Mafia 3 — Wie viel Mafia steckt überhaupt noch im dritten Teil?

22.04.2016 - 19:00 Uhr
Mafia 3
2K Games
Mafia 3
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Mafia 3 erscheint zwar erst im Oktober, doch zeichnen die Trailer und Gameplay-Kommentare mittlerweile ein recht deutlich umrissenes Bild von dem Spiel, das uns im Herbst erwartet — und in diesem Bild scheint nur noch wenig Platz für das originale Mafia-Flair zu sein.

Schlank, weiße Haut, schwarzer Anzug, wahlweise selbstbewusstes Grinsen oder Zigarre im Mundwinkel: Der Stereotyp des Mafia-Mitglieds ist nach jahrzehntelanger Hollywood-Prägung fest in unser Hirn eingebrannt und steht schon lange nicht mehr nur für ein optisches Erscheinungsbild, sondern für einen bestimmten Charakter. Stets Herr über die Lage schreckt der Mafia-Ganove in unserem Kopf auch vor Gewalt nicht zurück, während er Frauen wie ein Gentleman behandelt und Loyalität als höchstes Gut schätzt. Das Mafia-Franchise umarmte vor 13 Jahren mit dem ersten Mafia-Titel diesen Stereotypen und entwickelte schließlich mit Mafia II einen Protagonisten, der zum Community-Liebling wurde: Vito Scaletta.


Seine Geschichte ist die Antithese zum Amerikanischen Traum: Mit einer großen Portion Glück verlässt Vito die Schlachtfelder des Zweiten Weltkriegs und kehrt nach Amerika zurück, wo er sich mit dem Schuldenberg seines verstorbenen Vaters konfrontiert sieht. Gemeinsam mit seinem Freund Joe, der bereits Kontakt zur Unterwelt hat, erledigt er nach und nach immer waghalsigere Aufträge, um an das dringend benötigte Geld zu gelangen. Mission um Mission taucht er tiefer in die Mafia-Szene ab und mausert sich schließlich zu einem respektierten Kriminellen mit Schirm, Charme und Melone. Vito Scaletta erfüllt nicht nur den Stereotypen, er macht sich zum König der Klischee-Schublade.

Ein neues Kapitel: Toll für Spieler, schlecht für Fans

Der Trailer zu Mafia 2 steht stellvertretend für das gesamte Spielgefühl: Es herrscht eine ausgelassene Atmosphäre, die fast einer Buddy-Komödie gleicht. Garniert wird der kumpelhafte Ton mit teils extremer Gewalt, die weder Blutspritzer noch abgetrennte Gliedmaßen scheut. Dieser Kontrast von leichtfüßigen Humor und den teils schonungslosen Mafia-Einsätzen machte das Franchise für viele Spieler unglaublich unterhaltsam. Lauthals wurde ein Nachfolger verlangt, der sich 2015 schließlich nach über fünf Jahren des Schweigens, mit einem ersten Trailer vorstellte.


Der Soundtrack ist stilsicher geblieben, der Open World-Sandkasten wurde beibehalten, doch die Vision von Mafia hat sich radikal verändert: Lincoln Clay, für den ein echter UFC-Kämpfer Modell stand , ist Vietnam-Veteran und Teil des Black Mobs, der im New Orleans der 1960er Jahre zur diskriminierten Minderheit gehört. Mehrfach werden ihm seine Freunde und Familie genommen, bis er endgültig genug hat und in einem blutigen Rachefeldzug die Stadt von der italienischen Mafia befreien will: Die klassische Mafia, die Fans der Reihe in der Vergangenheit immer selbst spielen durfte, wird nun zum Feindbild, das gnadenlos bekämpft wird. Es ist gewissermaßen ein Aufräumen mit der Spielvergangenheit der Fans und des Franchises — ein Frühjahrsputz im Spätherbst , der nun in den amerikanischen Südstaaten der 1960er anstelle der Vorkriegs-Metropole Empire Bay stattfindet.

Die Themen, der Schauplatz und der Protagonist haben sich gründlich verändert und entfernen Mafia 3 sehr weit von seinen Vorgängern. Dieser Kurswechsel mag für Fans der ursprünglichen Mafia-Vision eine Enttäuschung sein, doch ruht in dem neuen Kapitel des Franchises ein gigantisches Potenzial — und der alten Community wird eine weit ausgestreckte, helfende Hand gereicht, um die Umgewöhnung möglichst einfach zu gestalten.

Lincoln Clay: Innovation unter dem Deckmantel der Gewalt

Die Charakterisierung des neuen Mafia-Franchises geschieht zwar auch durch Spielmechaniken, die die Vorgänger noch nicht kannten, doch ist es der neue Hauptcharakter, der den endgültigen Bruch herbeiruft.

Der Kampf gegen die italienische Mafia ist die Mission von Lincoln Clay.

Als schwarzer Kriegsveteran, der den etablierten Klischee-Mafiosi Vito Scaletta von der Bühne stößt, standen die Zeichen für einen warmen Willkommensgruß der Community für Lincoln Clay nicht gerade gut. Eine so beliebte Figur einem radikalen Neuanfang zu opfern, dürfte den Entwicklern die ein oder andere schlaflose Nacht bereitet haben. Doch der befürchtete große Shitstorm blieb aus, während sich Clay auf den ersten Bildern zielsicher durch amerikanische Vorstädte bombte und prügelte. Dass der neue Protagonist nicht mehr das beliebte Klischee des Vorzeige-Mafiosi erfüllt, ist kaum zu übersehen. Und doch scheint ihn sein kompromissloses Vorgehen zu einem interessanten, neuen Charakter zu machen — eine Strategie der Präsentation, die auch bereits in anderen Spielen funktioniert hat .

Ich, wie auch sicherlich viele von euch, bin ein großer Fan von Mafia 2. Doch so sehr ich auch die Abenteuer der Anzug tragenden Mafiosi gemocht habe, so glücklich bin ich nun mit dem Richtungswechsel — trotz der fast schon voyeuristischen Darstellung von Exekutionen und Gewaltausbrüchen. Während sich die Welt von Vito Scaletta noch wie ein lauter, bunter Spielplatz mit Schusswaffen angefühlt hat, bricht Mafia 3 mit einer düsteren Rache-Geschichte durch die Wand. Dabei hat das Spiel aber nicht vor, das stets mitschwingende Problem der Rassendiskriminierung innerhalb der Spielwelt zu ignorieren: Es scheint ein erklärtes Ziel von Hangar 13 zu sein, auch schwierigen Themen nicht einfach auszuweichen .

Lincoln Clay wird sich noch bewiesen müssen — der erste Eindruck allerdings stimmt.

Und so lange wir nicht wissen, wie gut dem Team die Umsetzung schlussendlich gelungen ist, überschütte ich sie mit zuversichtlichem Optimismus. Denn eines hat Mafia 3 bereits jetzt seinen Vorgängern voraus: Ich verstehe Lincoln Clay, ich kann sein Leiden und seine Wut nachvollziehen. Vito Scaletta hingegen war ein Maskottchen, der König der Klischee-Schublade, der seine Faszination fünf Jahre nach seinem ersten Auftritt nur noch als Nebenfigur aufrecht erhalten kann — und das haben zum Glück auch die Entwickler verstanden.

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