Familiensache - Dieser Polizeiruf geht durch Mark & Bein

02.11.2014 - 20:18 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Polizeiruf 110: Familiensache
NDR
Polizeiruf 110: Familiensache
5
3
Der heutige Polizeiruf aus Rostock wird weniger Staub aufwirbeln als die Sonntagskrimis der letzten Wochen, dabei wird vielen Tatort-fixierten Zuschauern ein intensiver Sonntagskrimi mit fantastischen Darstellern entgehen.

Lange hat es geschwelt, heute lodert die Flamme bei den Bukows. Der geduldige Aufbau der Ehekrise des Kommissars (Charly Hübner) über mehrere Folgen und damit Jahre hinweg zahlt sich aus. Der neue Polizeiruf aus Rostock zwingt uns an die Seite eines Vaters, der seine Familie umzubringen sucht, während das eigene Eheglück Bukow entgleitet. Die Ausgangssituation von Polizeiruf 110: Familiensache klingt zunächst furchtbar konstruiert, aber wer die Rostocker kennt, braucht sich nicht sorgen. Ganz auf die Schilderung der Polizeiarbeit konzentriert, wird im Drehbuch von Regisseur Eoin Moore das Tempo hochgehalten, während sich immer mal wieder scheinbare Kleinigkeiten in den Vordergrund drängen: Die Bissigkeit, mit der Bukow auf die Freizeitgestaltung seiner Frau reagiert, das Reiben am Ehering usw. Im Mittelpunkt aber steht über weite Strecken der von Andreas Schmidt (Ein guter Sommer) gespielte Arne Kreuz, ein Kontrollfreak, so wird es erzählt, der einen "erweiterten Suizid" begeht. Zwei klare, verständliche Wörter für eine unfassbare Tat. Es ist Moore hoch anzurechnen, dass er sich nicht in absoluten Erklärungsversuchen versteigt.

Polizeiruf 110: Familiensache

Ein Mann steht mit seiner Schwester vor einem Einfamilienhaus. Er will es kaufen, dann wird alles wieder gut. So beginnt der Polizeiruf ganz harmlos. Wir sehen die von ihm getrennte Frau mit dem neuen Freund bei den Eltern. Kein rosarotes Familienparadies wird uns vorgegaukelt, aber Familie: Zuneigung, Sticheleien, Sorgen. Bei den feiernden Polizisten geht es ruppiger zu, wird der Chef zum 30. Dienstjubiläum erstmal schein-entführt, bevor die Kollegen geradezu komödiantisch eine Affäre voreinander verbergen. Dann steht der Mann vor der Tür seiner Noch-Ehefrau, tritt ungewollt ein mit einer Selbstverständlichkeit, als wäre es noch sein Heim, seine Frau, als hätte er einen Besitzanspruch. Aus der Distanz wird diese Szene gefilmt, was sein Handeln umso aufdringlicher erscheinen lässt. Wenig später dann der kurze Schnitt auf die blutigen Hände beim beruhigenden Rauchen.

An Gewaltdarstellung wird in Polizeiruf 110: Familiensache glücklicherweise gespart, wir brauchen die Bilder auch gar nicht, laufen sie doch schon in unserem Kopf ab. Gerade in der ersten Stunde zieht einen der Krimi unwillkürlich mit und das mit einer Intensität, die wir so am Sonntagabend durchaus nicht gewohnt sind. Das erinnert teilweise an die britische Serie Southcliffe, deren Darstellung eines Amoklaufs durch ein sogartiges Gefühl der Unvermeidbarkeit beinahe schmerzt. Im entscheidenden Moment wird beim Polizeiruf jedoch weggeschnitten, jede Ausbeutung der brutalen "Schauwerte" vermieden. Stattdessen brillieren in diesem Krimi die Schauspieler, allen voran der schlaksige Andreas Schmidt, der zuweilen wie ein aus dem Takt geratener Roboter durchs Gras stapft, linkisch, unförmig in seinen Gesten, als würde irgendwo tief drinnen ein Kampf um die Kontrolle ausgetragen. Bei Charly Hübners Bukow liegen die Gefühle bekanntlich an der Oberfläche, manchmal so dicht beieinander, dass die anderer offenbar aus seinem Blickfeld verschwinden. Auch den bulligen Kommissar können wir in diesem Krimi beim Ringen mit sich selbst zusehen, ein echter Schauwert diesmal, der erneut die Frage aufwirft, warum Hübner kein Dauerbewohner der großen Leinwand ist. Andererseits: Den Rostocker Polizeiruf möchte ich nicht missen.

Zitat des Sonntags: "Kennt man doch, oder? Hat man die Katastrophe vor sich und fragt sich, wo hat das alles angefangen?"

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle findest du einen externen Inhalt, der den Artikel ergänzt. Du kannst ihn dir mit einem Klick anzeigen lassen und wieder ausblenden.

Externe Inhalte zulassenMehr dazu in unserer Datenschutzerklärung



Das könnte dich auch interessieren

Angebote zum Thema

Kommentare

Aktuelle News