Project Scorpio ist die stärkste Konsole, aber wer braucht sie?

17.06.2016 - 19:00 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Wurde auch auf der E3 2016 enthüllt: Die Xbox One S
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Wurde auch auf der E3 2016 enthüllt: Die Xbox One S
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Microsoft beendete seine E3-Konferenz mit einer klaren Botschaft: "Wir bauen die leistungsstärkste Konsole!" Aber nur wenige Tage nach der Enthüllung von Project Scorpio umgeben viele Fragezeichen das neue Xbox-Modell. Und das ist so schade wie fatal.

Das Ende der Xbox One & ein Neuanfang für Microsoft  – mit diesen Worten umschrieb ich vor wenigen Tagen die Aufbruchstimmung, die ich auch ein paar Stunden später immer noch aus der Ankündigung von Project Scorpio  zog. Ich sah in der überraschend frühen Enthüllung einer neuen, vom Release zwar weit entfernten, aber umso leistungsstärkeren Konsole eine mutige Flucht nach vorne. Weg von der Dominanz Sonys, die Microsoft mit der PlayStation 4 Stück für Stück aus dem Markt schubst, weg von hämischen Kommentaren rund um die geringe Leistung der Xbox One — hin zu einer Position, aus der Microsoft nicht mehr nur reagiert, sondern endlich wieder gestaltet.

Und obwohl ich mich in der Xbox-Familie nie so recht zu Hause gefühlt habe, wünsche ich mir, dass ihnen all das gelingt. Von einem gewissen Wettbewerb profitieren Spieler schließlich ebenso sehr wie die konkurrierenden Unternehmen, die sich gegenseitig antreiben. Allerdings scheint Microsoft schon jetzt bei dem großen Schritt, den sie mit Project Scorpio machen könnten, über die eigenen Füße zu stolpern. Denn inzwischen fragen sich viele, wen der Konzern eigentlich ansprechen will. Eine für die Öffentlichkeit nachvollziehbare Antwort fehlt.

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Dabei schloss Microsoft seine diesjährige E3-Pressekonferenz mit einer klaren Ansage: Wir bauen die bislang leistungsstärkste Konsole überhaupt! Das verstanden auch alle, die mit Schlagwörtern wie "4K gaming", "high fidelity VR" sowie "six teraflops " nichts anzufangen wussten. Zumal uns der Reveal Trailer ein Gerät ohne technische Grenzen, doch dafür mit ungeahnten Möglichkeiten zusicherte.

Diese Konsole ist zu einhundert Prozent für euch, Leute. Wir haben die Artikel gelesen, wir haben die Reviews gelesen. Das ist die 'Wir haben euch laut und deutlich verstanden‘-Konsole.

Nur verschwinden diese Versprechen mittlerweile hinter einem Dickicht aus Missverständnissen und Widersprüchen – angefangen beim Spiele-Lineup bis hin zur Zielgruppe.

Während der E3-Pressekonferenz stellte Microsoft Project Scorpio bewusst als Teil des Xbox One-Ökosystems vor, betonte die Kompatibilität zwischen beiden Konsolen. Trotzdem deutete General Manager of Microsoft Studios Global Publishing Shannon Loftis im Gespräch mit dem Journalisten Geoff Keighley  an, dass es von der "Entwickler-Community" abhänge, ob das neue Modell mit Exklusivtiteln versorgt wird. Aaron Greenberg, seines Zeichens Head of Xbox Games, äußerte sich wiederum ganz anders zum Thema.

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Das Tolle daran, dass Project Scorpio zur Xbox One-Familie gehört: Alle deine Spiele werden darauf laufen, keine Scorpio-Exklusivtitel, also verliert niemand den Anschluss.

So stand anfangs Aussage gegen Aussage – und mittendrin verwirrte Spieler. Erst eine Entschuldigung von Loftis, in der sie zugab, im Interview mit Keighley gepfuscht zu haben, fegte ein paar der vielen Fragezeichen beiseite.

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Einige bleiben dennoch zurück. Denn wie sieht es bei Virtual Reality aus: Gilt die "keine Exklusivtitel"-Regel auch hier und erwarten uns damit höchstens VR-Fassungen bereits erschienener Spiele wie etwa Fallout 4 ? Aber wie kreativ können Entwickler die Leistungsfähigkeit von Project Scorpio dann wirklich nutzen? Oder bekommen bestimmte Titel auf der Scorpio zusätzliche Features? Welcher Mehrwert bleibt da letztlich für Käufer und wo genau ordnet sich dann die Xbox One S  ein?

ReCore

Gegenüber Eurogamer  zog Head of Xbox Phil Spencer eine einfache wie enttäuschende Linie.

Eurogamer: Wieso sollte ich eine Xbox One S kaufen, wenn ich doch weiß, dass die Scorpio kommt? Welchen Grund würde ich haben, wenn doch eine weitaus stärkere Xbox auf dem Plan steht?
Spencer: Was für einen Fernseher hast du?
Eurogamer: Einen handelsüblichen Fernseher mit 1080p.
Spencer: Dann solltest du [die Xbox One S] kaufen, da dir Scorpio rein gar nichts bringen wird. Scorpio ist vom Design her eine 4K-Konsole, und wenn du keinen 4K-Fernseher hast, wirst du den Nutzen, den wir für dich designed haben, nicht sehen.

Im Anschluss daran erklärte er übrigens – um erneut den Reveal Trailer zu zitieren – die "Wir haben euch laut und deutlich verstanden"-Konsole zum Gerät für Hardware-Enthusiasten, die "ein wirkliches Interesse an 4K-Gaming" haben und bereit sind, einen "Premium-Preis" zu zahlen. Entsprechend ablehnend fielen viele der Reaktionen aus. Ein Eurogamer-Leser wunderte sich etwa: "Ihr gebt Entwicklern also Zugriff auf so viel mehr Rechenleistung, und die dürfen sie nur für 4K nutzen — keine weitläufigeren Gebiete, nicht mehr Gegner oder eine bessere KI, bis die Xbox One in den Ruhestand verabschiedet wird", wohingegen ein anderer in die Richtung von Microsofts Current Gen-Konsole stichelt: "Ich verstehe diese ganze Sache mit 'kauf dir keine Scorpio, wenn du keinen 4K-Fernseher hast‘ nicht, ich hab einen 1080p-Fernseher und die aktuelle Xbox packt kaum irgendein Spiel in Full-HD und 60 FPS. Ich würde mich [an Microsofts Stelle] erst einmal dafür entscheiden, ein Upgrade vorzunehmen, um das zu schaffen!"

Dass Spencer seine "Kaufwarnung" im Nachhinein etwas entschärfte  und doch Vorteile abseits einer 4K-Auflösung in Aussicht stellte, löst das Gewirr rund um Project Scorpio nicht gerade auf. Da ist es auch egal, wie nachvollziehbar eigentlich der Ansatz  ist, den Microsoft mit seinem plattformübergreifenden Ökosystem verfolgt. Wieso sollte ich mich mit einem Konsolenumfeld anfreunden, das der Konkurrenz leistungstechnisch entweder hinterherhinkt oder Spencer zufolge so gar nicht für mich gedacht ist? Scheinbar hat Microsoft auf die derzeit wichtigste Frage keine überzeugende Antwort.

Schlimmer noch: Sie haben diese Frage mit ihrem hin und her erst aufgeworfen.

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