Gestatten, Caden Cotard, gefeierter Theaterregisseur und Gewinner des begehrten MacArthur Preises, der mir nicht nur mein Genie bescheinigt, sondern auch eine Menge Geld und Verantwortung beschert. Von diesem Gewinn möchte ich das größte Schauspiel inszenieren, das je den Weg auf eine Bühne gefunden hat. Es soll universell sein, jeden kleinsten Winkel der menschlichen Existenz darstellen und vor allem authentisch sein. Es soll das Leben in seiner reinsten Form einfangen. Eine Aufgabe, die niemals zu bewerkstelligen ist und einer Strafe gleicht, die mir von einer höheren Instanz auferlegt wurde.
Jetzt bin ich Anfang 70 und so sterben nicht nur die Jahrzehnte im äußersten Rand meiner Augenwinkel dahin, sondern auch meine Mitstreiter, meine Geliebten und meine Familie. Die inflationär angetretenen Beerdigungen sind kaum mehr zu zählen. Dabei hätte mein Leben doch so schön sein können, hätte meine Frau mich samt meiner kleinen Olive nicht verlassen, oder hätte es das überhaupt? Vermutlich nicht. Bin ich prädestiniert den Schmerz der Welt in meinen Venen zu kanalisieren? Vermutlich. Wie schafft es meine Frau nur das Schöne der Welt in ein 1x1cm großes Gemälde zu bannen, wenn ich für meine Kunst Lagerhallen baue in denen ich Lagerhallen baue. Ich vermisse meine Olive mit jedem Tag der vergeht mehr und mehr, ich schicke ihr so oft ich kann Pakete in ihre neue Heimat, aber auf Antworten warte ich vergebens. Das einzige was mir von ihr bleibt sind Bilder in meiner Erinnerung, aber Bilder vergilben mit der Zeit und verlieren ihre Form so wie Rosen irgendwann zu welken beginnen. Und schließlich wäre da noch Olives Tagebuch, das sie vor ihrer Abreise vergessen hat und in das ich eigentlich keinen Blick werfen dürfte. Eigentlich.
Ich fühle mich leer, der Herbst steht an. Die Blätter der Bäume verdorren mit Freude und ich bereite mich darauf vor zu sterben. Traditionell wird zwar im Winter gestorben, das hindert mich aber nicht daran, mich darauf einzustellen. Insgeheim hofft jeder von uns, dass es nicht soweit kommt, aber der allmächtige Kuttenträger schärft seine Sense auch für jeden der nicht darum bittet. Auch das soll mein Stück aussagen. Es soll alles beinhalten und nicht nur die Oberfläche zerkratzen, damit der innere Kern nicht mehr zu sehen ist. Wir leben in alteingesessenen Zyklen, Spiralen wenn man so will und auch wenn wir es schaffen das zu erkennen, können wir diesen doch nicht entrinnen. Wir sind verdammt dazu unsere Fehler zu wiederholen, bis sie uns nicht mehr als Fehler erscheinen. Ich habe mein gesamtes Leben damit verbracht den Schmutz meiner Frau zu säubern, nur weil sie mich verlassen hat werde ich damit nicht aufhören. Ich werde solange putzen bis alles rein ist, porentief rein und ich mein wahres Ich in der Spiegelung sehen kann.
Mein Name ist Caden Cotard, ich bin 41 Jahre alt und fahre meine Familie in unserem Auto durch die dunklen Straßen New Yorks nach Hause. Meine 4 Jahre alte Tochter Olive fragt mich was Rohre sind. Ich sage, dass Rohre Wasser von einem Ort zum anderen bringen und sich überall befinden. Hinter Mauern und Böden, der Straße und im Grunde sogar in Olives Körper, nur dass sie dort Blut transportieren. Das macht Olive Angst. Heute Morgen habe ich mir in unserem Haus den Kopf böse angeschlagen. Es ist Herbst, ich verspüre das Verlangen den Lenker umzureißen und das Fahrzeug in den Gegenverkehr zu leiten.
Meine Hände zucken nach rechts. Alles beginnt erneut. Ich ziehe in das nächste brennende Haus.
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