Als der Videoboom in den frühen 80er Jahren losging, haftete den Leihvideos kein guter Ruf an. Die Fernsehsender fürchteten die Konkurrenz, Kulturpessimisten mal wieder das Ende des Abendlandes und Dokumentationen zeigten sich befremdet darüber, dass Zuschauern das tolle TV-Programm nicht ausreichte und sie den Drang verspürten, sich ihr eigenes zusammenzustellen. Ganz alleine. Was natürlich Blödsinn war, denn auch wenn der Begriff belächelt wurde: Videothekare – zumindest die der guten Videotheken – ließen ihre Kunden nicht alleine.
Mochten sich auch in den seelenlosen Videoketten 20x derselbe Blockbuster stapeln und das Backprogramm traurig aussehen: Es gab genug ambitionierte Videotheken, denen es nicht genug war, nurzu Hits verleihen. Sie wurden betrieben von Filmfans, Filmfreaks, Cinemaniacs. Filmverrückten, wie wir es auch hier bei moviepilot sind. In den guten Videotheken konnte man stundenlang zwischen der Regalen verweilen und ebenso stundenlang am Tresen stehen und mit den Videothekaren quatschen, fachsimpeln, leidenschaftlich diskutieren und sich auf bisher unentdeckte Schätze der Filmgeschichte hinweisen lassen. Sie waren es, die durch Themenregale auf Klassiker, auf Trashperlen, auf Kunstwerke und Kuriosa aufmerksam machten. Sie waren es, die mir Rat geben konnten, ob einer der Horrorklassiker, die ich als Jugendlicher sehen wollte tatsächlich ungeschnitten vorlag oder doch nur wieder in der tranchierten, deutschen Version. Sie machten Videotheken zu phantastischen Orten, die mindestens so faszinierend waren wie der Buchladen von Herrn Coreander in der Unendlichen Geschichte.
Ich bin in Hannover aufgewachsen und nicht in Berlin und hab die Video Collection deswegen erst hier kennengelernt, aber ich weiß, dass sie einer dieser wunderbaren Orte war, in denen ich als Teenager Stunden zugebracht habe und verquascht habe. Damals, ehe es DVDs gab. Ehe das Netz fast alles verfügbar machte. Die Videotheken kämpfen seit Jahren ums Überleben und wenn es noch eine Daseinsberechtigung für sie gab in der heutigen Zeit, dann als Filmbücherei, als gut gepflegte und liebevoll sortierte Bewahrer der Filmgeschichte. Die Video Collection – stellvertretend für andere dieser Videotheken, die noch von echten Filmfans betrieben wurde – war einer jener Orte, die wohl auch einem Tarantino gefallen hätten, der selbst als Videothekar begann. Ob Ländercollection, Dokumentationen oder die umfangreichen Werkschauen der wichtigsten Regisseure, es machte immer Spaß, dort herumzustreifen und neues zu entdecken. Das sahen auch viele der prominenten Gäste so, die wir über die Jahre im Filmcheck hatten und die jedesmal erstaunt darüber waren, wie gut diese Videothek sortiert war. Einige von ihnen waren auch privat Kunden der Video Collection und fühlten sich gleich doppelt zuhause, wenn sie ihren Filmgeschmack mit den moviepilot-Zuschauern teilen durften. Wir konnten uns keinen besseren Ort vorstellen, um die Filmchecks zu drehen, denn dort trafen wir auf gleichgesinnte Filmfans, die uns stets das Gefühl gaben willkommen zu sein.
Überraschend hieß es jetzt Abschied nehmen, denn der Vermieter der Video Collection entschied sich kurzfristig den Mietvertrag zu Mitte Dezember zu kündigen. Verhandlungen halfen nichts und so verliert Berlin eine kleine Institution, viele Stammkunden einen liebgewonnenen Zufluchtsort und der Filmcheck sein Zuhause.
Auf ihrer Facebook-Seite verabschiedete sich die Crew mit einer Nachricht und in der Collction gab es eine Woche Party mit Live-D.J.s und Abschiedsumtrunk, der ebenfalls auf FB dokumentiert wurde.
moviepilot sagt auch noch einmal Danke für die schöne Zeit und wünscht dem gesamten Team von Herzen alles Gute für die Zukunft.
Hier findet ihr die Filmchecks in unserem YouTube-Kanal.