problemen führt. Seine sexuelle Begierde findet seinen Höhepunkt in der bekannten Harem-Sequenz in der alle Frauen, die er kennt, ihm zu Füßen liegen. In dieser Fantasie schafft er es seine vielfältigen Bedürfnisse unter einen Hut zu bringen, doch wird durch die surreale Sequenz schnell klar, dass dies in der Realität zu keiner Lösung führt. Der dritte und wichtigste Aspekt ist aber seine Beziehung zur Kunst, im speziellen zum Filmemachen selbst. Er weiß nicht, wie er mit dem Druck, der Ideenlosigkeit und seinen Problemen umgehen soll. Die erste Szene, die ich oben beschrieben habe, ist dabei schon eine Metapher auf Guidos Gefühlszustand. Er ist gefangen, kommt nicht vorwärts. Die Menschen um ihn herum sind teilnahmslos und ihm gegenüber gleichgültig. Er versucht zu entkommen, als ihm das schließlich gelingt stellt er fest, dass er noch immer gefangen ist. Das Seil an seinem Fuß holt in zurück zu Boden. Die Lage scheint aussichtslos und verzweifelt sucht er nach einer Lösung. Schlussendlich erkennt er, dass ihm nichts anderes übrig bleibt, als alles zu beenden. Es ist schwer die Lösung für Guidos Problem zu finden, denn "8 1/2" kann und sollte nie 100-prozentig greifbar sein.

      "Ich hatte auch so eine hübsche kleine Ansprache hier am Tischende vorbereitet. Das etwa wollte ich sagen: Meine Lieben! Das größte Glück besteht darin, dass man die Wahrheit sagen darf ohne jemanden weh zu tun."

      "8 1/2" ist für den Zuschauer die Heilung, die der Protagonist des Films sucht. Er liefert die Antworten, die man braucht, wenn man vom Alltag gestresst oder von seiner Umwelt genervt wird. Fellini schuf einen Meilenstein der Filmgeschichte und für mich den besten Film aller Zeiten.

      11
      • 10

        "Ich habe Dinge gesehen, die ihr Menschen niemals glauben würdet. Gigantische Schiffe, die brannten, draußen vor der Schulter des Orion. Und ich habe C-Beams gesehen, glitzernd im Dunkel, nahe dem Thannhäuser-Tor. All diese Momente werden verloren sein...in der Zeit, so wie...Tränen im Regen."

        Wenn man sich die Filme von Ridley Scott in den letzten Jahren ansieht, könnte man fast vergessen, dass er seine Karriere damals mit Meisterwerken wie "Alien" und "Blade Runner" begonnen hat. Und wenn man sich "Blade Runner" ansieht, könnte man fast vergessen, dass der Film mittlerweile schon über 30 Jahre auf dem Buckel hat. Aus optischer Sicht ist "Blade Runner" nämlich überragend. Eine dystopische Zukunftsvision, Los Angeles im Jahr 2019...dreckig, düster und überlaufen...Tiere sind schon beinahe ausgestorben, von Natur keine Spur...grelle Lichter blinken überall, alles ist durcheinander. Kein Ort an dem man gerne Leben möchte, aufdringliche Werbungen sind allgegenwärtig, so auch ein Aufruf, dass man doch am Besten auf einen anderen Planeten umsiedeln soll. Doch wenn man sich die Wesen, die durch die Gassen streifen, so ansieht, dann kann man nicht recht glauben, dass sich irgendjemand die Flucht in eine neue Welt leisten kann. Mitten in diesem Setting steckt die Hauptfigur Deckard, die von Harrison Ford perfekt gespielt wird. Ein Charakter, der mindestens genau so heruntergekommen ist, wie die Stadt in der er lebt. Das geniale an der Figur des Blade Runners ist, dass er alles andere als ein klassischer Protagonist ist. Er ist nicht besonders charismatisch, bietet wenig Potential als Identifikationsfigur und ist sehr weit davon entfernt der Held der Geschichte zu sein, der alles zum Guten wendet. Ihm gegenüber steht ein nicht minder genialer Antagonist, der von Rutger Hauer verkörpert wird. Die Konfrontation der beiden Charaktere wird zum Höhepunkt des Films und liefert uns einen Kampf mit einem unerwarteten Ende. Untermalt werden die düsteren Einstellungen durch eine Musik, die ich zwar nicht als schön bezeichnen würde, die aber passender nicht sein könnte.

        "Ein Jammer, dass sie nicht leben wird. Aber wer tut das schon?"

        Inszenatorisch liefert Scott hier eine seiner besten Arbeiten ab. Vor allem die Beleuchtung sorgt für einige unglaublich gelungene Einstellungen. Doch nicht nur die melancholischen Bilder machen den Film zu einem Klassiker des Science-Fiction-Kinos. Die Thematik der künstlichen Intelligenz liefert zahlreiche philosophische Fragen. Worin unterscheiden sich die Replikanten von den Menschen, sind sie vielleicht eine neue und verbesserte Form? Wie weit darf man bei der Erschaffung künstliches Lebens gehen? All diese Fragen gipfeln in der letzten Szene, die dem kompletten Film einen noch dunkleren Unterton verleiht. "Blade Runner" zieht den Zuschauer in seinen Bann, nur schwerlich kann man sich von der unglaublichen Atmosphäre losreißen.

        "Das Licht, das doppelt so hell brennt, brennt nur halb so lang...und du hast für kurze Zeit unglaublich hell gebrannt, Roy."

        Da es zahlreiche Version zu "Blade Runner" gibt, möchte ich noch kurz auf die unterschiedlichen Fassungen eingehen. Ich habe die Kinoversion, den Directors Cut und den Final Cut gesehen. Von der Kinoversion würde ich abraten, da sind die anderen Beiden deutlich besser,
        Im direkten Vergleich hat der Final Cut dann noch etwas die Nase vorn, obwohl sich beide Versionen nicht all zu viel nehmen.
        In den meisten Umfragen steht auch der Final Cut an der Spitze. Das heißt wer "Blade Runner" noch nicht kennt oder auch mal wieder ansehen will, sollte zum Final Cut greifen.

        7
        • 10

          Dieser Kommentar ist im Rahmen der User-Wichtel-Aktion 2016 entstanden und ist eine Überraschung für (VincentVega).

          Wenn es stimmt, dass Antonioni dem Gefühl von Einsamkeit die größtmögliche Schönheit und Poesie abgerungen hat, dann muss es Melville sein, der ebenjenes Empfinden an ein Maximum an Coolness und Tragik koppelte. Unweigerlich geben es die ersten Einstellungen bereits voraus: Jef Costello liegt lethargisch in seinem Zimmer und raucht. Es dauert etwas, bis man ihn erkennt, denn vom leblosen und tristen Ambiente des Raums sticht er kaum hervor, lediglich die fahlen Rauchschwaden verraten seine Anwesenheit. Wortlos bekleidet er sich mit Mantel und Hut, blickt emotionslos auf sein Ebenbild im Spiegel, welches längst ikonenhaft in die Filmgeschichte eingegangen ist. Das Stadtbild von Paris ist von einer ähnlichen Tristesse befallen. Grau in Grau reiht sich Häuserfront an Häuserfront, alles ist verregnet, unfreundlich und steril. Wie nur wenige andere Werke versteht sich „Le Samourai“ darauf die innerlichen Befindlichkeiten seiner Hauptfigur auf dessen Umgebung zu projizieren und dadurch einen omnipräsenten Raum zur Konfliktverhandlung zu erzeugen.

          Überhaupt scheint Jef Costello eine der faszinierendsten Figuren zu sein, die das Kino jemals hervorgebracht hat. Das liegt natürlich an Alain Delon, der mit seiner Darstellung nicht nur den Begriff von Coolness neu geprägt, sondern auch unwiderruflich in den Schauspielolymp aufgestiegen ist. Um die rätselhafte Titelfigur erzeugt er eine undurchdringbare Mauer, eine Oberfläche, die jeden Rückschluss auf dessen Persönlichkeit für ungültig erklärt. Jef Costello kann, und das ist das Erstaunliche, nicht durchschaut, psychologisiert oder analysiert werden. Seine Figur wirft jeden Ansatz zurück, unweigerlich bleibt unser Blick an seiner Fassade heften und vermag es nicht tiefer in dessen Inneres vorzudringen. Die gewaltige Faszination liegt in der Ambivalent seiner Figur, indem Melville selbst keine eindeutigen Erkenntnisse erlaubt, ist er für uns Zuschauer genau das, was wir in ihm sehen wollen oder auch nicht übersehen können.

          Doch auch darüber hinaus ist „Le Samourai“ schlichtweg ein Film von herausragender Präzession. In allen Belangen so perfekt, als wäre das Kino all die Jahre zuvor nur auf diesen Punkt zugesteuert und als hätte es danach stillschweigend akzeptiert, dass man diese Makellosigkeit ohnehin nicht mehr übertrumpfen kann. Es wirkt beinahe selbstverständlich wie alle Bildkompositionen ineinandergreifen, wie instinktiv sich die dialogfreien Szenen erschließen und wie treffend jede Einstellung die Szenerie seziert. Natürlich steckt dahinter das Talent eines außerordentlichen Handwerkers, Melvilles Gespür für das Visuelle und seine Faszination für die Kriminalgeschichten vergangener Tage. Und auch wenn es hinsichtlich der durchgehenden Klasse des Werkes beinahe unmöglich erscheint eine einzelne Szene hervorzuheben, so ist die letzte des Films dennoch eine der tragischsten, die das Kino je hervorgebracht hat.

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          • 10
            über Blow Up

            [...] Die wohl interessanteste und sicherlich auch zentrale Frage des Films lautet: Hat Thomas wirklich einen Mord fotografiert oder spielt sich alles nur in seiner verzehrten Wahrnehmung ab? Das wirklich Entscheidende daran ist, dass man dieser Frage auf allen Ebenen nachgehen kann und dabei unterschiedliche Antworten erhält. Auch die Gewichtung der Frage verschiebt sich, denn man könnte gegen Ende durchaus zu dem Schluss kommen, dass die Beantwortung der selbigen komplett nebensächlich ist und lediglich die persönliche Wahrheit zählt. Eine These, die von der genialen Schlussszene durchaus bekräftigt wird. Folgt man diesem Gedanken dann kommt man aber auch zu dem Schluss, dass Thomas daran glauben will einen Mord fotografiert zu haben. Und hier wird es interessant, denn gerade diese bewusste Entscheidung führt zur entscheidenden Thematik des Films, nämlich der verzehrten Selbstwahrnehmung eines Mannes über seinen eigenen Status in der Gesellschaft. Ja, Thomas sieht sich selbst als Künstler, lebt mit dem wohligen Gefühl der Überlegenheit, welches er auch spürbar an seiner Umwelt ablässt. Die Lustlosigkeit mit der er seiner kommerziellen Arbeit (Modefotografie) nachgeht ist konsequent spürbar, und gewiss stammt sein Missmut darüber auch daher, dass sie ihm vor Augen führt wie bedeutungslos er eigentlich ist. Das Fotografieren im Park und die darauffolgende Scheinerkenntnis eines Mordes ist der verzweifelte Versuch sich als Künstler zu rehabilitieren, Bedeutung in seinem Schaffen zu finden. Er projiziert seine Wunschvorstellungen, und wenn er in der Schlüsselszene des Films seine Aufnahmen immer weiter vergrößert, damit verzweifelt versucht die Oberfläche zu durchdringen und in seinem Scheitern Bedeutung zu finden, dann bringt dieser Versuch sein künstlerisches Versagen auf den Punkt. Der Schlussakkord wird damit zu etwas extrem Tragischen, gibt sich Thomas doch vollends seiner persönlichen Wahrheit hin und schafft es dadurch nicht seine eigene Impotenz als Künstler zu überwinden, gar zu erkennen. [...]

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            • 10

              "Birgt dieses Hotel viele Geheimnisse?"
              "Unendlich viele..."

              Oh ja...dieses Zitat beschreibt meine Erlebnisse mit "Letztes Jahr in Marienbad" perfekt. Ich weiß nicht wie oft ich ihn schon gesehen habe, trotzdem entdecke ich jedes mal wieder Neues, neue Geheimnisse wenn man so will. Jedes mal wieder....zwar nur Kleinigkeiten, doch führen diese stets zu neuen Erkenntnissen, neuen Einsichten, neuen Denkanstößen für neue Interpretationen. Und gerade diese Interpretationen sind so zahlreich wie die Gänge und Räume im namensgebenden Schloss...aber Moment, ob die Handlung wirklich in Marienbad stattfindet wird nie eindeutig bestätigt. Überhaupt ist unklar, ob und wo sich der Mann und die Frau letztes Jahr getroffen haben. Bei dieser Frage sind sich sogar der Regisseur Resnais und der Drehbuchautor Robbe-Grillet uneinig. Aber gerade das ist auch das Schöne an diesem Film. Wie soll sich der Zuschauer mit sich selbst und anderen einigen, wenn sogar Regisseur und Autor anderer Meinung sind. Letztendlich kommt es immer darauf an, wie der Zuschauer das Gesehene wahrnimmt. Denn völlig egal wie man die Geschehnisse interpretiert...über den Sog, den der Film auswirkt, sind sich alle Liebhaber des Streifens einig. Die ewig langen Kamerafahrten durch das barocke Schloss ziehen den Betrachter in einen Bann, dem man sich nur schwer entziehen kann. Auch wenn die Bilder zum Teil sehr repetitiv sind, üben sie trotzdem eine gewisse Faszination aus. In Kombination mit der grausig schönen Orgelmusik wird der Film zu einem Erlebnis, zu einer Erfahrung, die man als Cineast gemacht haben sollte... egal ob man den Film dann schlussendlich lieben oder hassen wird. Zumindest mein Aufenthalt in diesem barocken Hotel war, wie auch schon in den Jahren zuvor, berauschend.

              5
              • 10

                Wenn ich nach meinem Lieblingsfilm gefragt werde, dann lautet die Antwort stets „Pulp Fiction“. Schon seit Jahren ist das so, nicht etwa weil ich in dieser Zeit keinen einzigen Film gesehen habe, der es mit der Qualität dieses Werkes aufnehmen könnte, sondern schlichtweg weil Tarantinos zweite Regiearbeit auf ewig der Film sein wird, in dem meine Liebe zum Medium Film begründet liegt. In den letzten Jahren gab es zahlreiche Filme, die mich begeistert haben (Klassiker gleichermaßen wie Modernes) und doch hatte ich nie wieder ein ähnlich starkes Gefühl der Offenbarung wie bei der ersten Sichtung von „Pulp Fiction“. Es gibt unzählige Meisterwerke, die mich bewegt, begeistert und mitgerissen haben, doch die Faszination für „Pulp Fiction“ wird für immer unerreicht bleiben.

                Über „Pulp Fiction“ zu schreiben ist eine relativ undankbare Aufgabe, schließlich wurden auf diesen Film bereits mehr als genug Lobeshymnen verfasst, er wurde aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln beleuchtet und immer wieder wird die selbe Liste an Qualitäten heruntergebetet. Deswegen erspare ich es mir erneut die zahlreichen Stärken des Films anzupreisen und will kurz etwas über Tarantinos Figuren verlieren. Dass sie oftmals als Inbegriff von Coolness und Kult bezeichnet werden, dürfte weitgehend bekannt sein, interessanter ist es aber wie Tarantino seine Charaktere immer wieder dekonstruiert. Nehmen wir als Beispiel Marcellus Wallace, schon bevor wir ihn das erste Mal zu Gesicht bekommt, hören wir zahlreiche Geschichten über ihn und seinen Einfluss, immer wieder zeigt Tarantino seinen Hinterkopf und trägt durch seine Inszenierung zu dessen Mysterium bei. Im Kopf des Zuschauers hat sich dadurch schon längst ein Bild von Marcellus gefestigt, ein Bild, welches unmöglich mit der echten Person mithalten kann. Und was passiert, wenn Tarantino die Figur offenbart? Er steht auf der Straße, eine Schachtel Donuts in der Hand und wird von einem Auto überfahren, einem Gangsterboss nicht gerade angemessen. Sehr ähnlich läuft es bei seiner Frau, auch Mia Wallace wird zuerst verbal und anschließend inszenatorisch dermaßen übertrieben angekündigt, dass ihre Erscheinung nicht mit den Erwartungen des Zuschauers mithalten kann und kurze Zeit nach ihrem Auftritt stirbt sie fast an einer Überdosis. Dieses Motiv lässt sich im Laufe des Films immer wieder beobachten, beispielsweise der missglückte Überfall von Pumpkin und Honey Bunny oder Vincent Vegas Tod auf dem stillen Örtchen. Tarantinos genießt es seine Figuren übermenschlich zu idolisieren, nur um ihnen dann schlagartig den Boden unter den Füßen wegzuziehen und ihre komplette Erscheinung zu dekonstruieren.

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                • 9

                  [...] Kim Ki-Duk bricht den buddhistischen Glauben auf einige essentielle Werte herunter und schafft so einen Film, der von seiner Wirkung her beinahe einmalig ist. Die Kameraarbeit ist geprägt von einer meditativen Ruhe und fängt die Naturkulisse des Films in unnachahmlicher Schönheit ein. Frühling, Sommer, Herbst, Winter und … Frühling ist angefüllt mit echten und vielschichtigen Emotionen und strahlt dabei eine beruhigende und natürliche Wirkung aus. Inmitten dieser fernöstlichen Welt verhandelt Kim Di-Duk essentielle Thematiken und reflektiert angereicht mit jeder Menge Symbolismus über die Bedeutung des Lebens. Dabei ist sein Film auch ein überaus persönliches Werk, sowohl für den Regisseur, als auch für den Zuschauer, der für sich selbst entscheiden muss, was er letztlich aus der Seherfahrung mitnimmt. [...]

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                  • 9
                    über Crash

                    Wie ein Sargdeckel schließt das Cabrio sein Dach über den Figuren, das Auto wird als zentrales Motiv gleichermaßen zum Grab und Sehnsuchtsort des Films. Autounfälle und Sex. Was zunächst im abgetrennten Gleichschritt stattfindet, verdichtet Regisseur David Cronenberg mit fortschreitender Laufzeit zusehends, bis beide Elemente zu einer untrennbaren Einheit verschmolzen sind. Cronenberg und Ballard mag eine naheliegende Kombination sein, die Konsequenz mit der die beiden Künstler an ihre Werke herantreten ist jedenfalls faszinierend. In den kühl und distanziert wirkenden urbanen Schauplätzen liegt eine Sehnsucht zum Ausbruch, eine Neigung zur Realitätsflucht. Spader glänzt als distanzierter Jedermann mit nichtssagendem Blick, auf der Suche nach etwas, von dem er keine Ahnung hat. Lust, Sinnlichkeit und Eskapismus müssen in Crash zu einem hohen Preis erkauft werden, denn wer aus seinem Leben ausbricht, tut das absolut und unumkehrbar. Die zerbrechlichen Körper scheinen den bulligen Massen aus Stahl so stark unterlegen, dass jede Aktion die letzte sein könnte. Immer schneller, immer härter, immer extremer. Erotik als Wahn. Crash ist eine Gradwanderung zwischen lustvoller Erotik und abschreckender Perversion, gleichermaßen anziehend und abstoßend, was dem Film zu seiner einzigartigen Atmosphäre verhilft. Eine sinnlich morbide (Horror)Fantasie, in der Leidenschaft radikalisiert und Körper demontiert werden. Präzise beobachtet, zynisch ohne dabei seine Figuren zu verachten und empathisch ohne sich in Emotionen zu verlieren. Unverkennbar Cronenberg und schlichtweg genial, in welch virtuoser Weise die einzelnen Elemente ineinandergreifen. Meisterwerk.

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                    • 9

                      "How can you've live for so long and still not get it? This self obsession is a waste of living. It could be spend in surviving things, appreciating nature, nurturing kindness and friendship, and dancing. You have been pretty lucky in love though, if I may say so."

                      Vampire, schon immer war ich fasziniert von diesen Geschöpfen der Nacht. Wesen, die obwohl sie so menschlich sind, trotzdem unnatürlich und gespenstisch wirken. Während mich Werwölfe, Zombies und andere legendäre Gruselgestalten schon immer ziemlich kalt ließen, fand ich die Gestalt des Vampirs schon immer anziehend. Die Gier nach Blut, übermenschliche Kräfte und ein ewiges Leben zeichnen die gefürchteten Blutsauger aus. Es ist daher nicht verwunderlich, dass ich schon seit seiner Ankündigung sehnsüchtig auf "Only Lovers Left Alive" gewartet habe. Ein Vampirfilm und noch dazu von Jim Jarmusch, einem Regisseur den ich sehr schätze. Dass der Film anders werden würde, war klar, und das war auch der Grund dafür, dass ich so auf den Film gespannt war. Um so größer war die Enttäuschung, als ich feststellen musste, dass der Film in meinem lokalen Kino nicht lief. Also musste ich wieder warten, aber es hat sich dann schließlich gelohnt. Jim Jarmusch liefert mit "Only Lovers Left Alive" ein kleines Meisterwerk ab, dass ich gestern schon zum zweiten, aber bestimmt nicht zum letzten Mal, gesehen habe.

                      So, dann kommen wir nach diesem deutlich zu lang geratenen Vorwort endlich zum Film selbst. Beginnen wir mit der Handlung. Wer Jarmusch kennt, weiß, dass seine Filme nie eine sonderlich komplexe, ausgefallene oder aufwendige Handlung haben. Bei "Only Lovers Left Alive" ist das nicht anders, man könnte sogar sagen, dass der Film überhaupt keine Handlung hat. Viel mehr sieht man zwei Stunden lang den beiden Hauptdarstellern zu, man verbringt Zeit mit ihnen und lernt sie kennen. Der Film setzt voraus, dass der Zuschauer eine gewisse Ruhe mitbringt und sich auf den Film einlassen kann. Wer also einen bestimmten Grad an Story braucht, ist hier falsch. Ebenso wird man wohl Probleme haben, wenn man einen der beiden Protagonisten nicht sonderlich sympatisch findet. Jeder Darsteller wurde perfekt ausgewählt. Tilda Swinton und Tom Hiddleston wirken so authentisch, als wären sie für diese Rolle geboren worden. Beide liefern in "Only Lovers Left Alive" die bisher beste Performance ihrer Karriere ab. Der Musiker Adam zeichnet sich durch einen Hang zur Melancholie aus und hat sein unsterbliches Vampirleben etwas satt, was vor allem an den Zombies (so nennt er die "normalen" Menschen) liegt. Seine Partnerin Eve genießt ähnlich wie er jede Art von Kunst. Sei es Literatur, Musik oder auch Film. Adam bewundert außerdem viele menschliche Wissenschaftler und hat in seiner Wohnung eine Wand voll mit Bildern von seinen Helden. Neben Philosophen und Wissenschaftlern finden sich auch Charlie Chaplin und Buster Keaton an der Wand wieder. Dabei bleibt offen, ob diese in der fiktiven Welt normale Menschen oder Vampire sind. Immer wieder stellt der Film bestimmte historische Ereignisse mit einem Augenzwinkern etwas anders da. Auch die Nebendarsteller wissen zu überzeugen. Sei es der alternde Vampir Marlowe, der von John Hurt verkörpert wird und eine väterliche Ausstrahlung besitzt, oder auch der menschliche Musiker Ian, der zahlreiche Erledigungen für Adam macht. Besonders im Gedächtnis bleibt außerdem die kleine Schwester von Eve. Sie wird von Mia Wasikowska gespielt und obwohl sie schon einige Jahrhunderte alt ist, verhält sie sich noch immer wie eine rebellische Jugendliche. Jarmusch gelingt es, Bilder und Musik zu einer Einheit zu verbinden. Der Soundtrack ist hervorragend und auch die Kameraeinstellungen sind extrem gelungen. Beides verschmilzt und erzeugt dadurch eine beeindruckende Atmosphäre, die den Zuschauer komplett fesselt und in den Film hineinzieht. Thematisch spricht Jarmusch wichtige Themen an, die man immer wieder in seinen Werken findet. Es geht um die Entfremdung des Menschen und seinen Wert in der aktuellen Welt. Jarmusch kritisiert, wie die Menschen mit der Welt umgehen und rückt die Menschheit dabei in ein negatives Licht. Jedoch ist nicht alles schlecht, er zeigt was Menschen schon Großartiges erschaffen haben. Außerdem weist er auf die Wichtigkeit und den Wert von Beziehungen hin.

                      In "Only Lovers Left Alive" zeigt Jarmusch Vampire von einer völlig neuen Seite. Der Film kombiniert starke Schauspielleistungen mit gelungenen Kameraeinstellungen und einem grandiosen Soundtrack.

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                      • 9

                        [...] Zwischen glänzenden Fassaden und abgestandenem Schampus beleuchtet „Boulevard der Dämmerung“ die Kehrseite der Medaille. Billy Wilders („Zeugin der Anklage“) Film ist ein zynischer Blick hinter die Kulissen, ein Gegenentwurf zur oftmals völlig verklärten Außenwahrnehmung Hollywoods. [...] Schon bei ihrem ersten Aufeinandertreffen könnten die Unterschiede zwischen Norma Desmond (Gloria Swanson, „Indiscreet“) und Joe Gillis (William Holden, „Die Brücke am Kwai“) unterschiedlicher nicht sein, sie ein ehemaliger Stummfilmstar, in ihrer heruntergekommenen Villa der Vergangenheit nachtrauernd und er ein junger Drehbuchautor, der seinen schuldbehafteten Wagen im Anwesen der scheinbar unbewohnten Villa versteckt. So trifft sich das ungleiche Duo zum ersten Mal, in ihrer konträren Erscheinung verkörpern sie auch ihre jeweiligen Epochen, sie den pompös überzeichneten Stummfilm und er das zeitgenössische Studiosystem. In gewisser Weise sind beide Sklaven ihrer Zeit, sehnen sich auf der einen Seite nach Anerkennung und Ruhm, auf der Anderen nach schnell verdientem Geld und einem leichten Leben. [...] Wilder lüftet den Vorhang, er offenbart einen Blick hinter die Fassade und damit direkt in die Mechanismen von Hollywood. Es ist ein System, in dem sich letztlich nur die Stärksten durchsetzen und in dem Aufstieg und Fall oftmals sehr nah beieinander liegen. Norma Desmond ist eines der zahlreichen Opfer dieses Systems, sie lebt in ihrer eigenen Welt, einer Welt in der sie noch immer der große Star von damals ist. Joe Gillis versucht indessen genau in dieser Welt Fuß zu fassen, doch sein Bestreben ist nicht mit Erfolg geglückt, erneut offenbaren sich hier die Gegenteile der beiden Figuren. So steuern sie beide, ohne es zu wissen, unaufhaltsam ihrem Schicksal entgegen, nicht mehr als kleine Staubkörne in den riesigen Mühlwerken des Systems.

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                        • 9

                          Dieser Kommentar ist ein Wichtelkommentar im Rahmen der User-Wichtel-Aktion-2014 für kobbi88. Vielen Dank an dich und auch an JimiAntiloop, der die Aktion organisiert hat.

                          ------Erster Advent------

                          "Diese Bestie hat kein Recht zu existieren. Sie muss weg, ausgerottet werden, vertilgt. Ohne Gnade und Barmherzigkeit!"

                          Man kann "M - Eine Stadt sucht einen Mörder" wohl ohne Zweifel als einen absoluten Klassiker der Filmgeschichte bezeichnen. Fritz Lang schuf 1931 einen Meilenstein des deutschen Films, der von vielen immer noch als der beste deutsche Film aller Zeiten bezeichnet wird. Obwohl es Langs erster Tonfilm war, nutzte er die Möglichkeiten des neuen Mediums perfekt aus. Der ebenso simple wie auch geniale Kniff, dass sich der Täter durch ein unscheinbares Pfeifen selbst verrät, wäre einige Jahre zuvor nur schwer umsetzbar gewesen.
                          Die eigentliche Handlung von "M" ist schnell erklärt. In den Straßen Berlins treibt sich ein Kindermörder, ein Triebtäter herum. Obwohl die Polizei mit allen möglichen Kräften nach ihm fahndet, bleibt er mehrere Monate auf freiem Fuß und die Liste seiner Opfer wächst. Da die Organisation der Verbrecher durch das erhöhte Polizeiaufgebot immer mehr in ihrer Tätigkeit eingeschränkt wird, beschließen die kriminellen Ringvereine den Täter auf eigene Faust zu finden und zu richten.
                          Bis Fritz Lang mit dem Dreh des Films beginnen konnte, dauerte es aber seine Zeit. Das Drehbuch entstand in Zusammenarbeit mit seiner Ehefrau und basiert auf sehr ausgiebiger Recherche. So besuchten sie nicht nur psychiatrische Einrichtungen und Gefängnisse um das Verhalten des Täters zu studieren, sondern stellten ebenfalls Kontakt zur Berliner Polizei her, um einerseits Akten einzusehen und um andererseits einen genaueren Einblick in die Vorgehensweisen der polizeilichen Ermittlung zu bekommen. Doch die lange Arbeit hat sich ausgezahlt. Eine der großen Stärken von "M" ist seine authentische Darstellung. So nimmt sich der Film viel Zeit um zu erklären, wie die Polizeiarbeit vonstatten geht und welche Maßnahmen ergriffen werden. Doch nicht nur die Polizei wird beleuchtet, wir bekommen auch einen Einblick in die Welt der Verbrecher. Während die Kleinkriminellen in einer Kneipe zusammengetrieben werden, treffen sich die Anführer der verschiedenen Organisationen zu einem Beratungsgespräch. Schnell wird deutlich, dass sie ihre Verbrechen nicht als Straftat ansehen, sondern als ihren ganz normalen Beruf, den sie ausüben. Außerdem distanzieren sie sich von dem Kindermörder, mit dem sie nichts zu tun haben wollen. Besonders sehenswert ist diese Szene, weil immer wieder zwischen einem Treffen der Polizei und dem Treffen der Kriminellen hin und her geschnitten wird. Wir sehen, dass sich beide Organisationen doch ähnlicher sind, als sie es zugeben wollen. Auch die Kriminellen beschließen den Täter zu jagen. Ab nun gilt, dass wirklich die ganze Stadt hinter dem Täter her ist. Enttarnt wird er dann ironischerweise von einem Blinden, durch eine weiße Markierung aus Kreide, dem namensgebenden M, kann der Mörder verfolgt und nach einer aufwendigen Aktion schließlich auch vor das Tribunal der Kriminellen gestellt werden. In dieser Szene pack Peter Lorre sein ganzes schauspielerisches Können aus. In Panik berichtet er davon, wie krank er ist und das er deswegen unschuldig sei. Er schildert das Grauen und den Horror in seinem Alltag und es wird klar, dass es sich um einen psychisch zutiefst kranken Menschen handelt. Alle Charaktere werden glaubhaft und authentisch dargestellt, die gelungene Charakterzeichnung ist eine große Stärke von Langs Film. Ebenfalls schafft er es perfekt das Bild einer Stadt zu zeigen, die ihn Panik versetzt ist. Überall hängen Fahndungsplakate, Eltern lassen ihre Kinder nicht mehr alleine auf die Straße und in den Bürgern macht sich Misstrauen und Angespanntheit breit. Zweimal wird gezeigt, wie ein unschuldiger Bürger ohne Beweise für den Täter gehalten wird und schnell von einem wütenden Mob von Bürgern angegriffen wird. Eine ganze Stadt wird durch einen Täter ins Chaos gestürzt.
                          Es ist wohl Langs Regie zu verdanken, dass der Film auch noch heutzutage kurzweilig und fesselnd ist. Nach knapp 85 Jahren funktioniert der Spannungsaufbau immer noch hervorragend. Auch das Thema des Films ist noch immer aktuell, denn Selbstjustiz und die Panik der Bevölkerung sind Themen, die immer wieder in den Nachrichten auftauchen. Das alles macht "M" zu einem zeitlosen Klassiker, einem Meisterwerk, das auch noch zukünftige Generationen erreichen wird.

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                            [...] Ein derart gelungenes Regiedebüt findet man in der Filmgeschichte nur selten, zwar ist es durchaus üblich, dass sich spätere Markenzeichen schon im Erstling eines Regisseurs herauskristallisieren, im Fall von „Reservoir Dogs“ lassen sich diese jedoch nicht nur erahnen, sondern kommen bereits in perfektionierter Form zum Einsatz. Nicht chronologisches Erzählen, Ausschweifende Gewalt und coole Dialoge sind nur einige Stichwörter, die in diesem Zusammenhang regelmäßig fallen und dabei wird Tarantino auch immer wieder Unrecht getan, indem er auf diese Überbegriffe reduziert wird. Hinter seinen Figuren und Dialogen steckt deutlich mehr als nur oberflächliche Coolness, sie folgen einem klaren Konzept und auch wenn sie sich augenscheinlich um völlig losgelöste Themen drehen, schwingt darin immer ein Stück weit inhaltliche Relevanz mit. [...] Es gehört einiges dazu die Interaktion und das Aufeinandertreffen der Figuren so willkürlich wirken zu lassen und dem Zuschauer dadurch vorzugaukeln all diese scheinbar vom Zufall ausgelösten Momente lassen sich auf nichts weiter als eine (un)glückliche Fügung des Schicksals zurückführen. Hinter all diesen Momenten steckt Kalkül, was von Tarantino jedoch so sorgfältig verborgen wird, dass es beim Betrachten des Films niemals als solche wirkt. Denn genau hier liegt die große Kunst, die Expertise, die so viele Tarantino Rip-Offs durch ihre Nichtexistenz gnadenlos vorführt. Der entscheidende Kniff, der ein dermaßen durchkonstruiertes Skript so herrlich willkürlich und zufällig erscheinen lässt. [...]

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                              [...] Alains Züge sind eingefallen, seine Augen glanzlos und ein Lächeln huscht ihm nur sehr selten übers Gesicht. Er ist trocken, lebt seit einem halben Jahr in einem Sanatorium und laut Aussage seines betreuenden Arztes vollkommen geheilt. Doch er weiß es besser, von seiner Existenz überdrüssig beschließt er beinahe nebensächlich, dass morgen der Tag sein wird, an dem er stirbt. Seine letzten 24 Stunden will er deshalb in Paris verbringen, der Stadt, die er einst geliebt und die ihn so frühzeitig verbraucht hat. Doch sein Besuch ist nicht das von Freunden und Bekannten erhoffte Wiedersehen, sondern schlichtweg ein Abschied. Zwar räumt Alain ausreichend Platz ein, sich erneut vom Leben überzeugen zu lassen, doch letztlich weiß er ebenso wie wir, wie es enden wird. Die Art und Weiße wie er Dinge betrachtet reicht für diese Erkenntnis eigentlich schon aus und so sagt er später selbst, dass er sich außerstande sieht, etwas wirklich anzufassen. Das Irrlicht ist das Porträt eines gebrochenen Mannes, der sich seiner selbst schmerzlich bewusst ist. Als Verschollener kehrt er zurück in eine Welt, die vormals seine eigene war, aber heutzutage nicht mal mehr das geringste Zeichen des Wiederkennens aus seinen Gesichtszügen locken kann. Der Versuch der Eingliederung, seine vergebliche Hoffnung erneut vom Leben überzeugt zu werden, ist von vornherein zum Scheitern verurteilt, denn die Kälte und den Egoismus seines Umfeldes hat er angesichts seiner eigenen Probleme unlängst als solche erkannt. [...] Obgleich Das Irrlicht formal zurückhaltend gestaltet ist, ist Malles Regie nie unsichtbar oder unbedacht. Die ruhigen Kamerabewegungen stehen im Einklang mit Alains Lethargie und sind stets bereit uns mehr über dessen Charakter zu berichten. Wahrscheinlich ist der Film auch deshalb so einnehmend, weil Form und Inhalt in perfekter Synergie eine Einheit bilden und stets in die gleiche Richtung steuern. [...] Überhaupt scheint man just nach dem Abspann selbst in diese leicht eigensinnige Melancholie des Films einzutauchen und mehr oder weniger ziellos vor sich hin zu philosophieren. Leicht abschütteln lässt sich Das Irrlicht wahrlich nicht, dafür ist er zu immersiv und eindrucksvoll. In seinem Abschiedsbrief schreibt Alain, dass er einen unauslöschlichen Makel auf uns hinterlässt. In diesem Moment spricht der Film uns direkt an, denn fortan soll Alains Schicksal ein Teil von uns sein…uns stets daran erinnern, dass wir lebendig sind und auch die traurigen Momente im Leben schätzen sollten, weil wir überhaupt im Stande dazu sind, sie zu fühlen. [...]

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                                Dies ist ein Wichtelkommentar im Rahmen der User-Wichtel-Aktion-2015 für Mackey.

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                                Es gibt viele gelungene Musikfilme, aber an die Genialität von „Almost Famous“ reicht keiner heran. Das liegt auch daran, dass sich der Film bei den unterschiedlichsten Elementen bedient und diese gekonnt zusammenfügt. Das sind neben offensichtlichen Einflüssen des Coming of Age Genres und des Roadmovies auch Anleihen des biografischen Dramas, des klassischen Feelgood Movies und der Tragikomödie. Kernstück der Handlung ist dabei William, der als optimale Proxy für den Zuschauer fungiert und stets der große Sympathieträger der Geschichte bleibt. Es ist vor allem seine Reise und seine Beziehung zur Musik, die im Vordergrund steht. Zwischen Leidenschaft und Profession hin und hergerissen gibt uns der Film damit einen einzigartigen Einblick in eine völlig andere Welt, weit entfernt von unserem Alltag, aber dennoch stets greifbar. Diese Welt ist bestückt mit kuriosen Geschichten und eigensinnigen Charakteren. Natürlich ist das Gezeigte überzeichnet dargestellt, in seinem Kern verkörpert der Film aber das echte Leben, stets schwankend zwischen bedrückender Melancholie und purer Lebensfreude. „Almost Famous“ ist ein vielschichtiger und komplexer Film, allein schon deshalb weil er es schafft die unterschiedlichsten Emotionen zu erzeugen. Ein magischer Film, der seine Zuschauer tief im Herzen trifft.

                                „Almost Famous“ nutzt die Musik als Sprache. Das wird bereits zu Beginn deutlich, als Zooey Deschanel nämlich das Haus ihrer Mutter verlässt liefert sie die Erklärung dazu in Form eines Songs. Kein Brief, kein Gespräch, keine Nachricht...einfach nur eine Schallplatte. Crowe macht damit etwas deutlich, was viele Menschen schlichtweg übersehen. Musik kann Ausdruck unseres Wesens sein, unserer Hoffnungen und Ängste. Eine vereinfachte, aber doch sehr treffende Beschreibung unserer Gefühlslage, weil Musik oftmals genau dann gebraucht wird, wenn Worte und Gesten versagen. Genau das macht „Almost Famous“ so einzigartig, dieses Verständnis von Musik und der damit verbundene Einsatz. Natürlich ergeben die einzelnen Songs für sich genommen schon ein großartiger Mix, die Art und Weise wie sie die Szenen untermalen ist jedoch die Krönung. Crowe weiß wie er durch passende Musik die Aussage und Wirkung einzelner Szenen erhöhen und den Zuschauer dadurch auf eine unterbewusste und unnachahmliche Art erreichen kann. Eine Liebeserklärung an die Musik und an ihren Einfluss in unserem Leben.

                                Man könnte noch so viel mehr über „Almost Famous“ schreiben, über Penny Lane und Russel Hammond, über Philip Seymour Hoffman und darüber, dass der Film gleichzeitig Loblied und Abgesang auf die Musikindustrie ist. Ein Film, den man sich stundenlang ansehen könnte, der dabei nie langweilig wird und über den man danach noch stundenlang nachdenken kann. Doch genau so wie man Musik am Besten einfach nur hören sollte, ist „Almost Famous“ ein Film, den man in erster Linie selbst erlebt haben muss.

                                „I have to go home.“
                                „You are home.“

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                                  [...] Jede Szene, jede Bildkomposition scheint bis ins Detail geplant zu sein, Kamera, Figuren und Objekte, alles hat seinen vorgegebenen Platz und im Zusammenspiel ergibt sich ein atemberaubendes Gesamtbild. Kobayashis Regie ist langsam, seine Wirkung entfaltet sich nur schleichend, aber dennoch spürt man von Beginn an seine Vision und die visuelle Kunstfertigkeit mit der er diese umsetzt. Ruhige schwarz-weiß Bilder, die von einer ausdrucksstarken Bildsprache und einem eindrucksvollen Gespür für effektive Inszenierung zeugen.

                                  Was nach dem Film bleibt ist aber nicht nur seine ausgeklügelte Erzählstruktur und seine grandiose Inszenierung, sondern vor allem seine Aussage, ein letzter Abgesang auf die Ehre der Samurai. Unmissverständlich macht Kobayashi deutlich, dass diese, falls sie je existiert hat, schon längst vergangen ist. Spätestens wenn das Wappen des Hauses mit Blut bespritzt und die abgeschnittenen Zöpfe der vormals ehrenhaften Krieger im Dreck liegen, wird dem Zuschauer bewusst wie verkommen und falsch das System wirklich ist, wie auch in einem der letzten angesehenen Häuser die Ordnung und der äußerliche Eindruck nur ein glanzloser Schein ist, ein innerlich verkommenes Gerüst, versteckt hinter einer hübschen Fassade. Und auch der namensgebende Freitod, eigentlich ein freiwilliger Ausweg um die eigene Ehre zu bewahren, wird seiner ursprünglichen Bedeutung komplett entfremdet, wenn er mit einer Bambusklinge und unter schmerzverzehrtem Geschrei erzwungen wird. [...]

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                                    [...] Ganz New York ist seine Bühne, wenn er schäbig auf dem Fahrersitz seines Taxis versinkt und auf seinen nächtlichen Touren den gesellschaftlichen Morast von den Bürgersteigen auflesen muss. Beinahe demütig gibt sich De Niro diesem Charakter hin. Man sieht nicht ihn, sondern nur Travis Bickle, einen desillusionierten Vietnamheimkehrer, der, wie es die triste Bildgestaltung von vornherein verdeutlicht, unter unausgesprochenen Problemen leidet. Er ist einer von vielen, der versucht ein funktionierender Teil der Gesellschaft zu werden und in seinem Unvermögen seine eigenen Probleme in einen übergeordneten Konflikt projiziert. Seinen Diskurs verhandelt Taxi Driver primär in diesem Spannungsfeld aus Charakterdrama, Gesellschaftskritik und Milieustudie, was gerade in der gegenseitigen Wechselwirkung ungeahnte Dimensionen eröffnet. [...] Gegen Ende offenbart Taxi Driver bissigen Zynismus, wenn Travis verzweifelter Gewaltmarsch als Rettungsmission und seine egoistische Opferung als selbstlose Tat missverstanden wird. Er ist ein Mann, der möglicherweise das Richtige tut, aber aus den falschen Beweggründen handelt und sich dafür bei den falschen Mitteln bedient. Damit porträtiert der Film auch die Gratwanderung zwischen Opfer, Täter und Held, sowie die Fragwürdigkeit medialer Darstellung. Wie schnell das augenscheinlich Normale in sein Gegenteil kippen kann, führt Scorsese auch immer wieder formal vor. Indem der Film eine Einstellung einen Moment zu lange hält, einen Zoom einen Hauch zu nah ans Geschehen bringt oder ein Geräusch einen Tick zu laut abspielt, erzeugt er ein Unwohlsein, welches Travis Gefühlswelt eindringlich einfängt. Die Stärke der Inszenierung liegt in dieser sehr unscheinbaren, aber unglaublich wirkungsvollen Immersion. Travis als sozialer Außenseiter, aber auch als Symbol unserer Angst davor ausgeschlossen zu werden. [...]

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                                      Ein Sommer für die Ewigkeit - verortet im Norden Italiens, verankert in unserer Erinnerung. Es ist der Sommer der ersten Liebe, ein Sommer, der eigentlich nie enden sollte und es trotzdem irgendwann tat. So auch für den jungen Elio und den nicht nur körperlich deutlich reiferen Oliver. Zwischen malerischen Landschaften und der süßlich säuselnden Stimme Sufjan Stevens kommen sie sich näher – die brodelnde Atmosphäre zeugt von ihren Gefühlen. In der Luft liegt eine Unbeschwertheit und Lebenslust, die nur schwer mit der Tragik ihrer Beziehung vereinbar ist. Die Tatsache, dass es sich um eine homosexuelle Liebe handelt, spielt eigentlich gar keine Rolle. Luca Gaudagninos Film ist universell, in ausschweifenden 132 Minuten schafft er es Gefühle in Bilder zu packen, für die sich nur schwerlich Worte finden lassen. Call Me By Your Name interessiert sich nur wenig für seine Figuren, völlig egal woher sie kommen und wohin sie gehen. Umso mehr jedoch für ihre Körper, eingegossen im gleißenden Sonnenlicht eines einzigen Sommers. Für Lippen, die sich zärtliche Küsse aufdrücken und gierig den Rauch einsaugen. Für nackte Oberkörper, die sich ins kühle Nasse stürzen und für Hände, die einem Gefühl nicht enden wollender Sehnsucht Ausdruck verleihen. „Reden oder Sterben?“ heißt es zu einem Zeitpunkt im Film. Gaudagnino weicht dieser Frage aus, indem er nicht Wörter, sondern Blicke und Berührungen sprechen lässt. Sterben muss die Liebe zwischen Oliver und Elio nichtsdestotrotz, weil sie eben nicht für Ewigkeit, sondern nur für diesen einen Sommer gemacht war. Was bleibt ist die Erinnerung und mit ihr auch die komplette Palette an Emotionen. Davon zeugt der tränenreiche Blick ins Feuer.

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                                        Es wurde in den letzten paar Wochen schon so viel über "Birdman" geschrieben, deshalb werde ich nur ein paar Gedanken niederschreiben. Es fällt mir ohnehin schwer alle Ideen zu ordnen, die mir zu "Birdman" im Kopf herum schwirren, also fangen wir an:

                                        Die Kamera. Oft gelobt, von manchen verdammt. Überall liest man, wie sie technisch perfekt umgesetzt wurde, leider wird dabei nur selten auf das Entscheidende, nämlich die Wirkung, eingegangen. Wir bleiben immer am Geschehen, spüren so den Druck und die Hektik von Riggan. Wir sind gefangen in den engen Räumen des Theaters, klaustrophobisch schwenken wir durch die Gänge, die Stimmung heizt sich auf.

                                        Die Szenen auf dem Dach bieten sowohl für die Charaktere, als auch für den Zuschauer, Ruhe. Raus aus dem Theater, weg von der Hektik. Wir haben Zeit, schauen in den Nachthimmel, können uns entspannen.

                                        Der innere Konflikt von Michael Keaton. Riggan vs Birdman. Kunst vs Kommerz. Wer hat Recht? Keiner? Oder Beide? Will Riggan etwas erreichen? Oder ist es nur sein Drang nach Anerkennung?

                                        Die Presse, jedes Wort auf die Goldwage legend. Jedes Wort wird einem im Mund umgedreht. "Birdman 4? Sie drehen Birdman 4?" (Hier bitte lustigen, asiatischen Akzent vorstellen)

                                        Edward Norton als Abziehbild eines Method Actors. Auf der Bühne kann es ihm nicht real genug sein, denn nur dort kann er sich verwirklichen. Im echten Leben nur ein Abziehbild, auf der Bühne lebt er.

                                        Inarritu hält uns den Spiegel vor, kritisiert auch die Zuschauer. Die breite Masse, die sich jeden Dreck aus Hollywood ansieht. Aber auch die vermeintlich elitären Zuschauer im Theater. Am Ende klatschen sie, doch verstanden haben sie nichts.

                                        Der Soundtrack, hauptsächlich Drums. Immer zur Stelle, wenn sich in Riggan innerlich etwas tut. Immer zur Stelle um seine Gefühlslage akustisch darzustellen.

                                        Eine Hollywood-Produktion, die Hollywood kritisiert. Schauspieler, Künstler, Promis, Zuschauer, Kritiker, Fans, Produzenten...jeder, der in diesen vermeintlichen Kategorien steckt, bekommt zumindest einen Seitenhieb ab.

                                        Die Kritikerin. Vorgefertigte Meinungen, Schubladendenken, mit Phrasen um sich schmeißend. Trotzdem trifft sie den Nagel auf den Kopf, als sie zu Riggan sagt, er sei kein Schauspieler, sondern nur ein Promi.

                                        Die Wahrheit irgendwo in der Mitte. Letztendlich behält keiner Recht, jeder muss sich etwas eingestehen, von seiner Meinung abweichen. Und was macht der Vogel am Ende, fliegt er davon oder stürzt er ab?

                                        Achja, und hab ich eigentlich erwähnt, dass "Birdman" echt Meta ist...

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                                          [...] Im ausgedehnten Finale des Films findet Antonionis ohnehin makelloses Gespür für Ästhetik ihren Höhepunkt. Eine Villa aus Glas wird zum Brennpunkt der Gefühle, schön und doch so zerbrechlich, eine Party der Abgesang auf ein dekadentes und bedeutungsloses Leben. Die Gäste sind fremd in der Masse, schielen auf Exzess und erzwingen damit eine oberflächliche Glückseligkeit, die deutlich mehr mit Zerstreuung als mit Erfüllung zu tun. Der Raum ist nicht leer, er ist angefüllt mit Leere. Je weiter der Abend voranschreitet, desto deutlicher wird, dass die Gefühle dabei nur stillstehen. Irgendwann ist die Party zu Ende, was bleibt sind Tränen und Einsamkeit. [...]

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                                            [...] „Komm und sieh!“ ist ein rohes, ein brachiales und niederschmetterndes Werk, das seine Zuschauer für zwei Stunden mit in die Hölle nimmt und noch viel länger dort gefangen hält. Nach all den Qualen und der Tortur gibt es keine Erlösung, weder für den Protagonisten, noch für den Zuschauer. Alles was bleibt ist eine Erkenntnis, eine simple und erdrückende Aussage, die jedoch kein anderer (Anti-)Kriegsfilm so eindrucksvoll vermittelt. Im Krieg gibt es keine Gewinner, nur Verlierer. Weniger Film als Erlebnis. Kein sonderlich vergnügliches, aber dennoch eines, das man gemacht haben sollte. [...]

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                                              "Für ein paar Dollar mehr" ist in fast allen Belangen die logische Konsequenz seines Vorgängers. Er beginnt dort, wo "Für eine handvoll Dollar" aufgehört hat. Leone greift alle relevanten Elemente des ersten Teils auf und entwickelt dessen Struktur konsequent weiter. Im Mittelpunkt steht (abermals) Clint Eastwood, er streift als "Monco" durchs Land und verdient sich seine Dollar als Kopfgeldjäger. Es bleibt unklar, ob es sich bei ihm um "Joe" aus "Für eine handvoll Dollar" handelt, letztendlich spielt es aber auch keine Rolle, denn beide Männer sind vom selben Schlag. Mehr klischeehaftes Westernsymbol als greifbarer Charakter, eher Ikone als wirkliche Figur. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass alles was ich über "Für eine handvoll Dollar" geschrieben habe, auch hier wieder Erwähnung findet. Das Recht des Stärkeren, der berechnende Antiheld und kaltblütige Revolverheld. Hier bekommt er einen Partner zur Seite gestellt (grandios: Lee Van Cleef), der vor allem von Rache getrieben wird. Die Betonung liegt auf "Partner", denn ein Mann wie "Monco" hat keine Freunde, vertraut niemanden. Es ist ein gemeinsames Ziel, welches sie verbindet, doch würde keiner zögern den anderen zu töten wenn es erforderlich wäre. Diese brüchige Beziehung macht einen großen Teil der Spannung des Films aus, sie bringt eine bestimmte Ungewissheit mit sich, die Situation kann jeder Zeit kippen. Bei seiner Handlung setzt der Film auf einige klassische Motive des Genres, so spielen ein Gefängnisausbruch, ein Banküberfall und das simple Motiv der Rache eine große Rolle.
                                              Der Erfolg der ersten Teils ermöglichte es Leone mit einem deutlich höheren Budget zu drehen und schnell wird klar, dass er das zusätzliche Geld gut genutzt hat. Die Szenerie ist abwechslungsreicher, die Kulissen und Kostüme sind besser gestaltet und die Inszenierung wirkt flüssiger. Das alles sorgt dafür, dass "Für ein paar Dollar mehr" noch härter, dreckiger und schonungsloser als sein Vorgänger ist. Leone treibt seinen Stil auf die Spitze, es scheint nur Close-Ups oder Weitwinkelaufnahmen zu geben, ein großer Teil der Handlung spielt sich auf den Gesichtern seiner Charaktere ab. Schon in den ersten 10 Minuten macht Leone alles richtig, indem er bei der Einführung von Lee Van Cleefs Charakter nicht Dialoge sondern Bilder sprechen lässt (Getreu dem Motto: Warum etwas erzählen wenn man es auch zeigen kann?). Dadurch schafft er es nicht nur eine eindrucksvolle Exposition zu geben, sondern greift damit auch wieder typische Motive des Western auf. Es sind Taten die zählen, nicht Worte. Morricones Soundtrack ist mehr als nur Untermalung, nimmt aktiv am Geschehen teil und verleiht jedem Charakter eine eigene Note. Das alles macht den Film zu einem wahren Glanzstück. "Für ein paar Dollar mehr" ist ein Meisterwerk seines Genres und weitaus mehr als nur das Bindeglied einer Trilogie.

                                              https://www.youtube.com/watch?v=mLXQltR7vUQ

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                                                [...] Wie so oft geht es um den Tod, diesmal jedoch weniger um seine philosophische Bedeutung, sondern mehr um den Prozess des Sterbens an sich. Bergman nimmt das Seelenleben seiner Figuren und stülpt es mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln nach außen. Dazu gehören die für ihn typischen langen Nahaufnahmen, tiefgreifende Dialoge und ein ausdrucksvolles Schauspiel. Erweitert wird diese Palette durch die bereits angesprochene farbliche Gestaltung des Films. Überall dominiert Rot, es wirkt aufdringlich und gnadenlos, erinnert an Blut. Allgegenwärtig symbolisiert es das Ende, den Tod. Hinzu kommen Weiß und Schwarz, die instinktiv für Licht und Dunkel, für Hoffnung und Trauer stehen. Immer wieder führt Bergman seine Charaktere und Zuschauer dadurch an die Grenzen der seelischen Belastbarkeit, man kann sich der Wirkung nicht entziehen, weil man nicht wegsehen kann. [...] Immer wieder scheitert die Annäherung der Charaktere aufgrund von Nichtverstehen. Es liegt nicht daran, dass sie sich nicht gegenseitig helfen wollen, sondern daran, dass sie es schlichtweg nicht können. Sie konzentrieren sich auf ihre eigenen Probleme und ignorieren sich dabei gegenseitig. Sie verstehen nicht, dass das Spenden von Mitgefühl und Trost für ihre sterbende Schwester auch ihre eigenen Sorgen und Ängste lindern könnte. [...] "Schreie und Flüstern“ ist ohne Zweifel ein großartiges Werk, welches selbst aus der mit Meisterwerken bestückten Filmografie Bergmans heraussticht. Er macht es seinen Zuschauern nicht leicht, denn „Schreie und Flüstern“ ist ein filmischer Kraftakt, der dem Zuschauer alles abverlangt. Ein Alptraum in Rot und Weiß, der tief in die Abgründe der menschlichen Psyche blicken lässt. Inhaltlich wie inszenatorisch gleichermaßen herausragend schuf Bergman ein brachiales Werk, das trotz seiner niederschmetternden Inhalte stets einen Funken Hoffnung behält.

                                                http://diedreimuscheln.blogspot.de/2015/09/review-schreie-und-flustern-ein.html

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                                                  über Stalker

                                                  Es fällt mir schwer die passenden Worte zu diesem Meisterwerk zu finden. Obwohl Tarkowskis Film so viel zu bieten hat, weiß ich nicht so recht wo ich anfangen soll. In meinem Kopf schwirren zahllose Gedanken umher, doch wie soll ich sie am Besten formulieren? Es geht um das Leben und den Menschen. Seine tiefsten Sehnsüchte und Wünsche, aber auch seine Abgründe. Was macht einen Menschen aus? Was will er vom Leben? Diese Fragen stellt uns Tarkowski, aber beantwortet er sie auch? Nur zum Teil...denn er gibt uns alles, was wir brauchen, um die Fragen selbst zu beantworten. Doch die persönliche Wahrheit müssen wir alleine finden. Denn es gibt keinen direkten, keinen einfachen Weg...Die Zone ist ein Sinnbild auf das Leben selbst. Das Leben ist die Reise und das Abenteuer, das wir alle antreten müssen. Und wer weiß, vielleicht geht am Ende unser sehnlichster Wunsch in Erfüllung.

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                                                    Bertoluccis "Il Conformista" beginnt verwirrend. Ein Mann sitzt in einem Hotelzimmer, mit Blick in die Ferne in Gedanken versunken. Ein Anruf reißt ihn aus seiner Traumwelt, ein paar Sätze folgen. Im Bett liegt eine Frau, er lässt sie zurück, verlässt das Hotel und steigt zu einem weiteren Mann ins Auto. Was zu Beginn noch sehr rätselhaft wirkt, wird im Laufe des Films immer mehr beleuchtet. Durch eine unchronologische und sehr fragmentarische Erzählstruktur erfahren wir mehr über die Vergangenheit des Mannes. So spielt sich ein Großteil des Films in seiner Erinnerung ab, während er mit dem Auto in Richtung Höhepunkt des Films fährt. Am Anfang wirken die Erinnerungsfetzen noch wie einzelne Puzzleteile, recht schnell ergeben sie aber ein größeres Bild. Der Mann heißt Marcello Clerici, ist frisch verheiratet und soll nun auf seiner Hochzeitsreise in Paris seinen alten Professor im Auftrag von Mussolinis faschistischer Regierung ermorden. Wenn man nur diesen kurzen Abbruch der Handlung kennt, dann könnte man meinen es handle sich bei "Il Conformista" um einen politischen Thriller, schnell wird jedoch klar, dass es sich bei dem Film in erster Linie um eine Charakterstudie handelt. Natürlich bietet er auch spannender Sequenzen und einige politische Gedanken, im Vordergrund steht jedoch immer das Innenleben des Protagonisten. Nach und nach erfahren wir, dass Marcello ein psychisch extrem geschädigter Mensch ist, ein Mitläufer und Soziopath. Begonnen hat alles in seiner Jugend, mit 13 hat er scheinbar einen Mann erschossen, eine Tat, die ihn sein Leben lang verfolgen wird. Von seiner Familie bekommt er keinen Trost, der Vater sitzt im Irrenhaus und die Mutter ist abhängig von Opium. Aufgrund dieser abnormalen Kindheit sehnt er sich vor allem nach Normalität. Er will wie ein ganz gewöhnlicher Mann leben, aus diesem Grund heiratet er eine bürgerliche Frau und schließt sich eben auch der faschistischen Partei an. Die Regierung wird nicht hinterfragt, die Partei ist an der Macht und stellt damit für Marcello in gewisser Weise die Normalität da, nach der er sich so stark sehnt. Er folgt ihr blind, weil ein normaler Mann seiner Vorstellung nach stets seine Regierung unterstützen sollte. Er versucht sich einzureden, dass nach seinem Auftrag alles anders wird, innerlich ist er jedoch zerrissen. Als er sich in die Frau seines Opfers verliebt fängt er an die Dinge zu hinterfragen, er befindet sich mit sich selbst im Zwiespalt, wirkt ahnungs- und orientierungslos. Grandios ist auch der Schluss, Marcello scheint nun ein normales Leben zu führen und wird uns als liebender Familienvater vorgestellt. Als Mussolini jedoch gestürzt wird bricht die Fassade, auf die Marcello sein Leben gestützt hat. Auf der Straße überschlagen sich die Ereignisse und wir erleben ihn verwirrter und verrückter als je zuvor, er scheint endgültig gebrochen. Bertolucci gelingt es meisterhaft die Komplexität dieses Charakters zu porträtieren. Meisterhaft ist auch die Leistung von Jean-Louis Trintignant, der den Protagonisten durch sein gekonntes Spiel die nötige Tiefe verleiht. Aber auch alle anderen Darstellern liefern eine sehr starke Leistung ab, die Spannung zwischen den Charakteren wirkt in vielen Szenen greifbar und überträgt sich somit schnell auf den Zuschauer. Als wäre das noch nicht genug bietet der Filme eine der besten Kameraarbeiten, die ich je bewundern durfte. Durch den Einsatz von natürlichem Licht schafft es der Film eine extrem eindringliche Atmosphäre zu erzeugen. Fast schon verspielt wirkt die Komposition von Licht/Schatten und das vielfältige Farbenspiel, durch die es dem Film gelingt Szenen zu kreieren, die den Zuschauer noch lange verfolgen. "Il conformista" ist eine grandios inszenierte Charakterstudie, die sowohl auf inhaltlicher als auch auf technischer Ebene komplett überzeugen kann. Ein Meisterwerk, das deutlich mehr Aufmerksamkeit verdient hat.

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