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Eine Autofahrt von der ich mir mehr erhofft hatte

17.10.2014 - 13:29 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Die Kritiker sind sich einig
Shoebox Films
Die Kritiker sind sich einig
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Ich versuche in diesem Artikel zu beschreiben, was mich an der Handlung des Films gestört hat und warum ich ihn nicht empfehlen kann. Wer den Film noch nicht gesehen hat, der sollte diesen Artikel lieber erst danach lesen.
Als Erstling habe ich mich für "No Turning Back" mit Tom Hardy entschieden. Die Art und weise wie ich jetzt an diesen Text herangehe, ist dem Umstand geschuldet, dass es so viele positive Kritiken gab und ich das leider nicht nachvollziehen kann. Es geht nicht nur um die Leistung von Tom Hardy, sondern eben auch um die Elemente der Handlung. Interessant an diesem Film ist natürlich, dass es nur einen sichtbaren Hauptdarsteller gibt. Den restlichen Cast bekommt man nicht zu Gesicht, denn die übrigen Mitwirkenden hört man nur bei den zahlreichen Telefonaten. Der Film hat eine Laufzeit von 85 Minuten und man sieht ausschließlich Tom Hardy als Ivan Locke in einem Fahrzeug auf dem Weg von Birmingham nach London. Der Originaltitel des Films ist einfach "Locke". Das hätte hier und da wohl für Irritationen gesorgt. Ich war auf diesen Film sehr gespannt. Ich halte Tom Hardy für einen großartigen Schauspieler und mein erster Gedanke war der, dass er es schaffen könnte, wirklich den ganzen Film alleine zu tragen. Und das gelingt ihm auf jeden Fall. Er spielt hervorragend. Leider rede ich jetzt eben nur von der schauspielerischen Leistung. Denn was den Handlungsverlauf betrifft, war ich sehr enttäuscht. Thema des Films ist, dass ein Bauleiter sich entschließt bei der Geburt seines unehelichen Kindes dabei zu sein. Dafür riskiert er seine Karriere, denn er wird am nächsten Morgen bei einem Großauftrag nicht anwesend sein. Und er setzt seine Ehe auf´s Spiel, denn er hat sich vorgenommen über ein Telefonat! aus dem Auto heraus seiner Frau den Seitensprung zu beichten. Außerdem verzichtet er gleichzeitig auf den geplanten Fußballabend mit seiner Familie. Alle Informationen bekommen wir über die Telefonate geliefert. Dazwischen gibt es noch diverse Selbstgespräche, die er mit seinem eigenen Vater führt. Aber darauf will ich erst später eingehen. Wir erfahren, dass er gefeuert wird, nachdem er seinem Vorgesetzten mitteilt, er würde am nächsten Morgen nicht anwesend sein. Es geht um ein großes Fundament und man kann scheinbar nicht auf ihn verzichten. An dieser Stelle war ich zum ersten Mal etwas irritiert. Der Vorgesetzte spricht mit dem Firmensitz in Chicago und es wird innerhalb von wenigen Minuten beschlossen, dass er seinen Job verliert. Im Film wird ein paar mal betont, wie zuverlässig und kompetent er seine Arbeit verrichtet und dass es mit ihm nie die kleinsten Probleme gab. Man hat also einen Bauleiter, der einmal durch private Umstände nicht anwesend sein kann, mit dem ansonsten immer alle zufrieden sind und entlässt in sofort. Ohne große Diskussion. Ich persönlich empfand das als sehr unglaubwürdig. Zumal im weiteren Verlauf des Films auf die Schwierigkeiten bei dem Bauprojekt hingewiesen wird, aber man sofort irgendeinen namenlosen Ersatz zur Hand hat. Meine nächste Kritik an diesem Handlungsablauf ist der Zeitfaktor was die Fahrt und das Projekt am nächsten Morgen betrifft. Ich kann mir nicht erklären, wieso man am Abend schon verkündet am nächsten Morgen nicht da zu sein. Der Film hat darauf auch keine Antwort. Es geht um die Geburt, aber nichts deutet darauf hin, dass er am nächsten Morgen nicht an seinem Arbeitsplatz sein kann. Und es scheint ihm sehr viel an dem Projekt zu liegen, denn während der gesamten Fahrt kümmert er sich mit großem Engagement um den reibungslosen Ablauf. Er telefoniert mit einigen offiziellen Stellen und mit seinem Vorarbeiter, damit nicht schief geht. Er ist sehr bestrebt, dass Probleme aus der Welt geschafft werden und unternimmt alles, damit nichts schiefgeht. Warum, das erfahren wir nicht. Einzige Erklärung kann sein, dass er extrem pflichtbewusst ist und auch eine Kündigung ihn nicht abhält. Vielleicht ist es sein Anspruch die Dinge unter allen Umständen zu erledigen. Mir kam es so vor, dass die Ehekrise nicht ausreicht und auch der Job noch verloren gehen muss. Aber das ist nur meine Wahrnehmung. Als nächstes erfahren wir über ein Telefonat, dass er zwei Söhne hat. Mit dem älteren der Beiden spricht er im Film. Ich weiß nicht, ob es an der Synchronisation gelegen hat, aber dieser Sohn hat mich mehr als einmal sehr genervt. Man stellt sich als Zuschauer natürlich immer die Frage wie reagiere ich und wie ist mein Verhalten in einem Gespräch. Und zumindest in der deutschen Fassung war der Sohn in meinen Augen scheinbar etwas schwer von Begriff. Es geht um den Familienabend bei einem Fußballspiel. Es war wohl schon länger geplant und es wird mehr als einmal darauf hingewiesen, dass seine Frau sogar das Trikot anzieht. Das erwähne ich deswegen, weil das ein häufiges Argument des Sohnes ist. Wir spielen das jetzt ganz schnell durch. Wir haben einen gemeinsamen Abend in Aussicht und haben eine enge Bindung zur Familie und außerdem einen sehr umfangreichen Job. Vater ruft Sohn an und erklärt ihm, dass er es nicht zu dem Spiel schafft. Er sagt es tut ihm leid, aber es ist etwas Wichtiges dazwischen gekommen. Ok, der Sohn ist enttäuscht, aber ich fand es etwas übertrieben, wie oft er, auch in späteren Telefonaten, gefragt hat, ob er nicht doch kommt und was los ist. Er erwähnt nicht einmal, dass es schon 10x zuvor schon so war oder dass er sich nie auf seinen Vater verlassen könnte. Das hätte dann ein wenig Sinn ergeben, aber wegen diesem einen Mal keine Ruhe zu geben empfand ich tatsächlich als störend. Wir erfahren, dass die Mutter und Ehefrau gerade unterwegs ist und das deutsche Bier holt, welches Locke so mag. An dieser Stelle wird klar, warum ein andere Titel her musste. Man liest sicher das deutsche Wort. Ich schweife ab. Zu dem Sohn und seiner Frau komme ich gleich noch einmal, aber ich will schnell den angesprochenen Vorarbeiter und die Mutter des ungeborenen Kindes einführen, dann sind alle wichtigen Personen vorgestellt. Der Vorarbeiter ist mit der ganzen Situation komplett überfordert und muss in allem von Locke angeleitet werden. Er hat große Panik, dass er es alleine niemals schafft, das Projekt umzusetzen. Warum er so wenig Ahnung von allem hat bleibt offen. Dafür übertreibt es der Film auch hier mit der Charakterzeichnung, weil der Vorarbeiter gerne trinkt und das tut er auch an diesem Abend. Ob zur Beruhigung, aus Verzweiflung oder weil er Alkoholiker ist, das bleibt offen. "Ist doch egal". Das wäre ein Hinweis und dass er schon des Öfteren mit Alkohol am Steuer erwischt wurde. An der Beziehung zwischen den Beiden hat mich sehr der Stimmungswechsel gestört. Erst ist Locke sehr streng und deutlich gegenüber seinem Mitarbeiter. Dann wieder freundschaftlich und locker, als er erfährt, dass dieser angetrunken ist. Ich hätte es umgedreht verstanden. Fehlt uns noch die schwangere Affäre. Aus einem einzigen Fehltritt ist ein Kind entstanden. Die Frau wurde Locke als Sekretärin zugeteilt. Warum muss diese Rolle auch so speziell sein? Völlig unnötig in meinen Augen. Mir waren das zu viele Extreme. Sie wird als zurückhaltender und einsamer Mensch beschrieben. Sie hat keine Freunde, ist schüchtern und nicht in der Lage eigene Entscheidungen zu treffen. Es wird angedeutet, dass sie sich verliebt hat und sie würde so gern die drei Worte aus seinem Mund hören. Er weist sie aber kühl zurecht. Er ist ihr gegenüber nicht hart oder gemein, aber dafür spricht er bei anderen nicht sehr gut über sie. Eine kaputte Frau also. Ich weiß nicht, ob es wichtig war so einen Charakter im Film unterzubringen. Ich finde nein, aber das ist auch Geschmackssache. In einem der nächsten Telefonate lernen wir auch endlich seine Frau kennen. Sie hat das Trikot an und das Bier geholt. Locke gesteht ihr seinen Seitensprung und schwört, dass es der einzige Fehltritt war, aber natürlich ist die Information, dass er gerade zur Geburt des Kindes fährt, welches aus diesem Fehltritt resultierte, ein bisschen viel für die Frau. Sie legt sofort auf. Zwischendurch ist mal wieder der Sohn am Apparat und hat natürlich keine Ahnung, aber fragt immer wieder, ob er noch kommt und erklärt noch einmal, dass die Mutter das Trikot anhat. Ich weiß nicht, ob mir das etwas Spezielles sagen soll. Die Mutter reagiert vorerst nicht mehr und der Sohn sagt nur, dass sie jetzt schon eine Weile im Bad ist. In einem Tonfall der nichts Schlimmes vermuten lässt. Zwischen diesen Telefonaten kommt es immer wieder zu Selbstgesprächen. Das war mir dann auf jeden Fall zu übertrieben. Er spricht zu seinem eigenen Vater, von dem er sehr enttäuscht war und der die Familie im Stich gelassen hat. Es war wohl ein wichtiges Element, um zu erklären, dass er bei der Geburt unbedingt dabei sein will. Aber erstens frage ich mich dann wie es überhaupt zu diesem Fehltritt kommen konnte, wenn er auch leichtfertig für eine Sekretärin seine eigene Familie auf´s Spiel setzt und zweitens finde ich diese Auseinandersetzung mit seinem imaginären Vater im Auto völlig überspielt. Jetzt nicht so sehr in Bezug von Tom Hardy, sondern bezogen auf die Wortwahl, die höchstwahrscheinlich das Drehbuch vorgibt. In diesen Szenen hat man das Gefühl, dass ein Verrückter am Steuer sitzt. Er redet nicht nur mit seinem Vater, sondern schaut auch immer wieder in den Rückspiegel. Ganz so, als könnte er ihn sehen. Natürlich ist es möglich, dass ich dieses Element einfach nicht begriffen habe. Aber warum baut man seine Enttäuschung über den eigenen Vater nicht in ein Gespräch ein. Ich fahre jetzt zur Geburt, weil ich nicht wie mein Vater sein möchte. Es wäre ausreichend gewesen. Zu allem Überfluss kommt es auch noch zu einem komplizierten Vorfall vor der Geburt, die einen Kaiserschnitt notwendig macht. Ich möchte hier noch anmerken, dass es mich aufgeregt hat, dass Locke bei Telefonaten mit dem Krankenhauspersonal immer wieder betonen musste, dass er nur der Vater ist. Und nicht der Partner und keine Verwandter. Auf jeden Fall handelt es sich um einen Ernstfall, aber es ist noch genügend Zeit um zu klären was getan werden muss. Der Kaiserschnitt kann nur gemacht werden, wenn die werdende Mutter ihr Einverständnis gibt, obwohl das Kind sonst stirbt? Nun gut. Die Ehefrau hat sich mittlerweile entschieden, dass er nicht mehr nach Hause kommen soll und alles vorbei ist. Die heile Welt bricht zusammen, aber ihm waren seine Gebäude ja schon immer wichtiger als sie. Natürlich schreibt sie Tagebuch und ihr fiel damals auf, dass er mit einem breiten Grinsen nach Hause kam. An dieser Stelle wird es für mich lächerlich. Spätestens jetzt bekam ich das Gefühl, dass alles in dieses Drehbuch gepasst hätte, wenn es nur irgendeinen Zweck erfüllt. Dass sofort alles beendet wird finde ich auch nicht glaubwürdig, da nicht einmal auf Probleme hingewiesen wird, die die Ehe schon vorher hatte. Die Mutter erklärt auch sofort den Söhnen, dass ihr Vater nicht wiederkommt, hat aber auch schnell entschieden, dass er die Söhne haben darf. Vielleicht ein Fehler in der Übersetzung, aber sie sagt nicht, dass er sie sehen darf. Mit einem Mal geht alles richtig schnell und der Film verliert komplett sein Tempo. Auf der Baustelle ist alles geklärt und es werden auch noch nötige Hilfskräfte besorgt. Es ist noch nicht so spät und das Kind wird auch noch schnell zur Welt gebracht. Es ruft nochmal sein Sohn an und erzählt seinem Vater von einem speziellen Tor. Scheinbar hat die Mutter zwar gesagt, dass ihr Vater nie wieder kommt, aber vergessen zu erwähnen warum und weshalb. Sonst macht dieser Teil für mich auch keinen Sinn. Außer natürlich es soll einen traumatisierten Sohn zeigen, der alles nicht wahrhaben will. Wieso wollte er an diesem Abend alles auf´s Spiel setzen? Warum erzählt er alles seiner Frau am Telefon? Konnte er nicht warten wie es sich entwickelt, bevor er seine Arbeit aufgibt? Wollte er vielleicht allgemein ganz von vorne anfangen? Reichen wirklich ein paar Gläser Wein, um mit der unattraktiven Sekretärin, die null Ausstrahlung hat zu schlafen? Dass sie unattraktiv ist, wird von ihm auch erwähnt. Wieso müssen alle Charaktere so überzeichnet sein? Warum wurde dieser Film gemacht? Für mich ein sehr gutes Beispiel, dass es nicht reicht einen sehr guten Hauptdarsteller zu haben, wenn ich mich den ganzen Film über frage, ob das jetzt wirklich sein muss. In der Handlung wäre weniger mehr gewesen. Aber man wollte unbedingt die 85 Minuten mit Dramatik vollstopfen. Dabei treffen für mich aber einfach viel zu viele Zufälle, Zweifel und Fragen aufeinander.

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