Mit seinem Titel kündigt der neue Tatort aus Stuttgart mehr an, als er einzuhalten im Stande ist. Tatort: Eine Frage des Gewissens heißt der Krimi des Stuttgarter Teams, aber tiefe moralische Zerwürfnisse der beiden Helden in Bedrängnis werden entweder nur gestreift oder mit der Brachialität eines Industriestaubsaugers beseitigt. Lannert (wortkarg, aber stark: Richy Müller) bekommt die privaten Probleme von Bootz (Felix Klare) nicht mit, Bootz versucht sie mit Alkohol zu lösen. Beide giften sich ein wenig an. Achja, erschossen wird gleich zu Anfang auch noch jemand und das von einem Polizisten. Nicht, dass das hier unter den versifften Tisch fällt.
In medias res werden wir Zeuge eines Supermarktüberfalls, bei dem Lannert den durchdrehenden Geiselnehmer erschießt, während Bootz eine Frau zu Boden drückt. Der ungetrübte Blick auf die Tat bleibt uns wie auch Bootz versagt (es ist (s)ein Traum), was den Kollegen nicht davon abhält, bei einer Anhörung zu lügen. Der Schuss sei absolut gerechtfertigt gewesen, betont Bootz gegenüber dem Opferanwalt (Michael Rotschopf), obwohl er sich in Widersprüchen verfängt. Als Bootz die Zeugin des Überfalls sterbend in ihrer Wohnung auffindet, gerät er immer mehr unter Druck. Aber auch der Fall, in dem die beiden Kommissare einfach so weiter ermitteln dürfen, gerät komplizierter, als gedacht.
Rettungsschuss oder Todesschuss? Im Grunde nimmt sich das Drehbuch von Tatort: Eine Frage des Gewissens Aspekte der Polizeiarbeit an, die in Sonntagskrimis kaum beleuchtet werden. Wenn Nick Tschiller zig Gangster abballert, dann wartet allenfalls eine mürrische Rüge des Chefs, bevor der Abspann das Happy End einläutet. Ob das Eingreifen gerechtfertigt war, bleibt unserer Einschätzung überlassen, während wir bei Jauch und Co. langsam wegdämmern. Insofern erfreut der Stuttgarter Krimi kurzzeitig mit der Nachbereitung eines Ereignisses als Ausgangspunkt, das in einem anderen Tatort zum Finale gehört hätte. Er habe es - den Wunsch zu töten - in den Augen des Täters gesehen, entschuldigt sich der paralysiert wirkende Lannert, der von der Lüge Bootz' nichts weiß.
Weil wir uns einen Tatort ansehen, muss der Opferanwalt natürlich als schmieriger und arroganter Antagonist dargestellt werden, was an sich zu verkraften wäre ("Es ist sein Job."). Mit zunehmender Spielzeit des Krimis schlägt sich das Drehbuch jedoch derart auf die Seite der beiden Kommissare, die alles tun, ihren Job zu behalten, dass nicht nur die Geschichte selbst an Glaubwürdigkeit verliert. Vielmehr gibt Eine Frage des Gewissens ein ganz ausgezeichnetes Beispiel ab, wie Tatort-Kommissare zuungunsten der Dramatik in einem flauschigen Kokon der Sicherheit gehüllt werden. Wenn also der Opferanwalt, quasi eine der Möglichkeiten von Otto Normalbürger gegen begangenes Unrecht durch die Staatsgewalt vorzugehen, wenn also dieser Anwalt als arroganter Fiesling dargestellt wird, ist das ein Klischee. Ein langweiliges, aber nur ein Klischee. Wenn der komplette Fall so zurechtgebogen wird, dass die Schuld mirakulös von Kommissaren auf Vertreter der Opfer übergeht... tja, dann ist das "eine Frage des Gewissens".
Mord des Sonntags: Jeder Krimidrehbuchratgeber erleidet bei der Auflösung einen Herzinfarkt.
Zitat des Sonntags: "Für sie bin ich doch nur eine (!) pain in the ass."
An dieser Stelle findest du einen externen Inhalt, der den Artikel ergänzt. Du kannst ihn dir mit einem Klick anzeigen lassen und wieder ausblenden.
Externe Inhalte zulassenMehr dazu in unserer Datenschutzerklärung