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Faniasco fo(u)r … what?

16.08.2015 - 00:00 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
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Marvel/20th Century Fox
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„Ich hatte mehr erwartet“, äußert eine junge Frau unzufrieden, als der Abspann über die Kinoleinwand flimmert. Dann erhebt sie sich entschlossen, um mit ihrem Freund den Saal zu verlassen. Kurz vor ihr hatte ein junger Mann seinem Unmut in ähnlicher Weise Luft gemacht, nur war seine Wortwahl wesentlich drastischer: „Was'n Scheiß!“ Auch er geht – hallo? Wie mittlerweile jeder eingefleischte Marvel-Fan weiß, wartet in der Regel nach dem Abspann noch ein Bonbon, ein filmischer Hinweis auf den Zuschauer. Doch die, wenn es hoch kommt, zehn Zuschauer, die noch mit mir im fast leeren Kino sitzen, scheinen an dieser „Tradition“ nicht interessiert zu sein. Sie wollen nur weg. Und ja, ich kann sie verstehen. Leider.

Wundern Sie sich jetzt nicht, dass ich mit dem Schluss des neuen „Fantastic Four“-Film s von Josh Trank  (*1984) begonnen habe, aber diese beiden Aussagen kommen der traurigen Vorführung, die ich hier über mich ergehen lassen musste, noch am nächsten. Aber ich bleibe sitzen, denn ich bin ja ein Marvel-Fan. Ich will das Bonbon, ich will es, deshalb sitze ich, und warte. Der Abspann läuft weiter zu einer relativ unspektakulären, uninspirierten Musik, ich warte weiter – nein, ich erliege nicht der Versuchung und stehe auf – und warte. Der Typ vom Kinopersonal stellt seine Abfalltüte bereit, setzt sich zu mir, grinst mich an, wir warten gemeinsam, und … – NICHTS! Kein Bonbon, kein filmischer Clip – ich bin sprachlos. So etwas habe ich noch nicht erlebt. Doch das Fehlen des Clips ist nicht nur eine definitive Aussage, es spricht geradezu Bände.

Dabei fing alles so vielversprechend an. Ein nerdiges Kind erzählt in der Schulklasse davon, was es mal werden will, und wird nicht ernstgenommen. Es hat sein Schulheft vollgekritzelt mit irgendwelchen mathematischen Formeln und Zeichnungen, die sowieso keiner versteht. Es will der erste Mensch sein, der sich teleportieren kann. Kurze Info: Teleportieren gehört zu den Parafähigkeiten und beschreibt die Möglichkeit, durch reine Gedankenkraft Materie von einem Ort zu einem anderen zu transportieren. Und unser kleiner Nerd möchte das mit wissenschaftlichen Mitteln mechanisch bewerkstelligen. Eine schöne Idee, die wir zwar in etwas abgewandelter Form schon sehr oft gesehen haben – zuletzt übrigens in Chris Columbus ' (*1958) PIXELS  (2015) –, die aber immerhin das Potential zu einer guten Story hat. Der Rest ist dann auch schnell erzählt. Das Nerdkind namens Reed Richards (Miles Teller  (*1987), Owen Judge) macht gemeinsam mit Kumpel Ben Grimm (Jamie Bell  (*1986), Evan Hannemann) Experimente in seiner Garage, die schon mal der ganzen Stadt den Strom abdrehen, aber er wird bei einem Schulwettbewerb entdeckt und der Philanthrop und Exzentriker Dr. Franklin Storm (Reg E. Cathey  (*1958)) ermöglicht ihm, zusammen mit seinem Sohn Johnny (Michael B. Jordan  (*1987)) und seiner Adoptivtochter Sue (Kate Mara  (*1983)) sein Projekt im großen Stil umzusetzen – natürlich im Auftrag der Regierung und des Militärs. Damit wäre das bekannte Team komplett.

Der Bösewicht in Gestalt des von vornherein unsympathisch gezeichneten Victor Domashev (Toby Kebbell  (*1982)) stößt hinzu und gemeinsam ist man erfolgreich. Das Tor zu einer fremden Dimension wird geöffnet und die erste Expedition gerät zu einem Fiasko. Reed, Ben und Johnny können nur mit knapper Not zurückkehren, während Domashev in einen eruptiven Energiesee stürzt und zurückbleibt. Bei der Rückkehr wird Sue ebenfalls von den Ausläufern der Dimension erfasst und wie die anderen drei verändert. Sie verfügen nun über Superkräfte, Bens Körper hat sich sogar mit Felsengestein aus der anderen Welt verbunden, er wird zukünftig als „Das Ding“ zusammen mit Sue, der „Unsichtbaren“, Johnny, der „menschlichen Fackel“ und Reed, „Mr. Fantastic“ ein Einsatzteam bilden. Das Militär übernimmt und man öffnet das Tor ein Jahr später erneut. Domashev, der kurioser Weise überlebt hat, kehrt als Monster „Dr. Doom“ zurück und löst damit fast den Weltuntergang aus …

Soweit, so gut. Die bekannte Story dürfte, wenngleich sie auch den veränderten Parametern der Comicreihe Ultimate Fantastic Four  (2004-2009) folgt, zumindest in den Grundzügen wiederzuerkennen. Und genau hier beginnt das Dilemma. Es ist nämlich eine gute Story, ein Plot, der über eine Menge Konfliktpotential verfügt und den Charakteren den nötigen Raum zur Entfaltung und zur notwendigen Entwicklung lässt.

Die beiden Verfilmungen „Fantastic Four“  von 2005 und „Fantastic Four: Rise of the Silver Surfer“  von 2007, die – für mich nicht nachvollziehbar – einen so schlechten Ruf haben, tun das auch. Sie erlauben den Protagonisten diese Entfaltung, diese Entwicklung und machen sie so greifbar und erfahrbar, ja, auch in gewisser Weise liebenswert. Wir leiden in diesen alten Verfilmungen mit Ben Grimm, wenn seine Frau ihn verlässt, wir ärgern uns über Johnnys jugendlichen Überschwang, wir bangen und hoffen mit Reed und Sue, dass sie endlich ihre geplante Hochzeit realisieren können … All das fehlt dieser neuen Variante. Sie ist einfach schlecht erzählt. Manchmal kann man es eben auf einen sehr einfachen Nenner bringen.

Der Film lässt sich in den ersten zwei Dritteln sehr viel Zeit um den Weg von Reed, Ben und Johnny nachvollziehbar zu machen. Über Sue und die Hintergründe von Victor erfährt der Zuschauer leider viel zu wenig. Der wahre Grund für Domashevs Scheitern und Dooms Entstehung ist unklar und nicht nachvollziehbar. Die Möglichkeiten der fremden Dimension, die als urweltartige Energieseenplatte dargestellt wird, bleiben unausgeschöpft. Es wimmelt geradezu von logischen Brüchen und fehlenden Begründungen für das Plotgeschehen: Warum läuft Reed weg und lässt seine Kameraden im Stich? Wie kann er überhaupt aus einer so gut gesicherten Anlage fliehen? Wie kann er ein Jahr lang an verschiedensten Orten überleben? Wie kann Victor in der fremden Dimension überleben? Welche Einschränkungen hat Ben im normalen Alltag durch seine veränderte Physionomie? Die Frageliste ließe sich noch drastisch verlängern. Das Finale wird geradezu herbeigezwungen, so, als müsse jetzt unbedingt etwas passieren. Alles in allem macht der Film den Eindruck, dass man ihn in Eile und unter Zeitdruck fertiggestellt hat.

Es ist wie so oft – der Einsatz von jüngeren, unverbrauchteren Schauspielern, die hier ihre Sache ausnahmslos toll gemacht und sich alle Mühe gegeben haben, bringt nicht immer den ersehnten Erfolg, vor allem, wenn hier eine wirklich gute Idee – und die Anspielungen auf die Quantenphysik  und ihre Möglichkeiten und die Theorien von Stephen Hawking  (*1942) sind vielversprechend und geben mit Sicherheit noch eine Menge mehr her – durch ein schwaches Drehbuch und eine noch schwächere Erzähltechnik kaputt gedreht wird. Actionszenen gut und schön, CGI-Effekte – vor allem bei dem Versuchsaffen war man sehr an „Planet der Affen “ (2011 & 2014) erinnert – und ein technisch brillant photographierter Film machen leider noch keine gute Geschichte, die den Zuschauer zum Mitfiebern und zu kathartischen Ausbrüchen reizt.

An dieser Stelle sei nur einmal kurz die Beobachtung beschrieben, dass wir in den letzten Jahren nur noch Sequels und Prequels zu sehen bekommen, nur noch Reboots von längst bekannten Geschichten, die schon zum x-ten Mal erzählt werden. Warum eigentlich? Gehen der Filmindustrie die neuen innovativen Ideen aus? Ist alles schon einmal dagewesen und wird nur in der x-ten Variante erneut durchgekaut? Wo sind die kreativen Filmemacher, die uns mit ihren Geschichten und genialen Erzählweisen beeindrucken können und begeistern wollen? Ist es wirklich so, dass nur die Filme umgesetzt werden, die den meisten Profit vorausahnen lassen?

Ich lasse das mal unkommentiert so stehen, gebe aber zu Bedenken, dass selbst der unverwüstliche Stan Lee  (*1922), der sonst in jedem Marvel-Film einen Cameo  hat, hier darauf verzichtete, und nur als Produzent des Films auftritt. Ich kann nur hoffen, dass man so einen Fehler nicht wieder macht und die Hoffnungen, die ANT MAN  (2015) in mir geweckt hat, in Zukunft im Kino umgesetzt werden.

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