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ANT-MAN - Kritik & Analyse

27.07.2015 - 00:00 Uhr
Ant-Man Kritikmoviepilot
Wolfgang M. Schmitt jun. lobt einen Marvel-Film und erklärt in seiner Filmanalyse, warum "Ant-Man" eine rühmliche Ausnahme im sonst so langweiligen Marvel-Universum ist.

Die Ameise ist ein politisches Tier. Mit ihr beschäftigen sich nicht nur Entomologen, sondern auch Politologen, Soziologen und natürlich Künstler. Der Ameisenstaat ist eine häufig verwendete Metapher, die durch die Jahrhunderte hindurch immer neue Modifikationen erfahren hat. Fragen der Demokratie, Monarchie und Diktatur wurden am Bild der Ameisen verhandelt. Niels Werber ist dem in seiner lesenswerten systemtheoretischen Abhandlung "Ameisengesellschaften. Eine Faszinationsgeschichte" nachgegangen. Und so ist auch Ant-Man von Peyton Reed ein politischer Film, der aber so gar nicht im Trend liegt und eben deshalb sehenswert ist.

Momentan beziehen sich politische Denker und Digitalisierungsemphatiker gerne auf Ameisengesellschaften und ihre intelligente Organisation, um auf diesem Fundament ein Loblied auf die Schwarmintelligenz und auf Graswurzelbewegungen anzustimmen. Alte Hippie-Phantasien erleben eine Wiedergeburt, die Sehnsucht nach sich selbstorganisierenden Gemeinschaften ist groß. Alle Vertreter dieser Strömungen, so unterschiedlich ihre Ansätze auch sein mögen, eint, dass sie Autoritäten ablehnen. Autoritäten seien Repräsentanten einer zentralen Macht, schlimmer noch: es bestehe die Gefahr, dass sie zu Führern und Diktatoren werden. Dieser anti-autoritäre Gestus verschleiert natürlich, dass es auch in diesen Strömungen immer geheime (besser: intransparente) Führerpersönlichkeiten gibt. Jeder Anarchismus hat seine Gallionsfigur, die deleuzianischen Kritiker des Neoliberalismus, namentlich Joseph Vogl, walten in der akademischen Welt wie absolutistische Monarchen und das angeblich so freie Internet wird von einigen wenigen Monopolisten beherrscht. Deshalb kann man „Ant-Man“ nur dankbar sein, dass hier die Macht wenigstens unverschleiert auftritt – auch das erhöht die Politizität des Films. In „Ant-Man“ setzt sich fort, was Ernst Jünger und Carl Schmitt einst über die Ameisengesellschaft dachten. Das ist nicht demokratisch, aber ehrlich. Michael Douglas als Biochemiker Dr. Pym und Paul Rudd als Scott Lang, dem Held wider Willen, erteilen uns eine Lehre in Sachen Souveränität - mit allen Schattenseiten. Carl Schmitts Souveränitätsdefinition paraphrasierend könnte man sagen: Souverän ist, wer über den Ameisenschwarm gebietet.

„Ant-Man“ ist im wahrsten Sinne des Wortes eine schöne Überraschung, sorgt das Marvel-Universum doch sonst nur für die Bestätigung von gegenwärtigen Seh- und Denkgewohnheiten. Es steht zu befürchten, dass „Ant-Man“ die Ausnahme bleiben wird, die die Regel bestätigt.

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